Sonntag, 30. September 2018

1986 – Metallica bis Candlemass - Thrash, Hardcore, Crossover-Thrash - die Krone der Welle ist erreicht

1986 steht Metal in voller Blüte. Da ist vor Allem Thrash, die härtere, amerikanische Variante des punk-infizierten Metal aus Großbritannien. Vorbilder wie Iron Maiden, Diamond Head oder Saxon klingen gegen Bands von der US- Westküste wie Slayer, Metallica, Megadeth oder Metal Church inzwischen fast zahm, zugleich bringen New Yorker Hardcore Bands wie Cro-Mags, Crumbsuckers oder Agnostic Front ihre Härte in den Thrash ein – und werden wieder selber von ihm beeinflusst: Gemeinsam haben beide geschrubbte Gitarren, hartes Riffing, Betonung auf den Rhythmus, oft unmelodisch herausgebellten Gesang und politisch-dystopischen Lyrics, Unterschiede findet man in den Gitarrensoli, in den Vorbildern aus Metal (Thrash) oder Punk (Hardcore). 1986 werfen vor Allem die großen Bands des Thrash Metal aus der Bay Area ihre Bomben ab: Slayer mit dem Über-Meisterwerk Reign in Blood, Metallica mit Master of Puppets - dem facettenreicheren Nachfolger von Ride the Lightning - lassen die erste Welle brechen. Dahinter drängen sich in der Königsklasse des Thrash Metal etliche andere Acts – die entweder schon ihre ersten Alben hinter sich haben (Overkill, Metal Church...) oder schon Jahre im Proberaum und auf der Bühne standen. In diesem Jahr wird eine reiche Ernte eingefahren – und – das muss man eingestehen - danach beginnen die Bands des Genres sich zu wiederholen. Nachfolgende, durchaus sehr gute Alben erfinden den Thrash nicht mehr neu – sie verfeinern ihn nur noch. Ebenfalls von Interesse sind Bands aus der Hardcore-Szene New Yorks, die sich vom Thrash haben beeinflussen lassen bzw. diesen beeinflusst haben. Die New Yorker Anthrax kamen im letzten Jahr mit Spreading the Disease, heuer gibt es Nuclear Assault oder die Cro-Mags, die Hardcore mit Thrash „crossovern“ Und auch in Deutschland liefern Bands wie Kreator und Destruction exzellente und eigenständige Thrash-Alben ab. In England ist es ebenfalls laut - wenn auch auf traditionellere Art: Iron Maiden liefern genauso getreulich ab wie Motörhead. Ganz am Ende Bands, deren Metal sich anders geriert: Fates Warning etwa „erfinden“ harten, progressiven Metal, der in die Zukunft weist, und die Schweden von Candlemass sind eindeutige Black Sabbath -Verehrer mit einem äußerst charismatischen Sänger. Diese Form des verlangsamten Metal - Doom genannt - entwickelt sich so langsam wie seine Rhythmen – und in jedem kommenden Jahr gibt es ein bis zwei überragenden Alben. Dieses Jahr ist es eben Candlemass' Epicus Doomicus Metallicus - und eigentlich auch der wunderbare Black Sabbath Rip Off Born too Late von Saint Vitus – aber Saint Vitus wurden vom amerikanischen SST Label veröffentlicht, und denen widme ich einen eigenen Abschnitt. Daher--- siehe dort.

Slayer

Reign in Blood

(Vertigo, 1986)
 Review Siehe...

Metallica


Master Of Puppets

(Vertigo, 1986)

Wie gesagt... das epochale dritte Album von Slayer (siehe hier 'drüber) habe ich an exponierterer Stelle beschrieben und zum Klassiker erklärt – das dritte Album der Kollegen von Metallica hätte aber durchaus an gleicher Stelle stehen können. Einfach Pech gehabt – dabei könnte man (…auch ich selber...) einwenden, dass Master of Puppets sogar das bessere, weil facettenreichere der beiden Alben ist. Tatsächlich überlege ich, während ich schreibe, Master of Puppets an die Stelle von Reign in Blood zu setzen – und entscheide mich dagegen. Nach dem puren Thrash von Ride the Lightning – mit dem Metallica zu der Zeit Slayer um eine Nasenlänge voraus waren – hatten sie das definitive pure Thrash Album gemacht. Mit toller Produktion, großen Songs und einer unerreichbaren Intensität und Härte. Nun hatten sie beschlossen, neue Bereiche zu erforschen – und das Feld des reinen Thrash zu verlassen. Master of Puppets fängt den Moment ein, an dem die vier Musiker die perfekte Balance zwischen thrashiger Aggression und progressivem Pomp halten – und daraus mehr machen, als die Summe dieser Teile eigentlich ergeben dürfte. Tatsächlich gibt es Leute, denen die Abkehr vom reinen Thrash hier schon zu weit geht, denen Metallica ab hier immer weniger bedeutet. Ich persönlich halte den Versuch, sich weiter zu entwickeln mindestens für ehrenwert, zumal hier auch noch für gelungen. Aber: Auch ich finde, nach Master of Puppets ging es (immerhin aus großer Höhe) bergab. Aber hier haben wir noch das klassische Quartett mit Bassist Cliff Burton – der bei der anschliessenden Tour in Schweden bei einem Tourbus-Unglück ums Leben kommen wird. Hier haben wir den Opener „Battery“ - beginnend als martialischer Militärmarsch, auslaufend in furiosem Thrash, hier haben wir den progressiven Thrash „Welcome Home (Sanitarium)“, der als Kraftpaket, hervorragend ausgedachte Story und als Song die Klasse von Metallica repräsentiert, hier gibt es mit „Orion“ ein weiteres Instrumental, das die enorme Tightness der Musiker herausstellt, bevor es dann mit „Damage, Inc.“ noch ein letztes Mal so richtig was auf die Ohren gibt. Da kann man das unaufhaltsam dahin-schrubbende „The Thing That Should Not Be“ zu langsam finden, muss aber dessen Kraft bewundern, da sind Kirk Hammett's ausgefeilte Gitarrensoli, die ihn jetzt endgültig an die Spitze der Konkurrenz aller namhafter Genrevertretern stellen. Da ist James Hetfield's Un-Gesang, der nun endgültig zum Markenzeichen wird – und der die Band positiv von der Konkurrenz abhebt. Master of Puppets ist der Beweis, dass man mit viel Talent und ein paar Einschränkungen mitunter mehr erreichen kann, als mit Können allein (Siehe Megadeth). Dieses Album hat auf seine Art womöglich mehr Einfluss auf die diversen Spielarten des Metal, als Reign in Blood. Negativ gesagt – es ist ein bisschen beliebiger – aber es ist zugleich eines der wegweisendsten und zeitlosesten Metal-Alben aller Zeiten.

 Metallica - Battery

Dark Angel


Darkness Descends

(Combat, 1986)


Das weitere Schicksal der großen Thrash-Bands der Mitt-Achtziger ist unterschiedlich. Die einen werden zu Mega-Stars (Metallica), andere halten ewig und werden immerhin zu Legenden in Metal-Kreisen (Slayer, Megadeth, Overkill), einige dienen den Großen als Personalreservoir (Flotsam & Jetsam) – und dann sind da diejenigen, die spätestens Anfang der Neunziger trotz fantastischer Alben untergehen. Zu denen gehört Dark Angel. '86 allerdings weiss man nur, dass Dark Angel mit Darkness Descends ernsthaft in Konkurrenz zu Slayer getreten sind. Die Band um die beiden Gitarristen Jim Durkin und Eric Meyer hat nach einem mittelmäßigen Debüt mit dem ehemaligen Slayer Drum-Tech Gene Hoglan einen Düsenantrieb für ihren High Speed Thrash gefunden, der das verbesserte Songwriting auf diesem Klassiker des Metal fast in Grund und Boden trommelt. Es kann sein, dass die enorme Schnelligkeit und Härte, die Konsequenz mt der Dark Angel spielten, ihnen den Weg an die Spitze verbaut hat, aber dieses eine Album MUSS jeder hören, der Reign in Blood liebt und seinen Thrash an der Grenze zum Death Metal will. Der Sound mag damals gewöhnungsbedürftig gewesen sein, die Drums sind sehr präsent, aber die Gitarren schrubben glasklar dahinter. Es gibt keine freundlichen Riffs wie bei Metallica oder gar Megadeth, keine Singalong-Lyrics wie bei Anthrax oder Helloween – und ganz gewiss keine Power-Balladen a la „Fade to Black“. Dafür gibt es mit „Darkness Descends“ einen Titeltrack, der Slayer links überholt, Tempowechsel von sehr schnell bis rasend schnell, die dem Album genug Abwechslung bescheren, um es über die ökonomischen 35 Minuten zu tragen – und mit „The Burning Of Sodom“ und „Merciless Death“ mindestens zwei Tracks, die zeigen, dass die Straße vom Thrash zum Death Metal schon gebaut wird. Wer wirkliche Härte will, sollte das hier hören.

Dark Angel - Darkness Descends 

Megadeth


Peace Sells... But Who's Buying

(Capitol, 1986)

Dass Megadeth-Diktator Dave Mustaine ein extrem talentierter Gitarrist und Songwriter ist, wusste man, seit klar war, dass er bei Metallica Einer zuviel war. Und dass er mit Megadeth dann eine zweite Speerspitze des Thrash schmieden würde, war ja wirklich ein toller Nebeneffekt seiner Trennung von Metallica. Blöd nur, dass er ein Drogenproblem hatte und für seine Bandkollegen zu einem äußerst unangenehmen Zeitgenosse werden konnte. Diese Faktoren dürften den größeren Erfolg seiner Band verhindert haben. Ich behaupte, dass Mustaine und Band unter anderen Umständen kommerziell mindestens neben Metallica hätten bestehen können. So verlief die Karriere der Band so erratisch, wie Mustaine's Persönlichkeit. 1986 aber standen sie mit diesem, ihrem dritten Album ganz knapp hinter Slayer und Metallica – ich finde sogar, dass Peace Sells... But Who's Buying von diesen drei das sauberste und geschmeidigste Album ist – will sagen – die Produktion ist hervorragend, die instrumentalen Fertigkeiten von Mustaine und Gitarren-Kollege Chris Poland sind beeindruckend, das Rhythmusgespann spielt so sauber und rasant, dass es eine Freude ist – und das Songwriting ist (zum größten Teil) exzellent. Die ersten vier Tracks lassen sich in ihrer Melodik und Kraft kaum mit der Konkurrenz vergleichen. Dave Mustaine's zynisches Krächzen soll Live unsäglich klingen, im Studio klingt es gut und passt zur Musik. Die Coverversion des Blues-Klassikers „I Ain't Superstitious“ passt einfach nicht hier hin – sie zeigt, dass Mustaine gerne Jimmy Page UND Robert Plant wäre – und das ist er nicht. Aber wenn der Schuster bei seinen Leisten bleibt – wie beim abschliessenden „My Last Words“ - ist Alles gut. Melodischer, rasanter Thrash mit brennenden Gitarren. Das nächste Album wird weniger toll, aber das 1990er Rust In Peace wird endgültig zum Meisterwerk. 

Megadeth - Peace Sells 

Metal Church


The Dark

(Elektra, 1986)

Jetzt folgen Bands, die bis ca '85 als ernsthafte Konkurrenz zu Metallica galten – die aber den Schritt in den Crossover unterließen und damit den breiten Erfolg verpassten. Metal Church hatten '84 ein formidables Debüt hingelegt, einen Klassiker des Thrash mithin, der (IMO) besser war, als Metallica's Debüt und kaum schwächer als das zeitgleich erschienene Ride The Lightning (aber ein furchtbares Cover-Design hatte). Und mit The Dark toppten sie ihren Erstling sogar noch einmal. Kontinuität ist da wohl von Vorteil: Es war immer noch das klassische Line-Up um den Gitarristen und Songwriter Kurdt Vanderhoof mit Shouter David Wayne, Drummer Kirk Arrington, Bassist Duke Erickson, and Gitarren-Mitstreiter Craig Wells – die allesamt auch ihren Beitrag zu den Songs leisteten. Schwankte Metal Church 1984 noch an der Grenze zwischen Thrash und klassischem Metal, so wurde nun auf The Dark die Grenze zum Thrash öfter überschritten. Aber Metal Church hatten mit David Wayne nun einmal einen Rob Halford-Wiedergänger am Mikro, und immer noch war Vanderhoff in der Lage auch mal eine kraftvolle Metal-Balladen zu schreiben, die dennoch Kitsch vermeidet („Watch the Children Play“) - somit enthält The Dark etliche Thrash-Tracks mit klassischen Metal-Anteilen – nur so progressiv und zugleich Hit-tauglich wie Metallica sind Metal Church nicht – und so extrem und Hit-tauglich wie Slayer auch nicht. Auf The Dark gibt es großartige Soli, rasantes Shredding, pumpende Rhythmen – man muss vielleicht Nieten-Armbänder tragen um das zu lieben. Die Sache mit den finsteren Song-Themen und Texten gibt dem Album eine zusätzliche Dimension, das Songwriting ist durchgehend gelungen und The Dark ist gut produziert, aber Metal Church blieben letztlich zu metallisch für den großen Erfolg (den – nebenbei bemerkt – Metallica ja auch erst in ein paar Jahren mit ihrem „schwarzen“ Album haben würden). 1986 waren sie noch ernsthafte Konkurrenz für Metallica – gingen mit ihnen auf Tour, warfen den ständig besoffenen Sänger 'raus, verloren Kurdt Vanderhoof – und machten mit Blessing In Disguise (89) ein weiteres großartiges Album. Aber Superstars wurden sie einfach nicht - was vielleicht auch so gewollt war...

Metal Church - The Dark 

Flotsam & Jetsam


Doomsday For The Deceiver

(Metal Blade, 1986)

Es geht das Gerücht um, dass sich Metallica mit der Absicht am Personal der Konkurrenz bedient haben, um diese aus dem Feld zu räumen. Das sicher Quatsch ist. Wenn ein Musiker wie Jason Newsted 1986 von Flotsam and Jetsam zu Metallica wechselte, dann war das seine freie Entscheidung – und dass er bei den Thrash-Königen zunächst „nur“ als Ersatz am Bass fungierte, ist logisch. Metallica waren eine festgefügte Einheit, die auf tragische Weise ihren vorherigen Bassisten verloren hatten. Der „Neue“ musste sich eben erst einmal etablieren... Aber dass damit eine extrem talentierte Band eines ihrer wichtigsten Mitglieder verlor, kann man durchaus bedauerlich finden. Und das Debüt von Flotsam and Jetam als Audition-Tape für das spätere Metallica-Mitglied zu sehen, täte der Klasse von Doomsday for the Deceiver unrecht. Diese Band gab es immerhin schon seit 1981 und sie waren inzwischen eine eingespielte Mannschaft – noch mit besagtem Bassisten und Songwriter in ihren Reihen, aber eben auch mit einem großartigen Sänger (Eric A.Knutson) der sich locker mit Judas Priest's Rob Halford messen lässt, mit einem Gitarrengespann, das etliche Konkurrenten mit sehr melodischen Twin-Gitarren-Duellen blass aussehen lässt und mit einem vituosen Drummer, der dem Speed-Thrash der Band den nötigen Turbo-Nachbrenner verleiht. Doomsday for the Deceiver muss sich unter den '86er Thrash-Meilensteinen nicht verstecken, ist schlagender Beweis dafür, dass die ganze Stilrichtung in dieser Zeit regelrecht aufblühte. Und – ja – tatsächlich zeigt sich auf diesem Album, dass Newsted ein hervorragender Songwriter ist: Aber die Songwriting-Credits gehen an die ganze Band und das zweite Album von Flotsam and Jetsam (No Place for Disgrace) würde in zwei Jahren beweisen, dass Newsted nicht der alleinige Grund für die Klasse von Songs wie „Hammerhead“, „Metalshock“ oder dem Titelsong des Albums ist. Doomsday… gehört definitiv zu den großen Thrash-Debüt Alben der Achtziger – auch wenn die lange Karriere der Band nach dem oben genannten zweiten (noch besseren) Album keine großen Höhepunkte mehr hatte...

Flotsam and Jetsam - Hammerhead 

Kreator


Pleasure to Kill

(Combat, 1986)

In der Einleitung zu diesem Kapitel weise ich schon darauf hin – Deutschland ist auch ein bisschen Thrash-Metal-Land. Hier sind insbesondere Kreator zu nennen, die mit ihrem zweiten Album eine schön eigenwillige Spur verfolgen, die eine teuflische Art Thrash spielen, die ganz viel vom kommenden Death Metal vorwegnimmt. Pleasure to Kill ist schon das zweite Album der Band aus Essen, das Erste (Endless Pain) hat das Trio der damals noch nicht volljährigen Musiker in Berlin eingespielt, sie haben mit Flag of Hate eine noch bessere EP folgen lassen und liefern mit diesem Album abwechslungsreiche, extrem harte und aggressive Konkurrenz zu den großen Thrash Alben aus den USA ab. Pleasure to Kill ist nicht nur richtig hart, es ist auch anders als alles, was man '86 Thrash nennt. Durch das Gebell von Drummer Jürgen „Ventor“ Riel und das zynische Krächzen von Gitarrist Mille Petrozza wird jede Anbiederung an Alt-Metall verhindert, abwechslungsreiche Songs wie "Ripping Corpse", "Under The Guillotine" "Pestilence" oder der allmächtigen Titel-Track bereiten die Eingeweihten auf die Death Metal Dämmerung vor, sind dabei aber immer noch wiedererkennbar – was manchen Death Metal Rasereien der kommenden Jahre abgehen wird. Die Produktion ist chaotisch und dreckig – und steht dem der Band hervorragend. Pleasure to Kill wurde zum ersten echten Klassiker Kreator's – die mindestens bis ins neue Jahrzehnt noch ein paar weitere Meisterstücke folgen ließ: Eine ganz eigene, sehr aggressive und rohe Form von Thrash, die zunächst mal ohne Konkurrenz blieb – bis auf...

Kreator - Ripping Corpse 

Destruction


Eternal Devastation

(Steamhammer, 1986)

die sind nämlich mit diesem ebenfalls zweiten Album auf ähnlichem Terrain unterwegs. Destruction gelten als eine der dienstälteste Thrash-Bands Deutschlands, sie sind '82 in Weil am Rhein entstanden und haben 1984 mit Infernal Overkill bewiesen, dass Thrash nicht nur von US-Musikern von der Westküste kommen muss. Bassist/“Sänger“ Marcel „Schmier“ Schirmer, Drummer Tommy Sandmann, und Gitarrist Mike Sifringer hatten eindeutig Bands wie Venom, Mercyful Fate und Motörhead als Vorbilder - und aus diesen Einflüssen eine giftige Brühe gekocht, die zum Thrash der Zeit passt. Der Sound von Destruction ist womöglich noch roher als der von Kreator, Schmier's Vocals gehen von aggressivem Krächzen zu hysterischem Kreischen (und sind damit in der Extrem-Metal Tradition zuhause), ihre Songs haben oft regelrechte Marsch-Rhythmen mit seltam komplexem Riffing. „Curse the Gods“ dürfte Gotteslästerern gefallen haben, ist aber textlich weit reflektierter als man es bei dieser gewalttätigen Musik erwarten würde. „Life Without Sense“ nimmt die Tradition der „Horror im Hospital“-Themen von Metallica oder Dark Angel auf. Und auch für Eternal Devastation gilt – es hebt sich vom US-Thrash ab, ist eigenständig, voller Wucht und Härte. Destruction hatten keine so durchgehend erfolgreiche Karriere wie die Kollegen aus Essen, aber Eternal Devastation ist das Album, das man haben muss, um die drei großen deutschen Thrash-Bands hören zu können (… Sodom wären die Nr. 3 – die machen mit ihrem diesjährigen Debüt Obsessed by Cruelty aber ein Album das ich nicht empfehle... 1987 kommt dann das tolle Persecution Mania...)

Destruction - Curse the Gods 

Nuclear Assault


Game Over

(Under One Flag, 1986)

Diese Sache mit dem „Crossover“ diverser Stilarten im Metal wird inzwischen gerne als äußerst unhip – sogar peinlich bis ärgerlich angesehen – vermutlich weil es da spätestens ab den frühen Neunzigern sehr viele ehemals glaubwürdige und fähige Bands gab, die sich aus kommerziellen Gründen diesem Trend anbiederten. Aber wie immer – es gibt sehr positive (meist frühe) Beispiele dafür, dass die Verbindung von Hardcore/Punk und Thrash organisch, gelungen und sinnvoll ist. Eines dieser Beispiele ist das Debüt der Band Nuclear Assault um den Ex-Anthrax/baldigen Brutal Truth Bassisten Dan Lilker. Wenn man die Scheuklappen weglässt, kann man sehen, das Game Over ohne Probleme neben Kill 'Em All, Show No Mercy etc bestehen kann. Und das aus verschiedenen Gründen: Erstens sind hier einige hervorragende Musiker am Werk – besagter Lilker am Bass, dessen Kumpel/Ex Anthrax Roadie John Connelly als Gitarrist und Sänger, Gitarrist John Bramante und Drummer Glenn Evans wissen definitiv, was sie tun. Sie alle haben reiche Erfahrung in New Yorker Thrash und/oder Hardcore Bands gesammelt, und sie wissen offensichtlich Songs zu schreiben, die die Verbindung aus Metal und Hardcore sehr attraktiv machen. Da passt das kompromisslose ein-minütige instrumentale Eröffnungs-Stück „Live, Suffer“ wunderbar vor den Thrash-Hardcore Hybrid „Sin“. Tracks wie „Cold Steel“ und „Betrayal“ sind schon eher purer Thrash, „Hang the Pope“ nimmt den Grindcore von Lilker's baldigem Hauptprojekt Brutal Truth vorweg, „Vengeance“ ist wieder Crossover-Thrash in Gut und der Closer „Brain Death“ hat sogar ein Akustik-Intro ehe er rasant Tempo aufnimmt. Memorable Riffs, Ein Sound, der roh genug ist für ein Debüt, aber den Fähigkeiten der Musiker gerecht wird, Riffs und Soli, kraftvoll wie in dieser Sparte des Metal üblich... Game Over ist ein kurzweiliges Vergnügen – mindestens....

Nuclear Assault - Sin 

Crumbsuckers


Life of Dreams

(Rough Justice, 1986)

und so ist der Schritt nach NY und in die dortige Thrash/Hardcore-Szene getan. New York HC ist sozusagen die Entsprechung zum Thrash der Westküste, beide Musik-Gattungen beeinflussen sich gegenseitig, beide sind vom Punk beeinflusst – und der „Crossover“, der bald als Schimpfwort verwendet wird, ist – noch - einfach eine logische Entwicklung außerhalb kommerzieller Planung. Es gibt bei der Website The Quietus die Worte des Anthrax-Sängers Scott Ian zum Debüt der Crumbsuckers – einer der leider vergessenen Bands der New Yorker Szene, die Mitte der Achtziger oft im legendären CBGB's die Wände zum Einsturz bringen. Er bescheinigt der Band zu Recht große Musikalität, stellt sie nah an den Thrash seiner Band/ dieser Zeit und verweist zugleich auf die deutlich erkennbaren Wurzeln im Hardcore ihrer Stadt. Bassist und Bandgründer Gary Meskil hat sicher auch ein paar Black Sabbath Alben im Schrank, die zwei Gitarristen Dave Wynn und Chuck Lenihan klingen, als könnten sie bei Ozzy Osbourne mitmachen, und Sänger Chris Notaro hat das Hardcore-Organ, das man auch bei etlichen Thrash-Metal Bands dieser Zeit findet. Interessanteweise hatten die Crumbsuckers in der HC-Szene mit ihren Thrash – und sogar Blues (!)- Zwischentönen keinerlei Probleme – eine „reine Lehre“ war wohl noch nicht formuliert. Tracks wie „Return to the Womb“ (schön gemein...), der Titeltrack „Life of Dreams“ und „Brainwashed“ (...irgendwas ist immer mit dem Gehirn...) sind kurz, hart und kernig, der Album-Closer „Moment Of Silence/Mr Hyde“ drosselt das Tempo mit... klar... Akustik-Gitarren Passage ehe wieder geshreddet wird, dass es kracht. Life of Dreams mag nicht der Beginn einer großen Karriere sein, aber es ist eines der gelungensten Alben seiner Zeit – mit Cover-Artwork von Sean Taggart, der für einige feine Cover in dieser Szene verantwortlich war (Siehe Agnostic Front...)

Crumbsuckers - Brainwashed 

Cro-Mags


The Age of Quarrel

(Roadrunner, 1986)

Das andere Album aus der NY Hardcore-Szene, das von Anthrax Bassist Scott Ian auf The Quietus hoch gelobt wird, kommt von einer etwas bekannteren Band. Die Cro-Mags haben einen mehr als legendären Ruf, ihr Hardcore stand nie im Anruch, sich kommerziellen Erwägungen zu beugen – aber auch sie scheuen '86 keine stilistische Grenzüberschreitung. Dabei sind sie in vieler Hinsicht das Gegenteil der Crumbsuckers – wo Die mit rasantem Tempo los-shreddern bleiben die Cro-Mags schwer und langsam wie ein Lavastrom, sie klingen „heavier“ als so manche Thrash-Band, haben aber ein Händchen für Hardcore-Hymnen (die im Gegenteil zum Thrash näher an der Realität, politisch bzw. gesellschaftlich aggressiver sind). The Age of Quarrel ist – laut Scott Ian - so brutal wie Reign in Blood und Master of Puppets, aber die Hardcore-Wurzeln der Cro-Mags sind deutlich erkennbar... und machen das Album vermutlich ausserhalb des Kreises der Eingeweihten zum No Go. Man muss bedenken, dass NY Hardcore '86 noch ein lokales Phänomen war, welches den kommerziellen Hype erst in 3-4 Jahren – im Zuge des ebenfalls bald folgenden Metal-Hypes - erleben würde. Aber es ist ja immer so: Die echten Perlen eines Genres entstehen vor dem Hype. Hier hat man mid-tempo Hardcore Ohrwürmer wie „Malfunction“, „Street Justice“ oder das für Hardcore regelrecht dahinschleichende „Seekers of the Truth“. Bei all ihren „Metal“-Zutaten gelingt es den Cro-Mags immer noch überzeugend die Punk und Hardcore-Anteile deutlich durchklingen zu lassen. Mag sein, dass die rohe Produktion da ihren Anteil hat, mag sein, dass John Joseph's Vocals und Harley Flanagans Songwriting (noch) zu weit vom Thrash-Crossover entfernt sind – zu nah an den Ursprüngen der New Yorker Hardcore Szene. Andererseits gilt dieses Album (und diese Band) als Fundament des Crossover – und das ist positiv zu verstehen. Das heißt aber auch, wer „echten NY-Hardcore will, sollte sich nach dem folgenden Album umsehen...

Cro Mags - Malfunction 

Agnostic Front


Cause for Alarm

(Rough Justice, 1986)

...denn Agnostic Front sind wohl so etwas wie DIE archetypische NY Hardcore Band. Da war der Gitarrist und Bandgründer Winnie Stigma, der die Band nach seinem Fanzine benannt hatte, da war nach einigen tumultösen Jahren an der Konzertfront mit Roger Miret ein Punk-Shouter dabei, der so glaubwürdig und charismatisch war, wie es seine Tattoos versprechen – und da war eine Band, die schon mit dem '84er Debüt Victim in Pain ihren Sound definiert hatte und die nun mit Cause for Alarm nicht nur ein typisches, sondern auch eines der besten HC Alben aller Zeiten ablieferte. Im Gegensatz zu den Crumbsuckers oder den Cro-Mags (siehe oben) gilt dieses Album als Beispiel für New York-Hardcore in Reinform... und zeigt damit, dass die Schnittmenge zwischen Thrash und HC in dieser Zeit recht groß ist. Mit zehn Songs in 24 Minuten wird die Tradition der kurzen, schnellen Alben bedient – was bei der Rasanz nicht einmal negativ ist - mehr wäre langweilig... mit ihrem neuen zweiten Gitarristen Alex Kinon ist anscheinend Thrash-Riffing eingeführt worden, das gerade mal ein-einhalb Minuten lange „Your Mistake“ wird von diversen Band gecovert werden, beim thrashigen „Public Assistance“ lassen AF sich den Text von Peter Steele schreiben (zu dieser Zeit Kopf der Band Carnivore) – und setzen sich damit ganz schön in die Nesseln. Diese Lyrics sind einfach dumm und geschmacklos in ihrer Verunglimpfung von Sozialhilfe-Empfängern – aber Peter Steele würde sich mit der eigenen Band und später mit Type O Negative oft genug mit seinen „provokanten“ Lyrics disqualifizieren. Erstaunlich nur, dass Agnostic Front sich hier bei ihm bedienen, weil sie sonst eindeutig der eher linken Seite der Hardcore-Szene angehören. Musikalisch – vor allem auch „gesanglich“ - ist Cause for Alarm mit seiner Wucht, mit Roger Miret's infernalischem Gebrüll, mit seinem Tempo, ein wirklich mitreissendes Album – das aber auch von dieser Band nicht mehr übertroffen wird. Es wird nur (durchaus besser) kopiert werden...

Agnostic Front - Your Mistake 

Onslaught


The Force

(Under One Flag, 1986)

Natürlich werden im United Kingdom auch Slayer, Metallica, Anthrax oder Kreator gehört – und die Generation junger Musiker, die sich der harten Musik verschrieben hat, lässt sich von den US-Bands ebenfalls beeinflussen – aber sie schöpfen auch aus der eigenen Geschichte. Da sind zum Beispiel Onslaught aus Bristol, die schon 1983 als Punk-Band begonnen haben, die sich an die D-Beat Institution Discharge angelehnt haben, die bald Metal in der Art von Bathory oder Venom in ihren Stil einbrachten, die nun nach zwei Alben eine gehörige Portion Thrash a la Slayer in ihre Suppe gießen. Mit Under One Flag hatten sie ein neues Label, mit Sy Keeler einen Sänger, der eine breitere Range hatte (nicht unbedingt nötig, ich weiss...) und mit Jase Stallard einen zweiten Gitarristen. Nun spielten sie als Vorprogramm für Anthrax und Motörhead – und hatten mit The Force ein Album am Start, das sich in punkto Brutalität und Schnelligkeit nicht hinter den Zeitgenossen aus den USA verstecken musste. Und The Force hat auch noch den Vorteil der Eigenständigkeit (sofern man das bei dem Lärm erkennt...), da Spurenelemente aus britischem Punk und vom Proto-Black Metal von Venom immer noch ihre Spuren hinterlassen. Und Onslaught wissen Epen zu verfassen: Das zentrale „Flame Of The Antichrist“ beginnt als Doom, wechselt immer wieder in rasantes Thrash-Riffing und schweren Metal. Aber auch der Opener „Let There Be Death“ und „Fight With the Beast“ sind ehrenwerte Thrash-Songs, die in ihrer punkigen Schnelligkeit durchaus an Slayer-Klasse heran reichen – nur dass sie eben von Briten stammen. Einziges Manko mag die nicht ganz so geleckte Produktion sein – aber dem Afficionado ist gerade das Qualitätsmerkmal. Schade, dass Onslaught für das nächste Album geschlagene drei Jahre brauchten und von der Plattenfirma drangsaliert wurden. '91 gingen sie auseinander und blieben so obskurer, als verdient. The Force gehört zu den hörenswerten Alben des Thrash der 80er. 

Onslaught - Flame of the Antichrist 

Motörhead


Orgasmatron

(GWR, 1986)

Ein Motörhead-Album in den Zusammenhang zu seiner Zeit zu stellen, ist immer ein bisschen schwierig. Gefühlt haben sich Motörhead in den 40 Jahren ihrer Existenz – bzw. den 11 Jahren seit 1975 – nicht verändert. Sie spielen schnellen, harten Rock'n'Roll (sagte Lemmy) und hatten zwar Punk und natürlich Metal in jeder Form seit Beginn der Achtziger beeinflusst, waren dabei aber anscheinend immer nur sie selbst: Lemmy, sein Bass, seine dreckige Stimme plus Gehilfen, die seinen krachenden Parolen Tempo geben. Das Vorgängeralbum Another Perfect Day allerdings war dank des Ex-Thin Lizzy-Gitarristen Brian Robertson so etwas wie Motörhead in Psychedelic gewesen – was Lemmy damals nicht so toll fand (aber zu einem tollen Ergebnis geführt hatte). Nun hatte er drei Jahre später gleich zwei neue Gitarristen und einen neuen Drummer und kehrte mit diesem Personal zum No-Fun Sound der sechs Alben davor zurück. Orgasmatron ist also wieder typisch Motörhead, mit dem wunderbar slogan-haften Opener „Deaf Forever“, mit dem gleichwertigen Titeltrack, mit wunderbaren Tracks wie „Mean Machine“ oder „Built for Speed“, die so klingen, wie die Titel es versprechen und mit einer kraftvollen Produktion vom New Yorker Jazz-Grenzüberschreiter Bill Laswell. Das Album war nach dem relativen kommerziellen Misserfolg des Vorgängers für die konservative Anhängerschaft ein Return to form – für mich ist Orgasmatron „nur“ ein weiteres gutes Motörhead-Album, das hinter dem ungewöhnlichen Vorgänger zurück bleibt – aber es ist Motörhead-Rock'n'Roll – und mehr will ich doch gar nicht. 

Motörhead - Built For Speed 

Iron Maiden


Somewhere in Time

(EMI, 1986)

Wer diesen Artikel liest, hat mitbekommen, dass Scott Ian von Anthrax sich auf der Website The Quietus kenntnisreich über den Hardcore/Thrash seiner Zeit ausgelassen hat (und ich beziehe mich auf ihn...) – aber er hat in diesem Beitrag u.a. auch Somewhere in Time von der NWOBHM-Institution Iron Maiden hoch gelobt: Bestimmte Bands sind in den entsprechenden Kreisen einfach „Kult“ - und werden über alle Stilgrenzen hinweg akzeptiert und bewundert. Zumal wenn sie – wie Iron Maiden – ihren Stil über lange Zeit so überzeugend beibehalten und prägen. An anderer Stelle habe ich es schon geschrieben – die ersten SIEBEN Alben von Iron Maiden sind allesamt sehr gelungen – und Somewhere in Time ist die Nummer Sechs. Es ist ein Album des stilistischen Überganges, Iron Maiden haben sich immer weiter in Gefilde des progressiven Rock gewagt, die Songs sind immer länger geworden, wenn man ihr '80er Debüt mit dem Vorgänger Powerslave vergleicht, sieht man, um wie viel die Band sich verändert hat. Auf dem neuen Album werden sie endgültig zur Progressive Metal Band. Kraft und Engagement sind erfreulicherweise in al den Jahren auf gleich hohem Niveau geblieben, die hymnen-haften Melodien sind ihnen nicht ausgegangen, aber jetzt fassen sie ihre immer weiter sprudelnden Ideen in Songs, die ohne Qualitäts-Abfall über sieben Minuten dauern können. „The Loneliness Of The Long Distance Runner“ dauert sechs-einhalb Minuten und keine Sekunde ist zuviel, die Twin-Gitarren-Soli erfreuen die Herzen derer, die so etwas für unabdingbar halten – und auch ich kann mich einer gewissen Bewunderung für den Einfallsreichtum der Gitarristen nicht enthalten. Bruce Dickinson's Vocals und seine Alarm-Sirenen-Stimme sind ungeheuer klischeehaft und zugleich beeindruckend in ihrer Kraft und Überzeugung. Die meinen das Ernst. Iron Maiden's Metal mag 1986 nicht mehr „zeitgemäß“ sein, aber das Niveau der Songs, der Spaß und die Power sind beeindruckend. Und ist Metal nicht auch immer ein Hort des Schönen, Guten und Bewährten? Ein tolles und in gewisser Weise zeitloses Album.

Iron Maiden - The Loneliness of the Long Distance Runner 

Fates Warning


Awaken The Guardian

(Metal Blade, 1986)

da das Thema Thrash und Hardcore nun hinreichend behandelt ist, es 1986 aber auch etliche hervorragende Metal Alben aus anderen Ecken dieses Genres gibt, die ich nicht unerwähnt lassen wollte, wird nun mit diesem Album das Thema „Progressive Metal“ angeschlossen. Die US Band Fates Warning aus Hartford, CT steht mit ihren musikalischen Zielen von vorne herein ausserhalb der Thrash – Gemeinde, Sie haben offenbar Iron Maiden und Bands wie Rush, Genesis etc zu Vorbildern auserkoren – und mit ihrem dritten Album haben sie sich von diesen Vorbildern freigestrampelt und zugleich für eine Gruppe von ähnlich gearteten Bands (Queensryche, Heir Apparent, Crimson Glory) ein Referenzalbum vorgelegt. Awaken the Guardian ist ein eigenständiges, durchaus auch für Fans der härteren Seiten des Metal geeignetes Progressive-Rock Album, das alles hat, was man auch heute noch in dieser Nische sucht. Man sollte bedenken, dass diese Art Metal seinerzeit fast innovativ war – die Kombination aus Power Metal, jazzig- progressiven Angebereien und Thrash-Passagen gab es so noch nicht. Fates Warning füllten mit diesem Sound eine Lücke und waren in ihren technisch komplexen Passagen und Songstrukturen weiter, als Iron Maiden oder Metallica je kommen würden (und wollten...). Es gibt Tage, an denen mir die Gitarrenduelle, das thrashige Riffing und die komplexen, etwas schwer verdaulichen Songs gerade gefallen. Das Album verlangt nach mehrmaligem Anhören, und vor Allem die Gesangsleistung von John Arch ist bemerkenswert. Der hat eine einzigartige Stimme und er nutzt deren Bandbreite in allen Oktaven bis zum Exzess. Manchmal hört sich sein Gesang nach freier Improvisation an, was er hier macht, ist Hochleistungs-Sport – und damit vielleicht auch nicht jedermanns Sache. Awaken the Guardian polarisiert durch seine artifizielle Komplexität, aber wenn man einmal den Zugang zum Fantasy-Metal-Geheul von „Fata Morgana“ gefunden hat, dann kann man sich auch dem Reiz der Gitarrenduelle von „Giant’s Lore (Heart of Winter)" oder dem krachenden Noise am Ende von „Exodus“ nicht verschließen. Nach diesem Album verließ Arch die Band – und sie wurden zugänglicher (nicht unbedingt besser) – dieses Album und der Vorgänger The Spectre Within sei Prog-Metal Fans höchstrichterlich empfohlen. 

Fates Warning - Exodus 

Omen


The Curse

(Metal Blade, 1986)


Ein bisschen in die Richtung Fates Warning geht auch das, was Omen mit ihrem dritten Album fabrizieren. Die Band kommt aus Los Angeles, hat somit die gesamte Thrash-Gemeinde in der Nachbarschaft, aber sie selber sind wohl eher dem „echten“ Metal – also der Iron Maiden/Fantasy/ Epic /Power Metal Fraktion verpflichtet. Das hatten schon die beiden Vorgänger Battle Cry ('84) und Warning of Danger ('85) in Covergestaltung und Titel versprochen, aber beide Alben leiden unter einer etwas zu dumpfen Produktion, bei The Curse (dem dritten Album in gleicher Besetzung, was immer von Vorteil ist...) fielen die Teile perfekt zusammen. Auch Omen haben mit J.D. Kimball eine Hafensirene am Mikrophon, auch sie können Tharsh-Passagen in Songs wie den Titeltrack einbauen (...war damals nun einmal angesagt...), aber sie sind nicht so progressiv wie Fates Warning, dafür mit Songs wie „Bounty Hunter“ auf positive Weise nah an den älteren Vorbildern aus der New Wave of British Heavy Metal. Der Versuch, sich an den Thrash-Metal der Zeit anzupassen, wird von manchen Hörern als misslungen bezeichnet – mich stört er gar nicht – aber Omen's Stärken sind zweifellos „altmodischere" Tracks wie „Teeth of the Hydra“ mit den melodisch einfallsreichen Gitarrenworkouts von Kenny Powell und der „Hit“ der Band - „Holy Martyr“ mit Ohrwurm-Chorus. The Curse ist ein (fast) perfektes. altmodisches Power Metal Album mit ein paar modischen Accessoires. So was braucht man einfach manchmal wenn man Metal hören will.

Omen - Bounty Hunter 


Candlemass


Epicus Doomicus Metallicus

(Black Dragon, 1986)

Ganz oben wird es schon gesagt: Die verlangsamte Sparte des Metal – Doom – ist in diesem Jahr mit zwei ganz hervorragenden Alben vertreten: Da ist zum Einen Born too Late von Saint Vitus – die aber aus diversen Gründen auf dem Hardcore/Punk Label SST veröffentlichen und damit in einem anderen Kapitel über genau dieses formidable Label Erwähnung finden – und da ist das bezeichnend mit Epicus Doomicus Metallicus betitelte Debüt der Schweden Candlemass. Das Vorbild beider Bands ist klar – Black Sabbath und nur Black Sabbath - scheinen zunächst einziger Einfluss zu sein. Aber ein reiner Rip Off wäre ja langweilig, und wenn man Metal auf diese Art verlangsamt, gehen die Assoziationen automatisch in Richtung Sabbath, aber wer sowohl Saint Vitus als auch Candlemass als reine Nachahmer bezeichnet, tut ihnen Unrecht. Die Band as Schweden war von Gitarrist und Songwriter Leif Edling gegründet worden, nachdem er mit der Vorgänger Band Nemesis eine EP geschafft hatte. Seinen Stil und ein paar wirklich gelungene Songs hatte er schon dabei und nun hatte er mit Johan Landquist einen Sänger dabei, der genau die richtige Stimme – ein bisschen Ozzy Osbourne, viel Kraft und genug Eigenständigkeit – mitbrachte. Und der veredelt dann die sechs Songs in 43 Minuten auch entsprechend – Songs, die für sich schon den Standard für traditionellen Doom in den kommenden Jahren setzen werden. Epicus Doomicus Metallicus ist meiner Meinung nach tatsächlich das beste Doom Album der Achtziger – dicht gefolgt von den Debüt-Alben von Pentagram und Saint Vitus... ab Anfang der Achtziger findet man quasi eine Perle für jedes Jahr. Candlemass haben dieses Händchen für Melodik, das man bei etlichen schwedischer Bands jeglicher Provenienz findet – da mag die schwedische Folk-Musik eine Rolle spielen. Diese Melodien (in Songs wie dem Opener „Solitude" oder im Album-Closer „A Sorcerer's Pledge“) gepaart mit monströsen Riffs, donnernden Drums, Edlings tonnenschwerem Bass und dem kraftvoll-klagenden Gesang modernisieren Doom zur rechten Zeit und heben diese wenig modische Musik auf ein neues Level. Dazu kommt eine für diese Art von Musik genau passend klare Produktion, die das Album noch einmal von den Vorbildern abhebt. Doom hatte tatsächlich eine neue Facette bekommen. Leider verließ Sänger Landquist die Band nach dem Album – und mit Messiah Margolin kam ein neuer Sänger an Bord, der zwar ein äußerst gut wiedererkennbares Organ hat – der aber manchmal mit zu viel Theatralik nervt. Epicus Doomicus Metallicus ist somit das Candlemass-Album der Wahl – und wie gesagt – ab jetzt gibt es jedes Jahr einen leckeren Happen Doom im Metal...

Candlemass - Solitude 


Jetzt ein P.S. Zum Thrash Metal


Für alle Nerds – egal welcher Liebhaber-Ecke: 1986 ist die Krone der Thrash-Metal Welle erreicht. Das bedeutet für mich – ab jetzt kommt nichts wirklich revolutionäres mehr in diesem speziellen Genre – was aber andererseits NICHT heisst, dass es nach '86 keine tollen Thrash-Bands oder Alben geben wird. Also werde ich nun die 10 besten Alben aufzählen, die es da meiner Meinung nach gibt. Dabei weise ich auf folgendes hin: Thrash ist - wie jede andere Musikgattung beeinflusst von (...füge ein was dir einfällt...) und hat (dto...) beeinflusst. Reinrassige (um einen fragwürdigen Ausdruck zu verwenden) Thrash-Alben gibt es eigentlich nicht. Daher tauchen in meiner Auflistung auch Alben auf, die man durchaus auch dem NWOBHM oder dem Death Metal oder oder... zuordnen könnte.


Da sind also:


1. Metallica – Ride the Lightning (1984)


2. Celtic Frost – To Mega Therion (1985)


3. Metallica - Master of Puppets (1986)


4. (Das Beste...) Slayer – Reign in Blood (1986)


5. Dark Angel – Darkness Descends (1986)


6. Anthrax – Among the Living (1987)


7. Voivod – Dimension Hatröss (1988)


8. Megadeth – Rust in Peace (1990)


9. Sepultura – Arise (1991)


10. und als Abschluss - ein Album einer anderen Generation von Musikern: Vektor – Terminal Redux (2016)




Natürlich ist diese Auswahl streng subjektiv und mir fallen sofort mindestens drei weitere Alben ein, die ich für unersetzlich halte:


Metal Church – s/t (1984)


Coroner – Mental Vortex (1991)


Power Trip – Manifest Decimation (2013)


und so könnte ich weitermachen. Andere Alben von Slayer, Metallica, Metal Church, einzelne Highlights wie Num Skull oder Infernäl Mäjesty, Grenzgänger wie Bathory's Blood Fire Death, irgendwas von Kreator oder Exodus oder Testament... So ist das eben. Bei Death Metal, Black Metal, Doom und Grindcore etc würde es genauso aussehen.