Donnerstag, 20. Februar 2020

1966 – Tim Hardin bis Tim Buckley – Free Folk!

 Nun kann man den apellativen Titel von Ornette Coleman's epochalem Album Free Jazz! auch für Folk verwenden: 1966 wird (auch...) wegen der Befreiung des Folk aus seinen traditionellem Grenzen und Regeln durch Gottvater Bob Dylan in Erinnerung bleiben. Wie im Hauptartikel '66 gesagt – „his Bobness“ hatte Folk nicht nur mit E-Gitarre gespielt – er hatte dazu eine Sprache gefunden, die nicht mehr nur alte Traditionen zitierte, die Folk ins „Heute“ zerrte. Dabei verkennt man im Rückblick gerne die Tatsache, dass er mit seinen neuen Ideen nicht allein stand – und dass – nebenbei - die „traditionelle“ Herangehensweise auch durchaus zu hörenswerten Ergebnissen führte. Da waren an der Westcoast einerseits die Byrds mit noch weit elektrischeren Versionen von Dylan's Songs, die Folk bald in das neu zu erforschende Gebiet der Psychedelik führen würden. Aber da gab es auch einen ganzen Haufen talentierter und inzwischen etablierter Musiker in den Folk-Zirkeln des New Yorker Greenwich Village oder der Bay Area, die Folk durchaus als ihr eigenes, modern interpretiertes Betätigungsfeld sahen. Tim Hardin vermischte Folk, Jazz und Blues – und hatte Drogenprobleme, Fred Neil nutzte Folk als Start-Rampe für Exkursionen in öko-freundlichen Acid Folk, Pat Kilroy war in Marokko gewesen, Judy Collins baute Baroque-Folk und machte Leonard Cohen's Songs bekannt, Buffy Sainte-Marie, David Blue, Eric Andersen – sie alle waren seinerzeit durchaus erfolgreich und hatten den Folk ihrer formativen Jahre in den Clubs in Greenwich Village, aber auch auf Reisen zu den Kollegen nach „good old England“ – neu variiert, elektrifiziert, modernisiert, thematisch entstaubt. Und insbesondere Plattenfirmen wie Elektra und Vanguard machten nun mit. Sie hatten gesehen, dass Dylan mit seiner Blasphemie Erfolg hatte und suchten nun jemanden, der mit dem neuen Rezept den gleichen Erfolg haben könnte. Hat nicht immer geklappt...

Bob Dylan - Blonde On Blonde

(Columbia, 1966)

Dieses Album - und seine beiden Vorgänger - definieren Folk - und vor Allem das, was daraus folgt (das musste ich so formulieren... und die komplette Beschreibung hierzu im Hauptartikel '66). Spätestens ab hier wird nach dem „next Dylan“ gesucht, nach dem nächsten jungen Mann, der Folk in die politisch und gesellschaflich so bewegte Zeit holt. Spätestens ab hier erkennen die Folkies in Greenwich Village oder LA, dass sie IHRE Lebenswirklichkeit verhandeln müssen – und Plattenfirmen wie Elektra und Vanguard erkennen auch, dass sich Künstler mit innovativen Ideen verkaufen. Auch Leute wie...


Simon & Garfunkel - Sounds Of Silence

(Columbia, 1966)

Das zweite Album der ebenfalls in New York beheimateten – aber '65 schon getrennten - Folkies Paul Simon & Art Garfunkel. Die wurden durch das Produzenten-Genie Tom Wilson (Velvet Underground, Zappa...) davon überzeugt, doch weiter zu machen nachdem der den Song „Sounds of Silence“ ohne ihr wissen elektrifizierte und damit einen Hit landete. Aber genaueres darüber lies im Artikel über Tom Wilson...



Simon & Garfunkle - Parsley, Sage, Rosemary and Thyme

(Columbia, 1966)
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...und nach dem ersten Hit nahmen die beiden dann ihr erstes Meisterwerk auf. Simon hatte in den Folk-Zirkeln England's ein paar Songs gelernt – u.a. den Titel-Track dieses Albums – und lieferte mit Parsley, Sage, Rosemary and Thyme ein weiteres Beispiel für die neue Art von Folk ab. Folk? Singer/Songwriter? Die Grenzen sind ja sowieso nur gedacht. Auch dieses Album beschreibe ich genauer im Artikel überTom Wilson – obwohl der es garnicht prodziert hat.



Tim Hardin


Tim Hardin 1

(Verve, 1966)

Tim Hardin ist eine der tragischen Figuren, deren Talent in den Sechzigern durch die allseits verfügbaren und damals unkritisch angesehenen Drogen wie eine Kerze ausgeblasen wurde. Seine beiden ersten Alben – aufgenommen im Zeitraum zwischen Ende 65 und Anfang 67 - sind ein Versprechen, das er bis zu seinem Tod 1980 nicht mehr einlösen konnte. Hardin hatte schon als Kind nach einer Verletzung ein massives, medizinisch herbeigeführtes Suchtproblem, das sich Ende der 50er, als er bei der Army in Vietnam Heroin entdeckte, noch verschlimmerte. Zu Beginn der Sechziger war er zunächst in Boston, dann in der New Yorker Greenwich Village Folk Szene unterwegs, wo er sich schnell einen Namen machte und mit seinen eigenen Songs und seiner hervorragenden Stimme Aufsehen erregte. Er bewegte sich mit Songs, die die Grenzen des Folk weit überschritten zwischen Folk, Blues und Jazz – was nun angesagt war. Allerdings war er schon zu dieser Zeit wegen seiner Suchtprobleme äußerst schwer zu vermitteln. Obwohl der Mann nur Ärger versprach, war sein Talent so unleugbar, dass er Studiozeit und mit Erik Jacobsen einen duldsamen und fähigen Produzenten bekam, für den er die Tracks solo mit Gitarre und Gesang aufnahm, um dann zu verschwinden und es Jacobsen zu überlassen, die Musik mit den feinen String Arrangements von Artie Butler auszugestalten. Einige der Tracks auf Tim Hardin 1 waren nur als Demo's gedacht, den Unterschied zu den geplanteren Tracks hört man auf dem Album kaum. Hardins Songs sind wundervolle Miniaturen, selten über drei Minuten lang, mit durchdachten Texten und einem Gesang, der sich mit dem eines Van Morrison messen kann. Freund und Bewunderer John Sebastian von den damals enorm angesagten Lovin' Spoonful steuert Mundharmonika bei, der Jazzer Gary Burton spielt Vibraphon – was den Jazz-Charakter von Hardins' Musik betont - und Songs wie „Reason to Believe“ oder „How Can We Hang on to a Dream“ wurden – bald von etlichen anderen gecover – zu Klassikern jenseits aller Genregrenzen. Hardin allerdings vertrug weder den Ruhm noch die wachsenden finanziellen Vorteile und versumpfte zusehends – Und dennoch wurde Tim Hardin 2 noch besser....


Fred Neil


s/t

(Elektra, 1966)

Der Songwriter Fred Neil und Tim Hardin kannten sich, sie waren im Greenwich Village gemeinsam aufgetreten und Neil mag Hardin auch bewundert haben – aber erhatte selber genug zu bieten. Sein zweites Album für Elektra wurde zwar kein Hit, ist aber ein inzwischen nicht mehr ganz so heimlicher Klassiker des Folk – oder besser, des Singer/Songwriter Genres? Neil hatte den jungen Dylan protegiert, wurde selber - von Tim Buckley etwa - nachgeahmt, aber sein tiefer Bariton blieb letztlich einzigartig. Seine Songs allerdings wurden von etlichen Musikern erfolgreich gecovert – als bekanntestes Beispiel mag man das hier vertretene „Everybody's Talkin'“ nennen, das für den Film Easy Rider von Harry Nilsson gecovert zum Evergreen werden sollte. Fred Neil ist ein Album, das jeder, der etwa Tim Buckley zu schätzen weiss, hören sollte. Diese Musik ist definitiv kein puristischer Folk mehr, John Forsha und Peter Childs steuern fließende elektrische Gitarrenchords bei, Al Wilson von den Canned Heat spielt Harp und die Rhythmen erinnern an die Acid-Rock Bands dieser Zeit. Zu den Aufnahmen setzten die Musiker sich im Kreis zusammen, ließen die Musik fliessen und es entstand eine Atmosphäre, die anmutet wie eine kühle Brise an einem heißen Sommertag. Der Song, der Fred Neil am wichtigsten war (und der ebenfalls etliche Male gecovert wurde) ist die Öko Hymne „The Dolphins“. Neil litt unter massivem Lampenfieber, war heroinabhängig und verabscheute dazu noch das Musik Business. Das bewog ihn wohl bald dazu, sich in den kommenden Jahren dem Schutz der besungenen Meeressäuger zu widmen und nur noch sehr sporadisch ein Studio zu besuchen. Es gibt ein nachfolgendes Album mit dem Titel Sessions, das passend unkonzentriert klingt, Neil jammte in den folgenden Jahren mit unterschiedlichsten Musikern, aber Fred Neil sollte sein letztes richtiges Album bleiben. 2001 starb er dann „eines natürlichen Todes“ - nicht selbstverständlich in diesen Kreisen


Judy Collins


In My Life

(Elektra, 1966)

Nach ihrem schlicht Fifth' benannten Album vom Vorjahr beschloss auch Judy Collins, die stilistischen Grenzen der traditionellen Folk-Musik auf ihre Weise zu überschreiten - was nicht nur ihrem innovativen Geist geschuldet gewesen sein mag. Immerhin stand sie in der Anerkennung der Folk-Gemeinde irgendwo hinter Musikern wie Dylan, Baez oder sogar Peter, Paul & Mary, und es muss sie ziemlich gewurmt haben, dass Letztere ihr mit der ein paar Wochen früher veröffentlichten Version des Gordon Lightfood-Covers „Early Morning Rain“ zuvorgekommen waren. Dabei hatte sie schon auf ihrem '63er Album Judy Collins #3 auf die Songs junger Songwriter zurückgegriffen. Aber ihre Interpretationen hatten immer noch traditionell geklungen und so beschloss sie, weitere Quellen für ihre Songs aufzutun und vor Allem ihren Sound zu verändern - sich den Veränderungen der letzten beiden Jahre über elaboriertere Arrangements zu öffnen. Sie nahm sich des Off-Broadway Materials der Drei-Groschen Oper an und coverte „Pirate Jenny“, sah sich in Frankreich um und entdeckte einen Künstler namens Jacques Brel und dessen „La Colombe“, das sie mit ihrem glasklaren Sopran und dem Klang eines Kammerorchesters interpretierte. Und sie entdeckte den nicht mehr ganz so jungen Kanadier Leonard Cohen und coverte mit dessen „Suzanne“ und „Dress Rehearsel Rag“ gleich zwei Songs eines Dichters, der zu dieser Zeit als Musiker noch ein unbeschriebenes Blatt war. Für die Aufnahmen mit kleinem Orchester unter dem Arrangeur Joshua Rifkin ging sie nach England und verpasste ihrer Musik eine Chamber-Pop Behandlung. Das war immerhin ein mutiger Schritt, wenn man bedenkt, dass so Mancher im Folk-Zirkel der USA auch '66 nicht weniger fundamentalistisch war, als viele religiöse Fanatike. Aber es war ein gelungener Schritt mit einer gewissen Logik, weil sie zum Einen als klassisch ausgebildete Musikerin wusste, was sie tat, und weil sie mit ihrer charkteristischen Stimme und der durchdachten Songauswahl und -Interpretation den richtigen Ton traf. Das Experiment gelang, In My Life verkaufte sich gut und gilt als ihr künstlerischer Durchbruch. Ein Album, das auch heute noch mindestens charmant klingt.


Buffy Sainte-Marie


Little Wheel Spin and Spin

(Vanguard, 1966)

Buffy Sainte-Marie war in der florierenden Folk Szene der USA ein Paradiesvogel: Allein schon ihre Herkunft und ihr Aussehen – als Kind von Cree-Indianern in Kanada geboren – machte sie zu einer auffälligen Erscheinung. Dazu kam, dass sie von Beginn an ihre eigenen Songs interpretierte, mit „Universal Soldier“ einen Hit und Klassiker des modernen Folk geliefert hatte. Ihr drittes Album nun bewies ein weiteres Mal, dass sie sich auf völlig natürliche Weise immer ein bisschen ausserhalb der Regularien ihrer Zunft bewegte. Little Wheel Spin and Spin enthält mit dem ambitionierten Protest-Song „My Country 'Tis of Thy People You're Dying“ eine über 6-minütige Anklage an die Nachkommen derer, die die indigene Bevölkerung Amerika's nahezu ausgerottet hatte: „Blankets for your land, so the treaties attest / Oh well, blankets for land is a bargain indeed / And the blankets were those Uncle Sam had collected / From smallpox-diseased dying soldiers that day...“ Dass sie mit diesem Son ein weiteres Mal die konservativen Machthaber in den USA gegen sich aufbrachte, war klar. Und dieses Gegenstück zu Dylan's „With God on Our Side“ ist nicht der einzige hörenswerte Track hier. Der schottische Traditional „Waly Waly“ wird nur mit Maultrommel und exaltiertem Gesang aus dem bekannten Regelwerk geholt, der Titeltrack des Albums ist spinnenhafter Acid-Folk, auch für Sainte-Marie erstmals mit einer elektrischen Gitarre (von Bruce Langhorn). Dass „Timeless Love“ mit Orchester Arrangements von Felix Pappalardi überzuckert wird, will ich verzeihen, ein paar Ausfälle sind auf diesem Album durchaus dabei. Aber Songs wie die grausame Ballade über den auf See um's Leben gekommenen „Sir Patrick Spens“ sind wunderbar ungewöhnlich, Sainte-Marie's Stimme und ihre Art des Vortrag ist ein Genuss und ihre eigenen Songs sind mit guten Melodien, klugen Texten und klaren Aussagen sehr hörenswert. Ihre Experimentierlust würde sie zunächst in die Irre – und dann in zwei Jahren zu einem der ungewöhnlichsten Alben seiner Zeit führen. Illunminations von 1969 ist visionär – auch wenn es von den US-Behörden wegen Sainte-Marie's politischer Position mit Radio-Boykott belegt wurde und unterging. Dass Buffy Sainte-Marie später mit dem von ihr verfassten Hit „Up Where We Belong“ zu Geld kam, gönne ich ihr von Herzen.


David Blue


s/t

(Elektra, 1966)

Man kann Stuart David Cohen – aka David Blue – auf seinem Debüt-Album wohl zu Recht eine gewisse Anlehnung an den elektrifizierten Folk von Dylan attestieren. Cohen hatte in den in diesem Artikel schon so oft erwähnten New Yorker Folk-Clubs Teller gewaschen, begonnen Songs zu schreiben und zu perfomen, sich eine gewisse Reputation erarbeitet, mit Dylan und Eric Andersen (siehe unten) angefreundet und war von den beiden dazu bewegt worden, seinen Namen in David Blue zu ändern. Sein gleichnamiges erstes Solo-Album erinnert tatsächlich in vielen Faktoren an Dylan: Blue sprech-singt auf ähnliche Weise wie Dylan, Produzent Arthur Gorson hat dieses Album ähnlich „elekrtisch“ ausgelegt, Paul Harris' Electric Piano liegt unter jedem Track, die Gitarren von Monte Dunn zischen giftig, Harvey Brooks Bass pumpt – und sie alle hatten zuvor Dylan begleitet, die Atmosphäre wäre gerne Highway 61 Revisited … sogar die Frisur auf dem Cover erinnert an Dylan auf dessen einen Monat zuvor veröffentlichtem Blonde on Blonde. Aber David Blue musste sich zu seinem Unglück mit einem messen, der zu dieser Zeit in Hochform war – Ein Problem, das einige unbekanntere in den kommenden Monaten hatten. Wenn er sich ein bisschen vom Vorbild entfernt, wird er glaubwürdiger. „Midnight Through Morning“ ist ruhiger und folkiger und nicht ganz so nah an Dylan, flottere Tracks wie „It Ain't the Rain That Sweeps the Highway Clean“ mögen klingen wie Dylan via Byrds, sind zwar nicht ganz auf dem Niveau des Vorbildes – aber mitnichten schlecht oder langweilig. Wer hier hinhört, muss man anerkennen - Blue war von all den Dylan-Wannabe's seiner Tage zweifellos einer der Besten.


Pat Kilroy


Light of Day

(Elektra, 1966)

Hier nun Einer, der völlig vergessenen wurde: Der in San Francisco geborene Patrick Anthony Kilroy hatte eine für diese Zeit sehr eigensinnige Vision davon, wie Folk aussehen könnte. Er hatte sich in den Clubs in der Bay Area als hervorragender Sänger etabliert und war Mitte '65 mit seinen Freunden Susan Graubard und Bob Amacker nach New York gegangen, um ein Solo-Album aufzunehmen. Vor der Fertigstellung machte er einen Trip nach Marokko und brachte von dort Einflüsse mit, die sich auf Light of Day – dem „ersten Acid Folk Album“ - deutlich niederschlugen. Man kann diese Einflüsse begrüßen oder nervig finden, die Tatsache bleibt bestehen, dass Kilroy eine sehr gute Stimme hatte, die fast an die von Tim Buckley heranreichte, dass einige der von Tablas und Flöte durchzogenen Tracks abenteuerlich, aber auch von einer fremdartigen Schönheit sind. Dass Kilroy's Debüt nach Jahrzehnten der Obskurität von der Freak-Folk-Gemeinde der 00er Jahre wieder-entdeckt wurde, scheint mir schlüssig. In deren Kreisen hätte er sich wohl zuhause gefühlt. Für einige Tracks holte er sich die Hilfe des Gitarristen Stefan Grossman und des Harp Players Eric Kaz – und der „Mississippi Blues“ mag im Vergleich zu anderen Tracks konservativ klingen, aber er zeigt eben deutlicher, was da an Talent zu finden war. Das darauf folgende „Vibrations“ stellt eine organische Verbindung von Blues und Eastern Folk dar – und zeigt, dass Light of Day zu jeder Zeit ziemlich allein gestanden hätte. Kilroy gründete in den folgenden Monaten mit Susan Graubard und Jeffrey Stewart das Trio The New Age, trat mit The Gratefuld Dead oder Quicksilver Messenger Service auf, traf in England u.a. die Incredible String Band - die sich einiges von ihm abgehört haben dürften – und starb dann 1967 völlig überraschend an einem Lymphom. Dass sein Album - wie viele Folk-Alben jener Zeit – in Vergessenheit geriet, ist verständlich: Diese Art von Folk hat eine Naivität, die nach den Sechzigern verloren ging, mit der man umgehen wollen muss. Dann aber erkennt man Musik, die eigentlich zeitlos ist. Ich empfehle, dieses Album zumindest mal anzuhören.


Eric Andersen


'Bout Changes & Things

(Vanguard, 1966)

Eines der Beispiele für den ernsthaften, akustischen Folk, der bis 1964-65 DAS Ding war – und für den das Vanguard-Label noch eine ganze Weile stehen sollte. Natürlich sind die Dylan-vor-65/Tom Paxton – Einflüsse deutlich herauszuhören (Paxton hatte Andersen entdeckt und von San Francisco nach New York geholt). Aber für den Dylan-Freund Andersen war die Modernisierung oder gar Elektrifizierung des Folk kein zwingendes Verdikt, noch gab es ein Publikum für seine mehr oder weniger traditionelle Herangehesweise – und vor Allem für die politischen Aussagen, die man seinerzeit durchaus regelkonform/folky oder ver“poppt“ präsentieren konnte. So ist 'Bout Changes and Things nicht nur wegen des Titles Eric Andersens The Times They Are A-Changing, es ist auch erwähnenswert, weil es neben dem traditionellen Sounds vor Allem durch feine Songs glänzt – und weil es ein oder zwei Jahre zuvor womöglich mehr Bdeutung erlangt hätte. War das Debüt aus dem Vorjahr noch unausgereift, so hatte Eric Andersen hier mit seiner Version von Arthur Crudups „That's Alright Mama“ eine überraschende Folk-Version des Elvis-Hits dabei. Er nutzte seine Stärke als Lyriker, der nicht explizit politisch ist, bei eigenen Songs wie „Violets of Dawn“, hatte mit „Thirsty Boots“ aber auch seinen Song für's Civil Rights Movement. Bei „The Hustler“ verschiesst er Wortsalven wie Dylan, aber „It's Alright Ma...“ und "Champion at Keeping Them Rolling" oder "Blind Fiddler" klingen wiederum wie traditionelle British Folk Balladen (Andersen war '65 beim Cambridge Folk Festival aufgetreten und hat dort vermutlich einige britische Kollegen getroffen) und „Hey Babe Have You Been Cheatin'“ klingt so, als wäre Buddy Holly Folkmusiker. 'Bout Changes & Things ist ein Album voller Abwechslung, von einem Künstler, der seinen Weg noch sucht – der ihn dann in den folgenden Jahren nicht wirklich fand – erst 1972 sollte er mit Blue River einen kurzen kommerziellen und künstlerischen Höhepunkt erreichen - um dann wieder zu einem Fall für Spezialisten zu werden.


Tim Buckley


s/t

(Elektra, 1966)

1966 war Tim Buckley gerade mal 19 Jahre alt -ein gutaussehender Jüngling mit zugegebenermaßen famoser Stimme, auf seinem Debüt aber noch ohne die vokale Pyro-Technik der kommenden Alben auskommend. Es war wohl zunächst geplant ihn als eine Art Folk-Teenidol zu vermarkten, aber schon auf Tim Buckley ließ der selbstbewusste Jung- Musiker sich nicht wirklich an den Teenager Markt anpassen. Das Album ist ein Hybrid aus folkigem Byrds-Jangle und von Jack Nitzsche orchestriertem Baroque Pop mit adoleszenten Lyrics. Buckley selber war mit dem in drei Tagen aufgenommenen Album höchst unzufrieden – sagte, es klinge nach „Disneyland“, aber selbst für die Top 40 zubereitete Songs wie „Aren't You the Girl“ oder „I Can't See You“ haben deutlich einen hohen Anspruch, und Songs wie „Strange Street Affair Under Blue“ mit Dreigroschenoper-Flair oder der hypnotische „Song Slowly Song“ weisen in Richtung späterer Alben. Mit Van Dyke Parks hatte er ein riesiges Talent als Begleiter an Piano und Harpsichord und mit dem Jazz-informierten Gitarristen Lee Underwood hatte er schon hier seinen Begleiter an der Gitarre für die kommenden Jahre gefunden. Buckley mag das Album wie gesagt nicht hoch geschätzt haben, aber wer dieses leider in den Siebzigern ausgebrannte und dann verstorbene Gesangs-Genie in „normalem“ 60er Jahre Sound hören will, wird hier fündig. Tim Buckley ist - wie so manche Alben dieser Zeit - die Entsprechung eines in Bernstein eingefrorenen Insekt's. Die folgenden Alben immerhin werden dann zu zeitlosen Meisterwerken, die die Grenzen des Folk transzendieren.











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