Mittwoch, 21. Februar 2018

1992 - Ice Cube bis Pete Rock & C.L.Smooth - Das Golden Age of HipHop an der Westcoast und an der Eastcoast

Die West Coast und der Gangsta Rap


Das golden age of HipHop ist am Höhepunkt. HipHop hat seit beginn der Neunziger die Charts erreicht und die Rapper der verschiedenen Szenen im Osten, Westen und Süden der Staaten haben sich in Stellung gebracht - man kann Geld verdienen – auch ausserhalb der jeweiligen Hardcore-Fan-Base, denn es gibt inzwischen auch ein junges, interessiertes weisses Publikum – eines das anscheinend auch mehr Geld zur Verfügung hat (das ist in den USA ganz einfach immer noch Realität...) – und die verschiedenen Protagonisten – ob in Los Angeles oder New York, ob in Houston, Texas oder Atlanta - machen einen großen Hype darum, dass sie besser sind als ihre Konkurrenten aus der jeweils anderen Community. Dass daraus ein regelrechter Krieg mit prominenten Opfern (Tupac Shakur, The Notorious B.I.G...) werden wird, ist absehbar, wenn man die gesellschaftlichen Hintergründe und Herkünfte der Beteiligten und die mitunter nicht einmal aufgesetzte Gangsta Attitüde mit den aggressiven Aussagen bedenkt - etliche der Protagonisten haben entweder einen tatsächlichen „Gangsta“ Hintergrund oder erfinden ihn. Aber noch liegt der traurige Höhepunkt dieses „Krieges“ in der Zukunft – Thema an der Westküste sind die Rodney King Riots in LA – bzw. der Rassismus, der dahinter steht, dass ein unbewaffneter Afro-Amerikaner von vier weissen, rassistischen Polizisten straflos zusammengeschlagen werden konnte. Nach den Freisprüchen für die vier Polizisten rastet ein Teil der Bevölkerung LA's aus und am Ende stehen ca 50 Tote, hunderte von Verletzten und Schäden in Milliardenhöhe. Die Diskriminierung der schwarzen Bevölkerung steht zu dieser Zeit daher bei vielen Rappern im Vordergrund – was aber Nichts ändert... Aber egal ob man sich für die geografisch/sozialen Realitäten und Rivalitäten interessiert oder nicht – wer eine breite Palette an HipHop kennenlernen will, der ist im Jahr 1992 sehr gut bedient. Hier zuerst die Alben von der Westküste, die meiner Meinung nach Beachtung verdienen: Wie oben dargestellt veröffentlicht Dr. Dre (ehemals N.W.A. - DIE L-A. Gangsta) sein epochales Album The Chronic – und entwickelt seinen eigenen Style, genannt G-Funk. Aber auch sein Ex-Kollege Ice Cube kommt mit einem weiteren, wieder gelungenen und aus der Wut über den institutionalisierten Rassismus inspirierten Album daher. Andere, unbekanntere Acts tun es ihm gleich. Aber dass von der West Coast auch weniger ernster, leicht wahnsinniger HipHop kommen kann, zeigen The Pharcyde....

West Coast / Gangsta / Political Rap


Ice Cube


The Predator

(Priority, 1992)

Ice Cube und Dr. Dre sind '92 vielleicht nicht mehr die besten Freunde, aber sie geben den Hörern dieser Musik in diesem Jahr beide ein feines Album – und vielleicht ist die gegenseitige Antipathie ja nur Fake und es ist egal, dass ich beide Alben höre und mag. Wie auch immer, The Predator, das dritte Album in drei Jahren bietet einige Veränderungen zu den (mindestens textlich fragwürdigen) Vorgängern. Er produziert nun selber, lässt sich hier und da u.a. von DJ Pooh, Sir Jinx und DJ Muggs (von Cypress Hill) helfen, gibt den beiden MC's von Das EFX bei „It Was a Good Day“ das Mikro – und wird bei diesem Track regelrecht jazzy. Aber das ist dann die Ausnahme, den Rest des Albums regt er sich mehr oder weniger laut über Polizei und Gesellschaft auf. Anlass sind – wie oben gesagt - die im April ausgebrochenen Unruhen in LA (Grund für die Riots: Der Afro-Amerikaner Rodney King wurde von der Polizei grundlos zusammengeschlagen und die Polizisten kamen ohne Strafe davon). Aber im Vergleich zu den beiden Vorgänger-Alben ist seine wortgewaltige Kritik im Ton relativ zurückgenommen. Er ist immer noch ein zynischer Beobachter, aber er will nach eigenen Worten auch zeigen, dass er cool bleiben kann. Daher mag es kommen, dass auf The Predator die ruhigeren Tracks besser sind – dieses Album hat nicht die Energie und Wut von Death Certificate oder den durchgängigen rasanten Flow von Amerikkka's Most Wanted – es ist eine Ansammlung von guten bis sehr guten Tracks, mit den drei unzweifelhaften Highlights „Now I Gotta Wet 'Cha“, „The Predator“ und „It Was a Good Day“. Gegen das in diesem Jahr übermächtige The Chronic kommt es nicht an. Ice Cube konzentrierte sich seit diesem Jahr sowieso mehr auf seine Film-Karriere – vielleicht war ein bisschen Zurückhaltung da auch nützlich. Es ist sein letztes gutes Solo-Album.

Ice Cube - Now I Gotta Wet'Cha 


West Coast / Gangsta Rap


Da Lench Mob


Guerillas in tha Mist

(Eastwest, 1992)

Da Lench Mob ist Ice Cube in allem ausser dem Namen. Auch hier nimmt er Bezug auf die Geschehnisse, die zu den LA Riots im April und Mai '92 führten. Die Wut der schwarzen Bevölkerung über das straflose Davonkommen der vier Polizisten war nur der Anlass, der Empörung über jahrhundertelange Ungerechtigkeiten Luft zu verschaffen – und Ice Cube war mehr noch mit diesem Album als mit The Predator einer der Wortführer der Empörten. Der Titel dieses Albums bezieht sich auf einen der freigesprochenen Polizisten, der im Radio Schwarze, die ihm verdächtig vorkamen, mit dem rassistischen Vergleich als „Gorillas in the Mist“ (damals ein aktueller Filmtitel) bezeichnete. Da Lench Mob besteht aus den vier MC's Shorty, T-Bone, J-Dee und Maulkie, aber Ice Cube's Einfluss als Produzent und Rapper ist am deutlichsten erkennbar (Die vier Rapper hatten Ice Cube schon bei Amerikkkas Most Wanted geholfen). Guerillas in Tha Mist beginnt mit der dokumentarischen Aufzählung diverser Hinrichtungsarten für Afro-Amerikaner im Laufe der US-Geschichte – von der Zeit der Sklaverei bis in Heute – und das ist erst der Anfang. Da Lench Mob sind wirklich angepisst, und obwohl sie ganz klar Position gegen das Unrechtssystem beziehen und für den Track „Buck Tha Devil“ (wurde als Aufruf zur Gewalt gegen die Polizei angesehen) viel Kritik einstecken mussten, kann man ihnen nicht bloß unreflektierten Rassismus vorwerfen. Sie kritisieren durchaus auch die eigenen Leute („Ain't Got No Class“)- aber die Wut richtet sich eindeutig - und zu dieser Zeit aktuell – gegen den institutionalisierten Rassismus in US-Justiz und Gesellschaft. Aber all das wäre ja nur für Soziologen von Interesse, wäre Guerillas in Tha Mist musikalisch nicht so gelungen. Das Album passt wunderbar neben die Klassiker Straight Outta Compton und Ice Cube's erstes Album, die Produktion ist sauber und angenehm reduziert, er hat kluge Samples ausgesucht und die Beats sind angemessen hart. Das Album hat sicher mehr polarisiert als The Predator - die eigentliche Absicht hinter all dem Geschrei aber ist eine wünschenswerte Verbesserung der Zustände. Da kann man sich doch gerne mal im Ton vergreifen.

Da Lench Mob - Buck Tha Devil 


West Coast / Gangsta Rap



Comptons Most Wanted


Music to Driveby

(Epic, 1992)

Comptons Most Wanted sind eigentlich im gleichen Atemzug mit N.W.A. zu nennen – sie gehören mit zu den ersten, die an der Westküste eine Antwort auf den New York HipHop formulieren, sie kommen natürlich auch aus Compton, ihr Gangsta Rap ist mindestens so authentisch wie der ihrer berühmteren Konkurrenten – nur brauchten sie bis '92 um ihr erstes vernünftiges Album herauszubringen. Music to Driveby bietet genau das, was es benennt – und ist damit natürlich bewusst fragwürdig und provokativ. Rapper MC Eiht gilt bis heute als einer der stilprägenden Rapper, er erzählt in klaren Worten mit sehr wiedererkennbarer – manchmal etwas eintöniger - Stimme von seinen Erlebnissen in den Slums von Compton: Von Driveby-Shootings und dem Leben als Dealer und Gang-Mitglied, von der „Hood“ und von Feinden und Freunden – und zeichnet aus eigener Erfahrung ein Bild vom Leben in Compton. Textlich der beste aus vielen Tracks ist „Niggaz Strugglin“ mit wunderbarem Soul-Sample unter einer Art Rundumschlag über das Leben im Ghetto. Die Arbeit von DJ Slip & Unknown DJ ist durchweg ohne Fehl und Tadel. Sie produzieren harte Prä-The Chronic Beats, reduziert und ohne unnötige Spielereien mit geschickt gesetzten Samples, ab und zu gibt es ein paar Hinweise auf die Entwicklung hin zum smootheren G-Funk. Das Album hat neben MC Eiht's Stimme auch einen sehr eigenen Sound – und hätte Dr.Dre nicht den Platz des herausragenden Gangsta-Rap Albums besetzt gehalten, dann wäre Music to Driveby heutzutage vielleicht nicht nur bei Hardcore HipHop Heads bekannt. Die Zeit war reich an sehr gutem HipHop.

Comptons Most Wanted - Niggaz Strugglin' 


West Coast / Political HipHop



Paris


Sleeping with the Enemy

(Scarface, 1992)

Oscar Jackson Jr. - besser bekannt als Paris – machte auf diesem und dem Vorgängeralbum den HipHop, den sich Chuck D von Public Enemy vielleicht gewünscht hätte. Das '90er Album The Devil Made Me Do It gehört mit diesem Nachfolger zu den klügsten, extremsten und wortgewaltigsten Political HipHop-Alben aller Zeiten. Jackson hatte einen Abschluss in Volkswirtschaftslehre, war Mitglied der Nation of Islam – und sich sicherlich der Vorgänge in seiner Heimat und der Ressentiments gegen seine Leute bewusst – und er war Vielen ausserhalb seiner Community offensichtlich zu wortgewaltig. Das erste Album bekam kein Airplay, die Single wurde indiziert, und Sleeping with the Enemy wurde vom Label abgelehnt, so dass Paris es auf dem eigenen Label veröffentlichte – so blieb er gezwungenermaßen nur ein Thema für Hardcore Fans – und das nicht weil dem Album irgendetwas fehlen würde. Paris' Flow, ist mitreissend, er hat eine gute Stimme und die richtigen Stories, er produziert zusammen mit DJ Shadow (… ja, DEM DJ Shadow...) und die Beats sind klug, unterhaltsam und der Zeit gemäß reduziert und die immer wieder eingestreuten Samples von Polizeieinsätzen, Sirenen und wütenden Streitereien mit Cops sind die perfekte Untermalung zu seinen Stories. Man kann ihm seine extremen Positionen vorwerfen, man kann sagen, dass er mit einem Track wie „Bush Killa“, in dem er den Mord am damaligen Präsidenten durchspielt, die Kritik zu weit treibt und damit nebenbei bewusst kommerziellen Selbstmord begeht. Aber er geht nicht nur auf Cops und Weisse los, bei „Sleeping with the Enemy“ etwa geht es gegen die eigenen Leute. Und er hat ebenfalls einen Song titels „Gorillas in the Mist“ der sich auch auf den oben erwähnten Polizisten bezieht, der Rodney King grundlos zusammenschlug. Sleeping with the Enemy ist eher Public Enemy an der Westküste als Ice Cube 2.0 – aber es ist so gut, wie die besten Alben der genannten bekannteren Acts. Jackson machte noch zwei weitere Alben, ehe er sich von der Musik zurückzog, den Aktienhandel studierte, eine Menge Geld machte und dann dieses Geld in seine Community steckte. Inzwischen macht er wieder HipHop-Alben. Soviel zum Thema Credibility...

Paris - Bush Killa 


West Coast / Political HipHop



Disposable Heroes Of HipHoprisy


Hipocrasy is The Greatest Luxury

(4th & B'Way, 1992)

Wie gesagt: Seit den Riots in L.A. ist die Zeit für politischen HipHop reif. Noch zwei Jahre zuvor schien es, als würden die Speerspitzen des politischen Rap – vor Allem die East-Coast Heroen Public Enemy – schlapp machen. Aber da kommen von der Westküste diese beiden Freigeister daher, und klingen sogar manchmal wie PE – MC und Producer Michael Franti's Stimme erinnert sogar an die von Chuck D... Aber keine Sorge, Die Disposable Heroes of HipHoprisy sind keine Kopie der Ostküsten-Polit Rapper – sie machen es auf ihre Weise. Statt eine Flammenwand aus Redekunst loszulassen wird eher ruhig überzeugt, lässt er eher eine Art Spoken Word Performance los, die ihn als eine Art MC Gandhi hinstellt. Kein Vertun hier: Hipocrasy Is The Greatest Luxury ist informativ, wütend, leidenschaftlich UND politisch, Franti behandelt mit unterdrückter Wut Themen wie Korruption in Politik und Wirtschaft, AIDS, den Irak-Krieg, Rassismus (wie gesagt, gerade sehr aktuell an der Westküste) und nutzlosen Hass aus der Warte des Afro-Amerikaners (er selber ist irischer, deutscher, afrikanischer und indianischer Abstammung...) - ohne selber in Hasstiraden zu verfallen. Stattdessen mischt er schlauen Humor in seine Lyrics. Und so zurückhaltend wie die Texte ist auch die Musik. Franti arbeitet mit seinem Kollegen von den Beatnigs, dem Percussionisten Rono Tse, es gibt Industrial Beats, das kreischen von Kettensägen, aber die Jazz Gitarre von Charlie Hunter, und diverse Jazz-Samples sorgen für eine gewisse Zurückhaltung im Sound. Das Album hat eine ganz anderen Sound als Dr. Dre's The Chronic oder Ice Cube's Alben dieser Zeit, es hat vielleicht auch ein paar Längen – es dauert über eine Stunde – aber da sind Tracks wie die an Gil Scott-Heron erinnernde Single „Television, the Drug of the Nation“, da ist „Famous and Dandy (Like Amos and Andy)“ in dem er sich über die Posen der Rapper amüsiert, da ist die wundervolle HipHop Cover-Version von „Kalifornia über Alles“ von den Dead Kennedy's- Das Album lohnt das Anhören, es ist sehr eigenständig und es ist eines der reflektiertesten politischen Rap Alben überhaupt. Franti machte hiernach mit einer Band namens Spearhead einen wilden Crossover aus HipHop, Funk, Reggae, Jazz und was noch Alles... der mir nicht so befriedigend vorkam. Die Heroes of HipHoprisy machten kein Album mehr.

Disposabel Heroes of Hiphoprisy - Television, the Drug of a Nation 


West Coast / Jazz Rap



The Pharcyde


Bizarre Ride II The Pharcyde

(Delicious Vinyl, 1992)

Es gibt wohl kein Album aus LA, das '92 so „New York“ ist wie Bizarre Ride II the Pharcyde. Alles an der West Coast ist beeinflusst vom Gangsta Rap der N.W.A. und ihrer Ex-Protagonisten Dr. Dre und Ice Cube. Aber dass die vier Jungs von The Pharcyde eine ganz andere Schiene fahren, sieht man ja schon am Artwork ihres ersten Albums. Bizarre Ride II the Pharcyde ist in der Tat eine wilde, verrückte und spaßige Abenteuerreise, es wird spekuliert, wie es wäre, Präsident zu sein – wie man sich aus den absurdesten Schwierigkeiten herausmanövriert und wie es wäre, dieses oder jenes Mädchen zu bekommen. Die MC's Fatlip, Slimkid3, Bootie Brown, und Imani wechseln sich bei ihren Verrücktheiten ab, feuern sich gegenseitig an und schaffen eine Atmosphäre, die an eine unheimlichere Version der Philanthropen von De La Soul gemahnt. Produziert wird von einem gewissen J-Swift – und der benutzt eine Menge Funk und Jazz-Samples, schafft eine eher gechillte Atmosphäre und hält sich von den Prinzipien des Gangsta Rap und G-Funk fern. Da gibt es brilliante Tracks wie „Passing Me By“ mit sagenhaftem Flow und einem Sample, der gottweisswoher kommt. Da ist das tanzbare, funky „Soul Flower“ oder die spaßige Public Enemy-Sound Referenz von „Officer“ - aber das Album funktioniert als komplette Einheit – nicht selbstverständlich im HipHop. J-Swift musste The Pharcyde bald verlassen, da er seinen Crack-Konsum nicht mehr unter Kontrolle bekam. Sein Nachfolger würde Jay Dee, auch bekannt als J Dilla werden. Bizarre Ride II the Pharcyde ist ein Klassiker seiner Zeit. The Pharcyde gelten als Vorreiter für Alternative HipHop an der West Coats und für Acts wie Freestyle Fellowship und Jurassic 5, einzig Ice Cube's Cousin Teren Delvon Jones aka Del Tha Funky Homosapien hatte an der Westcoast mit seinem letztjährigen Debüt I Wish My Brother George Was Here dieses Feld beackert. Später haben Kanye West oder die Gorillaz den Ball aufgenommen, aber letztlich blieb das Album ob seiner Surrealität ein Solitär. Sogar der Nachfolger Labcabincalifornia ist nicht so.

 The Pharcyde - Soul Flower

HipHop '92 - Die East Coast - Hardcore und BoomBap


Ich frage mich, ob die Unterschiede zwischen den HipHop Acts der US Westküste (also LA) und der Ostküste (namentlich New York) nicht nur konstruiert sind. Letztlich ist es doch alles HipHop – Musik, bei der über Samples und Beats die jeweilige Lebensrealität dargestellt wird. Und ob das Leben in den Ghettos von LA so anders ist als das in New York? Für die Rapper in beiden Städten war es jedenfalls hart genug um wütend zu protestieren. In LA waren die Vorgänge um Rodney King und die Riots das Thema – in New York wurde der alltägliche Rassismus anders behndelt. Dabei ist dieser Rassismus an der Eastcoast nicht weniger ausgeprägt, das Leben als Afro-Amerikaner in den Slums nicht weniger hart. Letztlich gibt es in dem Jahr, in dem in LA Dr.Dre den G-Funk und den Gangsta Rap mit seinem Album The Chronic ausformuliert aus New York Töne, die sich ganz einfach so nicht nennen, stilistische Unterschiede, die den Ausführenden wichtig sind, die sie von denen an der anderen Küste unterscheiden sollen. Die Beastie Boys mit ihrem eindeutig an New York gerichteten Klassiker Check Your Head sind als Weisse und vom Punk mit beeinflusste Rapper auch in New York irgendwie aussen vor – ihr HipHop eine ganz eigene Geschichte. Der Stil der Zeit an der East Coast ist Hardcore Rap und Boom Bap. Hardcore Rap ist natürlich nicht '92 erfunden worden, er ist die schon Ende der Achtziger gegebene Antwort auf die Kommerzialisierung des HipHop mit Hilfe von aggressiven Drum Machines, harten Beats, noisigen Samples – aber das kennt man ja auch vom Gangsta Rap, oder ? Der Unterschied liegt in den Themen, über die gerappt wird. In LA ist es die Gewalt innerhalb der Gangs, Driveby-Shootings, Drogen und Sex, das Leben als Gangsta eben - in New York sind es eher Rap Battles, das dissen der Konkurrenz und allgemeinere Kommentare zur gesellschaftlichen Situation. Was 'rauskommt ist ähnlich, aber nicht gleich. Und die Bezeichnung Boom Bap, die bei vielen HipHop-Alben aus NY auftaucht, bezeichnet eine zu dieser Zeit ebendort beliebte Produktions- bzw. Soundvariante. Hier wird – ganz wie das Wort klingt – der erste Beat von der Bassdrum geschlagen und der zweite Beat von der Snare kling heller – und das war's... Dass das in den Neunzigern „modern“ ist und dann „oldschool“ - und damit unmodern - sein wird, erschließt sich mir nicht so ganz. Produktion und Sound mögen sich verändern, aber diese spezielle Art, den Rhythmus zu designen erscheint MIR doch recht... zeitlos. Aber – Boom Bap kehrt bestimmt bald zurück und die Alben vom Wu-Tang Clan, von Nas, Gang Starr oder EPMD sind (für mich immerhin) zeitlose Klassiker des Boom Bap oder meinetwegen auch des HipHop. Siehe also hier unten – eine Menge an großen Alben...

East Coast /Conscious Rap/Boom Bap



Gang Starr


Daily Operation

(Cooltempo, 1992)

Ein Album, das für mich tatsächlich typisch New York ist – nicht etwa, weil die Themen hier nicht das Gangsta-Leben behandeln, sondern weil der Sound mit den Jazz-Samples und den häufig eingesetzten Scratches so unverkennbar und typisch ist. Das Team aus DJ Premier und dem MC Guru hatte schon im Jahr zuvor mit Step in the Arena einen unverzichtbaren Klassiker des HipHop gemacht, Daily Operation steigerte die Qualität – und damit die Bedeutung von Gang Starr - noch einmal. Nach diesem Album wurde DJ Premier zum gefragtesten Produzenten der New Yorker Szene, der bald mit big names wie Nas, KRS One oder Jeru the Damaja arbeiten würde. Und Guru's Art seine Rhymes fließen zu lassen, wurde zum Markenzeichen – einem Markenzeichen, das niemand imitieren konnte und ihn zu einem der eigenständigsten Rapper seiner Generation machen würde. Es gibt diesen Begriff aus dem Amerikanischen, der eigentlich nicht übersetzt werden kann (oder muss...) - die Beats und Scratches sind „dope“ - entspannt, bekifft, cool... - und ja, die Musik auf Daily Operation ist dope, DJ Premiers Samples sind eigentlich monotone Aneinanderreihungen von 2-3-sekündigen Drum- oder Piano-Loops mit klug eingestreuten Samples und Scratches. Und all das funktioniert so gut, weil Guru ebenfalls so „dope“ klingt, immer ein bisschen gleichförmig, aber damit cool und überlegen - mit Lyrics, die das Zuhören fordern, die klüger sind als das meiste, was man sonst zu hören bekommt. Wären Songs wie „Ex to the Next Girl“ oder „Soliloquy of Chaos“ von jemand anderem mit solcher Eleganz denkbar? Weitere Highlights auf einem locker dahinfliessenden Album: „2 Deep“, „Take It Personal“ oder „No Shame in My Game“ - alles Tracks bei denen sich das Lesen des Textblattes lohnt – daher auch die Bezeichnung „conscious“ für diesen HipHop - bei denen Guru's Flow so ungemein beruhigend ist, dass der Begriff „dope“ 2x Sinn macht. Aber wie gesagt, beide Musiker wären ohne den anderen eben NICHT die Hälfte wert. Man KANN dem Album eine gewisse Gleichförmigkeit vorwerfen, so sind Gang Starr eben, und so werden sie auch die folgenden beiden Klassiker des HipHop bleiben. Gut so.

Gang Starr - Take it Personal 


East Coast /Hardcore Rap /Boom Bap



EPMD


Business Never Personal

(RAL, 1992)

Und der nächste Act, der als Epitom des New York HipHop steht: EPMD sind der Inbegriff des Eastcoast-Hardcore HipHop, sie sind '92 ein etablierter Act, der junge Helden fördert: Das EFX, Redman und K-Solo helfen auf Business Never Personal mit, gemeinsam mit EPMD und ein paar anderen bilden sie die „Def Squad Crew“ und bringen allesamt in diesem Jahr hervorragenden HipHop heraus. EPMD bleiben auf disem vierten Album bei dem, was sie am besten können: Knallende, funky Beats über denen schlechte MC's gedisst werden und auf Dicke Hose gemacht wird (die Formulierung passt hier so wunderbar...). Erick Sermon und Parrish Smith (Parrish Making Dollars – also das PMD..) ändern Nichts, weil sie in dem, was sie machen, nach wie vor gut sind. EPMD sind nun einmal Veteranen, sie haben Hardcore/Boom Bap mit erfunden und die Chemie an den Mikro's zwischen den beiden stimmt einfach, sie lassen die Neuerungen im Sound des Eastcoast- HipHop ganz selbstverständlich mit einfliessen – sie haben sie schließlich mit entwickelt. Noch immer sind EPMD Rap Underground, aber die Wahrnehmung des Underground hat sich in den letzten beiden Jahren geändert – auch DAS bedeutet „golden age of HipHop“! So wird die Lead Single „Crossover“ ein Erfolg (… der den Ausverkauf an den Mainstream behandelt...), aber „Cummin' at Cha“ mit einem Feature von Das EFX ist sogar besser – andere gelungene Tracks sind „Chill“, der mit Redman und K-Solo eingespielte zweite Single-Track „Head Banger“, der Opener „Boon Dox“ und „Who Killed Jane?“, der diesjährige Teil ihrer Jane-Fortsetzungsgeschichte. Auch dieses Album hat kaum Schwächen – ist durchgehend gelungen, aber seltsamerweise ist die LP/CD out of print - komisch, weil es ein erfolgreiches Album war, vielleicht sogar ihr bestes. EPMD bekamen trotz des Erfolges finanzielle Probleme, trennten sich noch in diesem Jahr und kamen fünf Jahre später wieder zusammen – aber da waren sie zwar aller Ehren wert, aber eben nicht mehr revolutionär . Ihre ersten beiden Alben und dieses Vierte gehören zum Kanon des klassischen Old School HipHop – daher schreibe ich schließlich darüber...

EPMD - Cummin' at Cha 


East Coast /Hardcore Rap /Boom Bap


Das EFX


Dead Serious

(EastWest, 1992)

Und hier der erste Ableger der Def Squad Crew. Das Duo Das EFX hatte auf EPMD's Business Never Personal mitgeholfen – übrigens auch auf The Predator vom Westcoast-Kollegen Ice Cube – und droppte im Frühjahr '92 das eigene Solo-Debüt. Dass die beiden Rapper Andre Weston (aka Krazy Drazyz aka Dray) und Willie Hines (aka Skoob) EPMD als „executive producer“ benennen heißt nicht, dass die beiden wirklich produzieren, es weist nur auf Studio und Kollegenkreis hin, in dem Das EFX sich bewegen. Dead Serious ist vom HipHop EPMD's beeinflusst, aber die ihre Musik nimmt auch etliche Einflüsse von Ragga (Andre Weston hat jamaikanische Wurzeln), Soul und Funk auf, ihre Lyrics sind weit von der harschen Realität des Hardcore Rap entfernt, sind eher stream of consciousness mit etlichen Pop-kulturellen Referenzen. Die beiden MC's, die nach einem erfolgreichen Rap Contest von EPMD aufgegabelt wurden, lassen die gesamte Pop-Kultur ihrer Community einfliessen. Ihre Beats und Rhymes sind „dope“ - humorvoller und entspannter als die ihrer Supporter. Auch Dead Serious kam hoch in die Charts und erreichte sogar Platin-Status, aber selbst dass ihr „They Want Das EFX“ in der Teenie-Serie Beverly Hills 90210 eingesetzt wurde, schadete nicht ihrer Credibility in der Underground HipHop Community. Ihr sehr eigener Rhyme Flow beeinflusste etliche Nachahmer – ob etabliert oder nicht... man möge sich nur den Scat-Gesangs-artigen Rap bei „If Only“ anhören – und mit dem Opener „Mic Chekka“ und dem genannten „They Want Das EFX“ sind mindestend zwei Klassiker des HipHop auf diesem angenehm kurzen Album enthalten. Und übrigens: Der seltsame Name Das EFX entstand aus einem verdrehten Akronym ihrer Künstlernamen (Krazy Drazy uns Skoob) und ihrer Vorliebe für ein Effektgerät (EFX), welches im DJ SetUp Reverb auf die Stimme legt. Dead Serious ist ein sehr schönes, entspanntes Album irgendwo zwischen EPMD und De La Soul – aber es blieb ihr einziges wirklich gelungenes.

Das EFX - Mic Chekka 


East Coast /Hardcore Rap/Boom Bap



Redman


Whut? Thee Album

(RAL, 1992)

Wie hier zuvor gesagt: Reginald Noble aka Redman gehört ebenfalls zum Umfeld von EPMD – zur Def Squad Crew – die ihn auf seinem im Herbst '92 veröffentlichten Debüt ebenfalls unterstützt. Hier wird Erick Sermon (Das E von EPMD) als Produzent genannt – aber der hat Redman seinen Kram meist allein machen lassen. Redman war seit seiner Jugend als Dealer, DJ, und MC unterwegs, hatte - nachdem er die beiden Mentoren von EPMD kennengelernt hatte - '91 mit den Aufnahmen zu seinem Debüt begonnen und durch seine Teilnahme an der Tour von EPMD und seine Raps auf deren Album die Erwartungen an sein Debüt in der Rap Community hoch geschraubt. Whut? Thee Album ist ein tolles Beispiel für Boom Bap – der Beat ist fast durchgehend in diesem Stil gehalten, dazu rappt Redman mit tiefer, immer irgendwie wahnsinniger Stimme Texte, die „Gangsta“ sein könnten, wären sie nicht gleichzeitig so voller schrägem Humor. Nicht umsonst dürfte Eminem ihn als DJ und Texter als eines seiner größten Vorbilder genannt haben. Es gibt tonnenweise Parliament- und James Brown-Samples, eine Produktion, die sehr stark von P-Funk und vom Sound von EPMD beeinflusst ist, aber durch Redman's sehr eigenen Flow bekommt Whut? Thee Album seinen eigenen Stil. Da rappt er auf dem Track „Redman Meets Reggie Noble" mit seinem Alter Ego sozusagen gegen sich selbst, bei „Blow Your Mind“ versucht er sich auf Koreanisch, verfällt aber schnell wieder in den eigenen Slang. Auch hier gibt es wenige schwache Tracks, Redman hatte alle Erwartungen erfüllt – und damit auch den verdienten Erfolg – auch Whut? Thee Album kam hoch in die Charts und Redman startete eine Karriere, die künstlerisch und kommerziell erfolgreich blieb. Die kommenden beiden Alben (Dare Iz a Darkside ('94) und Muddy Waters ('96)) sowie die '99er Kollaboration mit Method Man vom Wu-Tang Clan (Blackout!) sind allesamt für den HipHop-Fan unverzichtbar. Dass Redman auch als Schauspieler Erfolg hatte und mit Christina Aguilera einen weltweiten Hit hatte – geschenkt. Man höre die vier genannten Alben. Das reicht.

Redman - Redman Meets Reggie Noble 


East Coast HipHop/ Conscious/Jazz Rap



Pete Rock & CL Smooth


Mecca And The Soul Brother

(Elektra, 1992)

Jetzt zur Abwechslung mal was Anderes – ein Klassiker des East Coast HipHop, der nicht als „Hardcore“ gilt, bei dem Jazz und kluge Lyrics wichtigste Bestandteile sind. Neben Gang Starr's DJ Premier gilt Pete Rock als einer der besten DJ's und Produzenten seiner Zeit – und das Duo Pete Rock & C.L. Smooth als gleichwertige Alternative zu Gang Starr. Ihr erstes Album, die zuvor aufgenommene EP All Souled Out (von '91 – und genauso gut wie dieses Album hier...) war schon eine auffällige Visitenkarte gewesen. Mecca And The Soul Brother bestätigte ihre Klasse auf Albumlänge. Ihr HipHop ist beeinflusst von Gang Starr und A Tribe Called Quest, aber er ist härter, Pete Rock ist ein Meister im Verarbeiten von Jazz-Bläser-Samples, die Sounds, Beats und Loops sind vielfach übereinander geschichtet, die Musik komplexer und durchdachter als bei den beiden anderen Vertretern des Conscious Rap/Jazz HipHop. Meisterstück hier ist die Single „They Reminisce Over You (T.R.O.Y.)“ mit dem fantastisch eingebauten Saxophon-Sample – ein Song über den HipHop Tänzer Trouble T Roy, der zwei Jahre zuvor bei einem Unfall gestorben war. Ich würde sagen, einer DER allerbesten Jazz-Rap Tracks aller Zeiten, der den Rest des Albums tatsächlich sogar ein wenig verblassen lässt. Aber das soll niemanden davon abhalten, sich 77 Minuten blendend unterhalten zu lassen. Dass Pete Rock hier einen so hervorragenden Job macht, soll nicht von den Qualitäten des C.L. Smooth ablenken – kein so auffälliger MC wie etwa Guru, aber ähnlich „dope“ wie dieser, ein Texter mit schlauen, persönlichen, teils „conscious“, teils mit den üblichen Angebereien versetzten Lyrics, einer, der auch einen der seltenen Love Songs im HipHop ohne Peinlichkeit oder Macho-Allüren schafft („Lots of Lovin“). Mecca And The Soul Brother bekommt eine fast spirituelle Ruhe durch Interludes und kurze Freestyle Raps und bleibt über die ganze Zeit spannend. Dass es sich damals nicht so gut verkaufte, wie die Alben von Das EFX oder Dr.Dre ist schade, aber insofern egal, als es im Laufe der Jahre immer mehr an Reputation gewann. Jetzt gilt es als Klassiker des HipHop – ganz oben neben Alben wie The Chronic oder Low End Theory...

Pete Rock & C.L. Smooth - They Reminisc Over You (TROY) 

East Coast /Hardcore Rap /Boom Bap

Eric B & Rakim


Don't Sweat the Technique

(MCA, 1992)

Und das nächste HipHop Duo, das in diesem Jahr „ausläuft“. Auch Eric B & Rakim gehören zu den Pionieren des HipHop – ihre beiden Prä-90er Alben Paid in Full ('87) und Follow the Leader ('88) stehen auf einer Stufe mit den ersten Alben von EPMD und Public Enemy, sind Fundamente im golden age of HipHop. Aber das 91er Album Let the Rhythm Hit 'Em und das diesjährige Don't Sweat the Technique – ihr letztes Album – haben einen geringeren Stellenwert – dabei sind sie nicht schwächer – man hat sich bloß an ihren Sound gewöhnt, es gibt inzwischen zuviele Nachahmer und die Dringlichkeit und der Gedanke, dass da etwas Neues entsteht, ist verloren gegangen. Dabei gehen die beiden auf diesem Album sogar neue Wege. Da ist schon der Opener „What's on Your Mind“ - smooth und nachdenklich, eine ganz neue Zurückhaltung in Sound und Texten, da sind textlich conscious HipHop Tracks we „Teach the Children“ und „Casualities of War“, die im Sound sind wie frühere Eric B & Rakim, aber neue inhalte transportieren, die Beats sind dope, wie es '92 in NY so beliebt ist und DJ Eric B ist ganz ohne Zweifel einer der erfahrensten seiner Zunft. Und Rakim's Rhyme Flow, seine Art zu Rappen ist sowieso über jeden Zweifel erhaben. Er war derjenige der es „erfand“, nicht ins Mikro zu schreien, die Energie gekonnt zurückzuhalten, und er war derjenige, der den Jazz als MC in den HipHop einbrachte. Auf Don't Sweat the Technique gibt es mit „Know the Ledge“ einen echten Klassiker, einen Track, der die früheren großen Zeiten der beiden ganz frisch erscheinen lässt. Da denke ich dann, dass Eric B & Rakim es geschafft haben, vier mal hintereinander wirklich wichtige Alben gemacht zu haben. Nur - wenn ich Don't Sweat the Technique gegen The Chronic, Sleeping with the Enemy, Mecca and the Soul Brother, oder Whut? Thee Album tauschen müsste, wäre meine Wahl klar. 

Eric B. & Rakim - Teach the Children 


East Coast /Hardcore Rap /Boom Bap



Showbiz & AG


Runaway Slave

(London, 1992)

Wir graben hier gezwungenermaßen immer tiefer im Underground des Eastcoast HipHop. Was nicht heisst, dass die Alben, die ich hier reviewe schlechter sind – auch nicht schlechter produziert – sie sind nur unbekannter als die Big Seller, die immer in den Läden zu finden waren. Da ist wieder eine Crew (= Gruppe von MC's und DJ's die gemeinsam produzieren, auftreten, Alben machen). Diese heisst D.I.T.C. (Diggin' in the Crate) und besteht aus einigen der besten Underground-Künstler des New York Rap.: Die nennen sich Big L, Lord Finesse, O.C., Diamond D (siehe weiter unten), Showbiz und A.G. - die beiden, die '92 das gemeinsame Album Runaway Slave droppen. Rodney LeMay aka Showbiz ist ein immens respektierter DJ, hat in den informierten Kreisen das gleiche Standing wie DJ Premier oder Pete Rock. Er hat seinen eigenen Stil – nicht ganz so jazzy, mehr Funk'n'Soul, aber auch er weiss, wie man Jazz-Samples in die Musik einbaut, und er schafft eine wahnsinnige Spannung und einen sehr eigenen Groove. Möglich, dass sein partner in crime Andre the Giant, bzw. A.G. gemeinsam mit Showbiz an den Mikro's nicht so überzeugen, vielleicht sind ihre Lyrics nicht ganz so schlau wie die von Guru, vielleicht sind die Stimmen zu weit im Vordergrund und überdecken die tollen Rhythmen und Sounds zu sehr, um smooth ins Ohr zu gehen. Es mag viele Gründe geben warum Runaway Slave nicht bekannter wurde, aber wenn man HINhört, erkennt man, dass das eines der wirklich tollen HipHop-Alben dieses Jahres ist. Aber – Alas Ignoranz! - heute ist es out of print. Die ganze D.I.T.C. Posse hat in den kommenden Jahren immerhin mehr oder weniger Erfolg – teils sehr verdient – diese beiden hier machen '95 das genauso gelungene Good Fellas, Diamond D's Stunts Blunts & HipHop adele ich weiter unten mit meinem Review, Big L (der hier gastiert) und O.C. Machen in 2-3 Jahren ihre Meisterwerke. Siehe – diese Crew-Geschichte mit etlichen Alben als Ergebnis ist nicht erst die Idee des Wu-Tang Clan. Runaway Slave muss sein, genauso wie...

Showbiz & A.G. - Runaway Slave (Full Album) 


East Coast /Hardcore Rap /Boom Bap



Diamond D and the Psychotic Neurots


Stunts, Blunts & Hip Hop

(Mercury, 1992)

Da haben wir also D.I.T.C. Member Joseph Kirkland aka Diamond D aus der Bronx, NYC. Er ist Producer und MC in Personalunion, er ist in eingeweihten Kreisen auch kein unbeschriebens Blatt, seine Fähigkeiten sind nicht schwächer, als die der bekannten DJ's und er ist als MC sogar noch besser als sein Crew-Kollege A.G. Stunts, Blunts & HipHop ist ein mindestens so befriedigendes Ergebnis der damals noch unbefangenen Zusammenarbeit der einzelnen Crew-Mitglieder (ehe die Fragen um Geld und Macht die Atmosphäre in der Crew und im HipHop allgemein vergifteten). Bei der Produktion helfen Legenden wie Large Professor, Q-Tip, Jazzy J, Showbiz und DJ Mark the 45 King, die Gästeliste der MC's ist ebenfalls erlesen, Diamond D's Psychotic Neurotics sind eine Rap- und Dance Crew höchster Qualität – aber all die Namen mal beiseite – Was man mit Stunts, Blunts & HipHop bekommt, ist ein extrem abwechslungsreiches, erstaunlich unterhaltsames und sogar – wie ich finde – im positiven Sinne „kommerziell“ klingendes Album. Die Mischung aus James Brown, Parliament, Jazz und seltsamen, unbekannten aber saftigen Funk-Samples ist schwindelerregend, die Rhymes sind gekonnt dargeboten, der Titeltrack beschreibt noch einmal, um was es im HipHop ursprünglich ging, das ganze Album atmet New York. Busta Rhymes benutzte den Beat von „I Went For Mine“ für sein „New York Shit“, es gibt einen ganzen Haufen enormer Tracks – es ist eine ca. 70-minütige Showcase mit reinem, hartem New York HipHop, und immer, wenn ich's höre finde ich den Rest unnötig. Hab' ich's nicht gesagt? HipHop '92 ist abwechslungsreich wie das Barriere Riff... and there's even more of that shit

  Diamond and The Psychotic Neurotics - Freestyle


East Coast /Gangsta Rap


Kool G. Rap & DJ Polo


Live and Let Die

(Cold Chillin', 1992)

und Gangsta Rap? Natürlich gibt es den in New York ebenfalls. Kool G. Rap & DJ Polo haben in den Vorjahren schon gezeigt, dass das Leben als Dealer, Killer, böser Bube in New York genau so hart ist, wie in LA. Mit Live and Let Die übertreiben sie einfach noch einmal mehr. Dazu holen sie sich Leute von der Westcoast ins Studio (Ice Cube als Gast-MC und den Produzenten Sir Jinx) und aus dem Süden die MC's Scarface und Bushwick Bill – und produzierte Live and Let Die in L.A. Aber die Geschichten, die hier wortmächtig, brutal und provokativ erzählt werden sind dunkles New York, Mafia, Horrorcore und bittere Sozialkritik. Dem Album widerfuhr ein ähnliches Schicksal wie Paris' Sleeping with the Enemy: Warner Bros., die eigentlich mit Cold Chillin' zusammenarbeiteten, wollten das Album wegen der Lyrics und des Covers (zwei an Stühle gebundene Rottweiler, die von den beiden Gangsta's mit Fleisch dazu gebracht werden, die auf den Stühlen stehenden Cops zu strangulieren) nicht veröffentlichen. Damals waren Gewalt, Schusswaffen etc auf dem Cover und in Texten unerwünscht, weil politisch unkorrekte Realität, die nicht abgebildet werden sollte. Dabei wird hier musikalisch alles richtig gemacht und textlich eine Realität geschildert, die jeder ahnt. Kool G Rap ist nicht nur einer der besten Rapper seiner Zeit, er ist auch ein enorm talentierter Texter, seine Geschichten sind spannend, klug und wahr. Dass es um Gang-Stories, Gewalt und Verbrechen geht, ist nur logisch, Dazu hat Kool G Rap eine beeindruckende Stimme, einen unnachahmlichen Flow – man höre die Singles „On the Run“ oder „Ill Street Blues“. Die Tracks „Home Sweet Home“, „Fuck U Man“, und „Still Wanted Dead or Alive“ sind Sequels zum vorherigen Album, Die Produktion von Sir Jinx ist ein bisschen New York, ein bisschen LA, mit eingestreuten Samples von der Strasse, Schüssen, Polizei etc, dazu sparsame Jazz- und Funk-Schnipsel, getragen eindeutig von Kool G's Raps. Es ist ein weiteres Gangsta-Rap Album, das mit den wichtigsten seiner Art mithalten kann aber sehr an der restriktiven Veröffentlichungspolitik dieser Zeit zu leiden hatte. Bekam kaum Airplay oder Werbung und verkaufte sich miserabel. Heute gilt es als Referenz-Album für Gangsta Rap. Zu Recht.

Kool G Rap & DJ Polo - Ill Street Blues 

East Coast /Hardcore Rap /Boom Bap



Fu-Schnickens


F.U. Don't Take it Personal

(Jive, 1992)

Ein Trend im HipHop der beginnenden 90er ist das blitzschnelle, zungenbrecherische „bragging and boasting“ - auch Braggadocio genannt. Da geht es dann kaum noch um Inhalte, dafür mehr um die „skillz“ des MC, um seine Schnelligkeit mit gleichzeitiger Verständlichkeit der Spaß-Lyrics über Sex, Geld, Frauen, Coolness und die miese Konkurrenz. Das ganze wird von den üblichen Funk und Soul Samples, Boom Bap Beats unterlegt, denen gerne ein bisschen Ragga beigemischt wird. Und will man ein Beispiel dieser etwas flacheren Version von HipHop hören, so sollte man sich an das erste Album der kurzlebigen Fu-Schnickens aus New York halten. Die drei MC's machen mit F.U. Don't Take it Personal eines der wirklich gelungenen Alben mit schwindelerregenden Raps. Die werden vor allem von Chip Fu geliefert, seine Unterstützer, Moc Fu und Poc Fu sind eher moralische Unterstützung als echte Hilfe, Chip Fu (eigentlich Roderick Roachford) ist der Star und sicher einer der besten in dieser speziellen Kunstform, die sich bei den Rap Battles im Undergound entwickelt hatte. Und für eine Albumlänge von 43 Minuten ist das alles auch unterhaltsam und mit offenem Mund anhörbar. Chip Fu's Flow ist einfach unglaublich. Es gab z.B. von Eric B & Rakim auf deren Let the Rhythm Hit 'Em mit „No Omega“ so ein Braggadocio, aber gegen das, was hier bei Tracks wie „True Fuschnick“ oder dem Charts Erfolg „Ring the Alarm“ dargeboten wird, klingt Rakim lahm. Die drei hatten jedenfalls den Respekt der gesamten Community, bekommen auf ihrem Album den Support von A Tribe Called Quest's Phife Dawg und Black Sheep's Dres, sie benutzen – vor dem Wu-Tang Clan – Samples aus Kung Fu/Martial Arts Filmen – passend zum kompetitiven Charakter ihrer Raps. Die Produktion wird von ihnen selber und Phife Dawg übernommen und dient einzig dem spektakulären Flow von Chip Fu. F.U. Don't Take it Personal ist Fun, der Nachfolger Nervous Breakdown ist mehr vom Gleichen, da hatten sie dann einen großen Hit mit der Kollaboration mit Basketball Star Shaquille O'Neal, aber das Album als ganzes ist schwächer als dieses hier. Willst du also mal hören, was Braggadocio Raps sind, nimm Das...

Fu-Schnickens - Ring the Alarm 


East Coast-/Experimental/Abstract HipHop



Divine Styler


Spiral Walls Containing Autumns of Light

(Giant, 1992)

Jetzt Achtung! Divine Stylers Spiral Walls Containig Autumns of Light ist so HipHop, wie Captain Beefhearts Trout Mask Replica Blues-Rock ist. Es gibt Spuren von HipHop und Divine Styler kommt merklich aus dieser Szene, hat da seine Inspiration her, aber mit seinem zweiten Album wollte er offensichtlich viel viel mehr. Mikal Safiyullah (geboren als Mark Richardson) war bekennender Moslem, kam aus der Szene um Ice-T's Rhyme Syndicate und hatte '89 mit Word Power noch ein halbwegs konventionelles HipHop-Album veröfentlicht. Spiral Walls.Containig Autumns of Light kam unter dem Einfluss seiner Konvertiereung zum Islam zustande, besteht textlich zu großen Teilen aus den Lehren Allah's und Anpreisungen des Propheten. Dass dieses Album auf einem Major Label veröffentlicht wurde, ist ein Wunder. Es ist mit seinem Crossover aus Rock, Soul, Spoken Word (und NICHT Rap...) Passagen nicht nur seiner Zeit weit voraus, es ist auch noch dermaßen far out, druggy und extrem, dass sich heute nicht mal ein Indie an so etwas herantrauen würde. Die einzelnen Tracks sind teils völlig Free-form, mit finsterer Atmosphäre in der Divine Styler sich über Himmel, Hölle und Allah ausläßt. Die Beschreibung „Parliament meets the Residents“ mag ein Bild abgeben, was den Hörer hier erwartet. Styler arbeitet mit einer sehr versierten Band, Gitarrist Jeff Phillips, Drummer Kendu Jenkins und Bassist Tony Guarderas, aber er ist der Chef im Ring. Er arrangiert und produziert alles, verzerrt seine Stimme zur Unkenntlichkeit, singt wie ein Engel und mixt Rock Jams mit Folk, Industrial mit Noise. Und so weit reichen auch die Songs vom grausigen „Love, Lies and Lifetimes' Cries“ über den fast reinen HipHop von „Grey Matter“ bis zum verzückten Liebesgebet an Allah auf „Walk of Exodus“: Nur Stimme, sanfte Percussion und Phillips klingelnde Gitarre, Prince hätte dafür seine Plateauschuhe gegeben. Spiral Walls Containig Autumns of Light ist vielleicht durch seine stilistische Unklarheit auch etwas inkonsistenr, spirituell, verstörend und extrem -aber auch nie langweilig – Für Manche ein Klassiker, für andere zu Recht vergessen. 

Divine Styler - Grey Matter 


East Coast /Political/Conscious Rap



The Goats


Tricks Of The Shade

(Ruffhouse, 1992)

So, jetzt habe ich New York abgehandelt und gehe nach Philadelphia – immerhin auch East Coast US – und finde dort mit Tricks of the Shade eine vergessene Underground-Perle des Political Rap. The Goats waren in einiger Hinsicht Vorreiter. Die drei Rapper mit ihrem Frontman Oatie Kato, Madd (a.k.a. "the M-A-the-double-D", a.k.a. Maxx), und Swayzack spielten mit eigener Live Band – lange vor den Roots – und ihr Debüt auf dem krediblen Ruff House Label (Heimat der Fugee's und von Cypress Hill) ist ein kluges, witziges, politisches Konzept-Album, das mehr Beachtung verdient hätte. Aber es gab '92 wohl einfach zu viel HipHop – was man ja auch an diesem Artikel sieht. Das 70-minütige Album wird von kurzen „Skits“ zusammengehalten, die die Geschichte von zwei Helden namens Chicken Little und Hangerhead erzählen, die nach dem legendären Uncle Sam in seiner staatlich geförderten Freak Show suchen. Die Raps hier mögen nicht ganz so spektakulär sein, aber was an Skillz vermisst werden könnte, wird mit den Lyrics ersetzt. (Nicht dass hier schlecht gerappt wird...) Ich liebe eine Zeile wie „Columbus destroyed more Indians than Hitler killed Jews but on his birthday you get sales on shoes.". The Goats mögen nicht so extrem sein wie Paris oder Chuck D, aber sie sind genauso klug, und Sound und Produktion gewinnen durch die Live-Band und durch die harten Pete Rock-Beats. Tricks of the Shade war seiner Zeit um zehn Jahre voraus, es ist sehr originell. Ein vergessenes Highlight in einem an Highlights reichen Jahr. 

The Goats - Tricks of the Shade 

Southern HipHop


Der Süden der USA ist die nächste Region, die eigenständigen und anständigen HipHop hervorbringt. Kommerziell bzw in der Aufmerksamkeit der Massen hinken die Acts aus den Südstaaten denen aus New York und Los Angeles ein bisschen hinterher, aber zu Beginn der Neunziger schliessen dann Acts wie die Texaner Geto Boys mit ihrem Mitglied Scarface und U.G.K. (Underground Kingz), Arrested Development (beide siehe hier unten...) und vor Allem ab '94 OutKast und Goodie Mob aus Atlanta zum Rest des Haufens auf. Der Sound dieser Acts ist basslastiger als der aus West und Ost, weil sich hier Einflüsse aus der Miami Bass Music durchsetzen, und es werden gerne Samples alter Southern Soul Alben verwendet. Man sagt den Rappern auch ein gepflegteres, langsameres Tempo bei ihrem Sprechgesang nach – zusätzlich zu ihrem (wohl nur für Amerikaner erkennbaren) Southern Drawl. Aber egal, wo die Unterschiede herkommen, und wie sie sich äussern – hier wird einiges herkommen, was das Anhören lohnt. OutKast sind bald kreative Spitzenklasse, The Geto Boys waren das schon und (deren Grip It! On that Other Level von '89 ist ein früher Meisterstreich) und ab den 00er Jahren regnet es Klassiker aus dem Süden. Ich weise schon mal auf Clipse oder die CunninLynguists hin...



Southern/ Conscious HipHop



Arrested Development


3 Years, 5 Months & 2 Days In The Life Of...

(CoolTempo, 1992)

...also fange ich mal ganz sanft an: Arrested Development kommen aus Atlanta – sie haben also mit den Spannungen zwischen Eastcoast und Westcoast/L.A. Und N.Y. nichts zu tun. Sie sind New Age Christen, tragen ihre Botschaften ohne Peinlichkeit hinaus in die Welt, stehen in der gleichen Tradition wie De La Soul oder A Tribe Called Quest, sind aber nicht so urban wie die beiden – wohl weil Southern HipHop immer ein bisschen nach Landei klingt... Mit Todd Thomas aka Speech habe sie eine spiritus Rector, der eine Menge Personality mitbringt, mit Timothy Barnwell aka Headliner den notwendigen geschickten DJ und im Hintergrund eine fröhliche Gruppe von Zuträgern, deren Namen Nichts zur Sache tun. In der Hardcore HipHop Community haben sie ob ihre Naivität und Freundlichkeit nicht den ganz so tollen Ruf, Gangsta Rap war seinerzeit das Ding, Kriminalität gepaart mit (berechtigter) Gesellschaftskritik waren die Themen, über die man rappen sollte, da kamen Spiritualität und Freundlichkeit in Kenner-Kreisen nicht an. Im Mainstream freilich war 3 Years, 5 Months & 2 Days In The Life Of... ein Erfolg (was auch nicht zur Credibility beitrug....) - und so aus der Entfernung (zeitlich und örtlich...) betrachtet, sind hier tolle Tracks zu bewundern wie die No 1 Singles „Mr. Wendal“ oder „Tennessee“ - elegant und auf unnachahmlich „dope“ - Art sprituell/fröhlich und mit „Dawn Of The Dreads“ oder „Give A Man A Fish“ etwa gibt es genug Albumtracks, die das ganze Album sanft durchs Ohr gleiten lassen. Es gibt wenig zu bemängeln, wenn man fair ist. Einzig die Tatsache, dass dieses Album etwas weniger würdevoll gealtert ist, als die immer aktuellen Meisterstücke der großen Conscious HipHop Meister wäre zu bedauern. Das Album war ein Erfolg, aber danach kam nichts bemerkenswertes mehr von Arrested Development, und Speech Solo versank dann im Untergrund. Das Album hören und entspannen – um dann et


Southern/ Gangsta Rap/ Dirty South



U.G.K. (Underground Kingz)


Too Hard to Swallow

(Jive, 1992)

denn damit wird’s ernst. Die Underground Kingz – kurz U.G.K. - bestehen aus den beiden MC's Chad "Pimp C" Butler und Bernard "Bun B" Freeman und kommen aus Houston Texas – was sozusagen das L.A. zum N.Y. Atlanta ist. Sie haben ihren Style, ihre Karriere in den letzten fünf Jahren konsequent im HipHop Underground ihrer Heimatstadt aufgebaut, sind in Texas DIE HipHop Institution mit großer Credibility – und liefern mt dem sparsam prodzierten Debütalbum Too Hard to Swallow die bestmögliche Südstaaten-Antwort auf Grundlagenwerke wie The Chronic/ Sleeping With the Enemy/ Live and Let Die. Die Geto Boys hatten zwar in den Jahren zuvor schon auf N-W.A. geantwortet, aber sie hatten keinen distinktiven „Southern“ Sound, U.G.K. Machen Gangsta Rap mit den typischen, basslastigen Rhythmen, mit diesen langsamen Raps, mit sparsamen Samples von den Isley Brothers, Bill Withers oder Curtis Mayfield – damit definieren sie die Form des HipHop, die man Dirty South nennen wird. Chef im Ring ist hier Pimp C (der Dicke ohne Brille), er ist ein Rapper mit beachtlichen skillz, hat einen unnachahmlichen Flow, bringt selbst banale Zeilen voller Selbstbewusstsein und Überzeugung und macht einen beeindruckenden Job als Producer – auch wenn hier aufgrund des begrenzten Budgets erst die Grundlagen des bald sehr „saftigen“ UGK-Trademark Sounds gelegt werden. Bester Track unter vielen ist „Pocket Full of Stones“ - ein Klassiker, der auf jedes Mixtape mit den Tracks des Jahres `92 gehört. Noch sind Bun B's Beiträge nicht auf dem selben Level wie die seines Kollegen Pimp C – aber Too Hard to Swallow ist nie langweilig, verliert nie an Dringlichkeit oder Stil, es ist vielleicht gerade wegen seiner Underground-Eigenschaften so gut. UGK machen in den kommenden Jahren mit Super Tight und Ridin' Dirty zwei ganz große Alben, dann kommte Pimp C in den Knast (… gut für die credibility...not) ehe er zurückkommt und 2007 an einer Überdosis stirbt. UGK sind da schon Legende.


Southern/ Gangsta Rap/ Horrorcore



Ganksta N-I-P


South Park Psycho

(Rap-A-Lot, 1992)

und mit Ganksta N-I-P wird es im Süden ganz hart – so hart, dass ich es für Comedy halte. Ähnlich wie die in dieser Zeit aktuellen Death Metal und Grindcore Bands (siehe Carcass oder Autopsy...) ist der HipHop von Lewayne Williams aka Ganksta N-I-P textlich dermaßen gewalttätig, sind seine Lyrics so geschmacklos, dass man sie nicht mehr ernst nehmen kann – und damit wahlweise ignorieren oder mit einer gesunden Mischung aus Ekel und Faszination hören wird. South Park Psycho gilt in entsprechenden Kreisen als heiliger Gral des 90er Undergroud Hardcore Gangsta Rap, oder besser – wie man das bald nennen wird - des Horrorcore. 55 Minuten lang hört man fasziniert zu, wie eine Gewaltszene die nächste ablöst – das Ganze hat etwas von einem Tarantino Film: „Throw your daughter in the air, hope that bitch break her leg/ Be nice and help her up and kick her dead in the head./No bullshittin', you must be smokin that rock hoe/ Snatch some meat out your stomach so I can make me a taco“ Ganksta N-I-P (Nation of Islam is Powerful) ist zu der Zeit Teil der South Park Coalition um die Texaner Geto Boys – deren Bushwick Bill textlich in seine Fußstapfen treten wird – South Park Psycho wird auf dem Label der Geto Boys veröffentlicht und von deren Crew The Terrorists dem Inhalt entsprechend finster produziert und es wird in den R&B/HipHop Charts auch ein kleinerer Erfolg – sicher wegen der expliziten Texte, aber auch, weil Ganksta NIP seine Psychopathen-Lyrics handwerklich sauber 'rüberbringt. Der Track „Psycho“ geht in die Annalen ein als gewalttätigster HipHop-Track aller Zeiten. Da ist dies nur eine Textprobe, die auf Schlimmeres vorbereiten will: Blood gushin' out your head, it's getting thicker and thicker/ Pour some chocolate on your arm so it can taste like a Snicker/ Push your ass off a building, check to see if you're dead/ Blast back a second blade, plus I'll sharpen your fuckin' head … die Sache mit dem Arm, der Schokolade und dem Snickers ist wirklich lustig – finde ich. Dass das Album danach im Rahmen diverser political correctness Kampagnen in den USA aus dem Verkehr gezogen wurde, ist in meinen Augen völlig albern. Niemand wird gezwungen, so etwas zu hören, und ICH glaube nicht, dass irgendjemand durch das Anhören solcher Lyrics zum Massenmörder wird. Dafür sorgen andere Dinge. Ganksta N-I-P wird noch zwei solcher Horrorcore Alben machen, gleiches Konzept, weniger gelungen, es gibt bald ein paar bessere Alben dieser Art – besser produziert und von besseren MC's ausgeführt. DER Klassiker ist das '94er Gravediggaz Album 6 Feet Deep – ein unabhängig vom Inhalt sehr gutes HipHop-Album. Aber dies hier ist in der Tat der blutverschmierte heilige Gral. Am besten auf YouTube anhören.

Und sonst...


Ich verfolge hier ja das Prinzip, dass ich mit meinen Reviews Musik empfehle, die einer unvoreingenommenen, stilistisch Scheuklappen-freien Hörerschaft gefallen könnten. Ich finde es gibt kein musikalisches Reinheitsgebot, und die Überschrift HipHop soll nur einen losen Rahmen bilden. Daher gehören für mich der Alternative HipHop/Rap Rock/Whatever von Basehead oder der von Dance und Madchester beeinflusste HipHop der Briten Stereo MC's auch in diese Reihe – auch wenn ihre Musik mit dem HipHop von der Ost- oder Westküste der USA oder dem Rap aus den Südstaaten wenig gemein hat. Somit also zwei Alben von '92, die einem unvoreingenommenen, an HipHop interessierten Hörer auch gefallen könnten.

Alternative HipHop



Basehead


Play With Toys

(Emigré , 1992)

Der mysteriöse Basehead kommt aus Washington – und hat mit der East Coast HipHop Communitiy sowohl stilistisch, als auch personell Nichts zu tun. Seine Musik auf diesem Debüt hat HipHop-Einflüsse – sein Sprechgesang ist sicher vom HipHop beeinflusst, aber diese Elemente stehen gleicherechtigt neben Stilmitteln aus Rock, Pop, Funk Bues und Reggae. Michael Ivey aka Basehead drückte es selber so aus: „There are hip-hop elements in there, but if a hardcore hip-hop fan bought it, they might be disappointed“ - und das stimmt wohl. Play With Toys könnte so etwas wie ein erstes Crossover-Album sein. Und es steht in dieser Reihe von HipHop Alben auch nur, weil ich es sonst nirgendwo einordnen kann. Basehead jedenfalls erstrahlte 1992 nur für einen kurzen Moment mit dem „alternative rap“ von Play with Toys. Das Album wurde zunächst von der amerikanischen Design-Company Emigré veröffentlicht (Daher auch das stylische Cover...), die damals neben anderen Design-Produkten auch Magazine und CD's veröffentlichten. Dieser solitäre „Slacker-Rap“ aber war die alleinige Vision von Rapper/ Produzent Michael Ivey. Und so klingt die Musik hier: Alles ist langsam, relaxed, smart und aus irgendeinem Grund geht es hauptsächlich um Bier. Umd seine negativen Folgen für Gehirnzellen auf „2000 B.C“ - einem shuffelnden Track mit lockeren Gitarren, live Drums und Ivey's murmelndem Sprechgesang. „Ode to My Favorite Beer“ beginnt mit dem Geräusch mit dem eine Bierflasche geöffnet wird, wendet sich dann aber in eine Art Dream Pop, wie ihn A.R. Kane nicht besser hätten machen können. Und wenn Ivey auf dem großartigen „Better Days“ erklärt „Clair and Cliff Huxtable never lived around here“ klingt er frustriert, aber nicht wie seine Ghetto-Brüder voller Wut und Agression, sondern melancholisch. Das Album ist voller solcher Momente, und es ist so untypisch für HipHop, dass es wohl kaum Einfluß auf die Entwicklungen des Genres gehabt haben dürfte. Ich kann mir aber vorstellen, dass ein gewisser Beck Hansen dieses Album mehr als einmal gehört hat...


Acid Jazz/ UK HipHop/ Madchester



Stereo MC's


Connected

(4th & B'Way, 1992)

Seit den Tagen der Beatles und der Stones – spätestens seit der Mitte der Siebzier – hat sich die populäre Musik in den USA von der aus dem United Kingdom weit entfernt. HipHop war zwar in England ein bekanntes Phänomen, aber die britischen Acts, die ihre miltante und stark von Dancefloor und Ragga beeinflusste Form des HipHop spielten, waren bei weitem noch nicht so im Massenbewusstsein angekommen, wie ihre amerikanischen Vorbilder. Die Stereo MC's sind mit ihrem 90er Album Supernatural der erste wirklich erfolgreiche UK HipHop Act mit Charts Platzierung auch in den USA. Ihr Nachfolger Connected baut stark auf dem Titeltrack auf. Der hat damas die Dancefloors in Europa gefüllt – und das zu Recht – aber das Publikum in den USA dürfte bei den Stereo MC's mit ihrem ur-britischen Akzent sehr gefremdelt haben. Das Album ist ein Meilenstein europäischer Dance Music, es verband verschiedene Stilarten auf sehr organische Weise: Eurodance und HipHop treffen auf Acid Jazz und Madchester-Sounds, alles ist entspannt und leicht bekifft, und wenn nicht einer der Einflüsse die Oberhand gewinnt, funktioniert das Album. Die Single-Tracks „Connected“, „Ground Level“, „Step It Up“ und „Creation“ wurden allesamt Hit Singles – und die Stereo MC's hatten gewaltigen Einfluss auf kommende Acts wie Faithless zum Beispiel. Connected mag heute etwas dated klingen, aber das passiert „Gebrauchsmsik“, die vor Allem für den Dancefloor gedacht ist. Ich weiss nicht ob ich das Album nur aus Sentimentalität mag. Die Singles tun es auch heute noch für mich. Daher sollte man Connected mal anhören.