Samstag, 2. Juli 2016

1969 - Nick Drake bis Jimmy Campbell - All die traurigen Männer Teil 1

Die hier unten versammelten Musiker haben sicher wenig miteinander zu tun – und ich will auch keine Beziehung herbeifantasieren, aber eines fällt mir auf im Jahr 1969: Viele Songwriter haben den politischen Protest eingetauscht gegen eine desillusionierte Haltung. Noch ist es nicht die pure Introspektion, noch kreisen sie nicht allein um sich selbst, noch sehen sie nach Aussen, aber da ist entweder melancholische Ruhe eingekehrt (Drake, Buckley) oder tiefschwarze Ironie an die Stelle von Idealen getreten (Walker, Van Zandt) – oder die Musiker sind - wie Skip Spence – selber zu Ruinen des Traumgebäudes „Love and Peace“ geworden. Die musikalische Sprache mag bei allen hier versammelten Musikern unterschiedlich sein, aber es sind insbesondere die Aussagen/Texte, die sich im Vergleich zu denen vor '68 stark verändert haben, die nun allgemeiner und allgemein-gültiger werden. Und daraus entsteht eine neue Musik - es entsteht der bis heute im Grunde unveränderte „Singer/Songwriter“.

 

Nick Drake

Five Leaves Left


(Island, 1969)


Von heute aus gesehen hatte Nick Drake doch eigentlich alles, was einen erfolgreichen Musiker ausmachen sollte, er hatte eine wunderbare Stimme, war ein versierter Gitarrist, hatte großartige Songs und er hatte für sein Debut Five Leaves Left (Der Titel bezieht sich auf die letzten 5 Blättchen für Zigaretten) mit Joe Boyd einen namhaften Produzenten und die Besten der Besten der britischen Folk Szene als Begleitung (Richard Thompson von Fairport Convention an der Gitarre und Danny Thompsion von Pentangel am Bass). Aber - der junge Mann war viel zu perfektionistisch um Live auftreten zu können, dazu noch äußerst introvertiert– so sehr, daß er bei den wenigen Konzerten mitunter minutenlang stumm dasaß und seine Gitarre stimmte. Seine Studioalben allerdings zeigen, wie gut er war, und was für ein Talent die Welt verlor, als er sich 1974 umbrachte. Schon dieses Debüt besticht durch die melodisch reichen Songs, und es ist durchaus optimistisch im Ton, und durch die dezenten Streicher und Bläserarrangements seines Schulfreundes Robert Kirby klingen die Songs noch delikater. Die Lyrics sind zwar melancholisch, aber man kann wirklich nicht – wie es so gerne versucht wird – suizidale Gedanken hineinlesen. Dazu ist seine Stimme und Intonierung nicht etwa düster, nein, ich habe eher einen ruhigen, vielleicht etwas verregneten Samstag Nachmittag in England vor den Augen, wenn ich diesen Klang höre. Jeder hat auf diesem (wie auf den beiden folgenden Alben) so seine Favoriten, meine wären „River Man“ und „Cello Song“ - aber das Album ist als Ganzes perfekt – und diese Atmosphäre in die Sonne Kaliforniens versetzt führt mich (ein bisschen auf beliebigen Umwegen) zu.....

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Alexander „Skip“ Spence

Oar


(CBS, 1969)


 

... der allerdings mit noch mehr Recht gerne mit Syd Barrett verglichen wird. Alexander Spence hatte ein paar Jahre zuvor mit den so talentierten wie glücklosen Moby Grape eine Karriere vor die Wand gefahren. Mit den damals angesagten Drogen hatte er sich Paranoia und Schzophrenie zugelegt, und war dann in der Psychiatrie verschwunden. Ein halbes Jahr später tauchte er wieder auf, verlangte ein Motorrad und Studiozeit in Nashville und nahm mit kleinem Budget komplett alleine dieses Solo-Album innerhalb weniger Tage auf . Dass er die Songs kaum ausformulierte, dass sie - nach heutigen Masstäben – wahrhaftig „LoFi“ sind, verleiht ihnen nun eine seltsame Modernität. Zur damaligen Zeit war diese Nicht-Produktion keine Qualität, sondern ein Mangel, heute kenne ich etliche „erfolgreichere“ Alben, die weit weniger durchgestyled sind, und das als Credibility verkaufen. Aber – wie immer – was zählt, sind doch die Songs: Und da hatte Skip Spence, vielleicht gerade weil er (zumindest für kurze Zeit) einem extremen Umfeld entkommen war, anscheinend einen Berg an Inspiration und Material vorzuweisen. Schon bei Moby Grape war Spence DER Songwriter gewesen (...neben anderen, die waren ein Sammelbecken für talentierte Musiker...), er hatte u.a. deren besten Song „Omaha“ geschrieben, hier scheint sein Talent noch einmal auf wie ein dunkler Diamant, Da ist „War in Peace“, gesungen im Falsett, ein Stück das gleichzeitig lose und zufällig klingt wie es konzentrierte Planung bietet – Spence hat wie gesagt alle Instrumente selber eingespielt, und hier alle Elemente im Rahmen zu halte erfordert ein genaues Wissen um das erwünschte Resultat. Dann ist da aber auch das über neun-minütige „Grey/ Afro“, eine verfremdete Stimme, die dubiose Lyrics über Bass und Drums rezitiert. Oar dokumentiert, wie ein kreativer Geist langsam immer tiefer in Depression und Wahnsinn versinkt – und sich damit fast freudvoll abfindet. Das Album mag finstere Seiten haben, aber Spence war zu diesem Zeitpunkt offensichtlich auch glücklich über die Gelegenheit, sich äußern zu können. Selbstredend wollte '69 keiner diese Outsider-Musik hören – inzwischen hat Oar mindestens Kultstatus. Spence versank danach immer tiefer in Sucht und Krankheit und starb 30 Jahre später völlig verarmt.

 

Tim Buckley

Happy/Sad


(Elektra, 1969)




Tim Buckley

Blue Afternoon


(Elektra, 1969)



 

Happy/Sad ist Tim Buckley's schönstes Album. Es mag nicht sein visionärstes sein, es mag auch nicht sein zugänglichstes sein, es ist eigentlich ein Album des Überganges, aber es hat eine einzigartig spätsommerliche Atmosphäre, die es in seiner Zeit einfängt, wie ein Insekt in Bernstein. Nach dem Erfolg von Goodbye and Hello entschloss sich Buckley, seinen Vorlieben für Jazz in seinen Folk-Singer/Songwriter Sound einfließen zu lassen und nahm mit kleiner akustischer Besetzung eine mutige Kollektion von gerade mal sechs teils über 10 minütigen Songs auf, die die Grenzen seines bisherigen Schaffens in allen Richtungen überschritten. Es ist immer wieder erstaunlichzu bemerken, dass auf Happy/Sad weder Drums noch Percussion die außerordentlich rhythmische Musik unterstützen. Der Bass und ein prägnates Vibraphon untermalen Gitarren zwischen Jazzigen Soli und weichen Chords. Die Hauptarbeit aber übernimmt natürlich Tim Buckleys fantastische Stimme. Hier begann er wirklich die Grenzen ihrer Möglichkeiten auszuloten – aber einer der wunderbaren Aspekte an Happy/Sad ist, dass er seine Stimme hier trotzdem noch den Songs unterordnete. Songs, bei denen sich zeigt, dass Buckley als Songwriter zu dieser Zeit in Hochform war. Es ist das beste Album, um einen Einstieg in sein Werk zu finden. Kaum fünf Monate später war Buckley zu Frank Zappas Straight Label gewechselt und vollzog den Schritt zu seiner Vision von Jazz in aller Konsequenz. Er produzierte nun selber und nahm in vier Wochen nicht nur Blue Afternoon, sondern auch – zumindest teilweise - die beiden Nachfolger Lorca und Starsailor auf. Das zunächst '69 veröffentlichte Blue Afternoon besteht dabei noch aus älterem Material, zunächst für Happy/Sad gedachten Songs wie dem optimistischen Opener „Happy Time“ oder dem weit düstereren „Chase the Blues Away“. Hier war noch Folk der Ausgangspunkt für Exkursionen in eine seltsame, eigenwillige Form von Vocal-Jazz. Der Einzige der in eine ähnliche Richtung gegangen war, war im Jahr zuvor Van Morrison mit Astral Weeks gewesen. Auf Blue Afternoon ist der Folk-Einfluss prägend, noch wollte Buckley nicht so weit gehen, wie er es auf den folgenden beiden Alben tat. „River“ und „Cafe“ wären auch auf dem Vorgänger nicht fehl am Platze gewesen, sind atmosphärisch und melodisch, der letzte Song auf der LP, „The Train“ weist dann aber schon in die Richtung, in die Buckley seine Stimme dehnen sollte.

 

Scott Walker

Scott 3


(Phillips, 1969)




Scott Walker

Scott 4


(Philips, 1969)



 

Scott Walker's letztes British Top Ten Album war das erste, auf dem er den überwiegenden Teil der Songs selber verfasst hatte - die drei überigen Songs entstammen der Feder seines großen Vorbildes Jacques Brel. Man muß bei diesem Album bedenken, dass Walker vor gerade mal 18 Monaten noch als Teenager Idol in den entsprechenden Magazinen abgelichtet worden war. Und nun sang er auf „Big Louise“ für die Zeit ausgesprochen explizit über eine Prostituierte. Was Scott 3 so ungewöhnlich macht, ist die Vermischung zweier ästhetischer Systeme: Eine Orchestration die an Sinatra erinnert stößt auf Gesang und Texte, die so tiefgründig und melan-cholisch sind, dass sie in diesem Zusammenhang fast surreal wirken. Noch gibt es auf Scott 3 lichte Momente, auch wenn bei „It's Raining Today“ die Geigen im Hintergrund fast atonal flirren, meint man Hoffnung fühlen zu können. „If You Go Away“ basiert auf dem Jacques Brel Song „Ne me quitte pas“ und ist mindestens so berührend wie das Original, „Copenhagen“ läßt, wie manches an dieser Musik an den frühen David Bowie denken, der sich Scott Walker sicherlich angehört hatte. Manchem gilt Scott 3 aufgrund seiner Kombination aus Anspruch und düsterem Pop-Appeal als Walkers bestes Album, experimenteller noch war dann das im selben Jahr veröffentlichte Album No.4 Hier waren nun alle Songs von Scott Walker selber geschrieben, und die Lyrics für den Pop-Betrieb nun vollkommen ungeeignet. Es wurde logischwerweise das erste Album, das die britischen Top Ten nicht erreichen sollte. Schon das erste Stück „The Seventh Seal“ behandelt den gleichnamigen Ingmar Bergman Film-klassiker, „The Old Man's Back Again“ ist dem Neo-Stalinistischen Regime gewidmet, „Hero of the War“ ist ein ironischer Tribut an einen Kriegshelden. Auf dem Backcover wurde Albert Camus mit "a man's work is nothing but this slow trek to rediscover, through the detours of art, those two or three great and simple images in whose presence his heart first opened" zitiert. Musikalisch wurden die Arrangements etwas heruntergefahren, erinnern manchmal an Filmmusik von Ennio Morricone, die Songs sind allerdings allesamt wunderbar und wunderbar majestätisch. Walker hatte bislang noch nie so gut komponiert. Dass er sich mit dieser Musik, die ihm offenbar eine Herzensangelegenheit war – ins kommerzielle Abseits manövrierte, sollte ihm in den kommenden Jahren wohl immer gleichgültiger werden – wie man dann Jahrzehnte später an Alben wie The Drift hören sollte.

 

Townes Van Zandt

Our Mother The Mountain


(Tomato, 1969)




Townes Van Zandt

s/t


(Tomato, 1969)


 

Townes Van Zandt hatte im Vorjahr sein Debüt veröffentlicht und sich mit diesem Album Respekt unter anderen Musikern verschafft, der kommerzielle Erfolg jedoch blieb bescheiden. Dabei war er ein hervorragender, am Stil Lightnin' Hopkins' geschulter Gitarrist, und hatte eine angenehme, wenn auch etwas brüchige Stimme. Das wirkliche Pfund, mit dem Van Zandt wuchern konnte, waren seine Songs und deren Lyrics: Nicht umsonst gilt er Manchen bis heute als der Shakespeare der Textdichtung – was heissen soll: Er war in der Lage in kurzen Zeilen eine komplette und komplexe Geschichte entstehen zu lassen. Er dürfte vermutlich zeitlebens von den Tantiemen seiner Songs ein befriedigendes Einkommen gehabt haben. Sein zweites Album Our Mother the Mountain ist nur eines von mehreren hervorragenden Alben des Texaners - bis er in den Siebzigern über seinen exszessiven Lebenswandel stolperte. Sein zweites Album produzierte wieder Jack Clement, der  den Songs ein barockes Gewand verlieh, das sie nicht unbedingt benötig hätten. Umso beeindruckender ist es, wie wenig die Arrangements dem Songmaterial bis heute geschadet haben. „Kathleen“ beispielsweise ist in jeder Form als großartiges Stück zu erkennen, „Tecumseh Valley“ kannte man schon vom Debüt, war hier immerhin etwas sparsamer arrangiert und ist in beiden Fällen zeitlos schön. Insbesondere die zweite Hälfte des Albums profitiert dann aber von einfacheren Arrangements. Auf dem im selben Jahr veröffentlichten Nachfolger Townes Van Zandt verzichtete Van Zandt dann auf die Dienste von Clement und nahm seine Songs vergleichsweise sparsam auf. Und da ihm die Aufnahmen einiger Songs der vorherigen Alben nicht gefallen hatten nahm er die wichtigsten Tracks erneut auf: „Waiting Around To Die“, „I'll Be Here In The Morning“ und der Titelsong des Debüts sind in ihrer Askese intensiver noch als auf dem Debüt For The Sake Of The Song - wenn das überhaupt möglich ist. Die Melancholie und Düsternis seiner Geschichten kam in der kargen Instrumentierung besser zur Geltung, und neben den „alten“ Tunes gab es selbstverständlich wieder wunderbares neues Material. Die Minenarbeiter-Ballade „Lungs“ ist sowohl melodisch als auch textlich perfekt, genau wie „None But the Rain“, ein Song über eine fehlgeschlagene Beziehung - oder die hoffnungslose Ballade von „St. John the Gambler“ vom vorherigen Album... Nicht umsonst werden Van Zandt's Texte in ihrer Prägnanz und poetischen Eleganz mit den Großen der Musik – mit Dylan und dem Vorbild Hank Williams - auf eine Stufe gestellt. Und die Musik auf seinen Alben – meist eher Folk als Country, obwohl er später meist von den großen des Country gecovert wurde – hat weit mehr Beachtung verdient, als sie bekam. Die beiden '69er Alben gehören zu Townes Van Zandts beste Alben – aber man kann mindestens bis zum 1978er Album Flyin' Shoes bei den musikalischen Hinterlassenschaften dieses Mannes nichts falsch machen.

Leonard Cohen

Songs From a Room


(CBS, 1969)

Leonard Cohen's erste drei Alben gehören zu den Ikonen der „ruhigen“ Rockmusik – Songs of Love and Hate, der völlig schwarze '70er Nachfolger zu Songs From a Room ist eines der größten Alben in der Zunft in der Singer/Songwriter – hunderte Male nachgeahmt, nie erreicht... und das '67er Debütalbum hat die bekannteren Songs. So ist dieses zweite Album Cohen's gewissermaßen eingezwängt zwischen zwei Meisterwerken – was seiner Qualität keinen Abbruch tut. Immerhin sind hier Songs wie „Bird on a Wire, „The Story of Isaac“ und „Tonight Will Be Fine“, die allein schon ein ganzes Album tragen können. Leonard Cohen sah hier noch nicht völlig schwarz. Natürlich war er kein „Pop-Sänger“, er klang schon beim Debüt so alt wie die Zeit, und das hatte sich hier nicht geändert, aber noch strahlt hier und da die Abendsonne in die Songs, wenn er beim Opener „Bird on a Wire“ etwa Bilder vom „...worm on a hook" bis zum „...knight in an old-fashioned book“ entstehen lässt. Die Arrangements sind etwas sparsamer als auf dem Debüt, in fast jedem Song erklingt irgendwo im Hintergrund die Maultrommel, dafür erklingen beim wortgewaltigen „A Bunch of Lonesome Heroes“ auf einmal Acid-Gitarren. Cohen's Stil ist zeitlos geblieben – auch wenn es auf Songs from a Room hier und da ein paar Hinweise auf die Moden seiner Zeit geben mag. Das Prinzip dieser Art von Musik hat sich ganz einfach seit dem Mittelalter kaum geändert – und Leonard Cohen's Pfund war neben den fantastischen Texten immer die Reduktion in seiner Musik, die anscheinend so simplen Melodien – und von all dem bietet auch Songs From a Room reichlich. Und Leonard Cohen ist das Vorbild aller traurigen Männer.

F.J.McMahon

Spirit of the Golden Juice


(Accent, 1969)

Der Folksänger Fred.J. McMahon kam ursprünglich aus Santa Barbara, hatte vor seiner Zeit bei der US-Army Musiker wie die Beatles und vor Allem Hoyt Axton als Vorbilder auserkoren, war mit Band aufgetreten und mußte dann zur Army nach Vietnam und Thailand. Zurück von dort nahm er Spirit of the Golden Juice für das semi-legendäre Accent-Label auf. Man hört dem Album den geringen Aufwand kaum an – es gibt Bass und Drums von Musikern, die im Vergessen versunken sind, McMahon's Gitarrenspiel ist solide, seine Stimme nicht so reich wie die von Tim Hardin oder Fred Neil etwa – mit denen er mitunter verglichen wird, aber dieser sparsame und warme Sound könnte genauso gut heute entstanden sein – analoges Equipment vorausgesetzt.... Der Unterschied liegt in der Stimmung zwischen Reflektion und Melancholie – der Haltung, die nach der Zerstörung der Illusionen der Hippie Generation so immanent geworden waren. McMahon sang über seine Erlebnisse als GI in Süd-Ost Asien - der titelgebende „golden juice“ ist überigens der Whisky, der der Treibstoff der GI's gewesen sein soll – die Songs irgendwo zwischen Folk, Country und Lo-Fi Psychedelik mögen seinerzeit wenig Aufsehen erregt haben – da kam sicher nur wenig Unterstützung vom Label, aber er bot hier auch eine Art von Musik, die nicht gerade nach Aufmerksamkeit schrie. McMahon ging auf eine Tour entlang der Westküste und beendete dann seine Karriere als Musiker. Dieser musikalische Schatz wurde dann nach fast 35 Jahren von den jungen Folk-Musikern des neuen Jahrtausends gehoben und auf diversen Labels wiederveröffentlicht. Songs wie „The Road Back Home“ oder das Titelstück sind das Wiederentdecken wert.

Tommy Flanders

The Moonstone


(Verve Forecast, 1969)

Flanders war der Original-Sänger der New Yorker Band Blues Project – er sang auf deren Debut Live at the Cafe Au Go-Go, verschwand dann regelrecht in der Versenkung, machte noch eine Single – und tauchte dann 1969 etwas überraschend mit einem neuen Album wieder auf. The Moonstone war vermutlich sein letzter Versuch im Pop Business Fuß zu fassen – der Ton gemahnt an Tim Hardin, an Tim Buckley oder Fred Neil, das als Opener gewählte „Since You've Been Gone“ ist noch die übliche Singer/Songwriter-Ware der End-Sechziger, aber der Titelsong kann es durchaus mit den besten Songs der oben genannten weit bekannteren Zeitgenossen aufnehmen. Da ist das spinnenhafte Gitarrenspiel von Session-Crack Bruce Langhorne, da ist Flanders' klare und kraftvolle Stimme, da sind Begleiter wie Jerry Scheff (b) und Michael Botts (dr), die dem ganzen Album einen fließenden Sound irgendwo zwischen melancholischem Country und verträumter Hippie-Seligkeit verleihen. Auch dieses Album verkaufte sich, kaum, die Mischung war nicht populär, Flanders war inzwischen nur noch Wenigen bekannt und auf Tour hätte er sich die für das Album so wichtigen Begleiter nicht leisten können. So verschwand Flanders wieder von der Bildfläche und ward nicht mehr gesehen. Auch The Moonstone ist dankenswerterweise wiederentdeckt und –veröffentlicht – es ist ein weiteres von hunderten Beispielen für Musik, die eigentlich zu Unrecht vom Radar verschwindet

Jimmy Campbell

Son of Anstasia


(Fontana, 1969)

Der Brite Jimmy Campbell hatte sich seit den Mitt-Sechzigern seine Sporen in diversen Mersey-Beat-Bands in Liverpool verdient, und hatte bei den Kollegen einen guten Ruf als Songwriter. Einer der A&R Männer bei Fontana hörte davon, ließ sich ein paar Songs vorspielen und nahm den 25-jährigen für drei Alben unter Vertrag. Campbell nahm '68 in einem Zug genug Songs für zwei Alben auf – aber er war mit dem Umstand, ohne Band im Rücken ins Studio zu gehen nicht sonderlich glücklich – ihm fehlten sowohl Selbstvertrauen als auch Erfahrung – beim Song „Tremendous Commercial Potential“ etwa trat er langsam vom Micro zurück, als er erfuhr, dass man da ein „Fade-Out“ vorhabe. Irgendwie klingt das Album dadurch so, als wäre Campbell unwillig – oder eben zu nervös gewesen - seine Songs aufzunehmen – was Son of Anastasia zugleich einen ungewöhnlichen Charme verleiht. Material hatte Campbell bei weitem genug, aber anscheinend wusste keiner so Recht, wie man ihn produzieren sollte – und so spielt er dann meist eine geliehene Gitarre und ein Kazoo, imitiert mitunter mit seiner Stimme eine Trompete, singt mit schwankender Stimme und klingt wie ein weniger zugedröhnter Syd Barrett. Die Lyrics dazu klingen wie die Beobachtungen eines Outsiders, eines Mannes, der von einer Party berichtet, an der er nur ungern teilgenommen hat. Und all das ist nicht immer von Nachteil – die wenig ausgearbeiteten Tracks klingen wie Demo's – oder für heutige Ohren nach den Lo-Fi Recordings eines begnadeten Songwriter (siehe das feine „Michel Angelo“) und die durcharrangierten Stücke bestechen doch immer mit einem leicht betagten psychedelic-Pop-Flair – und gutem Songwriting (siehe etwa „Another Vincent Van Gogh“ - ja, Campbell hatte es mit der Malerei). Der Nachfolger sollte „arrangierter“ werden, aber Campbell's Manager Hal Carter würde vor allem erfolgreich werden, indem er Campbell's Songs promotete.
















 

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