Mittwoch, 30. November 2016

1988 – Public Enemy bis Stetasonic - Der Beginn der golden years of HipHop

Zunächst einmal ein bisschen Geschichte: HipHop entstand zu Beginn der Achtziger an der Ostküste der Staaten, genauer in den Ghetto's der New Yorker Bronx. Hier entwickelte er sich aus den Ursprüngen um die Sugarhill Gang, Grandmaster Flash und Run DMC oder Afrika Bambaata (nur ein paar von Vielen), deren Rap's (laut Wörterbuch = Sprechgesang) zu Beats aus dem Ghettoblaster das Leben der schwarzen Bevölkerung in diesen Teilen der Stadt widerspiegelte. Um's schnell zu machen: Diese Raps und Rhythmen wurden von verschiedenen Leuten in diverse Richtungen weiterentwickelt, variiert und mit immer besseren Texten und Beats ausgeschmückt. Zweck der ganzen Angelegenheit war es, zu diesen Beats zu tanzen und sich auf abenteuerliche Weise zu bewegen – zu „breakdancen“ - aber nach einer Weile wurde das Ganze immer komplexer und die Stories, die erzählt wurden, immer wichtiger. Das „Goldene Zeitalter“ – die Zeit von 87 bis 94 etwa – war dann von HipHop Acts geprägt, die es nicht so sehr auf den Dancefloor abgesehen hatten, als vielmehr auf eine perfekte Abstimmung aus Samples, Rhythmik und Texten, die entweder äußerst politisch waren (Public Enemy) oder die Ghetto-Wirklichkeit und den mehr oder weniger friedlichen Gebrauch von illegalen Rauschmitteln (und/oder Waffen) auf mehr oder weniger deutliche Weise darstellten (Eric B & Rakim, Boogie Down Productions, EPMD und so weiter...) Dazu kamen bald die sog. Native Tongue's wie die Jungle Brothers oder (bald) De La Soul und A Tribe Called Quest mit selbstbewusst schwarzen, meist „peacigen“ Themen. Sie alle haben einen virtuosen Umgang mit den Stilmitteln – Sprache und Musik/Samples – gemein.. Aber Ende der Achtziger begannen endlich auch an der Westküste der USA Rapper einen eigenen Stil zu entwickeln. Zunächst waren es im Vergleich zu NY nur wenige, aber das hier unten reviewte Album Straight Outta Compton von N.W.A. bildet die Wurzel einer ganzen Szene, die einen härteren Sound hatte, die politisch extremer war, auch sexistischer, soundmäßig minimalistischer und insgesamt „härter“ als der HipHop der Rapper von der East Coast. Der bald beginnende Macho-Krieg zwischen East Coast und West Coast war dumm, albern und leider auch für ein paar Protagonisten tödlich. Aber das ist eine andere Geschichte. Hier sind einige Highlights vom Beginn des „Golden Age of HipHop“, Alben, die die Grundlage des HipHop bis in die heutige Zeit bilden. Zu Beginn ein paar Alben, die für diese Musik so wichtig sind, wie Blonde on Blonde und Revolver für die weiße Popmusik. Dies sind Alben, die die Gussform für HipHop bis weit in die 00er Jahre bilden.

Public Enemy

It Takes A Nation Of Millions to Hold Us Back


(Def Jam, 1988)

Ich habe in der Überschrift dieses Kapitels über das „Golden Age of HipHop“ geschrieben. Für mich persönlich beginnt dieses Zeitalter mit genau diesem Album. Und damit bin ich nicht alleine – bis heute hat It Takes a Nation of Millions to Hold Us Back seine Gültigkeit behalten, auch wenn diverse Moden es soundtechnisch alt klingen lassen. 1988 jedenfalls waren Public Enemy „The real deal“: Eine Gruppe mit immenser gesellschaftlicher Sprengkraft, bestehend aus einem innovativen Produktions Team (The Bomb Squad), einem radikalen schwarzen Nationalisten als mediales Aushängeschild und „Sprecher“ (Professor Griff - political correctness war seinerzeit - ganz banal - kein Thema...), sogar mit einer paramilitärischen Tanztruppe (The S1W's), dem Rapper und B-Boy Flavor Flav, und einem politisch wachen Kopf (Chuck D) als ideologischem Anführer – der sogar die nationalistischen Ausfälle von Professor Griff abfedern konnte. Chuck D's zu dieser Zeit noch völlig unnachgiebig radikale Rhetorik (... später würde er als Schauspieler reüssieren – und weit zahmer werden...) wurde perfekt untermalt von den revolutionären Sound-Clashes vom Bomb Squad, bei dem sich alle zehn Sekunden der Sound veränderte, bei dem Slayers „Angel of Death“ gesampelt wurde während Flavor Flav (mit einer riesigen Uhr um den Hals) sein HipHop-Theater um die Black Panther Bewegung veranstaltete. Nach einem schon herausragenden Debüt wurden Public Enemy mit diesem, ihrem zweiten Album im Nekropolis der Reagan Ära zu so etwas wie einem einem kulturellen Molotov-Cocktail. Und sie bekamen den verdienten Erfolg. Das seinerzeit meistverkauften Rap-Album gilt als Höhepunkt des Old-School HipHop und „Bring the Noise“ und „Don't Believe the Hype“ sind zwei der besten Rap-Tracks überhaupt, letzterer mit einem Titel, der zum Slogan werden würde – und was wäre bedeutender im HipHop ?

N.W.A.


Straight Outta Compton


(4th & B'Way, 1988)

Für so manchen nur ein bisschen konservativen Weißen in den USA ist es wahrscheinlich bis heute schwierig bis undenkbar, diese Platte anzuhören – geschweige denn sie zu "mögen" oder ihren kulturhistorischen Stellenwert anzuerkennen. N.W.A. (...steht für „Niggaz With Attitude“...) sind mit Straight Outta Compton die (Ok... Mit-)Erfinder eines ganzen Sub-Genres: Des Gangsta-Rap. Und auf ihrem Debüt ist schon alles dabei, was in dieser Sparte des HipHop dabei sein muss - und somit auch alles, was man an ihr hassen kann: Intoleranz, Frauenfeindlichkeit,auf dicke Hose machen und Gewaltverherrlichung. Man muß sich heute klar machen, all das war zuvor nicht unbedingt typisch im HipHop und wurde nun zur Blaupause für das Genre. Das mögen fragwürdige Verdienste sein. aber - Was für eine Platte! Zum Einen waren mit Dr.Dre, Ice Cube und Eazy-E gleich drei Protagonisten des HipHop der Zukunft an diesem Projekt beteiligt. Und dann funktionierte hier auch noch die musikalische Zusammenarbeit der drei Solitäre – sie schufen mit den ersten drei Stücken auf Straigh Outta Compton eine der besten Einleitungen in ein Rap-Album, das Titelstück, dann „Gangsta Gangsta“ und „Fuck tha Police“ - mehr Punk als DeeDee Ramone. Und was ist mit den Texten? Der Aufruf zur Gewalt bei "Fuck tha Police" wurde natürlich nicht überhört, das FBI rügte die Plattenfirma, MTV verbot das Video zum Song, die Verkaufszahlen schossen in die Höhe und ein Genre war erfunden. Und auch heute noch empören sich die Rechtschaffenen – wie schön das ist.

EPMD

Strictly Business


(Fresh, 1988)

Enter EPMD – was für die lustige Absichtserklärung „Erick and Parrish Making Dollars“ steht. Das Duo aus NY/Long Island's - bestehend aus Erick Sermon und Parrish Smith - ist eine Ikone des East Coast HipHop, geliebt von denen, die sie kennen, immens einflussreich bis heute. Ohne sie kein Jay Z, kein Nas, kein Snoop Dogg – kein relaxter, dope-HipHop. Tatsächlich wurden die New Yorker auch an der Westküste respektierte – was seinerzeit keine Selbstverständlichkeit war. Für New York klangen sie aber auch fast ZU entspannt, waren ihre Samples und Rhythmen zu relaxed und funky. Schon der Opener – das Titelstück des Albums – basiert auf dem gesampelten Refrain von Bob Marley's „I Shot the Sheriff“, über den die beiden Rapper ihre entspannten Rhymes legen, meist ist die Herkunft der Samples schnell zu erkennen, ihre erste Single, „You Gots to Chill“ basiert auf Samples von Zapp's „More Bounce to the Ounce“ und Kool & the Gang's „Jungle Boogie“, die zum rollenden Beat gegeneinander kämpfen während Sermon und Smith Alles mit ihrem kollaborativen Rap zusammenhalten. Das hört sich an, als wäre es ganz simpel - und es ist auch nah am ursprünglichen Prinzip des HipHop, bei dem über gesampelte Disco-Beats erzählt wird, aber EPMD waren in ihrer Kunst einige Schritte weiter als der Rest, sie nutzten Samples aus Rock und Soul (damals noch unüblich...) und schufen eine sehr entspannte und eigene Atmosphäre. Strictly Business ist eine Sampelorgie aus der Zeit, als man sampeln konnte was man wollte, ohne allzugroße Schwierigkeiten zu bekommen, und es zeigt, dass man daraus etwas ganz eigenes schaffen kann. Weitere Highlights ? „You're a Customer“ auf Steve Miller's „Fly Like an Eagle“, oder „Jane“, basierend auf einem Sample von Rick James' „Mary Jane“. Bekiffter Party-HipHop mit Niveau – ein Album, das etliche Imitatoren in Stil und Atmosphäre nach sich ziehen sollte.

Eric B. & Rakim

Follow The Leader


(Uni, 1988)

Und ein weiterer Klassiker aus der Gründerzeit des HipHop. Die New Yorker Eric B. & Rakim mit dem Nachfolger zum Vorjahres-Meisterstück Paid in Full. Und natürlich ist ein Fortschritt zum Debüt zu erkennen – was den Erstling nicht schlechter oder uninteressanter macht. Auf Follow the Leader erweitert Producer Eric B das Vokabular, ergänzt den bisherigen Minimalismus um ein paar wohlgesetzte Samples – nicht mehr nur aus dem Katalog von James Brown's - sondern hier und da auch um ein paar Samples aus Bereichen der Rockmusik. Die Eagles, die Average White Band, Herbie Hancock's Headhunters, aber hier gilt, wie bei EPMD's Strictly Business, das Ergebnis ist völlig eigenständig, Rakim's finstere Raps heben die gesamte Musik auf ein höheres Level, sein tiefe Stimme lässt Textbrocken wie Ziegelsteine zwischen die Beats fallen. Er gilt nicht umsonst bis heute als einer der besten Rapper seiner Generation – und als Vorbild für etliche Rapper, die da kommen werden. Follow the Leader ist weit dunkler, rhythmischer und härter als das hier oben reviewte Strictly Business, weit sparsamer als It Takes a Nation of... und cooler als das wütende Straight Outta Compton. Es zeigt wie variantenreich man arbeiten kann, wenn man sich auf's Notwendigste beschränkt – und es ist ein Album, das so heute nicht mehr entstehen könnte. Dies ist HipHop in seiner pursten Form – die beiden ersten Alben von Eric B. & Rakim sind unersetzlich, dass sie hiernach nie mehr auf dieses Niveau gelangen würden ist traurig, aber nicht mehr so wichtig. Highlights auf diesem Album sind der Opener/ Titeltrack mit Rakim's akrobatischen Raps, „Microphone Fiend“, in dem Rakim Drogensucht mit seiner Sucht nach Mic und Worten vergleicht – oder „Lyrics of Fury“ mit den Zeilen: I can take a phrase that's rarely heard/ Flip it/ Now it's a daily word.“ - was wohl treffend beschreibt, was jeder Rapper erreichen will... Rakim hatte es erreicht.

Boogie Down Productions

By All Means Necessary


(Jive, 1988)

Während der Produktion zum zweiten Album des Duo's Boogie Down Productions wurde Beatmaster und Produzent Scott LaRock in den New Yorker Prospects beim Versuch, einen Streit zu schlichten, erschossen. Der nun gezwungenermaßen allein arbeitende KRS-One war durch dieses Ereignis so erschüttert, dass er das Gangsta-Konzept des Debütalbums Criminal Minded für dass neue Album über den Haufen warf, sich selbst den Moniker „The Teacher“ gab, und stattdessen eines der ersten explizit politischen HipHop Alben machte, dass sich mit dem Bewusstsein und vor Allem den selbstzerstörerischen Tendenzen innerhalb der schwarzen Community befasst. Tracks wie „Stop the Violence“ und „Necessary“ kritisieren die Brutalität innerhalb der HipHop-Szene – einer Szene, die sich mit Macho-Gehabe und Intoleranz intern zerfleischt, während die „weisse“ Polizei die Leichen aufsammelt. Warnt vor Rassismus, den er „white man's game“ nennt, kritisiert Drogenhandel und Bestechlichkeit der Polizei bei „Illegal Business“ und warnt vor den Gefahren von Aids im Kondom-Commercial „Jimmy“. All das über einen reduzierten Sound, mit den extrem harten 808 Beats, die man schon von Criminal Minded kennt, über eine recht geringe Zahl von Samples – so basiert „Ya Slippin“ auf dem einen Sample von Deep Purple's „Smoke on the Water“. By All Means Necessary ist genauso politisch wie Public Enemy's Meisterstück It Takes a Nation of Millions..., und seine relativ geringere Bekanntheit mag vielleicht dem extrem reduzierten Sound geschuldet sein, der den Fokus letztlich auf die Lyrics legen will, es aber für die HipHop-ferne Hörerschaft weniger attraktiv macht. Es ist ein weiteres Album, das den HipHop der folgenden Jahre vorwegnimmt, und es ist das beste Album von KRS-One – vor dessen Solo-Alben.

Ultramagnetic MC's

Critical Beatdown


(Next Plateau, 1988)

Die Ultramagnetic MC's sind 1988 mit ihrer Art des HipHop ziemlich innovativ unterwegs. Ced Dee, Moe Love, TR Love und Kool Keith entstammen der Breakdance Szene der Bronx, ihre Raps sind abstrakt, komplex und dadurch ungewöhnlicher als die der Konkurrenz, ihr HipHop ist weird, in einer Szene, in der Realness oberstes Gebot zu sein scheint. Producer Ced Dee arbeitet hauptsächlich mit einem Sampler und den Beats und Gitarrensounds alter James Brown-Tracks, was der Musik Funkyness verleiht. Das Prinzip der einzelnen Tracks ist immer gleich: ein harter „Boom Bap“ Beat, Kool Keith rappt stream-of-consciousness Wahnsinn, Ced Gee unterbricht ihn, und rappt seinen Part bei dem er in Zungen spricht – es ist kein Wunder, dass Critrical Beatdown auch '88 nur moderaten Erfolg in den Charts hatte. Die Rhymes sind zu verrückt, die Rhythmen zu komplex für den Hausgebrauch – was aber dazu geführt hat, dass dieses Album weit besser gealtert ist als andere Alben seiner Ära. Die Ultramagnetic MC's wichen allen Klischee's aus – und Critical Beatdown wurde in der Zukunft zur Quelle etlicher Samples von Nas über Gang Starr bis zu The Prodigy. Die Ultramagnetic MC's veröffentlichen zwar noch ein paar Alben, aber die bleiben unbefriedigend – Kool Keith allerdings wird 1996 als Dr. Octagonecologyst eines der besten und wahnsinnigsten HipHop Alben der Neunziger machen. Hier sind also seine Wurzeln - und sind die Klamotten der Typen nicht einfach wunderbar?

The Jungle Brothers

Straight Out The Jungle


(Warlock, 1988)

De La Soul und A Tribe Called Quest sind die bekannteren – und über die Jahre auch die besseren Acts des politischen Jazz-Rap – oder wie man es auch nennt – des „Conscious HipHop“, des HipHop, der sich mit den sozialen Missständen der afro-amerikanischen Gesellschaft auseinandersetzt. Die New Yorker Jungle Brothers aber sind der erste Act, der ein komplettes Album veröffentlicht, und dieses sowie das zweite Album Done By the Forces of Nature definieren einen Sound und eine Haltung, die sich deutlich vom politischen HipHop der Aggressoren Public Enemy oder dem Gangsta-Shit anderer Acts abhebt. Die Liaison von Jazz und HipHop war logisch, andere mögen es später noch besser gemacht haben, aber die Jungle Brothers erinnerten die schwarze Community erstmals wieder daran, dass Jazz IHRE Musik war. Bald würden Jazz-Grooves, mit dem Besen gestreichelte Drums und Bläserspitzen wichtige Bestandteile des HipHop werden – 1988 ist das noch ein Alleinstellungsmerkmal, wie man auch an den vorher besprochenen Alben hören mag. Da ist es dann bizarr, dass „I’ll House You“ - der erfolgreichste und bekannteste Track dieses Albums – nicht etwa Jazz und Rap, sondern Chicago House mit Rap verbindet – und im Kontext trotz der Zusammenarbeit mit dem legendären House Produzenten Todd Terry eher nach Comedy klingt, als nach ernsthaften social issues. Aber es gibt ja auch die Zusammenarbeit mit Q-Tip vom Tribe auf „Black is Black“ - Afro-Zentrismus wie er bald auch von den anderen „Native Tongues“ auf Alben wie betrieben wird. Lustig zu erfahren, dass die Instrumental Tracks auf dem Album in vielen Fällen sozusagen „von Hand“ hergestellt wurden, die Loops wurden manuell, ohne den sonst üblichen Sampler von Jazz-Alben geholt und zum Track zusammengefügt. Straight Out the Jungle mag noch Schwächen haben, aber das haben im Vergleich strenggenommen alle Alben dieser Zeit, und es definiert den Sound, der kommen würde.

Big Daddy Kane

Long Live the Kane


(Cold Chillin', 1988)

Jetzt zum ersten echten Großmaul des HipHop. Man könnte sagen before Kanye there was Kane – das ehemalige Mitglied der Pioniere The Juice Crew All Stars hatte sich den Kollegen und Beatmaster Marley Marl als Produzenten gesichert, hatte anerkanntermaßen beachtliche Skills als Rapper und warf auf seinem Debüt Long Live the Kane zusätzlich seine bigger than life personality in die Waagschale. Das Album ist eine Disco-Kugel, die den HipHop des Jahre '88 in allen Facetten widerspiegelt. Da ist die perfekte, reduzierte Produktion von Marley Marl, da sind die unvermeidlichen James Brown-Samples, da sind Themen aus der eigenen Community, aber vor Allem ist da die Angeberei über die eigenen Rhyme-Skills und vor Allem der dezente Hinweis auf die eigene Potenz („I'll Take You There“) - was langweilig bis unerträglich werden könnte, wäre Antonio Hardy (so Big Daddy Kane's bürgerlicher Name) nicht ein mindestens so einfallsreicher und virtuoser Rapper wie Kool Keith von den oben genannten Ultramagnetc MC's. Er ist nicht politisch wie Chuck D oder bedrohlich wie KRS-One, aber er ist einer der besten Rapper seiner Zeit – und einer den ganze Generationen von anderen Rappern respektieren und zitieren werden. Man höre nur einen Track wie „Ain’t No Half-Steppin“. Das war eben die Zeit, in der im HipHop Alles neu war, als der Gedanke an „Correctness“ im HipHop noch Unverständnis erzeugt hätte.

Stetasonic

In Full Gear


(Tommy Boy, 1988)

Stetasonic waren einer der ersten HipHop Acts, die mit Live Band agierten. '83 in der Breakdance-Szene entstanden, war das Doppelalbum In Full Gear ihr zweites Album - und eines der ganz großen HipHop-Alben dieses Jahres. Das Debüt On Fire war zwar gut, aber noch etwas unbehauen gewesen - hier fallen alle Teile ihres Sounds an ihren Platz. Da sind neben den üblichen James Brown Samples (und dem klugen Satz: "Tell the truth, James Brown was old/ 'Til Eric and Rakim came out with 'I Got Soul'") und noch mehr Sly & the Family Stone Samples und wortreiche Bezüge zur einflussreichen Band der beginnenden Siebziger, da ist energetisches Live-Drumming und die virtuose Produktion von Prince Paul (der bald das Debüt von De La Soul produzieren wird...) und Daddy-O, da sind die gekonnten Raps von Daddy-O und Frukwan und das Beatboxing von Wise und da sind Einflüsse aus Dancehall Reggae, R&B und Rock. Sie verarbeiten im Prinzip Alles, was ihnen nützlich erscheint, und sind damit eklektizistischer als ihre Zeitgenossen und dabei ist das Album nicht wütend politisch und hat nichts mit Gangsta Rap zu tun. Die Stimmung ist eher positiv und der musikalische Background auf eigen Art jazzig -was in die Reihe der Alben von A Tribe Called Quest und De La Soul passen sollte - aber ihr Sound und ihre Haltung scheint „altmodischer“ als die der Conscious HipHop Vorreiter. Stetasonic sind offensichtlich von ihren Live-Auftritten geprägt, sie betreiben auf In Full Gear HipHop Entertainment – und wenn sie bei der klasischen Single „Talking All That Jazz“ die zu jener Zeit aktuelle Sampling-Diskussion verhandeln (bei der es darum ging, dass die Nutzung von Sampels bezahlt werden sollte), dann haben sie da einen klare Meinung (Pro Sampling natürlich), aber sind dabei nicht wirklich militant. „Float On“ ist eine ziemlich cheesy Ballade, die wie heute Einträge ins Dating-Portakl klingt „Freedom or Death“ wiederum behandelt soziale Themen auf eine Art, die sich Public Enemy's Chuck D. auch mal anhören sollte. In Full Gear gilt als Klassiker aus der zweiten Reihe – zum Einen weil es in diesem Jahr revolutionärere Alben gab, vermutlich auch, weil all die bekannten Moden und Modernismen es überholt haben und manche Beats heute anachronistisch klingen – was für mich den Spaß beim anhören guter Musik nicht reduziert, aber das ist nicht jedermann's Einstellung und einzig mein persönlicher Vorteil beim Genuss solcher Alben. Aber zugegeben – In Full Gear ist eindeutig Achtziger – mach' draus was du willst..

Slick Rick

The Great Adventures of Slick Rick

(Def Jam, 1988)


Noch so ein Klassiker: Der In London geborene und in NY lebende Slick Rick aka Richard Walters gehört sozusagen zur ersten Generation erfolgreicher MC's, er hatte schon Mitte der Achtziger seine Spuren in der New Yorker Szene hinterlassen und mit dem MC/der lebenden Beatbox Doug E. Fresh mit „La Di Da Di“ einen der ersten echten „Hits“ dieser jungen Musik-Gattung fabriziert. Drei Jahre brauchte es dann, bis er mit The Great Adventures of Slick Rick das erste Album veröffentlichte. Slick Rick ist ein hervorragender Rapper mit typischem britischen Akzent, dazu ein echter Storyteller, der immer wieder kluge und interessante Inhalte mit schlauen Rhymes verbindet. Hier reichen seine Lyrics von misogynistischen "Treat Her Like a Prostitute" über das Lob des MCing ("The Ruler's Back") bis zum reinen storytelling („Children's Story"), von soft ("Teenage Love") bis hardcore ("Lick the Balls"). Und all das ist verpackt in die dynamische, sparsame Produktion von Slick Rick bzw. der Bomb Squad und Jam Master Jay (Run DMC). Mit Def Jam hatte er natürlich DAS HipHop-Label dieser Zeit hinter sich – und die bekamen mit den ausgekoppelten Singles „Teenage Love“, „Hey Young World“ und „Children's Story“ Klassiker geliefert. The Great Adventures of Slick Rick ist enorm unterhaltsam, klingt durch die sparsame Produktion recht modern, hat in Slick Rick einen tollen Rapper und Texter – es ist berechtigterweise ein Klassiker. Dummerweise geriet er in den kommenden Jahren immer wieder mit der Justiz aneinander, was seine Karriere recht uneben verlaufen ließ. Er machte drei weitere Alben – teils nahm er die im Gefängnis auf – aber an dieses Album kam er nicht mehr heran. Als Vorbild für Leute wie Snoop Dogg oder Jay Z (der sein „The Ruler Is Back“ coverte) ist er unsterblich.















































Montag, 14. November 2016

1967 – Bob Dylan bis Tim Rose - Die Erfindung des Singer Songwriter's in Zeiten von Love and Peace...

Die Bezeichnung Singer/Songwriter - so beliebig sie ist - steht für eine Art Musik,die eine paar entscheidende Unterschiede zum „Folk-Singer“ der 50er-60er Jahre aufweist. Dylan, Phil Ochs oder Tim Hardin etwa waren geprägt von der Folkszene in New York, diese Szene kannte ihre Vorbilder und hatte zunächst deren Songs studiert und interpretiert, ehe dann - Dylan vor Allem - damit begann, SEINE Weltsicht in eigenen Texten und mit eigenen Melodien zu vertonen und diese tradierte Art der Musik mit aktuellen Botschaften zu versehen, und sie dann auch noch instrumental und rhythmisch Richtung "Pop" zu verschieben. Die Jugend, die sich wie jede neue Generation von den Älteren emanzipieren wollte, die den Vietnam-Krieg ablehnte, die sich selber finden und verwirklichen wollte, wollte wohl auch nicht mehr nur die alten Songs und Stories aus den vorherigen Dekaden hören. So war der „klassische“ Protest-Song zwar auch '67 noch aktuell, aber Musiker, die das Lebensgefühl und die Probleme ihrer eigenen Generation mit eigenen Worten und insbesondere mit einer eigenen musikalischen Sprache behandelten, wurden immer interessanter. Dazu kam die Veränderung der Musik in anderen Bereichen (ausserhalb der Folk-Szene) durch Bands wie Byrds, Beatles, Stones und Doors, die die Klänge Richtung Beat, Pop und erweitertes Bewusstsein trieben. So kamen nun neuerdings junge Musiker alleine oder mit Band/Orchester im Hintergrund daher, um das Leben JETZT in ihren Texten behandelten... Und das war neu. Ob sie dazu, wie Dylan, ein mythisches Amerika aufleben ließen, oder ob sie wie Leonard Cohen tiefsinnige und kluge Lyrik vertonten, oder ob sie wie Tim Buckley die Stimme in den Vordergrund stellten, sie alle waren Vertreter einer neuen Art von Musik: Ich denke man kann sie als die Ersten bezeichenen, die man Singer/Songwriter nennt.


Bob Dylan

John Wesley Harding


(Columbia, 1967)

Aufgenommen nach den Basement Tapes (die Dylan sozusagen „heimlich“ eingespielt hatte und die dann erst Jahre später veröffentlicht wurden), und nach seinem die eigene Existenz erschütternden Motorradunfall - und somit sein erstes Album anderthalb Jahre nach Blonde on Blonde, kam John Wesley Harding für Dylan-Fans spät (Man bedenke: normalerweise wurden seinerzeit Alben im Halbjahresrhythmus veröffentlicht). Und es kam vor allem inhaltlich als Schock. Niemand hätte diese Kollektion biblischer Allegorien und karger Folksongs erwartet. Nur Bass und Drums begleiten Dylans Gesang zur Akustischen, die Songs waren in drei Tagen aufgenommen worden und Dylan hatte offensichtlich den Ursprung seiner Musik – und damit die Quelle der Inspiration für seine Musik wiedergefunden. Einer der Gründe vielleicht, warum John Wesley... inzwischen als eines von Dylan's großen Alben gilt – und als logische Fortentwicklung aus den Basement Tapes Aufnahmen - die aber eben zu der Zeit nicht bekannt waren. Mit dieser Sparsamkeit und vor allem mit dem eindeutigen Bezug auf das alte mythische Amerika wurde Dylan mehr mit diesem Album als mit der glorreichen Trilogie von 65/66 zur Inspiration für ganze Generationen von Musikern. Grateful Dead, Gram Parsons, die Byrds und der ganze Westcoast-Sound sind ohne dieses Album undenkbar. Dylans berühmte Version von „All Along the Watchtower“ war nur die Spitze des Eisberges. Trügerisch einfach und einfach fantastisch.

Phil Ochs

Pleasures Of The Harbour


(A&M, 1967)

Phil Ochs war zuvor musikalisch einen ähnlichen Weg gegangen wie Bob Dylan, hatte zunächst in den USA auch eine ähnliche Popularität erlangt – unter Anderem weil er wortgewaltig und zugleich witzig war, aber als er nun genug vom Protestsong hatte, war ihm nicht mehr der Erfolg beschieden, den er verdient hätte. Und das, obwohl sein musikalisches Talent ähnlich groß war wie das des Übervaters, und obwohl er mindestens genauso Konsequent war wie Dylan. Er war einer der Wenigen gewesen, die Dylan's Abkehr vom reinen Folksound sofort unterstützt hatten, und er war mit dem was er auf Pleasures of the Harbour machte genauso visionär, wortgewaltig und zynisch wie bisher. Der ausbleibende Erfolg mag damit zu erklären sein, dass dieses vierte Album nicht mehr beim Elektra Label erschien - mit denen hatte er sich zerstritten - und es mag sein, dass ihm seine Fans seine ebenso radikale Abkehr vom bisherigen Sound nicht so einfach verzeihen wollten, wie es die Dylan-Fans letztlich taten. Allerdings wählte Ochs auch einen anderen, barocken, orchestralen Sound und komplexere Lyrics und schuf damit dieses leider damals nicht erfolgreiche und dann bald vergessene düsteres Baroque-Pop Meisterwerk - das Fans seiner vorherigen, folkigen Alben wohl kaum verstanden oder gar akzeptierten. Für den Summer of Love waren die Texte zu bitter, der Sound zu süß, und die Tatsache, dass er die Songs in üppige Arrangements tauchte, nahm den Texten nichts von ihrer Düsternis. Im zentralen „Crucifixion“ beispielsweise ging es darum, dass alle Helden unausweichlich zu Märtyrern gemacht werden. Harter Stoff, den die von Peace and Love begeisterten Hippies wohl nicht hören wollten. Das Album wurde ein Flop, Ochs verfiel dem Alkohol, und der Abstieg begann. Bis 1970 kamen noch drei sehr gute ähnlich opulente Alben zustande, die aber gleichfalls erfolglos blieben und im Jahr 1976 erhängteOchs sich schließlich. Die Tatsache, dass dieses und die nachfolgenden Alben quasi nicht erhältlich sind, ist übrigens ein Skandal...

Tim Hardin

2


(Verve Folkways, 1967)

Tim Hardin hatte mit seinem Debüt ein Jahr zuvor in Musikerkreisen aufsehen erregt. Er war schon seit Beginn der Sechziger - seitdem er aus der Army und aus Vietnam zurückgekommen war - ein wichtiger Bestandteil der Greenwich Village Folk Szene gewesen, und obwohl er eine schwere Heroinsucht aus Vietnam mitgebracht hatte, konnte er nun zumindest einen gewissen materiellen Erfolg zu genießen, da sein Song „If I Were a Carpenter“ in der Version von Bobby Darin zum Top 10 Hit geworden war. Seine durch die Tantiemen finanzierte Drogensucht allerdings machte es für die Produzenten Charles Koppelman und Don Rubin schwer mit ihm zu arbeiten. Sie mussten für die Songs zu Tim Hardin 2 Gesang und Gitarre zunächst mit ihm alleine aufnehmen, da er nicht in der Lage war, Songs mehrmals in gleichen Versionen einzuspielen. Dann erst wurden die Arrangements ergänzt. Der Blues-Einfluss - auf dem Debüt noch stark - verschwand jetzt fast völlig. Subtile String-Arrangements, Percussion und jazzige Zwischentöne setzen die Songs vor einen passenden Hintergrund. Hardins eigene Version von „If I Were A Carpenter“ ist überzeugend und dass er unter seiner Drogensucht litt, merkt man seiner Stimme nicht an. Und es ist beileibe nicht nur der Hit, der hier bemerkenswert ist, auch Songs wie „Red Balloon“, sein Kommentar zur eigenen Sucht, oder die Außenseitergeschichte „Black Sheep Boy“ und das bekannte „The Lady Came from Baltimore“ gehören zum Besten der sich gerade transformierenden Folk Szene der End- Sechziger. Hardin rutschte immer tiefer in seine Drogensucht, ehe er 1980 starb, und nur noch einmal gelang ihm mit Suite for Susan Moore and Damion (1969) ein recht gutes Album. Die Songs seiner ersten beiden Alben brachten ihm über die nächsten Jahre hinweg wegen rechtlicher Probleme kaum mehr Tantiemen ein. Sie sind heute Allgemeingut.

Tim Buckley

Goodbye And Hello


(Elektra, 1967)

Tim Buckley's zweites Album war ein Riesenschritt fort von den Folk-Rock- und Baroque Pop Konventionen seines '66er Debüts. Goodbye and Hello hat zum einen – vielleicht auch Dank seines Produzenten Jerry Yester (Gitarrist der Lovin' Spoonful) – einen Sound, der an Bands wie die Doors denken lässt: Mit Harpsichord, Harmonium, eben der damals angesagte Acid-Rock Sound. Dazu kam, dass er begann die Möglichkeiten seiner Stimme auszuloten – und die waren beträchtlich. Spätere Buckley-Alben wie Happy/Sad oder Starsailor etwa mögen künstlerisch noch interessanter sein, Goodbye and Hello ist am variantenreichsten und am leichtesten zu genießen. Bewundernswert, wenn man bedenkt, dass Buckley gerade mal 20 Jahre alt war, erstaunlich, welche Tiefe die Lyrics – teils alleine, teils mit Schulfreund Larry Beckett geschrieben – schon hatten. Bei „I Never Asked to be Your Mountain“ rechtfertigt er sich dafür, seine Frau verlassen zu haben, und sehnt sie gleichzeitig wieder herbei. Er hatte Mary Guibert 1965 - noch zu Highschool-Zeiten – geheiratet und sein Sohn Jeff war schon geboren als er sie '66 verließ. Der Song wird von rasanter Akustik-Gitarre angetrieben und Buckley verfällt in ekstatischen Scat-Gesang. Der Song war ihm so wichtig, dass er über zwanzig Vocal-Takes Live mit der Studio Band aufnahm. „Once I Was“ der Eröffnungssong der 2. LP-Seite gilt als einer seiner besten, beginnt getragen, um sich zu einem gewaltigen Höhepunkt zu steigern. Der 8-minütige Titelsong ist typische '67er Psychedelik, aber trotz seiner Gebundenheit an seine Zeit ein weiterer Showcase dafür, wieviel man mit einer solchen Stimme anfangen kann. Das Album ist wegen Buckley's Stimme und weil es noch so unentschieden zwischen Experiment und Pop changiert überaschend reizvoll und zeitlos

Leonard Cohen

Songs Of Leonard Cohen


(CBS, 1967)

Schlicht und minimalistisch wie eine in braunes Papier gebundene Balzac Buchausgabe ist Leonard Cohens' erstes Album ein solches Wunder an Auslassungen und Leerstellen, dass es bis heute nichts an Faszination verloren hat. Mit emotionsloser Stimme, fast ohne Ausdruck gesungen, katatonisches Gitarrenzupfen, hier und da ein Orchester, eine elektrische Gitarre oder eine Mandoline (Backing Band: Kaleidoscope !) als gemusterte Tapete im Hintergrund sind die Elemente die diese Musik bilden. Und genau das ist auch die Art Buch, in das solche Worte geschrieben werden müssen. Der Kandier Leonard Cohen war schon über 30 und erfolgreicher Schriftsteller, als er von John Hammond zu Columbia geholt wurde, um sein erstes Album aufzunehmen. Die Musik, die herauskam, ist eher europäisch, viele der Songs sollten sich zu Klassikern entwickeln, obwohl - oder gerade weil - sie so hermetisch klingen. Insbesondere „Suzanne“, aber auch „Sisters of Mercy“ - nach dem sich die Gothic-Band der 80er Jahre benennen sollte, oder „So Long Marianne“ wurden zu Klassikern – bzw, waren es schon, weil etwa Judy Collins ihre Klasse erkannt hatte, und sie schon zuvor aufgenommen und populär gemacht hatte. Die Songs bieten gerade wegen ihrer Kargheit eine hervorragende Leinwand für Interpretation und Kontemplation, sind wie die glatte Oberfläche eines Sees, der unergründlich tief ist. In den USA hatte das Album zunächst wenig Erfolg, in UK erreichte es die Top Ten, der Stil, den Cohen hier entwickelte, wurde mit der Zeit noch ausgefeilter, und er ist eine der wichtigsten Facetten in der Entwicklung des aufblühenden Singer/ Songwriter-Genres. Ein Klassiker, der in Sound und lyrischer Qualität unerreicht ist. 

 

Judy Collins

Wildflowers

(Elektra, 1967)

Und wo ich gerade bei Leonard Cohen war... Judy Collins - 1967 mit ihrem sechsten Album etablierte Folk-Sängerin auf dem zukunftsweisenden Elektra-Label – ist großer Fan und Förderer des Kandiers. Und auch auf Wildflowers covert sie drei seiner Songs: „Sisters of Mercy“, „Hey, That's No Way To Say Goodbye“ und „Priests“ bekommen auf diesem von Joshua Rifkin arrangierten Album eine mitunter fast mittelalterich anmutende Backing durch Flöten, Streichern und Klavier. So werden sie in ein ungewohntes Umfeld gesetzt, dem Collins mit ihrer feenhaft klaren Stimme allerdings zusätzlich eine passende Weltabgewandheit verleiht. Eine Coverversion von Jaques Brel's „La Chanson des vieux amants“ fügt sich da nahtlos ein. Dann covert sie auch noch die junge, aufstrebende Musikerin Joni Mitchell, deren „Both Sides Now“ wegen seiner hippie-seligen Fröhlichkeit fast ein bisschen unpassend ist – was Nichts daran ändert, dass er eines der Highlights auf dem Album ist. Auch Collins' eigene Songs müssen sich nicht verstecken und das Album ist trotz seines durchgehend barocken Sounds erstaunlich anwechslungsreich. Natürlich – wie so viele Alben hier – heutzutage aus der Zeit gefallen, aber – um es enfach zu sagen – wunderschön. Mit Wildflowers wagte Collins sich noch weiter über das strenge Folk Prinzip „Gitarre + Gesang - das muss reichen“ hinaus als schon mit dem Vorgängeralbum In My Life. Sie war immer mehr Interpretin fremder Songs als Songwriterin, aber auch Wildflowers zeigt die Emanzipation der Folk-Sängerin zur stilsicheren Musikerin mit Folk-Background. Letztlich ein kluger Schritt, der ihre künstlerische Entwicklung vorantreibt.

Nico

Chelsea Girls


(Verve, 1967)

Ob da alle meiner Meinung sind, dass dieses Album ein Singer/Songwriter-Album ist ? Nico's Chelsea Girl war 1967 vermutlich das coolste, was es in der Popmusik geben konnte – wenn man es wahrnahm. Das deutsche Model Christa Päffgen war zuvor von Andy Warhol für das Debüt von Velvet Underground rekrutiert worden -zum Unwillen insbesondere Lou Reed's, der sie als Fremdkörper empfand – aber sie hatte dadurch bei einem Album mitgewirkt, dessen Wirkung weit in die Zukunft reichen sollte. Auf ihrem Solo-Debüt begleitete sie dennoch nicht nur Lou Reed, sondern John Cale spielte und produzierte auch noch und Sterling Morrison machte mit - sowie der noch junge und unbekannte Jackson Browne, von dem sie drei Stücke coverte. Die Musik hat oberflächlich wenig mit dem Noise der Velvet Underground zu tun. Durch Cale's Streicherarrangements und die durchweg akustische Instrumentierung klingt Chelsea Girl mehr nach der Incredible String Band und Baroque Pop als nach dunklem NY-Noise-Pop, aber der minimalistische Sound und Nico's eigenartige dunkle Stimme mit dem überdeutlichen deutschen Akzent verleiht der Musik eine Düsternis und Tiefe, die mit leichtem Pop wenig zu tun hat. Das achtminütige „It Was a Pleasure Then“ nimmt Drone vorweg, Dylans „I'll Keep it With Mine“ ist kaum noch wiederzuerkennen, letztlich bleiben dieses Album und seine Nachfolger singuläre Phänomene - und ob man es dann Singer/Songwriter nennt oder Avantgarde ist ja letztlich egal....

Donovan

Mellow Yellow


(Epic, 1967)



Donovan

A Gift From a Flower to a Garden


(Epic, 1967)

Donovan Leitch's fünftes Album Mellow Yellow wurde – wie der Vorgänger - wegen vertraglicher Probleme in England zunächst nicht veröffentlicht. Als es dann herauskam, wurde es zusammen mit dem Vorgänger Sunshine Superman in die Plattenläden gestellt. Gut oder vielleicht auch schlecht für die Käufer, denn beide Alben sind recht unterschiedlich. Mellow Yellow ist – mehr als der Vorgänger - ein Übergangsalbum Richtung ernsthafte, britische psychedelische Folkmusik - in Abgrenzung zu Dylan, mit dem Donovan seinerzeit gerne verglichen wurde. Es gibt Songs die an die Folk-Roots Donovans gemahnen, manche sind noch Überbleibsel aus früheren Sessions, andere bieten elektrifizierten Folk der Art, die Donovan letztlich erfolgreich machte. So ist der Titelsong zwar banal – wurde aber einer seiner größten Hits, der Album Track „House of Jansch“ dagegen, Donovans Verneigung vor dem großen und einflussreichen Folk-Gitarristen, ist einer seiner besten Songs. Led Zep Bassist John Paul Jones fungierte bei einigen Stücken als Arrangeur, Mickie Most produzierte und das Album wurde zu einem von Donovans größten kommerziellen Erfolgen. Auf Dauer sind es dann die unbekannteren und eher im Folk verwurzelten Songs, die Bestand haben: Das ruhige „Writer In The Sun“, das berückende „Sand And Foam“ sind die Highlights. Nach Mellow Yellow, und einem Trip nach Indien, nach den für immer mit dem Namen Donovan verbundenen erfolgreichen Singles in den Charts und nachdem er wegen Marijuana-Besitz kurz festgenommen worden war, nahm Donovan im selben Jahr zwei weitere Alben gleichzeitig auf, die dann in einem der ersten Box-Sets der Rockgeschichte veröffentlicht wurden. A Gift from a Flower to a Garden enthält auf dem Wear Your Love Like Heaven betitelten Teil elektrischen Folk Rock - Musik der Art, mit der er so erfolgreich war, und der zweite Teil des Albums (For Little Ones) enthält sanfte akustische Solo-Songs, ausdrücklich auf Kinder zugeschnitten, die zeigen, dass Donovan ein hervorragender Songwriter und Gitarrist war - etwas, das seiner Meinung nach im Hype um seine Hits untergegangen war. So wie er bis heute als etwas naiverer second rate Dylan gesehen wird.... Beide Alben klingen einerseits ungemein naiv in ihrer Hippie-Seligkeit, sind aber dabei erstaunlich zeitlos geblieben. Manches hier klingt wie ein 60er-Jahre Beck, die Songs auf dem akustischen Album sind zwar an Kinder gerichtet, aber von großer melodischer Eleganz. Beispiele: das klagende „Isle of Islay“ oder das bezaubernde „The Mandolin and His Secret“. Das ist zwar Eskapismus pur, aber auf schönstmögliche Art.

Scott Walker

Scott


(Philips, 1967)

Es gibt starke Kontraste in der seltsamen Karriere des Scott Walker. Als erfolgreiches Teenie-Idol mit den Walker Brothers gestartet, aber des damit verbundenen Ruhmes fast sofort überdrüssig, begann er seine Solo-Karriere im Nachhall dieses Ruhmes mit Musik, die sich durch seinen sonoren Bariton, aber auch durch opulente Arrangements inklusive Orchester und gewiefter Arrangements auf den ersten Blick nicht besonders von der Musik seiner Brothers-Jahren unterschied - die sich aber inhaltlich und in ihrer interessanteren Songauswahl schon auf diesem ersten – schlicht Scott betitelten Werk - den düsteren Seiten des Lebens zuwandte. Es ist kaum vorstellbar, dass besorgte Eltern ihren Kindern verbieten würden, seiner Version von Tim Hardin's „The Lady Came From Baltimore“ zu lauschen – oder einer Eigenkomposition wie „Montague Terrace (In Blue)“ - mag die melodisch und thematisch noch so gewagt sein....  denn Scott war ja immerhin vor einem halben Jahr noch der Sänger der Walker Brothers gewesen. Und dass Walker mit Jacques Brel ein Idol entdeckt hatte, über das er sagte: „He is the most significant singer-songwriter in the world“, dürfte auch nicht kontrovers gewesen sein – trotz Dunkelheit und sogar Unanständigkeiten in den ins englische übersetzten Texten von „Mathilde“, „My Death“ oder „Amsterdam“. Er hatte einfach immer noch das Image des Boyband-Sängers, so sehr er das verabscheute. Auf jeden Fall nutzte er dieses Image, um in den folgenden Jahren drei äußerst erfolgreiche Alben zu erschaffen, die Kunst und Kommerzialität aufs vorteilhafteste vereinen – und ein viertes zu machen, dass diese Rezeptur weiterführt in eine Richtung, die ihn dann über den Zeitraum von ein paar Jahrzehnten zur extremen Kompromisslosigkeit führen würde. Und was ist Scott nun? Ein wunderschönes Album mit stark orchestrierter und arrangierter Musik, die Chanson, Pop und Pathos auf's angenehmste verbindet, ein Singer/Songwriter Album, das später so unterschiedliche Musiker wie Marc Almond, Neil Hannon und Jarvis Cocker beeinflussen würde – und der erste Schritt Scott Walkers Richtung künstlerischer Freiheit.

Und jetzt noch drei Alben, die unbekanntere Künstler vorstellen, die aber IMO mehr Beachtung verdient hätten...

Jake Holmes

The Above Ground Sound of Jake Holmes


(Tower, 1967)

Jake Holmes hat seinen Anteil an der Unsterblichkeit allein schon aufgrund der Tatsache, dass er derjenige ist, der „Dazed and Confused“ schrieb – den Song, der dann von Led Zeppelin gecovert wurde, allerdings ohne dass die es für nötig hielten, den Autor zu erwähnen. Das Original ist eine echtes Psychedelic-Folk Kleinod, das der weit berühmteren Version der Heavy Rock Erfinder in gewisser Weise sogar überlegen ist.. Der Opener des Debüt-Albums schlägt in dieselbe Kerbe, „Genuine Imitation Life“ ist ein Song, der zuvor durch die Four Seasons berühmt geworden war und der hier die "psychedelic" Behandlung bekommt, die das Album so erstaunlich eigenständig klingen lässt. The Above Ground Sound of Jake Holmes lässt an Tim Buckley denken – Holmes ist aber bei weitem kein so virtuoser Sänger wie sein Zeitgenosse, dafür aber unterwirft sich das Songwriting nicht der Gesangstechnik. „She Belongs to Me“ und „Too long“ sind ruhige und schöne Balladen, die Stimmung des Albums ist positiver, weniger kontemplativ als die von Goodbye and Hello etwa, und es sind neben den genannten noch etliche gute Songs dabei, The Above Ground Sound... ist weit konziser und unterhaltsamer, als man es ob seiner Obskurität vermuten würde. Holmes machte noch ein paar durchaus hörenswerte Alben (das folgende A Letter to Katherine December und auch das 70er Album Jake Holmes ) und arbeitete als Co-Komponist bei Frank Sinatra's unterschätztem '70er Album Watertown, eher er dann später als Verfasser von Werbe-Jingles sehr erfolgreich wurde. Sein Songwriting gab er nie auf und 2000 veröffentlichte er ein politisches Album samt Anti-Bush Song. Seine Musik verdient die Wiederentdeckung.

Jerry Moore

Life Is a Constant Journey Home


(ESP, 1967)

Auch einer der Musiker, der leider irgendwann komplett in Vergessenheit geriet. Jerry Moore, gelernter Gitarrist, Organist und Sänger trat Mitte der Sechziger regelmäßig im Greenwich Village auf und wurde dort vom Folk Musiker Randy Burns entdeckt, der ihm einen Vertrag beim Kult-Label ESP vermittelte. Zu den Aufnahmen von Life is a Constant Journey Home wurden etliche fähige Musiker eingeladen, unter ihnen Jazz-Gitarrist Eric Gale. Das Songmaterial irgendwo zwischen Soul und Folk ist stark – der Titelsong hat wunderbaren Flow, „The Ballad of Birmingham“ prangert das Bombenattentat des Ku Klux Klan in Alabama an, bei dem vier Schulkinder umkamen. Moore gibt sehr überzeugend den politisch engagierten Folk-Sänger, der sich gegen Unrecht einsetzt, der aber auch Hoffnung vermittelt ("Winds of Change“ - der Titel mag ja peinlich besetzt sein...) und er überzeugt auch und vor Allem als Sänger mit einer Stimme irgendwo zwischen Tim Buckley und dem stilistisch verwandten Terry Callier – soulful und folky eben – mal mit erdig akustischem Sound, mal mit psychedelischen Einflüssen. Dass das Album wenig Beachtung fand, ist vor Allem der Tatsache geschuldet, dass ESP zwar ein Label ist, auf dem interessante und abenteuerliche Alben erschienen (Moore gehört zu den bei weitem „normalsten“ Musikern – im Vergleich zu Bands wie den Godz etwa oder dem Free Jazz den sie im Programm hatten...), der Vertrieb der Alben aber war schwierig und Promotion fand quasi nicht statt. Moore nahm kein weiteres Album auf, wurde Strassenprediger und verschwand dann komplett von der Bildfläche. Sein einziges Album ist inzwischen nach seiner Wiederentdeckung durch die „Free Folk Community“ der 00er Jahre wieder erhältlich

Tim Rose

s/t


(Columbia, 1967)

Die vergessenen Singer/Songwriter – Teil III: Tim Rose ist ein weiterer Vertreter dieser Zunft – und zwar einer mit zwei Über-Klassikern, die ihm letztlich irgendwie die Karriere verhagelten. Der Song „Morning Dew“ - geschrieben von der Folk-Sängerin Bonnie Dobson – wurde in Rose's Version berühmt und dann wiederum von Musikern wie Jeff Beck oder The Grateful Dead gecovert und seine ebenfalls auf seinem Debüt enthaltene langsame Version von „Hey Joe“ inspirierte Jimi Hendrix zu dessen Hit-Version. Tim Rose ähnelt dabei in Vielem dem anderen Tim (Hardin). Er sang mit starkem Blues-Einfluss und entsprechender Stimme allerdings weit rauer, weit weniger introspektiv. Vor diesem Debüt hatte er schon einige Jahre Musik gemacht – u.a. mit Jake Holmes (siehe oben) und später mit Mama Cass Elliot und deren späterem Ehemann James Hendricks mit denen er als The Big 3 zwei Alben aufnahm nachdem sie in der Folk Szene von Greenwich Village Fuß gefasst hatten. Sein erstes Solo-Album warf mit den zwei Singles veritable Hits ab, auch die anderen Songs – insbesondere „Long Time Man“ sind reizvoll, Rose's raue Stimme ist über jeden Zweifel erhaben und die Arrangements passen. Der Nachfolger von Tim Rose allerdings misslang, Rose ging nach England hatte aber letztlich nie einen echten kommerziellen und künstlerischen Durchbruch. Er machte weiter Musik, starb aber letztlich ziemlich vergessen im Jahre 2002.























Donnerstag, 10. November 2016

1966 - The Mamas and the Papas bis Manfred Mann - Alben von Singles-Bands sind doch nicht schlecht

Noch liegt der Summer of Love in der Zukunft (...kommt im Jahr 1967...), aber Hippie-Glückseligkeit liegt schon genauso in der Luft, wie Vietnam-Protest, der Duft von Marijuana (verboten) und Bewusstseinserweiterung via LSD (erlaubt). Die großen Bands und Musiker der Stunde haben ihre visionären Alben veröffentlicht – oft mit breitem kommerziellem Erfolg wohlgemerkt: Sowohl Beach Boys als auch Beatles, Stones und Dylan sind nicht nur künstlerisch erfolgreich. Aber es gibt in einem Jahr, in dem so viel in der Luft liegt auch noch etliche weitere Alben, die Beachtung verdienen. Manche sind vielleicht weniger würdevoll gealtert, Von The Mama's and the Papa's und the Lovin' Spoonful sind eigentlich nur ihre Single Hits im Gedächtnis geblieben, ob zu Recht, könnte man diskutieren – viele der hier unten reviewten Alben haben Patina angesetzt, um es nett zu formulieren. Aber gerade das macht sie mitunter wertvoll. Mitch Ryder hingegen wird bald vom Hippie-Geist weggeblasen, die Everly's sind 1966 so vergessen wie Rick Nelson – und mit ihrer Version des British Invasion Pop 1966 hauptsächlich in England und Kanada erfolgreich. Dort machen ein paar andere Bands mit Beat und Rhythm'n'Blues oder Blues in allen möglichen Formen weiter, und haben Erfolg, der nicht so lange vorhält, wie der der Beatles – weil sie (noch) das Album Format nicht zu nutzen wissen. Mods wie die Small Faces und The Who wiederum haben ihren Zenith noch nicht erreicht, ebenso wenig wie Cream. Die Yardbirds wiederum sind die Wiege etlicher großer Musiker, aber sie schaffen kein durchgängig tolles Album.... Einfach mal weiterlesen - und übrigens: Viele erwähnenswerte Alben - wie die Soul-Alben '66 oder Folk und Jazz folgen in anderen Posts - irgendwann - ich glaub' ich brauche Hilfe

The Mama‘s And The Papa‘s

If You Can Believe Your Eyes And Ears


(RCA Victor, 1966)

Über die „Aktualität“ der Musik solcher Bands braucht man nicht zu diskutieren. The Mama' And The Papa's sind irgendwie schon dank ihres Namens eine Band aus grauen Vorzeiten, aus einer Zeit als die Sonne noch auf unschuldige Hippie-Köpfe schien, als „gay“ noch fröhlich bedeutete und die Tatsache, dass die vier Musiker sich für das Cover in der Badewanne ablichten ließen – angezogen wohlgemerkt – schon ein Skandal war – ein so großer, dass die Toilette neben der Wanne seinerzeit schamhaft mit einem Sticker überklebt wurde. Aber mal zur Info: Der Name des Quartetts bezieht sich auf die Bezeichnung für Frauen bei den Hell's Angels, ihr Debütalbum war mit seiner Verquickung von Pop, Folk und elektrischer Instrumentierung für die damaligen Zeiten ein regelrechtes Wagnis. Hauptsongwriter John Phillips hatte sich zunächst nur ungern von der reinen (akustischen) Lehre des Folk abgewandt, hatte vor den Aufnahmen erstmals mit elektrischen Gitarren geprobt, aber dann lieferte er auf diesem Album mit „Monday Monday“ und „California Dreamin'“ gleich zwei Klassiker des Sunshine-Pop – mit einer Band, die ich mal als ABBA der Sixties bezeichnen würde. Und ABBA haben inzwischen schließlich auch verdientermaßen ihren Kultstatus erlangt. Das Album ist äußerst abwechslungsreich und ausgefeilt, die Band hatte mehrere Monate auf den Virgin Islands geprobt und aufgenommen. So ist If You Can Believe Your Eyes and Ears zumindest in Teilen eine gleichwertiger Zeitgenosse von Rubber Soul – „Straight Shooter“ hätte durchaus auf das Beatles Album gepasst, dazu die Tatsachen, dass die auf dem Cover ungenannten Begleitmusiker dieselben sind wie bei Pet Sounds, oder dass der Satzgesang mit der wunderbar tiefen Stimme von Mama Cass Elliot dem der Beach Boys durchaus Konkurrenz macht. Dass Phillips Elliot zunächst wegen ihrer Stimme und ihrer äußeren Erscheinung ablehnte, passt zum Chauvinismus der damaligen Zeit, aber es nimmt der Musik nicht ihren Charme. Es ist Musik aus einer Zeit, die letztlich doch nur unschuldiger erscheint. Nach diesem Album brachten interne Querelen die Band in Unruhe – John Phillips Ehefrau Michelle Phillips betrog ihn mit Gene Clark, wurde gefeuert, wieder dazugeholt, der Erfolg und Drogen raubten den Musikern Kraft und Disziplin, die folgenden Alben enthalten allesamt das eine oder andere Highlight, aber wenn man (wie ich) kein Compilation mag, ist If You Can Believe Your Eyes and Ears das Album der Wahl.

The Lovin‘ Spoonful

Daydream


(Kama Sutra, 1966)



Lovin' Spoonful

Hums of the Lovin' Spoonful


(Kama Sutra, 1966)

Als die Lovin' Spoonful im März '66 ihr zweites Album veröffentlichen, stehen ihre Karriere in voller Blüte. Sie machen Good Time Music, spinnen ein Netz aus Jug Band Music, Rock'n'Roll, Blues und Folk, auf Daydream wird fast alles vom immens talentierten Instrumentalisten und Sänger John Sebastian komponiert oder mitkomponiert, mit bunter Instrumentierung inklusive Autoharp Harmonika und und mit Zal Yankovskis Gitearrenspiel, das von schwärmerischer Schönheit bis giftigem Fuzz alle Bereiche abdeckt – was mit dazu führt, dass ihre Alben (sogar bis heute) von den Einen als buntes Potpourri, von kritischeren Geistern als uneinheitlicher Pop wahrgenommen werden. Es ist – ähnlich wie bei The Mama's and the Papa's sicherlich so, dass die Singles bei dieser Band ihre LP's überstrahlen. Hier ist es der Titelsong, der einen ähnlichen Stellenwert hat, wie California Dreamin' von den Konkurrenten, und auch hier hattenb sie zuvor mit „You Didn't Have to be so Nice“ einen keineswegs schwächeren Chartserfolg – der angeblich Brian Wilson zu „God Only Knows“ inspiriert hat - und auch hier sind Albumtracks, die zwar immer ein anderes Gesicht der Band zeigen, die aber beim Hinhören auch erstaunlich viel Spaß bereiten. „There She Is“, „Day Blues“, „It's Not Time Now“, - alles feine Popsongs mit Spaß und Intelligenz. Auf Daydream Klingt die Band nicht mehr so roh, wie auf dem Vorjahres- Debüt, aber noch nicht ganz so ausgefeilt, wie auf dem Nachfolger, der dann im November '66 erschien. Die Lovin Spoonful (deren Name sich nicht etwa auf Heroin-gebrauch, sondern auf den „Coffee Blues“ von Mississippi John Hurt bezog) hatten bei Hippies keinen guten Stand, weil der gebürtige Kanadier Yankovski mit Marijuana erwischt wurde, und den Namen des Dealers preisgab, um nicht abgeschoben zu werden. Ihr Beitrag zum Soundtrack von Woody Allen's „What's Up, Tiger Lily“ war ein bisschen unausgegoren, aber Hums of the Lovin' Spoonful hatte wieder die Leichtigkeit, Fragilität und Intelligenz, die die Musik der Band ausmachte – und die sie für Bands wie R.E.M. zum Vorbild nachte (Peter Buck ist ausgewiesener Fan ihre Musik) Manchen gilt Daydream als ihr bestes, ich bevorzuge Hums... mit seiner noch größeren Dichte an hervorragenden Songs, mit dem ikonischen „Summer In The City,” dem unheimlichen „Rain On The Roof” und mit „Coconut Grove”. Aber nachdem Yankovsky sich und die Band für die Gegenkultur unmöglich gemacht hatte, nachdem sie in der „Szene“ gedisst wurde, verließ er die Band. Es wurde ein Ersatz gefunden, aber die Hinwendung zum puren Pop tat ihnen nicht gut und 1968 verließ mit John Sebastian der Hauptsongwriter die Band. Man höre ihre ersten drei Alben – oder eine Compilation, wenn man so was mag.

The Monkees

s/t


(RCA Victor, 1966)

Musik im Umbruch, so lautet der Titel gan oben. The Monkees ist in gewisser Weise eines der revolutionärsten Alben von '66. Nicht weil die Musik so innovativ wäre, die ist eher ein Abklatsch des british invasion Pop der letzten beiden Jahre, sondern weil hier erstmals Popmusik "crossmedial" genutzt wird. The Monkees sind die nach Aussehen und nicht nach Fähigkeiten gecastete Band zum Film und das Album der Soiundtrack zur Comedy-Serie. Klar, die Beatles hatten zuvor Filme gemacht, aber sie hatten die Musik diesen Filmen zum mindestens angepasst, waren da selber als Songwriter tätig gewesen, und hatten mit A Hard Days Night einen Soundtrack gemacht, dessen Gewicht weit höher war als das Gewicht der Bilder. In den Staaten nun wollte der Produzent und Manager Don Kirshner an den Erfolg der Beatles-Filme anknüpfen, indem er eine Band castete, die lustige, verrückte Abenteuer auf ihrem vergeblichen Weg zum Ruhm erlebet. Dass die Protagonisten dabei Instrumente halten können sollten, war eher zweitrangig. Für das Album zur Serie (das incl. Single ein paar Wochen zuvor erschien) holte sich Kirshner mit Tommy Boyce und Bobby Hart zwei professionelle Songwriter und hatte wohl auch vor, das Album dann von diversen Studiocracks einspielen zu lassen – aber mit Pete Dolenz, Michael Tork und vor Allem dem jungen Michael Nesmith waren bei der Fantasie-Band doch drei Personen dabei, die auch gerne selber musizieren wollten. Tatsächlich wurde die „Band“ ins Studio geschickt, um zu proben - damit sie im TV besser aussahen, wenn sie ihre Instrumente halten – aber dann schrieb Nesmith mit „Papa Gene's Blues“ sogar einen eigenen Song, der sich vom Beat der anderen Stücke durch Country-Einflüsse unterschied. Und „(Theme from) The Monkees“ - Titelsong zu Serie und Album sowie „Last Train to Clarksville“ sind auch gelungenes Songwriting, die Vocals sind purer Pop, die Stimme von Dolenz ist ein beachtliches Kapital. Aber insbesondere Nesmith – der einzige wirklich ernstzunehmende Musiker, der bald mit seiner First National Band zum Country-Rock Innovator werden sollte - hatte für The Monkees später nur Spott übrig. Seiner Meinung nach war die TV Serie bloß flache Comedy mit fünf Typen, die eine Band imitierten. Und der Spott galt natürlich auch dem Album - was aus der Sicht eines Musikers nachvollziehbar ist. Immerhin kann ICH sagen, The Monkees ist unterhaltsam, und bald würden die Schauspieler den Manager feuern und ihr eigenes Ding machen. Im Vergleich zu etlichen Casting Bands heutiger Zeit ist das Album also zumindest goldenes Handwerk (OK, kann man auch von ein paar Songs von Take That etwa sagen...) Die Serie und die ersten beiden Alben hatten zunächst großen kommerziellen Erfolg – und die Monkees gelten zu Recht als die erste zur kommerziellen Ausbeutung zusammengecastete Boyband – die aber allein schon deshalb interessant ist, weil sie sich in kurzer Zeit tatsächlich zu einer echten Band entwickeln wird

Everly Brothers

In Our Image


(Warner Bros., 1966)



Everly Brothers

Two Yanks In England


(Warner Bros., 1966)

In den USA waren sie inzwischen zum unbedeutenden Oldie Act geschrumpft – die Everly Brothers waren eine Band, die mit aufkommendem Hippietum, Psychedelik und freier Liebe Nichts zu tun hatten – aber in England gab es die Beatles und deren Nachahmer (und deren Fans), die den Einfluss der Everly Brothers deutlich auf ihren Fahnen getragen hatten. Die Beatles hatten sich zwar nun (wie weiter oben beschrieben) der psychedelischen Musik zugewandt, aber die Everly's zehrten im United Kingdom noch von ihren Erfolgen seit Beginn der Sechziger. Ihr Close Harmony Gesang war nach wie vor fehlerlos, der fortgesetzte Amphetamin- und Ritalin Missbrauch der Brüder nicht hörbar, das Anfang '66 veröffentlichte In Our Image wegen des #2 Hits „The Price of Love“ ein moderater Erfolg – in England, aber die Tatsache, dass sie in der Tat nach einem „Image“ suchten, war an der sehr gemischten Songauswahl dieser Compilation deutlich erkennbar. In Our Image besteht aus etlichen Singles und B-Seiten, die die beiden im letzten Jahr aufgenommen hatten. Da gibt es mit Mann/Weill's „Glitter and Gold“ Brill Building Songwriting, bei „You Got) the Power of Love“ unverhohlene Beatles Anklänge, und alles wird zusammengehalten und identifizierbar gemacht durch die Vocals der Brüder. konsequenterweise gingen die beiden dann im Frühjahr '66 nach London und nahmen mit den Hollies als Backing Band und Songlieferanten und mit Sessionmusikern wie soon to be Led Zeppelinen Jimmy Page und John Paul Jones eine weitere in Vergessenheit geratene Album-Perlen auf. Two Yanks In England hatte acht Songs aus den Federn der Hollies – die Everly's hatten Graham Nash in New York kennengelernt, und der hatte ihnen Songs angeboten, Material das die Hollies auch selber aufnehmen würden, das eher für B-Seiten oder als Albumtracks gedacht war, aber das hier durch die Vocals von Phil und Don veredelt wurde. Warum dem Album sowohl in den USA (sowieso) als auch in England der Erfolg versagt blieb, ist mir ein Rätsel. Es ist konziser als der Vorgänger, es bietet modernisierte british invasion Popmusik mit starkem amerikanischen Akzent, es ist dank eines edlen Studio-Cast's gekonnt instrumentiert, die Songs neben denen der Hollies – meist von Phil und Don Everly verfasst – fallen auch nicht ab... ich vermute, sie wurden im Rahmen der gesellschaftlichen Veränderungen einfach unmodern, und heutzutage lohnt sich die Wiederentdeckung beider Alben.... weiter unten werden ein paar Worte zu For Certain Because.. von den Hollies folgen...

Mitch Ryder & The Detroit Wheels

Take A Ride


(New Voice, 1966)



Mitch Ryder & The Detroit Wheels

Breakout...!


(New Voice, 1966)

Andere Stadt, andere Musik. Mitch Ryder & the Detroit Wheels kommen aus der Auto-Stadt Detroit, und ihr feuriger Rhythm & Blues/ Blue Eyed Soul hat mit Hippiekultur und aufkommender Psychedelik wenig bis nichts zu tun. Der junge Mitch Ryder hatte in seiner Heimatstadt in einer gemischtrassigen Rhythm 'n' Blues Combo gesungen – was von Rassisten damals nicht gerne gesehen ward, hatte dann seine eigene Band gegründet, und sich in der Soul-affinen Motor-City mit seinen Rivieras einen Namen erspielt – mit furiosen Live-Auftritten – das Vorbild war James Brown – und seiner erstaunlichen Stimme. Einer Stimme, die auch in berufenen Kreisen bewundert wurde. Ex- Four Seasons Vorsänger Frankie Valli etwa hatte ihn gelobt, Keith Richards würde ihn bald bewundern. Die Musiker waren gerade mal 18 Jahre alt, als sie der Produzent/ Songwriter/ Labeleigner Bob Crewe unter Vertrag nahm, den Bandnamen wegen Namensgleichheit m,it einem anderen Act in Mitch Ryder & the Detroit Wheels änderte und versuchte diese Blitze in einer Flasche einzufangen. Ich weiss (naturgemäß) nicht, ob die drei Alben der Band die Energie der Live-Auftritte wiedergeben, aber mit den Studioalben schwarzer Künstler aus jener Zeit können sowohl Take a Ride als auch Breakout...!!! mithalten (- was nicht einfach ist, siehe Soul '66 mit Alben von Otis Redding, Wilson Pickett, Percy Sledge etc...). Das Debüt – genau wie der Nachfolger – zeigt eine völlig tighte Band, die sich hinter den Begleitern der Soul-Größen nicht verstecken muss, einen Sänger, der sich - wie es sich gehört – Vorlagen von James Brown, Sam Cooke, Little Richard, von Protege Bob Crewe etc gekonnt und mit Verve zu eigen macht. Ryder's Stimme ist eigenständig, er macht aus einer Kombination aus Little Richard's „Jenny Jenny“ and Chuck Willis' „C.C. Rider“ einen Soul-Workout, der als „Take a Ride“ zum Hit wird. Die Band verbindet das Beste aus beiden Welten – Soul und Garage-Rock. Er dürfte mit seiner Musik etliche Musiker beeinflusst haben – Bruce Springsteen hat ihn und seine Band definitiv angehört und auch Bands wie die MC5 und die Stooges dürften diesem Energie-Level nachgeeifert haben. Beide Alben haben einen großen Hit: Das Debüt den genannten Titelsong, Breakout...!!! wenige Wochen später ein weiteres Soul-Feuerwerk titels „Little Latin Lupe Lu“. Hier covert Mitch Ryder (den Namen hatte er übrigens angeblich aus dem Telefonbuch...) auch Wilson Pickett's „In the Midnight Hour“ , rast durch „Devil with the Blues Dress On/ Good Golly Miss Molly“ und macht alles richtig, auch wenn der Garagen-Flavor etwas gedämpft wird. Beiden Alben kann man vorwerfen, dass es auch den einen oder anderen Filler gibt – aber das ist bei Soul – ach was – bei fast allen Alben dasselbe. Wenn man das Tempo bedenkt, in dem zu dieser Zeit Alben aufgenommen und veröffentlicht wurden, muss man da gnädig sein – und ich finde, dass die etwas schwächeren Tracks Zeit zum Durchatmen bieten. Auch diese Musik ist deutlich in ihrer Zeit gefangen, wie gesagt wurden die Wheels schon einen Sommer später von Acid-Wolken erstickt, aber heute kann man diesen energischen Motor-City-Soul genießen

 

The Spencer Davis Group

The Second Album

(Fontana, 1966)

The Spencer Davis Group

Autumn '66

(Fontana, 1966)

Dass auch die Spencer Davis Group heutzutage nicht die Bekanntheit solcher Zeitgenossen wie die Stones hat, dass sie hinter den Kinks, den Small Faces oder den Animals zurück geblieben sind, liegt an mehreren Faktoren. '66 war auch ihr Second Album nur eine Ansammlung von Singles mit den paar notwendigen Ergänzungen – und die Band machte den Schritt zur Album-Band nie mit, zumal sie mit dem gerade mal 18-jährigen Steve Winwood schon im nächsten Jahr ihre Stimme und ihren wichtigsten Mann verloren. Dazu sind sie in keiner Weise revolutionär, ihr jazziger Rhythm and Blues/Blue-Eyed Soul ist in seiner Zeit weit mehr gefangen, als die Musik anderer Zeitgenossen. Wenn Steve Winwood Ray Charles' „Georgia On My Mind“ interpretiert, kann man über sein schwarze Kehle nur staunen, aber das vor Allem, weil er dem Vorbild aus den USA in so jungen Jahren, und ohne jede Gesangs-Ausbildung auch gerecht wird. Die Tracks allerdings bleiben doch recht brav im Spannungsfeld zwischen dem Soul der Vorbilder und dem Rhythm and Blues der Zeitgenossen. Natürlich ist da der rasante Hit „Keep On Running“, der Opener „Look Away“ zeigt auch, wie eingespielt und kraftvoll diese Band um den Gitarristen Spencer Davis zu jener Zeit war. Steve's Bruder Muff Winwood spielt Bass, Pete York sitzt an den Drums und die Musik, die sie spielten, ist zwar sehr gekonnt, aber wenig gewagt. So gibt es hier nur zwei Eigenkompositionen und ihre Version von „I Washed My Hands in Muddy Water“ krankt daran, dass hier nicht Winwood, sondern Spencer Davis singt. Der hätte sicher was dagegen gehabt – aber Die Band hätte Steve Winwood Band heissen müssen. Oder sie hätten sich verändern müssen. Aber das noch im gleichen Jahr erschienene Autumn '66 hat dasselbe Manko: Zwei eigenen Songs stehen zehn Cover-Versionen gegenüber - die enorm kompetent eingespielt sind, die möglicherweise sogar neue Facetten der Vorbilder aufleuchten lassen, aber Innovation, gar psychedelische Spielereien sind hier nicht zu finden. Nicht missverstehen: Wieder ist Steve Winwood's Stimme ein Wunder vor dem Herren, wieder hatte die Band bei einigen Songs „Soul“ und eine Wucht, mit der sie sich vor den Vorbildern aus den USA nicht verstecken mussten, aber '66 brach die Zeit der Psychedelik an, die Stones machten ihr erstes Album mit komplett eigenen Songs, auch Bands wie The Who oder die Small Faces waren abenteuerlicher, und wer die Spencer Davis Group hören wollte, der kaufte sich die Singles. Hier das feine „Somebody Help Me“ - dabei hatten sie mit dem krachenden Rhythm and Blues von „High Time Baby“ sogar einen eigenen Song dabei, der sich sehen lassen konnte. Dass Autumn '66 in den USA garnicht veröffentlicht wurde, dass es andere Bands gab, die im LP-Format interessanter waren – all das ließ die Spencer Davis Group verschwinden – aber erst nach dem '67er Hit „Gimme Some Lovin'“. Their Second Album und Autumn '66 sind durchaus tolle Alben ihrer Richtung - für mich ist dies die britische Entsprechung von Mitch Ryder and the Detroit Wheels..



Buffalo Springfield

s/t


(Atco, 1966)

Eigentlich eine seltsame Vorstellung: 1966 waren Neil Young und Stephen Still noch recht unbekannte, junge und aufstrebende Musiker. Solche, die zwar unbestreitbar Talent hatten, aber mitnichten Musiker, bei denen man eine mehrere Jahrzehnte andauernde Karriere vermutet oder vorausgesehen hätte. Das erste volle Album der ersten Band der beiden Musiker, das Debüt von Buffalo Springfield, war auch nicht sensationell - aber es war sehr gut, und im Nachhinein... sieht man vor Allem die Songs, die tatsächlich bis heute (... oder zumindest eine sehr lange Zeit...) ihren Wert behalten haben. Da ist natürlich vor Allem das von Stephen Stills verfasste „For What It's Worth“, der einzige echte Hit der Band, Young's „Flying on the Ground is Wrong“ zeigt schon dessen Talente, ebenso sein „Nowadays Clancy Can't Even Sing“, wobei Gitarrist Richie Furay in beiden Fällen den Gesang übernahm. Aber schon bei diesem Album war erkennbar, dass da eine fruchtbare Konkurrenz zwischen Stills und Young herrschte. Die beiden kannten sich seit 1963, hatten sich zufällig in LA wiedergetroffen und schnell, diese Band gegründet. Ihre Live-Reputation war glänzend, dem schnell zusammengeschusterten Album wurde allerdings nur ein bescheidener Erfolg zuteil, wohl auch weil ihre Beider Manager den Produktionsjob übernahmen – und eigentlich keine Ahnung hatten. Buffalo Springfield hat inzwischen reichlich Patina angesetzt, oder ich drück's mal es so aus: Es ist ein Dokument seiner Zeit. Das folgende Album Buffalo Springfield Again (1967) - dann von Jack Nitzsche aufgenommen – ist das Album der Wahl, wenn man denn nur Eines von den Dreien hören will. Da hat Neil Young die Nase vorn, und die Band ist eingespielt und brennt. Aber dieses Debüt ist auch heute noch besser als so manches Americana-Album der neuen Generation.

Paul Butterfield Blues Band

East-West


(Elektra, 1966)

Mit ihrem Debüt im Vorjahr hatte die Band um den Mundharmonika-Virtuosen Paul Butterfield mit ein paar anderen – wie dem Blues Project etwa - den weißen, elektrischen Blues definiert. Auf ihrem zweiten Album nun nahmen sie gleich ein zwei, drei zusätzliche Stufen. Das lag vor Allem am Gitarren-Virtuosen Mike Bloomfield, dessen Interesse an indischen Raga's, Coltrane, modalem Jazz a la Miles Davis und LSD via bislang ungehörten Improvisations-Ausflügen der Musik der Blues Band etliche Facetten hinzufügte. Die im Studio noch vergleichsweise ökonomischen Soloexkursionen wurden zu dieser Zeit live gerne auf eine Stunde (!) ausgedehnt – und machen die Butterfield Blues Band zum Vorläufer und Vorbild solcher Acts wie Grateful Dead und Quicksilver Messenger Service. Elektra Label-Chef Paul Rothschild nahm die Band in den Chicago'er Chess-Studios auf, und es gibt durchaus typischen „Windy City Blues“ hier – bei Muddy Waters' „Two Trains Running“ oder Robert Johnson's „Walking Blues“ etwa, aber da ist auch Nat Adderley's „Work Song“ inklusive jazzigen Improvisationen von Bloomfield, Elvin Bishop und der verstärkten Harmonika von Butterfield. Ein Beispiel gekonnter Dynamik weit außerhalb der bekannten Blues-Schemata. Da ist das 13-minütige Titelstück, ebenfalls mit auf dem Sleeve aufgelisteter Reihenfolge der Solisten, und da ist als kleiner Fremdkörper im Gesamtkonzept mit „Mary Mary“ purer Pop, komponiert von Michael Nesmith, der bald mit den Monkees erfolgreich sein würde. Mit East-West hatte diese Band den Blues für „Weiße“ in den USA wieder nach Hause geholt – und fiel aufgrund von diversen Vertragsproblemen hiernach auseinander. Paul Butterfield machte noch ein paar weniger interessante Solo-Alben und Gitarrist Mike Bloomfield's vielversprechende Karriere verlief immer erratischer - er versank immer tiefer in Drogen und starb 1981 an einer Überdosis.

The Hollies

For Certain Because...


(Parlophone, 1966)

Die Veröffentlichungspolitik von british invasion Bands in den USA...: Dort heisst For Certain Because... mit anderm Cover nach dem enthaltenen Hit Stop! Stop! Stop! - aber immerhin ist das Tracklisting dasselbe...

Es ist das zweite (in den USA das dritte...) Album der Band im Jahr '66 und es ist meiner Meinung nach ihr Bestes, bevor auch sie sich mit Evolution dem Psychedelik-Trend der Zeit zuwenden. Dass die Hollies nicht die Bedeutung der Beatles erreichten, liegt vielleicht an ihrer weniger ausgeprägten Experimentierlust, an ihrer „Normalität“, an den zwar ausgefeilten, aber weniger charakteristischen Stimmen und daran, dass sie - medial und optisch - nicht die Beatles sind. Es liegt nicht allein daran, dass sie als Songwriter nicht ganz die Klasse von Lennon und McCartney haben, aber sie nutzten nie so wie die Beatles die Möglichkeiten der LP als komplettes Werk. For Certain Because... hat tolle Songs, aber es ist nicht - wie Revolver - ein Album, das wirklich als Album konzipiert ist, bei dem die Band sich bei jedem einzelnen Song etwas gedacht hat – sie hatten eben nicht George Martin als Produzenten - aber dafür ist die Single „Stop! Stop! Stop!“ ist ein rasanter Tanz mit schepperndem Banjo-Riff, der Opener „What's Wrong With the Way I Live“ kommt ebenfalls mit präsentem Banjo daher und stünde US-Folk/ Country-Rock Bands wie der Nitty Gritty Dirt Band hervorragend zu Gesicht. Manche Songs sind unauffällig, ihnen fehlt eine herausragende Idee, aber das ist die Ausnahme. „Tell Me to My Face“ hat eine kluge, leicht asiatisch anmutende Melidie, die von einer spinnenhaften Gitarre vorgegeben wird, etliche Songs sind fein ausgetüftelt, man merkt, dass sie ihr Songwriting vorangetrieben hatten. Allan Clarke und Graham Nash waren erwachsen geworden, und sie hatten zumindest ihr eigenes Rubber Soul gemacht. Und der Vorgänger Would You Believe? - dürfte Fans von Brit-Beat auch gefallen, die Vocal Harmonies sind delikat, die Dichte an guten Songs aber nicht ganz so groß wie auf dem Nachfolger – ein paar gelungene und ein paar weniger gelungene Coverversionen, was der Grund ist, aus dem ich es hier nur kurz erwähne. Die Hollies sind mitunter opulenter und süßlicher als die Beatles, aber nicht so zuckrig wie die Bee Gee's - was sie für mich zur Band der Wahl macht.

Cream

Fresh Cream


(Atco, 1966)

Und jetzt zurück zum Blues in seiner von Weissen adaptierten und psychedelisierten Form – und noch mal Eric Clapton, dessen Album mit den Bluesbreakers weiter oben (in dem ersten Post 1966) seinen Platz erhielt. Das Debüt der ersten, von Robert Stigwood zusammen gecasteten „Supergroup“ hat zwar noch nicht die Klasse des Nachfolgers Disraeli Gears – aber Fresh Cream zeigt in den besten Momenten, wo die Reise hingehen wird. Jack Bruce war ein versierter Bassist mit fabelhafter Stimme und kam von Graham Bond und vom Jazz, Ginger Baker - ebenfalls zuvor bei Graham Bond, dem wahnsinnigen Keyboarder - war ein unglaublicher Drummer, dessen zügelloses Temperament mit seinem eigenwilligen Stil korrespondierte und Gitarrist Clapton war bekanntermaßen auf dem Weg, Gott zu werden.... Auf ihrem ersten Album covert das Powertrio Blues-Klassiker von Robert Johnson, Muddy Waters und Willie Dixon – mit dessen „Spoonful“ der Blues in psychedelische Sphären geschossen wird. Und da sind die Songs von Jack Bruce, die Jazz, Blues und Psychedelik vereinen, die zeigen, dass der Mann in diesem Moment tatsächlich seiner Zeit voraus war. Vor Allem sein „Sweet Wine“ überzeugt mit gewagter Melodik und großer Kraft. Und Ginger Baker's „Toad“ hat tatsächlich so etwas wie ein gelungenes Drum-Solo - damals war es nicht verwerflich oder lächerlich, Soli aller Art zu spielen. Eine Haltung, die heute unmodern sein mag. Das Album hat Schwächen, aber es klang damals äußerst innovativ, und man kann Cream heutzutage als eine der ersten Jam-Bands mit ihrem Hippie-Flair und britischer Exzentrik lieben - oder unwichtig finden.

The Yardbirds

s/t (Roger, The Engineer)


(Columbia, 1966)

...Ach ja, und bei den Yardbirds hatte Eric Clapton auch gespielt. Deren Live Album von '64 war sein erster Auftritt im LP-Format gewesen, inzwischen war er von Jeff Beck ersetzt worden – einem Gitarristen, den ich persönlich noch besser, weil einfallsreicher finde. Roger, the Engineer, wie das Album wegen seines Covers auf öffentlichen Wunsch hin in England genannt wurde, ist eine etwas zwiespältige Angelegenheit. Die Yardbirds hatten '65 etliche Singles veröffentlicht, extensiv getourt, und sich dann ein paar Wochen Zeit genommen um ihr einziges echtes Studioalbum aufzunehmen – das dann leider unter seinem dünnen Sound und ein paar schlechteren Songs zu leiden hat. Jeff Beck's Gitarrenspiel ist fantastisch, aber Sänger Keith Relf klingt mitunter etwas schwachbrüstig, und die Rhythm Section wurde anscheinend im Nebenraum abgestellt. Es gibt einige gelungene psychedelische Experimente – damals ganz erstaunlich – zumal Roger... ein paar Wochen vor Revolver von den Beatles herauskam. Es gibt Blues – natürlich, da kamen sie ja her – aber der wird mit Jazz, asiatischen Sounds und Rock'n'Roll versetzt - hört man dieses Album im Vergleich zum Album der Bluesbreakers, dann verschwinden die Blues-Spuren irgendwie. Es gab '66 sicher einige bessere Alben – aber Roger, the Engineer gehört trotzdem insbesondere dank Jeff Becks Gitarren-Pyrotechnik zu den Guten.

Small Faces

s/t


(Decca, 1966)

Die Small Faces sind 1966 eine der populärsten Bands Großbritanniens, sie sind seit dem Vorjahr mit famosen Singles in den Charts und Stammgäste bei Top of the Pops – und sie werden dabei von ihrem Manager Don Arden wie Streichhölzer abgebrannt. Ständiges Touren, TV-Auftritte, ein Cameo in einem Gangsterfilm - und am Ende hat keiner der vier Musiker einen Penny 'raus. Das erste komplette Album der vier (.. übrigens tatsächlich ziemlich kleingewachsenen...) Musiker ist ein Ausbruch an Energie, keinen Deut schlechter als das Debütalbum der zu dieser Zeit ähnlich agierenden Who (die auch als „Mods“ bezeichnet werden), und sein vergleichsweise geringer Bekanntheitsgrad mag dem Umstand geschuldet sein, dass sie als Single-Band gelten und Small Faces als schnöde Compilation betrachtet wird – oder daran, dass The Who im Vergleich die „reichere“ Karriere hatten. Daran Schuld ist die Tatsache, dass sie zwar in der Folge weitere tolle Alben, und dann mit Rod Stewart als The Faces weiteren Erfolg hatten, aber in den Siebzigern an Bedeutung verloren. Und sie hatten – genau wie alle anderen – nicht George Martin als Produzenten an ihrer Seite. Für dieses Album ist das egal, ich wundere mich nur darüber, dass es nicht bekannter ist. Steve Marriott ist ein charismatischer Sänger, der mit seiner Soul-Stimme den Stil etlicher Heavy Metal Sänger vorwegnimmt – insbesondere das Geschrei eines Robert Plant. Die zwölf Songs, teils als Singles erprobt, sind in ihrer Vermischung von juvenilem Ungestüm, amerikanischem Soul und R&B ein riesiger Spaß. „You Need Lovin'“ nimmt Led Zeppelin's „Whole Lotta Love“ vorweg, der von Sam Cooke geschriebene Opener „Shake“ vermischt R&B und Soul, das Instrumental *Own Up Time“ klingt, als wären Booker T. & the MG's eine Heavy-Kapelle – und weist Keyboarder Ian McLagan als Meister seines Faches aus. Das Album hat – wie das Aussehen seiner Erschaffer - Stil, Energie und es klingt einerseits sehr nach den Sechzigern, ist andererseits aber in seiner Rohheit überraschend zeitlos – und der Einfluss der Band auf Bands wie The Jam und den Brit Pop der Neunziger ist sofort erkennbar.

The Who

A Quick One


(Polydor, 1966)

Nach den Mods von den Small Faces nun die Mods von The Who – logisch. Die sind 1966 mit ihrem zweiten Album – dem ersten beim neuen Label – auf dem Weg zum Super-Stardom. Das neue Label garantierte ihnen mehr Freiheit, aber alles musste schnell gehen, und nachdem sie Shel Talmy und das Brunswick Label verlassen hatten, hatten sie keinen richtigen Produzenten zur Verfügung, bis sich ihr als Producer unerfahrener Manager Kit Lambert bereit erklärte sie zu produzieren. Also musste Jeder der vier Musiker ganz schnell zwei Songs schreiben, damit so schnell wie möglich Geld 'reinkam. Pete Townshend ist natürlich der Hauptsongwriter , der hier mit dem neun-minütigen Titelsong schon den Weg Richtung erzählerischer Rockoper andeutet (wobei die Dauer des Songs auch daher rührt, dass das Album schnell die halbe Stunde + Spielzeit erreichen musste). Auch sein „So Sad About Us“ ist gekonnt, war aber eigentlich für eine andere Band gedacht. Keith Moon durfte das zu jener Zeit obligate Drum Solo auf seinem „Cobwebs & Strange“ einfügen, John Entwistle hatte mit „Whiskey Man“ und seinem persönlichen signature tune „Boris, The Spider“ zwei wirklich gute Songs in petto, aber Roger Daltrey als Songwriter ...?  So ist A Quick One nicht zu vergleichen mit dem energetischen Vorgänger My Generation von '65, zu hastig zusammengeschustert und schlechter produziert als der Nachfolger The Who Sell Out – für den sie viel mehr Zeit haben würden - und mit Tommy oder Who's Next nicht zu vergleichen. Auch dieses Album ist aus genannten Gründen in seiner Zeit gefangen – aber The Who zeigen auch, dass sie eine Band mit Zukunft sind – und für 60iesLiebhaber ist A Quick One ein kostbares Artefakt.

Manfred Mann

As Is


(Fontana, 1966)

Manfred Mann und Band haben 1966 einen wichtigen Teil ihres Personals ausgewechselt – für Sänger Paul Jones kommt Mike D'Abo und Bassist Mike Vickers wird erst von Jack Bruce, dann auf dem neuen Album von Klaus Voormann (... den man sonst doch mit den Beatles verbindet - u.a. weil er das Cover zu Revolver gezeichnet hatte !) ersetzt. Auf den zwei vorherigen Alben hatten sie sich klug, aber etwas akademisch in R&B und Soul versucht, für As Is nun überschritten sie die vorher gezogenen stilistischen Grenzen. Das mag seinen Grund in Sänger Mike D'Abo's breiterem Stimm-Spektrum haben, auch in der Tatsache, dass er gleich drei eigene Songs beisteuern darf – mit „Box Office Draw“ und „Trouble and Tea“ puren 60er Jahre Pop und mit „As Long as I Have Lovin“ eine Soul-Ballade. Und Mike Hugg fühlte sich anscheinend auch bemüßigt, seine Ideen Richtung Baroque Pop und leichter Psychedelik zu verschieben - gößere Diversität lag wohl einfach in der Luft. Natürlich ist der Jazz-Einfluss Manfred Mann's erkennbar – in seinem Keyboard, in dem omnipräsenten Vibraphon, im Jazz-Instrumental „Autumn Leaves“, das ein kleiner Fremdkörper ist. Aber das gehört zur Musik dieser Zeit – und für diese Zeit steht das Album sehr exemplarisch – logischerweise auch mit dem vom 1966 omnipräsenten Bob Dylan geschriebenen Closer „Just Like a Woman“. Ein schönes Album, vielleicht das beste vom Manfred Mann der Sechziger.