Freitag, 8. Juli 2016

1993 - Bürgerkrieg in Jugoslawien und Maastrichter Vertrag vor der EU - Nirvana bis Palace Brothers

Bill Clinton wird 42. Präsident der Vereinigten Staaten, auf das World Trade Center in New York wird ein Sprengstoffanschlag verübt, bei dem 6 Tote und 1000 Verletzte zu beklagen sind. Der erste Versuch sozusagen. Im ehemaligen Jugoslawien herrscht immer noch Bürgerkrieg, ebenso in Georgien, wo im Laufe von ethnischen Säuberungen 7.000 Menschen umgebracht werden. Im Maastrichter Vertrag wird die europäische Union vorbereitet und in Russland kommt es zu den ersten halbwegs demokratisch-freien Wahlen. Bei einem Erdbeben in Japan kommen ca 250 Menschen um, in Indien sterben bei einem Erdbeben ca 3000 Menschen. Der Schauspieler River Phoenix, Regisseur Frederico Fellini, Frank Zappa, Bowies Gitarrist und Freund Mick Ronson und der Jazzvisionär Sun Ra sterben. In dieser ersten Hälfte der 90er etabliert sich der sogenannte Independent-Rock endgültig und wird zum Mainstream. Was bedeutet, dass diverse Plattenfirmen jeden Nerd unter Vertrag nehmen, der eine Gitarre halten kann, was dann zu einem fatalen Überangebot führt, das diesem Hybrid aus eigentlich sehr diversen musikalischen Richtungen sehr schaden soll. Nirvana, die Auslöser des Indie-Hypes veröffentlichen derweil den Nachfolger zu Nevermind.. 1993 ist ein Jahr, in dem Rock von Frauen wie PJ Harvey, Liz Phair, den Breeders etc eine kleinen Hype auslösen - unberechtigt, denn gute Musik haben Frauen vorher und danach gemacht - es ist das Jahr in dem Brit-Pop zum Massenphänomen wird, es ist ein Jahr in dem viel gute elektronische Musik von Acts wie Seefeel oder Autechre herauskommt, es ist ein weiteres Jahr mit vielen guten aber noch mehr tollen, aber unbekannten Alben, ob Hardcore (Fugazi), Shoegaze (Boo Radleys u.a.), HipHop (Wu-Tang Clan) oder Black Metal (siehe den kleinen Abriß weiter hinten), Earth erfinden Drone Doom Metal und auch Bob Dylan macht gute Musik. Derweil verkaufen Hochleitungssängerinnen wie Whitney Houston und Mariah Carey ihre seelenlose Konfektionsware wie... Konfektionsware, und auch Menschen, denen Alternative zu alternativ klingt, bekommen mit Bands wie den Candlebox ihren Schmuse-Grunge. Wenn man Musik nur als Tapete braucht......

Nirvana

In Utero


(Geffen, 1993)


Bei wenigen Platten wurden vor Veröffentlichung so große Erwartungen geschürt, wie vor dem dritten regulären Studioalbum von Nirvana. Die Veröffentlichung von In Utero wurde etliche Male verschoben, Gerüchte über Streitereien zwischen der Plattenfirma und den Musikern wegen eines Mangels bzw. Übermaßes an Kommerzialität, Cobains Unwohlsein wegen seines Status' als Vorbild einer ganzen Generation, die Skandal-Ehe mit Courtney Love, seine zunehmenden Drogenprobleme, all dies ließ Schlimmes befürchten. Aber dann kam In Utero und alle Befürchtungen und Hoffnungen konnten auf Normalmaß zurückgefahren werden. Wobei man beachten sollte, dass zur damaligen Zeit der Heiligenschein der Verstorbenen Rock-Ikone noch nicht über Kurt Cobain schwebte, und so mancher Dogmatiker der Band ihren Wunsch nach Authentizität als verdrehten Wunsch nach Kommerzialität auslegte. Produzent Steve Albini jedenfalls hatte einen guten Job gemacht, seine reduzierte, klare Produktionsweise stand den Songs gut zu Gesicht, bei zwei Songs wurde – zwecks kommerzieller Anpassung ScottLitt zum Remix hinzugezogen. Und Kurt Cobain konnte bei aller Liebe zum Krach in seinen Songs einfach den Beatles-Fan nicht verleugnen. „Dumb“ und „Heart Shaped Box“ oder „All Apologies“ sind wunderbarer, lärmender Pop, „Tourtettes“ hingegen blies jede Befürchtung davon, die Band möge „brav“ geworden sein. Im Rückblick ist es das Nirvana-Album, dem die seither vergangene Zeit am ehesten gut getan hat, und man kann die Zerrissenheit zwischen Pop und Unkommerzialität inzwischen vielleicht als Qualität erkennen.

Nirvana - Dumb 

Tindersticks

s/t


(This Way Up, 1993)


Die Tindersticks machen Musik, die beunruhigt. Und dies am Besten und am Deutlichsten auf ihrem gleichnamigen Debüt. Zum Teil mag das an Stuart Staples' manchmal an Vincent Price erinnernde Stimme liegen. Aber ohne die Songs und die Lyrics in ihrer dekadenten Düsternis wäre die einzigartige Atmosphäre auf diesem Debüt nicht zustande gekommen. Es ist gewiß das purste, das archetypische Tindersticks Album, an das sie irgendwie nie mehr herankamen. Vieles was folgen sollte war gut, manches gar exzellent, aber die Tindersticks waren Frühvollendete. Zum einen die Songs! Einen besseren als "City Sickness" würden sie nicht mehr schreiben (Außer vielleicht „Travelling Light" vom folgenden Album), dann ist da auch noch die brennende Intensität von "Whiskey & Water", der seltsame Gothic Story-Song, "Marbles", der Mariachi in "Her", die Getriebenheit in „Jism“. Nicht alles hier ist weißglühend aber das gesamte Doppelalbum (Und es MUSS Vinyl sein) ist ein barockes Kunstwerk. Ein reicher, blut- und wein-getränkter Gobelin, der Dekadenz wie einen intensiven Geruch ausströmt. Irgendwann würde diese Attitüde zur Falle, aber zunächst – vor Allem auch für das folgende Album – sollte dieses Image zu wunderbaren Ergebnissen führen. Und eines ist sicher: Es gibt keine Band, die so klingt wie diese.

Tindersticks - City Sickness 

Björk

Debut


(One Little Indian, 1993)

Man wußte seinerzeit nicht genau was kommen sollte, nachdem Björk sich von den Sugarcubes befreít hatte, man hatte sie noch als isländische Eisfee mit der Hitsingle „Birthday“ im Gedächtnis und man hörte nun, dass sie mit Nellee Hooper (Soul II Soul) zusammenarbeitete, aber man würde im Laufe der kommenden Jahre die Erfahrung machen, dass bei der Isländerin das Unerwartete zu erwarten war. Tatsächlich ist Björks erstes Album Debut sowohl tanzbar, verspielt und poppig als auch experimentell und vor allem Eines: vollkommen Björk: Das heißt, Ihr Umgang mit Musik ist zum mindesten eigenartig und vor allem immer wieder höchst individuell. Björks Stimme mag manchmal das einzige organische Element in diesen Songs sein, die Musik klingt dennoch kaum nach elektronischer Popmusik wie man sie bis dato kannte. Und es ist definitiv Popmusik. Das fiebrige „One Day“, das bittersüße „Violently Happy“, „Human Behaviour“ mit seinen dramatischen Percussion, in dem sie die ganze Bandbreite ihrer Stimme auslotet. Natürlich machte diese Stimme und dann auch noch dieser Akzent alles so unverwechselbar, ob in den Dance Tracks oder in romantischen Momenten wie bei „Venus As a Boy“. Aber es sind auch diese Songs, die man sich von anderen Musikern kaum vorzustellen vermag. Auf den folgenden Alben sollte sie ihr Spektrum noch erweitern, Debut bewies schon mal ihr immenses Talent - und es mag wegen seines weniger überkochenden Eklektizismus den folgenden Alben sogar überlegen sein 

Bjork - Violently Happy 

The Wu-Tang Clan

Enter the Wu-Tang Clan (36 Chambers)


(Loud, 1993)

Raw as fuck“, - so haben Fans und Kritiker das erste Album des Wu-Tang Clan gerne beschreiben. Eine der herausragenden Eigenschaften dieses enorm produktiven Kollektives war und ist bis heute, dass jedes Mitglied des Clan seine eigene, unverkennbare Stimme hat. Ob RZA, GZA, Method Man, Raekwon, Ghostface, oder insbesondere Ol' Dirty Bastard (RIP), allesamt einzigartig und höchst kreativ. Und der originäre Stil in dem jeder seine Rhymes abliefert trägt zur düsteren und surrealen Atmosphäre des Debütalbums des Clans bei. Enter the Wu-Tang Clan (36 Chambers) ist in vieler Hinsicht härter als manches Heavy Metal Album. Die Produktion ist der Schlüssel zum Erfolg: Die Samples aus alten Kung Fu-Filmen sind kalkulierter Stil, denn ihren Namen führten sie auf den Kung-Fu Streifen Shaolin and Wu Tang zurück, aus dem sie auch etliche Audiosamples entnahmen. Sparsamkeit und Subtilität der Beats und des Sounds sind vielleicht vergleichbar mit den Tracks auf Nas' Illmatic.. Schon „Bring the Ruckus“ lässt erahnen, daß hier etwas ganz Neues beginnt. Stücke wie „Da Mystery of Chessboxin“, „Wu-Tang: 7th Chamber“ mit unheimlichen Piano-Passagen oder „Protect Ya Neck“ sind auch für heutige Verhältnisse außergewöhnlich abwechslungsreich – und wer Old School mit Langeweile gleichsetzt, hat HipHop nicht begriffen. 36 Chambers wurde vollkommen zu Recht eines der einflussreichsten HipHop Alben der 90er, und ist eines geblieben, das bis heute wichtig ist. 

Wu Tang Clan - Protect Ya Neck 

Smashing Pumpkins

Siamese Dreams


(Hut, 1993)

Wo Nirvana sich mit ihrer Spielart des Grunge in Richtung Pop und Punk wandten, drehten die Smashing Pumpkins sich auf ihrem Meisterwerk Siamese Dreams in Richtung Prog und Pomp. Dabei waren doch die Bedingungen zunächst denkbar ungünstig gewesen. Mastermind Billy Corgan hatte eine veritable Schreibblockade, Drummer Jimmy Chamberlin versank immer tiefer in seiner Drogensucht und Bassistin D'Arcy und Gitarrist James Iha beendeten gerade ihre Beziehung. Aber schlechte Zeiten bringen ja bekanntlich mitunter die besten Platten hervor. Corgan spielte zunächst einmal alle Instrumente (außer Percussion) selber ein, ließ seine Songs von Butch Vig in Soundschichten ertränken und mit Gitarrensoli Galore aufblähen. Und alles das funktioniert aufs Wundervollste. „Cherub Rock“, „Today“, „Rocket“ und die symphonische Ballade „Disarm“ wurden zu Hymnen des Alternative Rock der 90er und das Beste war: Die gesamte Dopple-LP funktionierte wie ein Uhrwerk. Eigentlich ist Siamese Dreams ein Klassiker, der genauso wichtig und gut ist wie etwa Radioheads OK Computer, aber danach blähten die Smashing Pumpkins sich für den erfolgreicheren und bekannteren Nachfolger noch mehr auf – um dann langsam zu implodieren. Und insbesondere der Egomane Corgan machte sich danach immer mehr zur Witzfigur, zum Urbild des sich selbst überschätzenden Rockstars und setzte damit seine eigenen Leistungen in ein schlechtes Licht. Hier allerdings hatte er noch seine Würde, immerhin.

The Smashing Pumpkins - Cherub Rock

The Posies

Frosting on the Beater


(Geffen, 1993)


Frosting on the Beater beginnt mit einer Wand aus verzerrten Gitarren und donnernden Drums, die eine ungeheuer süße Melodie mit Ken Stringfellow und Jonathan Auer's cremigen Harmony-Vocals untermalen. Das psychedelische „Dream All Day“ eröffnete das zweite Album der Posies mit der Erkenntnis, daß sie alles anders machen wollten als noch auf dem 1990er Major-Debüt Dear 23. Noise Rock Spezialist Don Fleming saß nun auf dem Produzentenstuhl, und mit ihm war klar daß Frosting on the Beater weit direkter sein würde als das introspektive Dear 23. Aber Fleming wußte, daß er die Songs der beiden Köpfe der Posies nicht unter Lärm begraben durfte, und so ließ er die Hooks und Melodien und den Harmoniegesang der das Debüt ausgezeichnet hatte im Vordergrund stehen. So fließen auf diesem perfekten Power-Pop/-Grunge Hybrid fuzzy Gitarrenchords wie Himbeersoße über einen großen Becher Eiscreme. Man könnte den Posies vorwerfen, dass sie sich an den Trend der Stunde anbiederten, aber dazu waren all die Songs zu gut, und für Kritik ist dieses Album einfach zu perfekt, es hätte schlichtweg in jedem Gewand toll geklungen – und sollte man ihnen kommerzielle Anbiederung vorwerfen, so muß man bedenken, wie wenig bekannt dieses Meisterwerk letztlich geblieben ist.

The Posies - Dream All Day 

Slowdive

Souvlaki

(Creation, 1993)

Zu Beginn der 2010er Jahre ist - nach einer echten Ewigkeit - das dritte Album von My Bloody Valentine erschienen und hat die Aufmerksamkeit einer neuen Generation geweckt. MBV hatten zu Beginn der Neunziger mit ihrem feedback-getränkten Sound – sozusagen nur mit Rückkopplungen - ohne den Klang der Saiten selber - eine ganze Musikrichtung definiert: Shoegaze (heißt so, weil die Gitarristen live meist auf die Effekt-Pedale vor sich auf der Bühne starren) war zu Beginn der 90er in England DER mediale Hype und wurde dann nach kürzester Zeit vor Allem wegen ausbleibender Publikumsbegeisterung in Grund und Boden geschmäht. Beides natürlich zu Unrecht. Slowdive waren eine der wirklich guten Bands im Kielwasser der Trendsetter und ihr zweites Album Souvlaki könnte man als den schönsten Lärm zwischen den Beatles ca. Revolver- und eben MBV's Loveless beschreiben – wenn man – wie man ja muß – Vergleiche ziehen soll. Und dabei waren die Vorzeichen für dieses zweite Album der Band doch so negativ: Creation-Boss Alan McGee wollte endlich ein Hit-Album, Bandkopf Neil Halstead wollte mehr Experiment und Brian Eno als Produzenten - und bekam ihn auch – aber der ließ ihn nur endlose Gitarrenspuren aufnehmen, so dass Halstead frustriert das Studio verließ, und die restliche Band ein paar Klischee-Tracks aufnahm. Halstead kam zurück, nachdem Eno weg war und fügte ein paar simplere Tracks hinzu – und fertig war ein (unfreiwilliges) Meisterwerk. Am besten also "Machine Gun" und "When the Sun Hits" anhören und beobachten, wie sich die Melodien so langsam ins Unterbewusstsein senken. Die Gitarren schwirren umeinander, Vocal Harmonies verschmelzen und der seltsam vertäumte White Noise von MBV bekommt liebe, nette Kinder, die nicht einfach geklont sind, sondern ein eigenes Gesicht und einen eigenen Charakter haben. Tatsächlich ist Souvlaki trotz seiner fatalen Entstehungsgeschichte zugänglicher als Loveless., das Album, mit dem alles aus dieser Ecke verglichen wird. Der Gesang und Melodien ertrinken nicht im Sound, man muß sie nicht suchen, sie sind da und funktionieren. Aber kommerziellen Erfolg hatte die Band trotzdem weiterhin nicht. Es ist der seltene Fall, in dem das “schwierigere” Album das bekanntere blieb – was nichts an der Klasse von Souvlaki ändert.

Slowdive - When the Sun Hits 

Earth

Earth 2: Special Low Frequency Version


(Sub Pop, 1993)

Gitarren: Die sind möglicherweise das Instrument, das man dann irgendwann Ende der Neunziger zu oft gehört hatte. Aber nach Nirvana's Durchbruch war eine böse gespielte Gitarre (und nicht “rockiger” Gesang) noch sehr reizvoll, und wenn man sich von Soundflächen und Klicks und Beats frei macht, kann man sie auch heute noch gut anhören. Kurt Cobains Freund und WG-Zimmergenosse Dylan Carlson jedenfalls liebt bis heute den Klang von Gitarren – und insbesondere den Krach und die seltsamen subsonischen Drones die man mit ihnen erzeugen kann. Nur dass er nicht wie MBV oder deren Epigonen vordringlich versucht, Melodien damit zu erzeugen, ihm geht es um das Experiment, um physische Erlebnisse, um Krach, Soundtexturen, Ohrenkaputt. Drone (was irgendwie passender- und zugleich unpassenderweise an den Begriff Dröhnen erinnert) ist Geräusch, Klanginstallation, Lärm. Und somit natürlich nicht jedermanns Sache. Für manche mag das langweilig sein, ich liebe den Sound und lasse mich davon durch den Schlamm ziehen. Auf Earth 2 sind es drei Stücke, jedes über eine Viertelstunde lang, bestehend aus einem meist komplett durchgehaltenen Basston, über den monolithisch ein bis zwei Riffs stehen. Es gibt Bewegung, aber die kann man auch nur tektonisch, als Kontinentalverschiebung beschreiben. Carlson wird von den Melvins beeinflusst worden sein, die sowas auch schon mal in kleinerer Form gemacht hatten und vor allem von Black Sabbath und Electric Wizard, die ihren schweren Doom auf ihrem definitiven Meisterwerk Dopesmoker auch auf ein durchgehendes Riff reduziert hatten. Also: Diese Musik ist hart, schwerund minimalistisch, und wie man es bei solcher Kunst oft erlebt - sich wirklich damit auseinandersetzen ist anstrengend, aber lohnend.

Earth - Seven Angels (Part 1/2) 

Suede

s/t


(Nude, 1993)

Suede erschufen auf ihrem Debüt einen eigenen, verführerischen Sound, so etwas wie eine Mischung aus der Musik von David Bowie und den Smiths. Gitarrist Bernard Butler hatte die Fähigkeit, catchy Glam-Hymnen zu schreiben, Stücke wie das schnelle „Metal Mickey“ oder das kriechende, sexy „The Drowners“ etwa. Er konnte aber auch düster-romatische Songs wie das müde „Sleeping Pills“ oder das gequälte „Pantomime Horse“. Und all das hätte nicht funktioniert ohne Brett Andersons kalkuliert-affektierter Stimme, die mal an Morrissey, mal an Bowie erinnerte, die mal Sex, mal Teenage-Angst, mal große Emotionen transportierte. Suede waren Working-Class Lads, die Glamour wollten - und fanden, indem sie alte und neue Elemente zu ihrer eigenen, postmodernen Musik zusammenbauten. Ihre Musik verbindet das Beste aus Punk und Glam und setzt sich so einerseits vom Brit-Pop dieser Zeit ab, fügte ihm aber auch neue Facetten hinzu. Das alles hätte nicht funktioniert, wenn beide Musiker auf Suede nicht so gut harmoniert hätten. Diese fruchtbare Partnerschaft sollte jedoch nur noch ein weiteres Album lang halten. 

Suede - The Drowners 

Palace Brothers

There Is No-One what Will Take Care of You


(Drag City, 1993)


Das erste eigene Album von Will Oldham kam mit seinem ungewöhnlichen Sound zu einem Zeitpunkt, als Rockmusik gerne elektronisch oder bombastisch wurde. There Is No One What Will Take Care Of You klingt wie die alten Aufnahme von Folk-Forscher Alan Lomax, oder wie etwas, das Harry Smith vergessen hatte, in seine Anthology of American Folk Music aufzunehmen. Will Oldham, der Kopf hinter Palace Brothers, hatte als Musiker in Kreisen um Bands wie Slint gearbeitet und als Schauspieler u.a. einen jungen Prediger aus den Apallachen gespielt, ehe er irgendwann Hollywood den Rücken kehrte – und wenn man sich eine Mischung aus Apallachian Folk Music und dem Geist des Punk vorstellt, kommt man dem Charakter dieser Musik, und damit den Intentionen des Musikers Oldham wohl nahe. Mit Songtiteln wie „Idle Hands Are The Devil’s Plaything”, “I Tried To Stay Healthy For You”, oder “O Lord Are You In Need?” schöpft Oldham aus biblischen Quellen, die er natürlich auch in den alttestamentarischen Texten über Schuld und Sühne anzapft. Sein seltsam verwaschener Gesang und die Instrumentierung mit Banjo und Steel neben polternden Drums und verzerrten Gitarren ohne Virtuositätsanspruch bedient eine Ästhetik, die am ehesten an Punk erinnert – oder eben auch an die amerikanische Folk-Musik der 20er bis 30er Jahre. Es ist Gothic Country, bevor es Gothic Country gibt, und Oldhams Ruf, der ihn mit den Jahren in eine Reihe mit Musikern wie Cash und Cave stellt, gründet auf diesem Debüt – noch unter dem Namen Palace Brothers veröffentlicht - nur eines der Pseudonyme hinter denen er sich gerne verbergen sollte. Eigentlich ist hier schon all das enthalten, was Alben wie I See a Darkness zu Klassikern der alternativen (Country)-Musik machen sollte. Die Songs „I Tried To Stay Healthy For You" und der Gospel “I Was Drunk At The Pulpit” klingen, als wären sie hundert Jahre alt – dabei war Oldham zu dieser Zeit gerade Mal 22... Manchem ist There Is No-One... noch zu unfertig, Andere werfen ihm vorgespielte Authentizität vor, ich denke, beides “könnte” sein, aber was schert mich der Konjunktiv? Die Qualität der Songs lässt Kritik letztlich verstummen.

Palace Brothers - I Tried to Stay Healthy for You 




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