Zunächst
einmal ein bisschen Geschichte: HipHop entstand zu Beginn der
Achtziger an der Ostküste der Staaten, genauer in den Ghetto's der
New Yorker Bronx. Hier entwickelte er sich aus den Ursprüngen um die
Sugarhill Gang, Grandmaster Flash und Run DMC oder Afrika Bambaata
(nur ein paar von Vielen), deren Rap's (laut Wörterbuch =
Sprechgesang) zu Beats aus dem Ghettoblaster das Leben der schwarzen
Bevölkerung in diesen Teilen der Stadt widerspiegelte. Um's schnell zu machen: Diese Raps
und Rhythmen wurden von verschiedenen Leuten in diverse Richtungen
weiterentwickelt, variiert und mit immer besseren Texten und Beats
ausgeschmückt. Zweck der ganzen Angelegenheit war es, zu diesen
Beats zu tanzen und sich auf abenteuerliche Weise zu bewegen – zu
„breakdancen“ - aber nach einer Weile wurde das Ganze immer
komplexer und die Stories, die erzählt wurden, immer wichtiger. Das
„Goldene Zeitalter“ – die Zeit von 87 bis 94 etwa – war dann
von HipHop Acts geprägt, die es nicht so sehr auf den Dancefloor
abgesehen hatten, als vielmehr auf eine perfekte Abstimmung aus
Samples, Rhythmik und Texten, die entweder äußerst politisch waren
(Public Enemy) oder die Ghetto-Wirklichkeit und den mehr oder weniger
friedlichen Gebrauch von illegalen Rauschmitteln (und/oder Waffen) auf mehr oder
weniger deutliche Weise darstellten (Eric B & Rakim, Boogie Down
Productions, EPMD und so weiter...) Dazu kamen bald die sog. Native
Tongue's wie die Jungle Brothers oder (bald) De La Soul und A Tribe
Called Quest mit selbstbewusst schwarzen, meist „peacigen“
Themen. Sie alle haben einen virtuosen Umgang mit den Stilmitteln –
Sprache und Musik/Samples – gemein.. Aber Ende der Achtziger
begannen endlich auch an der Westküste der USA Rapper einen eigenen
Stil zu entwickeln. Zunächst waren es im Vergleich zu NY nur wenige,
aber das hier unten reviewte Album Straight Outta Compton von N.W.A.
bildet die Wurzel einer ganzen Szene, die einen härteren Sound
hatte, die politisch extremer war, auch sexistischer, soundmäßig
minimalistischer und insgesamt „härter“ als der HipHop der
Rapper von der East Coast. Der bald beginnende Macho-Krieg zwischen
East Coast und West Coast war dumm, albern und leider auch für ein
paar Protagonisten tödlich. Aber das ist eine andere Geschichte.
Hier sind einige Highlights vom Beginn des „Golden Age of HipHop“,
Alben, die die Grundlage des HipHop bis in die heutige Zeit bilden.
Zu Beginn ein paar Alben, die für diese Musik so wichtig sind, wie
Blonde on Blonde und Revolver für die weiße Popmusik. Dies sind
Alben, die die Gussform für HipHop bis weit in die 00er Jahre
bilden.
Public
Enemy
It
Takes A Nation Of Millions to Hold Us Back
(Def
Jam, 1988)
Ich
habe in der Überschrift dieses Kapitels über das „Golden Age of
HipHop“ geschrieben. Für mich persönlich beginnt dieses Zeitalter
mit genau diesem Album. Und damit bin ich nicht alleine – bis heute
hat It Takes a Nation of Millions to Hold Us Back seine Gültigkeit behalten, auch
wenn diverse Moden es soundtechnisch alt klingen lassen. 1988
jedenfalls waren Public Enemy „The real deal“: Eine Gruppe mit
immenser gesellschaftlicher Sprengkraft, bestehend aus einem
innovativen Produktions Team (The Bomb Squad), einem radikalen
schwarzen Nationalisten als mediales Aushängeschild und „Sprecher“
(Professor Griff - political correctness war seinerzeit - ganz banal - kein Thema...), sogar mit einer paramilitärischen Tanztruppe (The
S1W's), dem Rapper und B-Boy Flavor Flav, und einem politisch wachen
Kopf (Chuck D) als ideologischem Anführer – der sogar die
nationalistischen Ausfälle von Professor Griff abfedern konnte.
Chuck D's zu dieser Zeit noch völlig unnachgiebig radikale Rhetorik
(... später würde er als Schauspieler reüssieren – und weit
zahmer werden...) wurde perfekt untermalt von den revolutionären
Sound-Clashes vom Bomb Squad, bei dem sich alle zehn Sekunden der
Sound veränderte, bei dem Slayers „Angel of Death“ gesampelt
wurde während Flavor Flav (mit einer riesigen Uhr um den Hals) sein
HipHop-Theater um die Black Panther Bewegung veranstaltete. Nach
einem schon herausragenden Debüt wurden Public Enemy mit diesem,
ihrem zweiten Album im Nekropolis der Reagan Ära zu so etwas wie
einem einem kulturellen Molotov-Cocktail. Und sie bekamen den
verdienten Erfolg. Das seinerzeit meistverkauften Rap-Album gilt als
Höhepunkt des Old-School HipHop und „Bring the Noise“ und „Don't
Believe the Hype“ sind zwei der besten Rap-Tracks überhaupt,
letzterer mit einem Titel, der zum Slogan werden würde – und was
wäre bedeutender im HipHop ?
N.W.A.
Straight
Outta Compton
(4th
& B'Way, 1988)
Für
so manchen nur ein bisschen konservativen Weißen in den USA ist es
wahrscheinlich bis heute schwierig bis undenkbar, diese Platte
anzuhören – geschweige denn sie zu "mögen" oder ihren kulturhistorischen Stellenwert
anzuerkennen. N.W.A. (...steht für „Niggaz With Attitude“...)
sind mit Straight Outta Compton die (Ok... Mit-)Erfinder eines ganzen Sub-Genres:
Des Gangsta-Rap. Und auf ihrem Debüt ist schon alles dabei, was in
dieser Sparte des HipHop dabei sein muss - und somit auch alles, was
man an ihr hassen kann: Intoleranz, Frauenfeindlichkeit,auf dicke
Hose machen und Gewaltverherrlichung. Man muß sich heute klar
machen, all das war zuvor nicht unbedingt typisch im HipHop und wurde
nun zur Blaupause für das Genre. Das mögen fragwürdige Verdienste
sein. aber - Was für eine Platte! Zum Einen waren mit Dr.Dre, Ice
Cube und Eazy-E gleich drei Protagonisten des HipHop der Zukunft an
diesem Projekt beteiligt. Und dann funktionierte hier auch noch die
musikalische Zusammenarbeit der drei Solitäre – sie schufen mit
den ersten drei Stücken auf Straigh Outta Compton eine der besten
Einleitungen in ein Rap-Album, das Titelstück, dann „Gangsta
Gangsta“ und „Fuck tha Police“ - mehr Punk als DeeDee Ramone.
Und was ist mit den Texten? Der Aufruf zur Gewalt bei "Fuck tha Police" wurde natürlich
nicht überhört, das FBI rügte die Plattenfirma, MTV verbot das
Video zum Song, die Verkaufszahlen schossen in die Höhe und ein
Genre war erfunden. Und auch heute noch empören sich die
Rechtschaffenen – wie schön das ist.
EPMD
Strictly
Business
(Fresh,
1988)
Enter
EPMD – was für die lustige Absichtserklärung „Erick and Parrish
Making Dollars“ steht. Das Duo aus NY/Long Island's - bestehend aus
Erick Sermon und Parrish Smith - ist eine Ikone des East Coast
HipHop, geliebt von denen, die sie kennen, immens einflussreich
bis heute. Ohne sie kein Jay Z, kein Nas, kein Snoop Dogg – kein
relaxter, dope-HipHop. Tatsächlich wurden die New Yorker auch an der
Westküste respektierte – was seinerzeit keine
Selbstverständlichkeit war. Für New York klangen sie aber auch fast
ZU entspannt, waren ihre Samples und Rhythmen zu relaxed und funky.
Schon der Opener – das Titelstück des Albums – basiert auf dem
gesampelten Refrain von Bob Marley's „I Shot the Sheriff“, über
den die beiden Rapper ihre entspannten Rhymes legen, meist ist die
Herkunft der Samples schnell zu erkennen, ihre erste Single, „You
Gots to Chill“ basiert auf Samples von Zapp's „More Bounce to the
Ounce“ und Kool & the Gang's „Jungle Boogie“, die zum
rollenden Beat gegeneinander kämpfen während Sermon und Smith Alles
mit ihrem kollaborativen Rap zusammenhalten. Das hört sich an, als
wäre es ganz simpel - und es ist auch nah am ursprünglichen Prinzip des
HipHop, bei dem über gesampelte Disco-Beats erzählt wird, aber EPMD
waren in ihrer Kunst einige Schritte weiter als der Rest, sie nutzten
Samples aus Rock und Soul (damals noch unüblich...) und schufen eine
sehr entspannte und eigene Atmosphäre. Strictly Business ist eine
Sampelorgie aus der Zeit, als man sampeln konnte was man wollte, ohne
allzugroße Schwierigkeiten zu bekommen, und es zeigt, dass man
daraus etwas ganz eigenes schaffen kann. Weitere Highlights ? „You're
a Customer“ auf Steve Miller's „Fly Like an Eagle“, oder
„Jane“, basierend auf einem Sample von Rick James' „Mary Jane“.
Bekiffter Party-HipHop mit Niveau – ein Album, das etliche
Imitatoren in Stil und Atmosphäre nach sich ziehen sollte.
Eric
B. & Rakim
Follow
The Leader
(Uni,
1988)
Und
ein weiterer Klassiker aus der Gründerzeit des HipHop. Die New
Yorker Eric B. & Rakim mit dem Nachfolger zum
Vorjahres-Meisterstück Paid in Full. Und natürlich ist ein
Fortschritt zum Debüt zu erkennen – was den Erstling nicht
schlechter oder uninteressanter macht. Auf Follow the Leader
erweitert Producer Eric B das Vokabular, ergänzt den bisherigen
Minimalismus um ein paar wohlgesetzte Samples – nicht mehr nur aus
dem Katalog von James Brown's - sondern hier und da auch um ein paar
Samples aus Bereichen der Rockmusik. Die Eagles, die Average White
Band, Herbie Hancock's Headhunters, aber hier gilt, wie bei EPMD's
Strictly Business, das Ergebnis ist völlig eigenständig, Rakim's
finstere Raps heben die gesamte Musik auf ein höheres Level, sein
tiefe Stimme lässt Textbrocken wie Ziegelsteine zwischen die Beats
fallen. Er gilt nicht umsonst bis heute als einer der besten Rapper
seiner Generation – und als Vorbild für etliche Rapper, die da kommen
werden. Follow the Leader ist weit dunkler, rhythmischer und härter
als das hier oben reviewte Strictly Business, weit sparsamer als It
Takes a Nation of... und cooler als das wütende Straight Outta
Compton. Es zeigt wie variantenreich man arbeiten kann, wenn man sich
auf's Notwendigste beschränkt – und es ist ein Album, das so heute
nicht mehr entstehen könnte. Dies ist HipHop in seiner pursten Form
– die beiden ersten Alben von Eric B. & Rakim sind
unersetzlich, dass sie hiernach nie mehr auf dieses Niveau gelangen
würden ist traurig, aber nicht mehr so wichtig. Highlights auf
diesem Album sind der Opener/ Titeltrack mit Rakim's akrobatischen
Raps, „Microphone Fiend“, in dem Rakim Drogensucht mit seiner
Sucht nach Mic und Worten vergleicht – oder „Lyrics of Fury“
mit den Zeilen: „I can take a phrase that's
rarely heard/ Flip it/ Now it's a daily word.“ - was wohl
treffend beschreibt, was jeder Rapper erreichen will... Rakim hatte
es erreicht.
Boogie
Down Productions
By
All Means Necessary
(Jive,
1988)
Während
der Produktion zum zweiten Album des Duo's Boogie Down Productions
wurde Beatmaster und Produzent Scott LaRock in den New Yorker
Prospects beim Versuch, einen Streit zu schlichten, erschossen. Der
nun gezwungenermaßen allein arbeitende KRS-One war durch dieses
Ereignis so erschüttert, dass er das Gangsta-Konzept des Debütalbums
Criminal Minded für dass neue Album über den Haufen warf, sich
selbst den Moniker „The Teacher“ gab, und stattdessen eines der
ersten explizit politischen HipHop Alben machte, dass sich mit dem
Bewusstsein und vor Allem den selbstzerstörerischen Tendenzen
innerhalb der schwarzen Community befasst. Tracks wie „Stop the
Violence“ und „Necessary“ kritisieren die Brutalität innerhalb
der HipHop-Szene – einer Szene, die sich mit Macho-Gehabe und
Intoleranz intern zerfleischt, während die „weisse“ Polizei die
Leichen aufsammelt. Warnt vor Rassismus, den er „white man's game“
nennt, kritisiert Drogenhandel und Bestechlichkeit der Polizei bei
„Illegal Business“ und warnt vor den Gefahren von Aids im
Kondom-Commercial „Jimmy“. All das über einen reduzierten Sound,
mit den extrem harten 808 Beats, die man schon von Criminal Minded
kennt, über eine recht geringe Zahl von Samples – so basiert „Ya
Slippin“ auf dem einen Sample von Deep Purple's „Smoke on the
Water“. By All Means Necessary ist genauso politisch wie Public
Enemy's Meisterstück It Takes a Nation of
Millions..., und seine relativ geringere Bekanntheit mag
vielleicht dem extrem reduzierten Sound geschuldet sein, der den
Fokus letztlich auf die Lyrics legen will, es aber für die
HipHop-ferne Hörerschaft weniger attraktiv macht. Es ist ein
weiteres Album, das den HipHop der folgenden Jahre vorwegnimmt, und
es ist das beste Album von KRS-One – vor dessen Solo-Alben.
Ultramagnetic
MC's
Critical
Beatdown
(Next
Plateau, 1988)
Die
Ultramagnetic MC's sind 1988 mit ihrer Art des HipHop ziemlich
innovativ unterwegs. Ced Dee, Moe Love, TR Love und Kool Keith
entstammen der Breakdance Szene der Bronx, ihre Raps sind abstrakt,
komplex und dadurch ungewöhnlicher als die der Konkurrenz, ihr
HipHop ist weird, in einer Szene, in der Realness oberstes Gebot zu
sein scheint. Producer Ced Dee arbeitet hauptsächlich mit einem
Sampler und den Beats und Gitarrensounds alter James Brown-Tracks,
was der Musik Funkyness verleiht. Das Prinzip der einzelnen Tracks
ist immer gleich: ein harter „Boom Bap“ Beat, Kool Keith rappt
stream-of-consciousness Wahnsinn, Ced Gee unterbricht ihn, und rappt
seinen Part bei dem er in Zungen spricht – es ist kein Wunder, dass
Critrical Beatdown auch '88 nur moderaten Erfolg in den Charts hatte.
Die Rhymes sind zu verrückt, die Rhythmen zu komplex für den
Hausgebrauch – was aber dazu geführt hat, dass dieses Album weit
besser gealtert ist als andere Alben seiner Ära. Die Ultramagnetic
MC's wichen allen Klischee's aus – und Critical Beatdown wurde
in der Zukunft zur Quelle etlicher Samples von Nas über Gang Starr
bis zu The Prodigy. Die Ultramagnetic MC's veröffentlichen zwar noch
ein paar Alben, aber die bleiben unbefriedigend – Kool Keith
allerdings wird 1996 als Dr. Octagonecologyst eines der besten und
wahnsinnigsten HipHop Alben der Neunziger machen. Hier sind also
seine Wurzeln - und sind die Klamotten der Typen nicht einfach wunderbar?
The
Jungle Brothers
Straight
Out The Jungle
(Warlock,
1988)
De
La Soul und A Tribe Called Quest sind die bekannteren – und über
die Jahre auch die besseren Acts des politischen Jazz-Rap – oder
wie man es auch nennt – des „Conscious HipHop“, des HipHop, der
sich mit den sozialen Missständen der afro-amerikanischen
Gesellschaft auseinandersetzt. Die
New Yorker Jungle Brothers aber sind der erste Act, der ein
komplettes Album veröffentlicht, und dieses sowie das zweite Album
Done By the Forces of Nature definieren einen Sound und eine Haltung,
die sich deutlich vom politischen HipHop der Aggressoren Public Enemy
oder dem Gangsta-Shit anderer Acts abhebt. Die
Liaison von Jazz und HipHop war logisch, andere mögen es später
noch besser gemacht haben, aber die Jungle Brothers erinnerten die
schwarze Community erstmals wieder daran, dass Jazz IHRE Musik war.
Bald würden Jazz-Grooves, mit dem Besen gestreichelte Drums und
Bläserspitzen wichtige Bestandteile des HipHop werden – 1988 ist
das noch ein Alleinstellungsmerkmal, wie man auch an den vorher
besprochenen Alben hören mag. Da ist es dann bizarr, dass „I’ll
House You“ - der erfolgreichste und bekannteste Track dieses Albums
– nicht etwa Jazz und Rap, sondern Chicago House mit Rap verbindet
– und im Kontext trotz der Zusammenarbeit mit dem legendären House
Produzenten Todd Terry eher nach Comedy klingt, als nach ernsthaften
social issues. Aber es gibt ja auch die Zusammenarbeit mit Q-Tip vom
Tribe auf „Black is Black“ - Afro-Zentrismus wie er bald auch von
den anderen „Native Tongues“ auf Alben wie betrieben wird.
Lustig zu erfahren, dass die Instrumental Tracks auf dem Album in
vielen Fällen sozusagen „von Hand“ hergestellt wurden, die Loops
wurden manuell, ohne den sonst üblichen Sampler von Jazz-Alben
geholt und zum Track zusammengefügt. Straight Out the Jungle mag
noch Schwächen haben, aber das haben im Vergleich strenggenommen alle Alben
dieser Zeit, und es definiert den Sound, der kommen würde.
Big
Daddy Kane
Long
Live the Kane
(Cold
Chillin', 1988)
Jetzt
zum ersten echten Großmaul des HipHop. Man könnte sagen before Kanye there was Kane
– das ehemalige Mitglied der Pioniere The Juice Crew All Stars
hatte sich den Kollegen und Beatmaster Marley Marl als Produzenten
gesichert, hatte anerkanntermaßen beachtliche Skills als Rapper und
warf auf seinem Debüt Long Live the Kane zusätzlich seine bigger
than life personality in die Waagschale. Das
Album ist eine Disco-Kugel, die den HipHop des Jahre '88 in allen
Facetten widerspiegelt. Da ist die perfekte, reduzierte Produktion
von Marley Marl, da sind die unvermeidlichen James Brown-Samples, da
sind Themen aus der eigenen Community, aber vor Allem ist da die
Angeberei über die eigenen Rhyme-Skills und vor Allem der dezente
Hinweis auf die eigene Potenz („I'll Take You There“) - was
langweilig bis unerträglich werden könnte, wäre Antonio Hardy (so
Big Daddy Kane's bürgerlicher Name) nicht ein mindestens so
einfallsreicher und virtuoser Rapper wie Kool Keith von den oben
genannten Ultramagnetc MC's. Er ist nicht politisch wie Chuck D oder
bedrohlich wie KRS-One, aber er ist einer der besten Rapper seiner
Zeit – und einer den ganze Generationen von anderen Rappern
respektieren und zitieren werden. Man höre nur einen Track wie
„Ain’t No Half-Steppin“. Das war eben die Zeit, in der im HipHop Alles
neu war, als der Gedanke an „Correctness“ im HipHop noch
Unverständnis erzeugt hätte.
Stetasonic
In
Full Gear
(Tommy
Boy, 1988)
Stetasonic
waren einer der ersten HipHop Acts, die mit Live Band agierten. '83
in der Breakdance-Szene entstanden, war das Doppelalbum In Full Gear
ihr zweites Album - und eines der ganz großen HipHop-Alben dieses
Jahres. Das Debüt On Fire war zwar gut, aber noch etwas unbehauen
gewesen - hier fallen alle Teile ihres Sounds an ihren Platz. Da sind
neben den üblichen James Brown Samples (und dem klugen Satz: "Tell
the truth, James Brown was old/ 'Til Eric and Rakim came out with 'I
Got Soul'") und noch mehr Sly & the
Family Stone Samples und wortreiche Bezüge zur einflussreichen Band
der beginnenden Siebziger, da ist energetisches Live-Drumming und die
virtuose Produktion von Prince Paul (der bald das Debüt von De La
Soul produzieren wird...) und Daddy-O, da sind die gekonnten Raps von
Daddy-O und Frukwan und das Beatboxing von Wise und da sind Einflüsse
aus Dancehall Reggae, R&B und Rock. Sie verarbeiten im Prinzip
Alles, was ihnen nützlich erscheint, und sind damit
eklektizistischer als ihre Zeitgenossen und dabei ist das Album nicht
wütend politisch und hat nichts mit Gangsta Rap zu tun. Die Stimmung
ist eher positiv und der musikalische Background auf eigen Art jazzig
-was in die Reihe der Alben von A Tribe Called Quest und De La Soul
passen sollte - aber ihr Sound und ihre Haltung scheint
„altmodischer“ als die der Conscious HipHop Vorreiter. Stetasonic
sind offensichtlich von ihren Live-Auftritten geprägt, sie betreiben
auf In Full Gear HipHop Entertainment – und wenn sie bei der
klasischen Single „Talking All That Jazz“ die zu jener Zeit
aktuelle Sampling-Diskussion verhandeln (bei der es darum ging, dass
die Nutzung von Sampels bezahlt werden sollte), dann haben sie da
einen klare Meinung (Pro Sampling natürlich), aber sind dabei nicht
wirklich militant. „Float On“ ist eine ziemlich cheesy Ballade,
die wie heute Einträge ins Dating-Portakl klingt „Freedom or Death“
wiederum behandelt soziale Themen auf eine Art, die sich Public
Enemy's Chuck D. auch mal anhören sollte. In Full Gear gilt als
Klassiker aus der zweiten Reihe – zum Einen weil es in diesem Jahr
revolutionärere Alben gab, vermutlich auch, weil all die bekannten
Moden und Modernismen es überholt haben und manche Beats heute
anachronistisch klingen – was für mich den Spaß beim anhören
guter Musik nicht reduziert, aber das ist nicht jedermann's
Einstellung und einzig mein persönlicher Vorteil beim Genuss solcher
Alben. Aber zugegeben – In Full Gear ist eindeutig Achtziger –
mach' draus was du willst..
Slick
Rick
The
Great Adventures of Slick Rick
(Def
Jam, 1988)
Noch
so ein Klassiker: Der In London geborene und in NY lebende Slick Rick
aka Richard Walters gehört sozusagen zur ersten Generation
erfolgreicher MC's, er hatte schon Mitte der Achtziger seine Spuren
in der New Yorker Szene hinterlassen und mit dem MC/der lebenden
Beatbox Doug E. Fresh mit „La Di Da Di“ einen der ersten echten
„Hits“ dieser jungen Musik-Gattung fabriziert. Drei Jahre
brauchte es dann, bis er mit The Great Adventures of Slick Rick das
erste Album veröffentlichte. Slick Rick ist ein hervorragender
Rapper mit typischem britischen Akzent, dazu ein echter Storyteller,
der immer wieder kluge und interessante Inhalte mit schlauen Rhymes
verbindet. Hier reichen seine Lyrics von misogynistischen "Treat
Her Like a Prostitute" über das Lob des MCing ("The
Ruler's Back") bis zum reinen storytelling („Children's
Story"), von soft ("Teenage Love") bis hardcore ("Lick
the Balls"). Und all das ist verpackt in die dynamische,
sparsame Produktion von Slick Rick bzw. der Bomb Squad und Jam Master
Jay (Run DMC). Mit Def Jam hatte er natürlich DAS HipHop-Label
dieser Zeit hinter sich – und die bekamen mit den ausgekoppelten
Singles „Teenage Love“, „Hey Young World“ und „Children's
Story“ Klassiker geliefert. The Great Adventures of Slick Rick ist
enorm unterhaltsam, klingt durch die sparsame Produktion recht
modern, hat in Slick Rick einen tollen Rapper und Texter – es ist
berechtigterweise ein Klassiker. Dummerweise geriet er in den
kommenden Jahren immer wieder mit der Justiz aneinander, was seine
Karriere recht uneben verlaufen ließ. Er machte drei weitere Alben –
teils nahm er die im Gefängnis auf – aber an dieses Album kam er
nicht mehr heran. Als Vorbild für Leute wie Snoop Dogg oder Jay Z
(der sein „The Ruler Is Back“ coverte) ist er unsterblich.
Die
Bezeichnung Singer/Songwriter - so beliebig sie ist - steht für
eine Art Musik,die eine paar entscheidende Unterschiede zum
„Folk-Singer“ der 50er-60er Jahre aufweist. Dylan, Phil Ochs oder
Tim Hardin etwa waren geprägt von der Folkszene in New York, diese Szene
kannte ihre Vorbilder und hatte zunächst deren Songs studiert und
interpretiert, ehe dann - Dylan vor Allem - damit begann, SEINE
Weltsicht in eigenen Texten und mit eigenen Melodien zu vertonen und
diese tradierte Art der Musik mit aktuellen Botschaften zu versehen, und sie dann auch noch instrumental und rhythmisch Richtung "Pop" zu verschieben. Die
Jugend, die sich wie jede neue Generation von den Älteren emanzipieren wollte, die
den Vietnam-Krieg ablehnte, die sich selber finden und verwirklichen
wollte, wollte wohl auch nicht mehr nur die alten Songs und Stories aus den vorherigen Dekaden
hören. So war der „klassische“ Protest-Song zwar auch '67 noch
aktuell, aber Musiker, die das Lebensgefühl und die Probleme ihrer
eigenen Generation mit eigenen Worten und insbesondere mit einer
eigenen musikalischen Sprache behandelten, wurden immer
interessanter. Dazu kam die Veränderung der Musik in anderen Bereichen (ausserhalb der Folk-Szene) durch Bands wie
Byrds, Beatles, Stones und Doors, die die Klänge Richtung Beat, Pop
und erweitertes Bewusstsein trieben. So kamen nun neuerdings junge
Musiker alleine oder mit Band/Orchester im Hintergrund daher, um das
Leben JETZT in ihren Texten behandelten... Und das war neu. Ob sie
dazu, wie Dylan, ein mythisches Amerika aufleben ließen, oder ob sie
wie Leonard Cohen tiefsinnige und kluge Lyrik vertonten, oder ob sie wie Tim Buckley die
Stimme in den Vordergrund stellten, sie alle waren Vertreter einer
neuen Art von Musik: Ich denke man kann sie als die Ersten
bezeichenen, die man Singer/Songwriter nennt.
Bob
Dylan
John
Wesley Harding
(Columbia,
1967)
Aufgenommen
nach den Basement Tapes (die Dylan sozusagen „heimlich“
eingespielt hatte und die dann erst Jahre später veröffentlicht
wurden), und nach seinem die eigene Existenz erschütternden Motorradunfall
- und somit sein erstes Album anderthalb Jahre nach Blonde on Blonde,
kam John Wesley Harding für Dylan-Fans spät (Man bedenke:
normalerweise wurden seinerzeit Alben im Halbjahresrhythmus
veröffentlicht). Und es kam vor allem inhaltlich als Schock. Niemand
hätte diese Kollektion biblischer Allegorien und karger Folksongs
erwartet. Nur Bass und Drums begleiten Dylans Gesang zur Akustischen,
die Songs waren in drei Tagen aufgenommen worden und Dylan hatte
offensichtlich den Ursprung seiner Musik – und damit die Quelle der
Inspiration für seine Musik wiedergefunden. Einer der Gründe
vielleicht, warum John Wesley... inzwischen als eines von Dylan's
großen Alben gilt – und als logische Fortentwicklung aus den
Basement Tapes Aufnahmen - die aber eben zu der Zeit nicht bekannt
waren. Mit dieser Sparsamkeit und vor allem mit dem eindeutigen Bezug
auf das alte mythische Amerika wurde Dylan mehr mit diesem Album als
mit der glorreichen Trilogie von 65/66 zur Inspiration für ganze
Generationen von Musikern. Grateful Dead, Gram Parsons, die Byrds und
der ganze Westcoast-Sound sind ohne dieses Album undenkbar. Dylans
berühmte Version von „All Along the Watchtower“ war nur die
Spitze des Eisberges. Trügerisch einfach und einfach fantastisch.
Phil
Ochs
Pleasures
Of The Harbour
(A&M,
1967)
Phil
Ochs war zuvor musikalisch einen ähnlichen Weg gegangen wie Bob
Dylan, hatte zunächst in den USA auch eine ähnliche Popularität
erlangt – unter Anderem weil er wortgewaltig und zugleich witzig
war, aber als er nun genug vom Protestsong hatte, war ihm nicht mehr
der Erfolg beschieden, den er verdient hätte. Und das, obwohl sein
musikalisches Talent ähnlich groß war wie das des Übervaters, und
obwohl er mindestens genauso Konsequent war wie Dylan. Er war einer
der Wenigen gewesen, die Dylan's Abkehr vom reinen Folksound sofort
unterstützt hatten, und er war mit dem was er auf Pleasures of the
Harbour machte genauso visionär, wortgewaltig und zynisch wie
bisher. Der ausbleibende Erfolg mag damit zu erklären sein, dass
dieses vierte Album nicht mehr beim Elektra Label erschien - mit
denen hatte er sich zerstritten - und es mag sein, dass ihm seine
Fans seine ebenso radikale Abkehr vom bisherigen Sound nicht so
einfach verzeihen wollten, wie es die Dylan-Fans letztlich taten. Allerdings wählte Ochs auch
einen anderen, barocken, orchestralen Sound und komplexere Lyrics und
schuf damit dieses leider damals nicht erfolgreiche und dann bald
vergessene düsteres Baroque-Pop Meisterwerk - das Fans seiner vorherigen, folkigen Alben wohl kaum verstanden oder gar akzeptierten. Für den Summer of Love
waren die Texte zu bitter, der Sound zu süß, und die
Tatsache, dass er die Songs in üppige Arrangements tauchte, nahm den
Texten nichts von ihrer Düsternis. Im zentralen „Crucifixion“
beispielsweise ging es darum, dass alle Helden unausweichlich zu
Märtyrern gemacht werden. Harter Stoff, den die von Peace and Love
begeisterten Hippies wohl nicht hören wollten. Das Album wurde ein
Flop, Ochs verfiel dem Alkohol, und der Abstieg begann. Bis 1970
kamen noch drei sehr gute ähnlich opulente Alben zustande, die aber
gleichfalls erfolglos blieben und im Jahr 1976 erhängteOchs sich
schließlich. Die Tatsache, dass dieses und die nachfolgenden Alben quasi nicht erhältlich sind, ist übrigens ein Skandal...
Tim
Hardin
2
(Verve
Folkways, 1967)
Tim
Hardin hatte mit seinem Debüt ein Jahr zuvor in Musikerkreisen
aufsehen erregt. Er war schon seit Beginn der Sechziger - seitdem er
aus der Army und aus Vietnam zurückgekommen war - ein wichtiger
Bestandteil der Greenwich Village Folk Szene gewesen, und obwohl er
eine schwere Heroinsucht aus Vietnam mitgebracht hatte, konnte er nun
zumindest einen gewissen materiellen Erfolg zu genießen, da sein
Song „If I Were a Carpenter“ in der Version von Bobby Darin zum
Top 10 Hit geworden war. Seine durch die Tantiemen finanzierte
Drogensucht allerdings machte es für die Produzenten Charles
Koppelman und Don Rubin schwer mit ihm zu arbeiten. Sie mussten für
die Songs zu Tim Hardin 2 Gesang und Gitarre zunächst mit ihm
alleine aufnehmen, da er nicht in der Lage war, Songs mehrmals in
gleichen Versionen einzuspielen. Dann erst wurden die Arrangements
ergänzt. Der Blues-Einfluss - auf dem Debüt noch stark - verschwand
jetzt fast völlig. Subtile String-Arrangements, Percussion und
jazzige Zwischentöne setzen die Songs vor einen passenden
Hintergrund. Hardins eigene Version von „If I Were A Carpenter“
ist überzeugend und dass er unter seiner Drogensucht litt, merkt man
seiner Stimme nicht an. Und es ist beileibe nicht nur der Hit, der
hier bemerkenswert ist, auch Songs wie „Red Balloon“, sein
Kommentar zur eigenen Sucht, oder die Außenseitergeschichte „Black
Sheep Boy“ und das bekannte „The Lady Came
from Baltimore“ gehören zum Besten der sich gerade
transformierenden Folk Szene der End- Sechziger. Hardin rutschte
immer tiefer in seine Drogensucht, ehe er 1980 starb, und nur noch
einmal gelang ihm mit Suite for Susan Moore and Damion (1969) ein
recht gutes Album. Die Songs seiner ersten beiden Alben brachten ihm
über die nächsten Jahre hinweg wegen rechtlicher Probleme kaum mehr
Tantiemen ein. Sie sind heute Allgemeingut.
Tim
Buckley
Goodbye
And Hello
(Elektra,
1967)
Tim
Buckley's zweites Album war ein Riesenschritt fort von den Folk-Rock-
und Baroque Pop Konventionen seines '66er Debüts. Goodbye and Hello
hat zum einen – vielleicht auch Dank seines Produzenten Jerry
Yester (Gitarrist der Lovin' Spoonful) – einen Sound, der an Bands
wie die Doors denken lässt: Mit Harpsichord, Harmonium, eben der
damals angesagte Acid-Rock Sound. Dazu kam, dass er begann die
Möglichkeiten seiner Stimme auszuloten – und die waren
beträchtlich. Spätere Buckley-Alben wie Happy/Sad oder Starsailor
etwa mögen künstlerisch noch interessanter sein, Goodbye and Hello
ist am variantenreichsten und am leichtesten zu genießen.
Bewundernswert, wenn man bedenkt, dass Buckley gerade mal 20 Jahre
alt war, erstaunlich, welche Tiefe die Lyrics – teils alleine,
teils mit Schulfreund Larry Beckett geschrieben – schon hatten. Bei
„I Never Asked to be Your Mountain“ rechtfertigt er sich dafür,
seine Frau verlassen zu haben, und sehnt sie gleichzeitig wieder
herbei. Er hatte Mary Guibert 1965 - noch zu Highschool-Zeiten –
geheiratet und sein Sohn Jeff war schon geboren als er sie '66
verließ. Der Song wird von rasanter Akustik-Gitarre angetrieben und
Buckley verfällt in ekstatischen Scat-Gesang. Der Song war ihm so
wichtig, dass er über zwanzig Vocal-Takes Live mit der Studio Band
aufnahm. „Once I Was“ der Eröffnungssong der 2. LP-Seite gilt
als einer seiner besten, beginnt getragen, um sich zu einem
gewaltigen Höhepunkt zu steigern. Der 8-minütige Titelsong ist
typische '67er Psychedelik, aber trotz seiner Gebundenheit an seine
Zeit ein weiterer Showcase dafür, wieviel man mit einer solchen
Stimme anfangen kann. Das Album ist wegen Buckley's Stimme und weil
es noch so unentschieden zwischen Experiment und Pop changiert
überaschend reizvoll und zeitlos
Leonard
Cohen
Songs
Of Leonard Cohen
(CBS,
1967)
Schlicht
und minimalistisch wie eine in braunes Papier gebundene Balzac
Buchausgabe ist Leonard Cohens' erstes Album ein solches Wunder an
Auslassungen und Leerstellen, dass es bis heute nichts an Faszination
verloren hat. Mit emotionsloser Stimme, fast ohne Ausdruck gesungen,
katatonisches Gitarrenzupfen, hier und da ein Orchester, eine
elektrische Gitarre oder eine Mandoline (Backing Band: Kaleidoscope
!) als gemusterte Tapete im Hintergrund sind die Elemente die diese
Musik bilden. Und genau das ist auch die Art Buch, in das solche
Worte geschrieben werden müssen. Der Kandier Leonard Cohen war schon
über 30 und erfolgreicher Schriftsteller, als er von John Hammond zu
Columbia geholt wurde, um sein erstes Album aufzunehmen. Die Musik,
die herauskam, ist eher europäisch, viele der Songs sollten sich zu
Klassikern entwickeln, obwohl - oder gerade weil - sie so hermetisch
klingen. Insbesondere „Suzanne“, aber auch „Sisters of Mercy“
- nach dem sich die Gothic-Band der 80er Jahre benennen sollte, oder
„So Long Marianne“ wurden zu Klassikern – bzw, waren es schon,
weil etwa Judy Collins ihre Klasse erkannt hatte, und sie schon zuvor
aufgenommen und populär gemacht hatte. Die Songs bieten gerade wegen
ihrer Kargheit eine hervorragende Leinwand für Interpretation und
Kontemplation, sind wie die glatte Oberfläche eines Sees, der
unergründlich tief ist. In den USA hatte das Album zunächst wenig
Erfolg, in UK erreichte es die Top Ten, der Stil, den Cohen hier
entwickelte, wurde mit der Zeit noch ausgefeilter, und er ist eine der
wichtigsten Facetten in der Entwicklung des aufblühenden Singer/
Songwriter-Genres. Ein Klassiker, der in Sound und lyrischer Qualität
unerreicht ist.
Judy
Collins
Wildflowers
(Elektra,
1967)
Und
wo ich gerade bei Leonard Cohen war... Judy Collins - 1967 mit ihrem
sechsten Album etablierte Folk-Sängerin auf dem zukunftsweisenden
Elektra-Label – ist großer Fan und Förderer des Kandiers. Und
auch auf Wildflowers covert sie drei seiner Songs: „Sisters of
Mercy“, „Hey, That's No Way To Say Goodbye“ und „Priests“
bekommen auf diesem von Joshua Rifkin arrangierten Album eine
mitunter fast mittelalterich anmutende Backing durch Flöten,
Streichern und Klavier. So werden sie in ein ungewohntes Umfeld
gesetzt, dem Collins mit ihrer feenhaft klaren Stimme allerdings zusätzlich eine
passende Weltabgewandheit verleiht. Eine Coverversion von
Jaques Brel's „La Chanson des vieux amants“ fügt sich da nahtlos
ein. Dann covert sie auch noch die junge, aufstrebende Musikerin Joni
Mitchell, deren „Both Sides Now“ wegen seiner hippie-seligen
Fröhlichkeit fast ein bisschen unpassend ist – was Nichts daran
ändert, dass er eines der Highlights auf dem Album ist. Auch
Collins' eigene Songs müssen sich nicht verstecken und das Album ist
trotz seines durchgehend barocken Sounds erstaunlich
anwechslungsreich. Natürlich – wie so viele Alben hier –
heutzutage aus der Zeit gefallen, aber – um es enfach zu sagen –
wunderschön. Mit Wildflowers wagte Collins sich noch weiter über
das strenge Folk Prinzip „Gitarre + Gesang - das muss reichen“
hinaus als schon mit dem Vorgängeralbum In My Life. Sie war immer
mehr Interpretin fremder Songs als Songwriterin, aber auch
Wildflowers zeigt die Emanzipation der Folk-Sängerin zur
stilsicheren Musikerin mit Folk-Background. Letztlich ein kluger
Schritt, der ihre künstlerische Entwicklung vorantreibt.
Nico
Chelsea
Girls
(Verve,
1967)
Ob
da alle meiner Meinung sind, dass dieses Album ein
Singer/Songwriter-Album ist ? Nico's Chelsea Girl war 1967
vermutlich das coolste, was es in der Popmusik geben konnte – wenn
man es wahrnahm. Das deutsche Model Christa Päffgen war zuvor von
Andy Warhol für das Debüt von Velvet Underground rekrutiert worden
-zum Unwillen insbesondere Lou Reed's, der sie als Fremdkörper
empfand – aber sie hatte dadurch bei einem Album mitgewirkt, dessen
Wirkung weit in die Zukunft reichen sollte. Auf ihrem Solo-Debüt
begleitete sie dennoch nicht nur Lou Reed, sondern John Cale spielte
und produzierte auch noch und Sterling Morrison machte mit - sowie der
noch junge und unbekannte Jackson Browne, von dem sie drei Stücke
coverte. Die Musik hat oberflächlich wenig mit dem Noise der Velvet
Underground zu tun. Durch Cale's Streicherarrangements und die
durchweg akustische Instrumentierung klingt Chelsea Girl mehr nach
der Incredible String Band und Baroque Pop als nach dunklem
NY-Noise-Pop, aber der minimalistische Sound und Nico's eigenartige
dunkle Stimme mit dem überdeutlichen deutschen Akzent verleiht der
Musik eine Düsternis und Tiefe, die mit leichtem Pop wenig zu tun
hat. Das achtminütige „It Was a Pleasure Then“ nimmt Drone
vorweg, Dylans „I'll Keep it With Mine“ ist kaum noch
wiederzuerkennen, letztlich bleiben dieses Album und seine Nachfolger
singuläre Phänomene - und ob man es dann Singer/Songwriter nennt oder Avantgarde ist ja letztlich egal....
Donovan
Mellow
Yellow
(Epic,
1967)
Donovan
A
Gift From a Flower to a Garden
(Epic,
1967)
Donovan
Leitch's fünftes Album Mellow Yellow wurde – wie der Vorgänger -
wegen vertraglicher Probleme in England zunächst nicht
veröffentlicht. Als es dann herauskam, wurde es zusammen mit dem
Vorgänger Sunshine Superman in die Plattenläden gestellt. Gut oder
vielleicht auch schlecht für die Käufer, denn beide Alben sind
recht unterschiedlich. Mellow
Yellow ist – mehr als der Vorgänger - ein Übergangsalbum
Richtung ernsthafte, britische psychedelische Folkmusik - in
Abgrenzung zu Dylan, mit dem Donovan seinerzeit gerne verglichen
wurde. Es gibt Songs die an die Folk-Roots Donovans gemahnen, manche
sind noch Überbleibsel aus früheren Sessions, andere bieten elektrifizierten Folk der Art, die Donovan letztlich erfolgreich machte. So ist der Titelsong zwar banal – wurde aber einer seiner
größten Hits, der Album Track „House of Jansch“ dagegen,
Donovans Verneigung vor dem großen und einflussreichen
Folk-Gitarristen, ist einer seiner besten Songs. Led Zep Bassist John
Paul Jones fungierte bei einigen Stücken als Arrangeur, Mickie Most
produzierte und das Album wurde zu einem von Donovans größten
kommerziellen Erfolgen. Auf Dauer sind es dann die unbekannteren und
eher im Folk verwurzelten Songs, die Bestand haben: Das ruhige
„Writer In The Sun“, das berückende „Sand And Foam“ sind die
Highlights. Nach Mellow Yellow, und einem Trip
nach Indien, nach den für immer mit dem Namen Donovan verbundenen
erfolgreichen Singles in den Charts und nachdem er wegen
Marijuana-Besitz kurz festgenommen worden war, nahm Donovan im selben
Jahr zwei weitere Alben gleichzeitig auf, die dann in einem der
ersten Box-Sets der Rockgeschichte veröffentlicht wurden. A
Gift from a Flower to a Garden enthält auf dem Wear Your Love Like
Heaven betitelten Teil elektrischen Folk Rock - Musik der Art, mit
der er so erfolgreich war, und der zweite Teil des Albums (For Little
Ones) enthält sanfte akustische Solo-Songs, ausdrücklich auf Kinder
zugeschnitten, die zeigen, dass Donovan ein
hervorragender Songwriter und Gitarrist war - etwas, das seiner
Meinung nach im Hype um seine Hits untergegangen war. So wie er bis
heute als etwas naiverer second rate Dylan gesehen wird.... Beide
Alben klingen einerseits ungemein naiv in ihrer Hippie-Seligkeit,
sind aber dabei erstaunlich zeitlos geblieben. Manches hier klingt
wie ein 60er-Jahre Beck, die Songs auf dem akustischen Album sind
zwar an Kinder gerichtet, aber von großer melodischer Eleganz.
Beispiele: das klagende „Isle of Islay“ oder das bezaubernde
„The Mandolin and His Secret“. Das ist zwar Eskapismus pur, aber
auf schönstmögliche Art.
Scott
Walker
Scott
(Philips,
1967)
Es
gibt starke Kontraste in der seltsamen Karriere des Scott Walker. Als
erfolgreiches Teenie-Idol mit den Walker Brothers gestartet, aber des
damit verbundenen Ruhmes fast sofort überdrüssig, begann er seine
Solo-Karriere im Nachhall dieses Ruhmes mit Musik, die sich durch
seinen sonoren Bariton, aber auch durch opulente Arrangements
inklusive Orchester und gewiefter Arrangements auf den ersten Blick nicht besonders von der Musik seiner Brothers-Jahren unterschied - die sich aber inhaltlich und in
ihrer interessanteren Songauswahl schon auf diesem ersten –
schlicht Scott betitelten Werk - den düsteren Seiten des
Lebens zuwandte. Es ist kaum vorstellbar, dass besorgte Eltern ihren
Kindern verbieten würden, seiner Version von Tim Hardin's „The Lady
Came From Baltimore“ zu lauschen – oder einer Eigenkomposition wie
„Montague Terrace (In Blue)“ - mag die melodisch und thematisch
noch so gewagt sein.... denn Scott war ja immerhin vor einem halben Jahr
noch der Sänger der Walker Brothers gewesen. Und dass Walker mit
Jacques Brel ein Idol entdeckt hatte, über das er sagte: „He is
the most significant singer-songwriter in the world“, dürfte auch
nicht kontrovers gewesen sein – trotz Dunkelheit und sogar
Unanständigkeiten in den ins englische übersetzten Texten von
„Mathilde“, „My Death“ oder „Amsterdam“. Er hatte einfach
immer noch das Image des Boyband-Sängers, so sehr er das
verabscheute. Auf jeden Fall nutzte er dieses Image, um in den
folgenden Jahren drei äußerst erfolgreiche Alben zu erschaffen, die
Kunst und Kommerzialität aufs vorteilhafteste vereinen – und ein
viertes zu machen, dass diese Rezeptur weiterführt in eine Richtung,
die ihn dann über den Zeitraum von ein paar Jahrzehnten zur extremen Kompromisslosigkeit führen würde. Und was ist Scott nun?
Ein wunderschönes Album mit stark orchestrierter und arrangierter
Musik, die Chanson, Pop und Pathos auf's angenehmste verbindet, ein
Singer/Songwriter Album, das später so unterschiedliche Musiker wie
Marc Almond, Neil Hannon und Jarvis Cocker beeinflussen würde –
und der erste Schritt Scott Walkers Richtung künstlerischer
Freiheit.
Und jetzt noch drei Alben, die unbekanntere Künstler vorstellen, die aber IMO mehr Beachtung verdient hätten...
Jake
Holmes
The Above Ground Sound of Jake Holmes
(Tower,
1967)
Jake
Holmes hat seinen Anteil an der Unsterblichkeit allein schon aufgrund
der Tatsache, dass er derjenige ist, der „Dazed and Confused“
schrieb – den Song, der dann von Led Zeppelin gecovert wurde,
allerdings ohne dass die es für nötig hielten, den Autor zu
erwähnen. Das Original ist eine echtes Psychedelic-Folk Kleinod, das
der weit berühmteren Version der Heavy Rock Erfinder in gewisser
Weise sogar überlegen ist.. Der Opener des Debüt-Albums schlägt in
dieselbe Kerbe, „Genuine Imitation Life“ ist ein Song,
der zuvor durch die Four Seasons berühmt geworden war und der hier
die "psychedelic" Behandlung bekommt, die das Album so erstaunlich
eigenständig klingen lässt. The Above Ground Sound of Jake Holmes
lässt an Tim Buckley denken – Holmes ist aber bei weitem kein
so virtuoser Sänger wie sein Zeitgenosse, dafür aber unterwirft sich
das Songwriting nicht der Gesangstechnik. „She Belongs to Me“ und
„Too long“ sind ruhige und schöne Balladen, die Stimmung des
Albums ist positiver, weniger kontemplativ als die von Goodbye and
Hello etwa, und es sind neben den genannten noch etliche gute Songs
dabei, The Above Ground Sound... ist weit konziser und
unterhaltsamer, als man es ob seiner Obskurität vermuten würde.
Holmes machte noch ein paar durchaus hörenswerte Alben (das folgende
A Letter to Katherine December und auch das 70er Album Jake Holmes )
und arbeitete als Co-Komponist bei Frank Sinatra's unterschätztem
'70er Album Watertown, eher er dann später als Verfasser von
Werbe-Jingles sehr erfolgreich wurde. Sein Songwriting gab er nie auf
und 2000 veröffentlichte er ein politisches Album samt Anti-Bush
Song. Seine Musik verdient die Wiederentdeckung.
Jerry
Moore
Life
Is a Constant Journey Home
(ESP,
1967)
Auch
einer der Musiker, der leider irgendwann komplett in Vergessenheit
geriet. Jerry Moore, gelernter Gitarrist, Organist und Sänger trat
Mitte der Sechziger regelmäßig im Greenwich Village auf und wurde
dort vom Folk Musiker Randy Burns entdeckt, der ihm einen Vertrag
beim Kult-Label ESP vermittelte. Zu den Aufnahmen von Life is a
Constant Journey Home wurden etliche fähige Musiker eingeladen,
unter ihnen Jazz-Gitarrist Eric Gale. Das Songmaterial irgendwo
zwischen Soul und Folk ist stark – der Titelsong hat wunderbaren
Flow, „The Ballad of Birmingham“ prangert das Bombenattentat des
Ku Klux Klan in Alabama an, bei dem vier Schulkinder umkamen. Moore
gibt sehr überzeugend den politisch engagierten Folk-Sänger, der
sich gegen Unrecht einsetzt, der aber auch Hoffnung vermittelt ("Winds
of Change“ - der Titel mag ja peinlich besetzt sein...) und er überzeugt auch und vor Allem als Sänger mit
einer Stimme irgendwo zwischen Tim Buckley und dem stilistisch
verwandten Terry Callier – soulful und folky eben – mal mit erdig
akustischem Sound, mal mit psychedelischen Einflüssen. Dass das
Album wenig Beachtung fand, ist vor Allem der Tatsache geschuldet,
dass ESP zwar ein Label ist, auf dem interessante und abenteuerliche
Alben erschienen (Moore gehört zu den bei weitem „normalsten“
Musikern – im Vergleich zu Bands wie den Godz etwa oder dem Free
Jazz den sie im Programm hatten...), der Vertrieb der Alben aber war
schwierig und Promotion fand quasi nicht statt. Moore nahm kein
weiteres Album auf, wurde Strassenprediger und verschwand dann
komplett von der Bildfläche. Sein einziges Album ist inzwischen nach
seiner Wiederentdeckung durch die „Free Folk Community“ der 00er
Jahre wieder erhältlich
Tim
Rose
s/t
(Columbia,
1967)
Die
vergessenen Singer/Songwriter – Teil III: Tim Rose ist ein weiterer
Vertreter dieser Zunft – und zwar einer mit zwei Über-Klassikern,
die ihm letztlich irgendwie die Karriere verhagelten. Der Song
„Morning Dew“ - geschrieben von der Folk-Sängerin Bonnie Dobson
– wurde in Rose's Version berühmt und dann wiederum von Musikern
wie Jeff Beck oder The Grateful Dead gecovert und seine ebenfalls auf
seinem Debüt enthaltene langsame Version von „Hey Joe“
inspirierte Jimi Hendrix zu dessen Hit-Version. Tim Rose ähnelt
dabei in Vielem dem anderen Tim (Hardin). Er sang mit starkem
Blues-Einfluss und entsprechender Stimme allerdings weit rauer, weit
weniger introspektiv. Vor diesem Debüt hatte er schon einige Jahre
Musik gemacht – u.a. mit Jake Holmes (siehe oben) und später mit
Mama Cass Elliot und deren späterem Ehemann James Hendricks mit
denen er als The Big 3 zwei Alben aufnahm nachdem sie in der Folk
Szene von Greenwich Village Fuß gefasst hatten. Sein erstes
Solo-Album warf mit den zwei Singles veritable Hits ab, auch die
anderen Songs – insbesondere „Long Time Man“ sind reizvoll,
Rose's raue Stimme ist über jeden Zweifel erhaben und die Arrangements
passen. Der Nachfolger von Tim Rose allerdings misslang, Rose ging
nach England hatte aber letztlich nie einen echten kommerziellen und
künstlerischen Durchbruch. Er machte weiter Musik, starb aber
letztlich ziemlich vergessen im Jahre 2002.
Noch
liegt der Summer of Love in der Zukunft (...kommt im Jahr 1967...),
aber Hippie-Glückseligkeit liegt schon genauso in der Luft, wie
Vietnam-Protest, der Duft von Marijuana (verboten) und
Bewusstseinserweiterung via LSD (erlaubt). Die großen Bands und
Musiker der Stunde haben ihre visionären Alben veröffentlicht –
oft mit breitem kommerziellem Erfolg wohlgemerkt: Sowohl Beach Boys
als auch Beatles, Stones und Dylan sind nicht nur künstlerisch
erfolgreich. Aber es gibt in einem Jahr, in dem so viel in der Luft
liegt auch noch etliche weitere Alben, die Beachtung verdienen.
Manche sind vielleicht weniger würdevoll gealtert, Von The Mama's
and the Papa's und the Lovin' Spoonful sind eigentlich nur ihre
Single Hits im Gedächtnis geblieben, ob zu Recht, könnte man
diskutieren – viele der hier unten reviewten Alben haben Patina
angesetzt, um es nett zu formulieren. Aber gerade das macht sie
mitunter wertvoll. Mitch Ryder hingegen wird bald vom Hippie-Geist
weggeblasen, die Everly's sind 1966 so vergessen wie Rick Nelson –
und mit ihrer Version des British Invasion Pop 1966 hauptsächlich in
England und Kanada erfolgreich. Dort machen ein paar andere Bands mit
Beat und Rhythm'n'Blues oder Blues in allen möglichen Formen weiter,
und haben Erfolg, der nicht so lange vorhält, wie der der Beatles –
weil sie (noch) das Album Format nicht zu nutzen wissen. Mods wie die
Small Faces und The Who wiederum haben ihren Zenith noch nicht
erreicht, ebenso wenig wie Cream. Die Yardbirds wiederum sind die
Wiege etlicher großer Musiker, aber sie schaffen kein durchgängig
tolles Album.... Einfach mal weiterlesen - und übrigens: Viele erwähnenswerte Alben - wie die Soul-Alben '66 oder Folk und Jazz folgen in anderen Posts - irgendwann - ich glaub' ich brauche Hilfe
The
Mama‘s And The Papa‘s
If
You Can Believe Your
Eyes And Ears
(RCA
Victor, 1966)
Über
die „Aktualität“ der Musik solcher Bands braucht man nicht zu
diskutieren. The Mama' And The Papa's sind irgendwie schon dank ihres
Namens eine Band aus grauen Vorzeiten, aus einer Zeit als die Sonne
noch auf unschuldige Hippie-Köpfe schien, als „gay“ noch
fröhlich bedeutete und die Tatsache, dass die vier Musiker sich für
das Cover in der Badewanne ablichten ließen – angezogen
wohlgemerkt – schon ein Skandal war – ein so großer, dass die
Toilette neben der Wanne seinerzeit schamhaft mit einem Sticker
überklebt wurde. Aber mal zur Info: Der Name des Quartetts bezieht
sich auf die Bezeichnung für Frauen bei den Hell's Angels, ihr
Debütalbum war mit seiner Verquickung von Pop, Folk und elektrischer
Instrumentierung für die damaligen Zeiten ein regelrechtes Wagnis.
Hauptsongwriter John Phillips hatte sich zunächst nur ungern von der
reinen (akustischen) Lehre des Folk abgewandt, hatte vor den
Aufnahmen erstmals mit elektrischen Gitarren geprobt, aber dann
lieferte er auf diesem Album mit „Monday Monday“ und „California
Dreamin'“ gleich zwei Klassiker des Sunshine-Pop – mit einer
Band, die ich mal als ABBA der Sixties bezeichnen würde. Und ABBA
haben inzwischen schließlich auch verdientermaßen ihren Kultstatus
erlangt. Das Album ist äußerst abwechslungsreich und ausgefeilt,
die Band hatte mehrere Monate auf den Virgin Islands geprobt und
aufgenommen. So ist If You Can Believe Your Eyes and Ears zumindest
in Teilen eine gleichwertiger Zeitgenosse von Rubber Soul –
„Straight Shooter“ hätte durchaus auf das Beatles Album gepasst,
dazu die Tatsachen, dass die auf dem Cover ungenannten Begleitmusiker
dieselben sind wie bei Pet Sounds, oder dass der Satzgesang mit der
wunderbar tiefen Stimme von Mama Cass Elliot dem der Beach Boys
durchaus Konkurrenz macht. Dass Phillips Elliot zunächst wegen ihrer
Stimme und ihrer äußeren Erscheinung ablehnte, passt zum
Chauvinismus der damaligen Zeit, aber es nimmt der Musik nicht
ihren Charme. Es ist Musik aus einer Zeit, die letztlich doch nur
unschuldiger erscheint. Nach diesem Album brachten interne Querelen
die Band in Unruhe – John Phillips Ehefrau Michelle Phillips betrog
ihn mit Gene Clark, wurde gefeuert, wieder dazugeholt, der Erfolg und
Drogen raubten den Musikern Kraft und Disziplin, die folgenden Alben
enthalten allesamt das eine oder andere Highlight, aber wenn man (wie
ich) kein Compilation mag, ist If You Can Believe Your Eyes and Ears
das Album der Wahl.
The
Lovin‘ Spoonful
Daydream
(Kama
Sutra, 1966)
Lovin'
Spoonful
Hums
of the Lovin' Spoonful
(Kama
Sutra, 1966)
Als
die Lovin' Spoonful im März '66 ihr zweites Album veröffentlichen,
stehen ihre Karriere in voller Blüte. Sie machen Good Time Music,
spinnen ein Netz aus Jug Band Music, Rock'n'Roll, Blues und Folk, auf
Daydream wird fast alles vom immens talentierten Instrumentalisten
und Sänger John Sebastian komponiert oder mitkomponiert, mit bunter
Instrumentierung inklusive Autoharp Harmonika und und mit Zal
Yankovskis Gitearrenspiel, das von schwärmerischer Schönheit bis
giftigem Fuzz alle Bereiche abdeckt – was mit dazu führt, dass
ihre Alben (sogar bis heute) von den Einen als buntes Potpourri, von
kritischeren Geistern als uneinheitlicher Pop wahrgenommen werden. Es
ist – ähnlich wie bei The Mama's and the Papa's sicherlich so,
dass die Singles bei dieser Band ihre LP's überstrahlen. Hier ist es
der Titelsong, der einen ähnlichen Stellenwert hat, wie California
Dreamin' von den Konkurrenten, und auch hier hattenb sie zuvor mit
„You Didn't Have to be so Nice“ einen keineswegs schwächeren
Chartserfolg – der angeblich Brian Wilson zu „God Only Knows“
inspiriert hat - und auch hier sind Albumtracks, die zwar immer ein
anderes Gesicht der Band zeigen, die aber beim Hinhören auch
erstaunlich viel Spaß bereiten. „There She Is“, „Day Blues“,
„It's Not Time Now“, - alles feine Popsongs mit Spaß und
Intelligenz. Auf Daydream Klingt die Band nicht mehr so roh, wie auf
dem Vorjahres- Debüt, aber noch nicht ganz so ausgefeilt, wie auf
dem Nachfolger, der dann im November '66 erschien. Die Lovin Spoonful
(deren Name sich nicht etwa auf Heroin-gebrauch, sondern auf den
„Coffee Blues“ von Mississippi John Hurt bezog) hatten bei
Hippies keinen guten Stand, weil der gebürtige Kanadier Yankovski
mit Marijuana erwischt wurde, und den Namen des Dealers preisgab, um
nicht abgeschoben zu werden. Ihr Beitrag zum Soundtrack von Woody
Allen's „What's Up, Tiger Lily“ war ein bisschen unausgegoren,
aber Hums of the Lovin' Spoonful hatte wieder die Leichtigkeit,
Fragilität und Intelligenz, die die Musik der Band ausmachte – und
die sie für Bands wie R.E.M. zum Vorbild nachte (Peter Buck ist
ausgewiesener Fan ihre Musik) Manchen
gilt Daydream als ihr bestes, ich bevorzuge Hums... mit seiner noch
größeren Dichte an hervorragenden Songs, mit dem ikonischen „Summer
In The City,” dem unheimlichen „Rain On The Roof” und mit
„Coconut Grove”. Aber nachdem Yankovsky sich und die Band für
die Gegenkultur unmöglich gemacht hatte, nachdem sie in der „Szene“
gedisst wurde, verließ er die Band. Es wurde ein Ersatz gefunden,
aber die Hinwendung zum puren Pop tat ihnen nicht gut und 1968
verließ mit John Sebastian der Hauptsongwriter die Band. Man höre
ihre ersten drei Alben – oder eine Compilation, wenn man so was
mag.
The
Monkees
s/t
(RCA
Victor, 1966)
Musik im Umbruch, so lautet der Titel gan oben. The Monkees ist in gewisser Weise eines der revolutionärsten Alben von '66. Nicht weil die Musik so innovativ wäre, die ist eher ein Abklatsch des british invasion Pop der letzten beiden Jahre, sondern weil hier erstmals Popmusik "crossmedial" genutzt wird. The Monkees sind die nach Aussehen und nicht nach Fähigkeiten gecastete Band zum Film und das Album der Soiundtrack zur Comedy-Serie. Klar, die Beatles hatten zuvor Filme gemacht, aber sie hatten die Musik diesen Filmen zum mindestens angepasst, waren da selber als Songwriter tätig gewesen, und hatten mit A Hard Days Night einen Soundtrack gemacht, dessen Gewicht weit höher war als das Gewicht der Bilder. In den Staaten nun wollte der
Produzent und Manager Don Kirshner an den Erfolg der Beatles-Filme
anknüpfen, indem er eine Band castete, die lustige, verrückte
Abenteuer auf ihrem vergeblichen Weg zum Ruhm erlebet. Dass
die Protagonisten dabei Instrumente halten können sollten, war eher
zweitrangig. Für das Album zur Serie (das incl. Single ein paar
Wochen zuvor erschien) holte sich Kirshner mit Tommy Boyce und Bobby
Hart zwei professionelle Songwriter und hatte wohl auch vor, das
Album dann von diversen Studiocracks einspielen zu lassen – aber
mit Pete Dolenz, Michael Tork und vor Allem dem jungen Michael
Nesmith waren bei der Fantasie-Band doch drei Personen dabei, die
auch gerne selber musizieren wollten. Tatsächlich wurde die „Band“
ins Studio geschickt, um zu proben - damit sie im TV besser aussahen, wenn sie ihre Instrumente halten –
aber dann schrieb Nesmith mit „Papa Gene's Blues“ sogar einen
eigenen Song, der sich vom Beat der anderen Stücke durch
Country-Einflüsse unterschied. Und „(Theme from) The Monkees“ -
Titelsong zu Serie und Album sowie „Last Train to Clarksville“ sind auch
gelungenes Songwriting, die Vocals sind purer Pop, die Stimme von
Dolenz ist ein beachtliches Kapital. Aber insbesondere Nesmith –
der einzige wirklich ernstzunehmende Musiker, der bald mit seiner
First National Band zum Country-Rock Innovator werden sollte - hatte
für The Monkees später nur Spott übrig. Seiner Meinung nach war
die TV Serie bloß flache Comedy mit fünf Typen, die eine Band imitierten. Und der Spott galt natürlich auch dem Album - was aus der Sicht eines Musikers nachvollziehbar ist. Immerhin kann ICH sagen, The Monkees ist unterhaltsam, und bald
würden die Schauspieler den Manager feuern und ihr eigenes Ding
machen. Im Vergleich zu etlichen Casting Bands heutiger Zeit ist das Album also zumindest goldenes Handwerk (OK, kann man auch von ein paar Songs von Take That etwa sagen...) Die Serie und die ersten
beiden Alben hatten zunächst großen kommerziellen Erfolg –
und die Monkees gelten zu Recht als die erste zur kommerziellen
Ausbeutung zusammengecastete Boyband – die aber allein schon deshalb interessant ist, weil sie sich in kurzer Zeit
tatsächlich zu einer echten Band entwickeln wird
Everly
Brothers
In
Our Image
(Warner
Bros., 1966)
Everly
Brothers
Two
Yanks In England
(Warner
Bros., 1966)
In
den USA waren sie inzwischen zum unbedeutenden Oldie Act geschrumpft
– die Everly Brothers waren eine Band, die mit aufkommendem
Hippietum, Psychedelik und freier Liebe Nichts zu tun hatten – aber
in England gab es die Beatles und deren Nachahmer (und deren Fans),
die den Einfluss der Everly Brothers deutlich auf ihren Fahnen
getragen hatten. Die Beatles hatten sich zwar nun (wie weiter oben
beschrieben) der psychedelischen Musik zugewandt, aber die Everly's
zehrten im United Kingdom noch von ihren Erfolgen seit Beginn der
Sechziger. Ihr Close Harmony Gesang war nach wie vor fehlerlos, der
fortgesetzte Amphetamin- und Ritalin Missbrauch der Brüder nicht
hörbar, das Anfang '66 veröffentlichte In Our Image wegen des #2
Hits „The Price of Love“ ein moderater Erfolg – in England,
aber die Tatsache, dass sie in der Tat nach einem „Image“
suchten, war an der sehr gemischten Songauswahl dieser Compilation
deutlich erkennbar. In
Our Image besteht aus etlichen Singles und B-Seiten, die die beiden
im letzten Jahr aufgenommen hatten. Da gibt es mit Mann/Weill's
„Glitter and Gold“ Brill Building Songwriting, bei „You Got)
the Power of Love“ unverhohlene Beatles Anklänge, und alles wird
zusammengehalten und identifizierbar gemacht durch die Vocals der
Brüder. konsequenterweise gingen die beiden dann im Frühjahr '66
nach London und nahmen mit den Hollies als Backing Band und
Songlieferanten und mit Sessionmusikern wie soon to be Led
Zeppelinen Jimmy Page und John Paul Jones eine weitere in
Vergessenheit geratene Album-Perlen auf. Two
Yanks In England hatte acht Songs aus den Federn der Hollies – die
Everly's hatten Graham Nash in New York kennengelernt, und der hatte
ihnen Songs angeboten, Material das die Hollies auch selber aufnehmen
würden, das eher für B-Seiten oder als Albumtracks gedacht war,
aber das hier durch die Vocals von Phil und Don veredelt wurde. Warum
dem Album sowohl in den USA (sowieso) als auch in England der Erfolg
versagt blieb, ist mir ein Rätsel. Es ist konziser als der
Vorgänger, es bietet modernisierte british invasion Popmusik mit
starkem amerikanischen Akzent, es ist dank eines edlen Studio-Cast's
gekonnt instrumentiert, die Songs neben denen der Hollies – meist
von Phil und Don Everly verfasst – fallen auch nicht ab... ich
vermute, sie wurden im Rahmen der gesellschaftlichen Veränderungen
einfach unmodern, und heutzutage lohnt sich die Wiederentdeckung
beider Alben.... weiter unten werden ein paar Worte zu For Certain
Because.. von den Hollies folgen...
Mitch
Ryder & The
Detroit Wheels
Take
A Ride
(New
Voice, 1966)
Mitch
Ryder & The
Detroit Wheels
Breakout...!
(New
Voice, 1966)
Andere
Stadt, andere Musik. Mitch Ryder & the Detroit Wheels kommen aus
der Auto-Stadt Detroit, und ihr feuriger Rhythm & Blues/ Blue
Eyed Soul hat mit Hippiekultur und aufkommender Psychedelik wenig bis
nichts zu tun. Der junge Mitch Ryder hatte in seiner Heimatstadt in
einer gemischtrassigen Rhythm 'n' Blues Combo gesungen – was von
Rassisten damals nicht gerne gesehen ward, hatte dann seine eigene
Band gegründet, und sich in der Soul-affinen Motor-City mit seinen
Rivieras einen Namen erspielt – mit furiosen Live-Auftritten –
das Vorbild war James Brown – und seiner erstaunlichen Stimme.
Einer Stimme, die auch in berufenen Kreisen bewundert wurde. Ex- Four
Seasons Vorsänger Frankie Valli etwa hatte ihn gelobt, Keith
Richards würde ihn bald bewundern. Die Musiker waren gerade mal 18
Jahre alt, als sie der Produzent/ Songwriter/ Labeleigner Bob Crewe
unter Vertrag nahm, den Bandnamen wegen Namensgleichheit m,it einem
anderen Act in Mitch Ryder & the Detroit Wheels änderte und
versuchte diese Blitze in einer Flasche einzufangen. Ich weiss
(naturgemäß) nicht, ob die drei Alben der Band die Energie der
Live-Auftritte wiedergeben, aber mit den Studioalben schwarzer
Künstler aus jener Zeit können sowohl Take a Ride als auch
Breakout...!!! mithalten (- was nicht einfach ist, siehe Soul '66 mit
Alben von Otis Redding, Wilson Pickett, Percy Sledge etc...). Das
Debüt – genau wie der Nachfolger – zeigt eine völlig tighte
Band, die sich hinter den Begleitern der Soul-Größen nicht
verstecken muss, einen Sänger, der sich - wie es sich gehört –
Vorlagen von James Brown, Sam Cooke, Little Richard, von Protege Bob
Crewe etc gekonnt und mit Verve zu eigen macht. Ryder's Stimme ist
eigenständig, er macht aus einer Kombination aus Little Richard's
„Jenny Jenny“ and Chuck Willis' „C.C. Rider“ einen
Soul-Workout, der als „Take a Ride“ zum Hit wird. Die Band
verbindet das Beste aus beiden Welten – Soul und Garage-Rock. Er
dürfte mit seiner Musik etliche Musiker beeinflusst haben – Bruce
Springsteen hat ihn und seine Band definitiv angehört und auch Bands
wie die MC5 und die Stooges dürften diesem Energie-Level
nachgeeifert haben. Beide Alben haben einen großen Hit: Das Debüt
den genannten Titelsong, Breakout...!!! wenige Wochen später ein
weiteres Soul-Feuerwerk titels „Little Latin Lupe Lu“. Hier
covert Mitch Ryder (den Namen hatte er übrigens angeblich aus dem
Telefonbuch...) auch Wilson Pickett's „In the Midnight Hour“ ,
rast durch „Devil with the Blues Dress On/ Good Golly Miss Molly“
und macht alles richtig, auch wenn der Garagen-Flavor etwas gedämpft
wird. Beiden Alben kann man vorwerfen, dass es auch den einen oder
anderen Filler gibt – aber das ist bei Soul – ach was – bei
fast allen Alben dasselbe. Wenn man das Tempo bedenkt, in dem zu
dieser Zeit Alben aufgenommen und veröffentlicht wurden, muss man da
gnädig sein – und ich finde, dass die etwas schwächeren Tracks
Zeit zum Durchatmen bieten. Auch diese Musik ist deutlich in ihrer
Zeit gefangen, wie gesagt wurden die Wheels schon einen Sommer später
von Acid-Wolken erstickt, aber heute kann man diesen energischen
Motor-City-Soul genießen
The
Spencer Davis Group
The
Second Album
(Fontana,
1966)
The
Spencer Davis Group
Autumn
'66
(Fontana,
1966)
Dass
auch die Spencer Davis Group heutzutage nicht die Bekanntheit solcher
Zeitgenossen wie die Stones hat, dass sie hinter den Kinks,
den Small Faces oder den Animals zurück geblieben sind, liegt an
mehreren Faktoren. '66 war auch ihr Second Album nur eine Ansammlung
von Singles mit den paar notwendigen Ergänzungen – und die Band
machte den Schritt zur Album-Band nie mit, zumal sie mit dem gerade
mal 18-jährigen Steve Winwood schon im nächsten Jahr ihre Stimme
und ihren wichtigsten Mann verloren. Dazu sind sie in keiner Weise
revolutionär, ihr jazziger Rhythm and Blues/Blue-Eyed Soul ist in
seiner Zeit weit mehr gefangen, als die Musik anderer Zeitgenossen.
Wenn Steve Winwood Ray Charles' „Georgia On My Mind“
interpretiert, kann man über sein schwarze Kehle nur staunen, aber
das vor Allem, weil er dem Vorbild aus den USA in so jungen Jahren,
und ohne jede Gesangs-Ausbildung auch gerecht wird. Die Tracks
allerdings bleiben doch recht brav im Spannungsfeld zwischen dem Soul
der Vorbilder und dem Rhythm and Blues der Zeitgenossen. Natürlich
ist da der rasante Hit „Keep On Running“, der Opener „Look
Away“ zeigt auch, wie eingespielt und kraftvoll diese Band um den
Gitarristen Spencer Davis zu jener Zeit war. Steve's Bruder Muff
Winwood spielt Bass, Pete York sitzt an den Drums und die Musik, die
sie spielten, ist zwar sehr gekonnt, aber wenig gewagt. So gibt es
hier nur zwei Eigenkompositionen und ihre Version von „I Washed My
Hands in Muddy Water“ krankt daran, dass hier nicht Winwood, sondern
Spencer Davis singt. Der hätte sicher was dagegen gehabt – aber
Die Band hätte Steve Winwood Band heissen müssen. Oder sie hätten
sich verändern müssen. Aber das noch im gleichen Jahr erschienene
Autumn '66 hat dasselbe Manko: Zwei eigenen Songs stehen zehn
Cover-Versionen gegenüber - die enorm kompetent eingespielt sind,
die möglicherweise sogar neue Facetten der Vorbilder aufleuchten
lassen, aber Innovation, gar psychedelische Spielereien sind hier
nicht zu finden. Nicht missverstehen: Wieder ist Steve Winwood's
Stimme ein Wunder vor dem Herren, wieder hatte die Band bei einigen
Songs „Soul“ und eine Wucht, mit der sie sich vor den Vorbildern
aus den USA nicht verstecken mussten, aber '66 brach die Zeit der
Psychedelik an, die Stones machten ihr erstes Album mit komplett
eigenen Songs, auch Bands wie The Who oder die Small Faces waren
abenteuerlicher, und wer die Spencer Davis Group hören wollte, der
kaufte sich die Singles. Hier das feine „Somebody Help Me“ -
dabei hatten sie mit dem krachenden Rhythm and Blues von „High Time
Baby“ sogar einen eigenen Song dabei, der sich sehen lassen konnte.
Dass Autumn '66 in den USA garnicht veröffentlicht wurde, dass es
andere Bands gab, die im LP-Format interessanter waren – all das
ließ die Spencer Davis Group verschwinden – aber erst nach dem
'67er Hit „Gimme Some Lovin'“. Their Second Album und Autumn '66
sind durchaus tolle Alben ihrer Richtung - für mich ist dies die
britische Entsprechung von Mitch Ryder and the Detroit Wheels..
Buffalo
Springfield
s/t
(Atco,
1966)
Eigentlich
eine seltsame Vorstellung: 1966 waren Neil Young und Stephen Still
noch recht unbekannte, junge und aufstrebende Musiker. Solche, die
zwar unbestreitbar Talent hatten, aber mitnichten Musiker, bei denen
man eine mehrere Jahrzehnte andauernde Karriere vermutet oder
vorausgesehen hätte. Das erste volle Album der ersten Band der
beiden Musiker, das Debüt von Buffalo Springfield, war auch nicht
sensationell - aber es war sehr gut, und im Nachhinein... sieht man
vor Allem die Songs, die tatsächlich bis heute (... oder zumindest
eine sehr lange Zeit...) ihren Wert behalten haben. Da ist natürlich
vor Allem das von Stephen Stills verfasste „For What It's Worth“,
der einzige echte Hit der Band, Young's „Flying on the Ground is
Wrong“ zeigt schon dessen Talente, ebenso sein „Nowadays Clancy
Can't Even Sing“, wobei Gitarrist Richie Furay in beiden Fällen
den Gesang übernahm. Aber schon bei diesem Album war erkennbar, dass
da eine fruchtbare Konkurrenz zwischen Stills und Young herrschte.
Die beiden kannten sich seit 1963, hatten sich zufällig in LA
wiedergetroffen und schnell, diese Band gegründet. Ihre
Live-Reputation war glänzend, dem schnell zusammengeschusterten
Album wurde allerdings nur ein bescheidener Erfolg zuteil, wohl auch
weil ihre Beider Manager den Produktionsjob übernahmen – und
eigentlich keine Ahnung hatten. Buffalo Springfield hat inzwischen
reichlich Patina angesetzt, oder ich drück's mal es so aus: Es ist
ein Dokument seiner Zeit. Das folgende Album Buffalo Springfield
Again (1967) - dann von Jack Nitzsche aufgenommen – ist das Album
der Wahl, wenn man denn nur Eines von den Dreien hören will. Da hat
Neil Young die Nase vorn, und die Band ist eingespielt und brennt.
Aber dieses Debüt ist auch heute noch besser als so manches
Americana-Album der neuen Generation.
Paul
Butterfield Blues Band
East-West
(Elektra,
1966)
Mit
ihrem Debüt im Vorjahr hatte die Band um den Mundharmonika-Virtuosen
Paul Butterfield mit ein paar anderen – wie dem Blues Project etwa
- den weißen, elektrischen Blues definiert. Auf ihrem zweiten Album
nun nahmen sie gleich ein zwei, drei zusätzliche Stufen. Das lag vor
Allem am Gitarren-Virtuosen Mike Bloomfield, dessen Interesse an
indischen Raga's, Coltrane, modalem Jazz a la Miles Davis und LSD via
bislang ungehörten Improvisations-Ausflügen der Musik der Blues
Band etliche Facetten hinzufügte. Die
im Studio noch vergleichsweise ökonomischen Soloexkursionen wurden
zu dieser Zeit live gerne auf eine Stunde (!) ausgedehnt – und
machen die Butterfield Blues Band zum Vorläufer und Vorbild solcher
Acts wie Grateful Dead und Quicksilver Messenger Service. Elektra
Label-Chef Paul Rothschild nahm die Band in den Chicago'er
Chess-Studios auf, und es gibt durchaus typischen „Windy City
Blues“ hier – bei Muddy Waters' „Two Trains Running“ oder
Robert Johnson's „Walking Blues“ etwa, aber da ist auch Nat
Adderley's „Work Song“ inklusive jazzigen Improvisationen von
Bloomfield, Elvin Bishop und der verstärkten Harmonika von
Butterfield. Ein Beispiel gekonnter Dynamik weit außerhalb der
bekannten Blues-Schemata. Da ist das 13-minütige Titelstück,
ebenfalls mit auf dem Sleeve aufgelisteter Reihenfolge der Solisten,
und da ist als kleiner Fremdkörper im Gesamtkonzept mit „Mary
Mary“ purer Pop, komponiert von Michael Nesmith, der bald mit den
Monkees erfolgreich sein würde. Mit East-West hatte diese Band den
Blues für „Weiße“ in den USA wieder nach Hause geholt – und
fiel aufgrund von diversen Vertragsproblemen hiernach auseinander.
Paul Butterfield machte noch ein paar weniger interessante Solo-Alben
und Gitarrist Mike Bloomfield's vielversprechende Karriere verlief
immer erratischer - er versank immer tiefer in Drogen und starb 1981
an einer Überdosis.
The
Hollies
For
Certain Because...
(Parlophone,
1966)
Die
Veröffentlichungspolitik von british invasion Bands in den USA...:
Dort heisst For Certain Because... mit anderm Cover nach dem
enthaltenen Hit Stop! Stop! Stop! - aber immerhin ist das
Tracklisting dasselbe...
Es
ist das zweite (in den USA das dritte...) Album der Band im Jahr '66
und es ist meiner Meinung nach ihr Bestes, bevor auch sie sich mit
Evolution dem Psychedelik-Trend der Zeit zuwenden. Dass die Hollies
nicht die Bedeutung der Beatles erreichten, liegt vielleicht an ihrer
weniger ausgeprägten Experimentierlust, an ihrer „Normalität“,
an den zwar ausgefeilten, aber weniger charakteristischen Stimmen und
daran, dass sie - medial und optisch - nicht die Beatles sind. Es
liegt nicht allein daran, dass sie als Songwriter nicht ganz die
Klasse von Lennon und McCartney haben, aber sie nutzten nie so wie
die Beatles die Möglichkeiten der LP als komplettes Werk. For
Certain Because... hat tolle Songs, aber es ist nicht - wie Revolver
- ein Album, das wirklich als Album konzipiert ist, bei dem die Band
sich bei jedem einzelnen Song etwas gedacht hat – sie hatten eben
nicht George Martin als Produzenten - aber dafür ist die Single
„Stop! Stop! Stop!“ ist ein rasanter Tanz mit schepperndem
Banjo-Riff, der Opener „What's Wrong With the Way I Live“ kommt
ebenfalls mit präsentem Banjo daher und stünde US-Folk/
Country-Rock Bands wie der Nitty Gritty Dirt Band hervorragend zu
Gesicht. Manche Songs sind unauffällig, ihnen fehlt eine
herausragende Idee, aber das ist die Ausnahme. „Tell Me to My Face“
hat eine kluge, leicht asiatisch anmutende Melidie, die von einer
spinnenhaften Gitarre vorgegeben wird, etliche Songs sind fein
ausgetüftelt, man merkt, dass sie ihr Songwriting vorangetrieben
hatten. Allan Clarke und Graham Nash waren erwachsen geworden, und
sie hatten zumindest ihr eigenes Rubber Soul gemacht. Und der
Vorgänger Would You Believe? - dürfte Fans von Brit-Beat auch
gefallen, die Vocal Harmonies sind delikat, die Dichte an guten Songs
aber nicht ganz so groß wie auf dem Nachfolger – ein paar
gelungene und ein paar weniger gelungene Coverversionen, was der
Grund ist, aus dem ich es hier nur kurz erwähne. Die Hollies sind
mitunter opulenter und süßlicher als die Beatles, aber nicht so
zuckrig wie die Bee Gee's - was sie für mich zur Band der Wahl
macht.
Cream
Fresh
Cream
(Atco,
1966)
Und jetzt zurück zum Blues in seiner von Weissen adaptierten und psychedelisierten
Form – und noch mal Eric Clapton, dessen Album mit den
Bluesbreakers weiter oben (in dem ersten Post 1966) seinen Platz erhielt. Das Debüt der
ersten, von Robert Stigwood zusammen gecasteten „Supergroup“ hat
zwar noch nicht die Klasse des Nachfolgers Disraeli Gears – aber
Fresh Cream zeigt in den besten Momenten, wo die Reise hingehen wird.
Jack Bruce war ein versierter Bassist mit fabelhafter Stimme und kam von Graham Bond und vom Jazz, Ginger Baker - ebenfalls zuvor bei Graham Bond, dem wahnsinnigen Keyboarder - war ein unglaublicher Drummer, dessen
zügelloses Temperament mit seinem eigenwilligen Stil korrespondierte
und Gitarrist Clapton war bekanntermaßen auf dem Weg, Gott zu
werden.... Auf
ihrem ersten Album covert das Powertrio Blues-Klassiker von Robert
Johnson, Muddy Waters und Willie Dixon – mit dessen „Spoonful“
der Blues in psychedelische Sphären geschossen wird. Und da sind die
Songs von Jack Bruce, die Jazz, Blues und Psychedelik vereinen, die
zeigen, dass der Mann in diesem Moment tatsächlich seiner Zeit
voraus war. Vor Allem sein „Sweet Wine“ überzeugt mit gewagter
Melodik und großer Kraft. Und Ginger Baker's „Toad“ hat
tatsächlich so etwas wie ein gelungenes Drum-Solo - damals war es
nicht verwerflich oder lächerlich, Soli aller Art zu spielen. Eine
Haltung, die heute unmodern sein mag. Das Album hat Schwächen, aber
es klang damals äußerst innovativ, und man kann Cream heutzutage
als eine der ersten Jam-Bands mit ihrem Hippie-Flair und britischer
Exzentrik lieben - oder unwichtig finden.
The
Yardbirds
s/t
(Roger, The Engineer)
(Columbia,
1966)
...Ach
ja, und bei den Yardbirds hatte Eric Clapton auch gespielt. Deren
Live Album von '64 war sein erster Auftritt im LP-Format gewesen,
inzwischen war er von Jeff Beck ersetzt worden – einem Gitarristen,
den ich persönlich noch besser, weil einfallsreicher finde. Roger,
the Engineer, wie das Album wegen seines Covers auf öffentlichen
Wunsch hin in England genannt wurde, ist eine etwas zwiespältige
Angelegenheit. Die Yardbirds hatten '65 etliche Singles
veröffentlicht, extensiv getourt, und sich dann ein paar Wochen Zeit
genommen um ihr einziges echtes Studioalbum aufzunehmen – das dann
leider unter seinem dünnen Sound und ein paar schlechteren Songs zu
leiden hat. Jeff Beck's Gitarrenspiel ist fantastisch, aber Sänger
Keith Relf klingt mitunter etwas schwachbrüstig, und die Rhythm
Section wurde anscheinend im Nebenraum abgestellt. Es gibt einige
gelungene psychedelische Experimente – damals ganz erstaunlich –
zumal Roger... ein paar Wochen vor Revolver von den Beatles
herauskam. Es gibt Blues – natürlich, da kamen sie ja her – aber
der wird mit Jazz, asiatischen Sounds und Rock'n'Roll versetzt - hört
man dieses Album im Vergleich zum Album der Bluesbreakers, dann
verschwinden die Blues-Spuren irgendwie. Es gab '66 sicher einige
bessere Alben – aber Roger, the Engineer gehört trotzdem
insbesondere dank Jeff Becks Gitarren-Pyrotechnik zu den Guten.
Small
Faces
s/t
(Decca,
1966)
Die
Small Faces sind 1966 eine der populärsten Bands Großbritanniens,
sie sind seit dem Vorjahr mit famosen Singles in den Charts und
Stammgäste bei Top of the Pops – und sie werden dabei von ihrem
Manager Don Arden wie Streichhölzer abgebrannt. Ständiges Touren,
TV-Auftritte, ein Cameo in einem Gangsterfilm - und am Ende hat
keiner der vier Musiker einen Penny 'raus. Das erste komplette Album
der vier (.. übrigens tatsächlich ziemlich kleingewachsenen...) Musiker ist ein
Ausbruch an Energie, keinen Deut schlechter als das Debütalbum der
zu dieser Zeit ähnlich agierenden Who (die auch als „Mods“
bezeichnet werden), und sein vergleichsweise geringer
Bekanntheitsgrad mag dem Umstand geschuldet sein, dass sie als
Single-Band gelten und Small Faces als schnöde Compilation
betrachtet wird – oder daran, dass The Who im Vergleich die
„reichere“ Karriere hatten. Daran Schuld ist die Tatsache, dass
sie zwar in der Folge weitere tolle Alben, und dann mit Rod Stewart
als The Faces weiteren Erfolg hatten, aber in den Siebzigern an
Bedeutung verloren. Und sie hatten – genau wie alle anderen –
nicht George Martin als Produzenten an ihrer Seite. Für dieses Album
ist das egal, ich wundere mich nur darüber, dass es nicht bekannter
ist. Steve Marriott ist ein charismatischer Sänger, der mit seiner
Soul-Stimme den Stil etlicher Heavy Metal Sänger vorwegnimmt –
insbesondere das Geschrei eines Robert Plant. Die zwölf Songs, teils
als Singles erprobt, sind in ihrer Vermischung von juvenilem
Ungestüm, amerikanischem Soul und R&B ein riesiger Spaß. „You
Need Lovin'“ nimmt Led Zeppelin's „Whole Lotta Love“ vorweg,
der von Sam Cooke geschriebene Opener „Shake“ vermischt R&B
und Soul, das Instrumental *Own Up Time“ klingt, als wären Booker
T. & the MG's eine Heavy-Kapelle – und weist Keyboarder Ian
McLagan als Meister seines Faches aus. Das Album hat – wie das
Aussehen seiner Erschaffer - Stil, Energie und es klingt einerseits
sehr nach den Sechzigern, ist andererseits aber in seiner Rohheit
überraschend zeitlos – und der Einfluss der Band auf Bands wie The
Jam und den Brit Pop der Neunziger ist sofort erkennbar.
The
Who
A
Quick One
(Polydor,
1966)
Nach
den Mods von den Small Faces nun die Mods von The Who – logisch.
Die sind 1966 mit ihrem zweiten Album – dem ersten beim neuen Label
– auf dem Weg zum Super-Stardom. Das neue Label garantierte ihnen
mehr Freiheit, aber alles musste schnell gehen, und nachdem sie Shel
Talmy und das Brunswick Label verlassen hatten, hatten sie keinen
richtigen Produzenten zur Verfügung, bis sich ihr als Producer unerfahrener Manager Kit
Lambert bereit erklärte sie zu produzieren. Also musste Jeder der vier
Musiker ganz schnell zwei Songs schreiben, damit so schnell
wie möglich Geld 'reinkam. Pete Townshend ist natürlich der
Hauptsongwriter , der hier mit dem neun-minütigen Titelsong schon
den Weg Richtung erzählerischer Rockoper andeutet (wobei die Dauer
des Songs auch daher rührt, dass das Album schnell die halbe Stunde
+ Spielzeit erreichen musste). Auch sein „So Sad About Us“ ist
gekonnt, war aber eigentlich für eine andere Band gedacht. Keith Moon
durfte das zu jener Zeit obligate Drum Solo auf seinem „Cobwebs &
Strange“ einfügen, John Entwistle hatte mit „Whiskey Man“ und
seinem persönlichen signature tune „Boris, The Spider“ zwei wirklich gute
Songs in petto, aber Roger Daltrey als Songwriter ...? So ist A Quick
One nicht zu vergleichen mit dem energetischen Vorgänger My
Generation von '65, zu hastig zusammengeschustert und schlechter
produziert als der Nachfolger The Who Sell Out – für den sie viel
mehr Zeit haben würden - und mit Tommy oder Who's Next nicht zu
vergleichen. Auch dieses Album ist aus genannten Gründen in seiner
Zeit gefangen – aber The Who zeigen auch, dass sie eine Band mit
Zukunft sind – und für 60iesLiebhaber ist A Quick One ein kostbares
Artefakt.
Manfred
Mann
As
Is
(Fontana,
1966)
Manfred
Mann und Band haben 1966 einen wichtigen Teil ihres Personals
ausgewechselt – für Sänger Paul Jones kommt Mike D'Abo und
Bassist Mike Vickers wird erst von Jack Bruce, dann auf dem neuen
Album von Klaus Voormann (... den man sonst doch mit den Beatles verbindet - u.a. weil er das Cover zu Revolver gezeichnet hatte !) ersetzt. Auf
den zwei vorherigen Alben hatten sie sich klug, aber etwas akademisch
in R&B und Soul versucht, für As Is nun überschritten sie die
vorher gezogenen stilistischen Grenzen. Das mag seinen Grund in Sänger Mike D'Abo's
breiterem Stimm-Spektrum haben, auch in der Tatsache, dass er gleich
drei eigene Songs beisteuern darf – mit „Box Office Draw“ und
„Trouble and Tea“ puren 60er Jahre Pop und mit „As Long as I
Have Lovin“ eine Soul-Ballade. Und Mike Hugg fühlte sich
anscheinend auch bemüßigt, seine Ideen Richtung Baroque Pop und
leichter Psychedelik zu verschieben - gößere Diversität lag wohl
einfach in der Luft. Natürlich ist der Jazz-Einfluss Manfred Mann's
erkennbar – in seinem Keyboard, in dem omnipräsenten Vibraphon, im
Jazz-Instrumental „Autumn Leaves“, das ein kleiner Fremdkörper
ist. Aber das gehört zur Musik dieser Zeit – und für diese Zeit
steht das Album sehr exemplarisch – logischerweise auch mit dem vom 1966 omnipräsenten Bob Dylan geschriebenen
Closer „Just Like a Woman“. Ein
schönes Album, vielleicht das beste vom Manfred Mann der Sechziger.