Montag, 11. Juli 2016

1966 - Vietnamkrieg, Breschnew, Brand, und die Kulturrevolution in China - Bob Dylan bis John Mayall

In der Sowjetunion wird Leonid Breschnew zum Genralsekretär der KPdSU ernannt, und Indira Gandhi, die Tochter Mahatma Gandhis wird Premierministerin in Indien. In China wird die „Große proletraische Kulturrevolution“ eingeläutet, in deren Verlauf bis 1976 der gesamte chinesische Parteiapparat und mit ihm die chinesische Gesellschaft gleichgeschaltet werden soll. In Vietnam erhöht sich die Truppenstärke der US Streitkräfte im Verlaufe des Jahres auf 400.000 Mann, einen Erfolg in den Auseinandersetzungen mit dem kommunistischen Norden kann man durch mehr Soldaten allerdings nicht erzwingen. In Deutschland wird Willy Brand Vorsitzender der SPD. Gary Grice, später GZA (Wu-Tang Clan), Ben Folds und Jeff Buckley werden geboren und der Bluesmusiker Mississippi John Hurt stirbt 1966. Die Beatles machen nach der Veröffentlichung von Revolver ihre letzte Tournee ehe sie sich komplett im Studio einschließen. Für Live Auftritte sind die meisten neuen Songs zu kompliziert. John Lennon behauptet in einem Interview die Beatles wären „more popular than Jesus“ und ruft damit in den USA heilige Empörung hervor. 1966 ist DAS Jahr der LP-Klassiker der Sechziger, und es ist zugleich der Zeitpunkt, an dem einige der wichtigsten musikalischen Entwicklungen der folgenden Jahrzehnte ihren Anfang nehmen. Zwischen April und August dieses Jahres erschienen Schlag auf Schlag wichtige und wegweisende LP's - wie die natürlich hier unten besprochenen Alben von Dylan (Blonde on Blonde), den Beach Boys (Pet Sounds), den Beatles (Revolver) und den Stones (Aftermath), - auf denen die führenden Köpfe der Popkultur einander die Inspiration für ihre jeweiligen Fortschritte um die Ohren hauen. Es werden aber auch einige der ganz großen Soul-LP's veröffentlicht – komplette Alben nun, nicht mehr nur Singles und etliche junge und wilde Bands aus den USA entdecken die psychedelische Musik und/oder spielen „Garage Rock“; eine rohe Form von Rockmusik die sich Mitte der Siebziger im Punk wiederfindet. Dafür scheint im Jazz die Entwicklung ein wenig zu stagnieren. A Love Supreme ist so etwas wie die Krone einer Welle die nun bricht. In der populären Musik hat in diesem Jahr der Longplayer gegenüber der Single erstmals die größere Bedeutung. Der Zeitraum zwischen '65 und '67 gehört zu den wichtigsten Jahren in der Rockmusik. Aber es gibt auch Musik, die ich mit dem gnädigen Mantel des Vergessens überdecke: So etwa das patriotische Geheul des Staff Sergeant Barry Sadler, Barbara Streisand, die hier ihre Karriere beginnt, ist mir zuviel Musical und Neil Diamond zuviel Pomp.... über deren Musik mögen Andere ihrer Begeisterung Ausdruck verleihen - dafür gibt es 1966 genug obskures Zeug, das das hinhören lohnt.

 

Bob Dylan

Blonde On Blonde


(Columbia, 1966)

Über dieses Album (...und die drei folgenden...) ist schon so viel geschrieben worden, dass ich annehme, dass ein weiteres Review nichts Erhellendes beitragen wird. Aber ein paar grundsätzliche Fakten will ich natürlich benennen – und ich will zeigen, wie wichtig diese vier Alben seinerzeit und bis heute sind. Dylan hatte 1966 auf Anraten seines Produzenten Bob Johnston beschlossen, seine neueste LP in Nashville aufzunehmen. Mit Produktionsbedingungen wie bei den beiden Vorgängern war er nicht mehr zufrieden, er wollte nicht nur neue Wege gehen, er brauchte auch ein anderes Umfeld. Die in Nashville ansässigen Musiker hatten solche Sessions zwar noch nie erlebt – Sessions, bei denen Dylan kaum mit den Musikern redetet, ihnen nur Skizzen zuwarf, die dann ausgefeilt wurden - Dylan aber war mit dem Ergebnis so zufrieden, dass er das Ergebnis als eine der ersten Doppel LP's der Rockgeschichte veröffentlichen ließ. Und Blonde On Blonde sorgte bei Fans und in der Presse sofort für Aufregung. Da war das epischen „Sad Eyed Lady Of The Lowlands“, das – für damalige Verhältnisse im „Pop“-Bereich ganz ungewohnt - eine ganze LP-Seite einnahm. Da war die organische Verquickung von Folk, Blues, Country und Rock zu einer ganz neuen Art von Songs - wie „I Want You“, „Just Like a Woman“ oder dem 7-minütige „Visions of Johanna“, da waren harte Gitarrenriffs und sogar Bläserarrangements („Rainy Day Women 12 & 35“) und da waren vor Allem Dylan's bizarre, wunderbare Lyrics. Für den war die Essenz von Blonde On Blonde allerdings der „thin wild mercury sound“ und die Spontaneität und Improvisationsfreude der Musiker. Er befand später selber, dass er nie besser geklungen habe - was sogar stimmen mag - und er versuchte immer wieder, diese Magie neu zu erzeugen. Blonde on Blonde ist die Zusammenführung all der Teile, die sich in den Monaten zuvor – insbesondere mit den beiden Vorgängern Bringing it all Back Home und Highway 61 Revisited - angekündigt hatte. Welcher der drei Meilensteine den anderen überlegen ist, bleibt der persönlichen Vorliebe überlassen, bei mir ändert sich das von mal zu mal, Blonde on Blonde ist End- und zugleich Anfangspunkt einer der fruchtbarsten Phasen in der Rockgeschichte: Die Zahl derer, die sich hiervon beeinflussen ließen, ist Legion. Dylan allerdings hatte kurz nach Fertigstellung des Albums einen Motorradunfall und startete danach seine Karriere neu. Und ganz nebenbei steht Blonde on Blonde für die Etablierung des Albums als Format. Dieses Album ist Kulturgut und gehört in jeden Haushalt

  

The Beach Boys

Pet Sounds


(Capitol, 1966)

Auch dieses Album ist auf seine Art eine Blaupause für so Manches, was in den folgenden Jahrzehnten in der Rockmusik geschieht – wobei Pet Sounds interessanterweise auch immer wieder unmodern zu werden scheint – von der Zeit verschluckt wird, um dann wieder aufzutauchen. So war dieser Geniesterich in den Achtzigern so was von unhip, um dann in den Neunzigern frenetisch abgefeiert zu werden. Inzwischen ist die Entstehungsgeschichte von Pet Sounds Legende. Beach Boys-Mastermind Brian Wilson hatte - des Tourens überdrüssig - die restlichen Beach Boys schon seit 1964 mit einem Ersatzmann in die weite Welt geschickt. Von einem Nervenzusammenbruch nie richtig genesen und von periodischen, psychisch bedingten Schwächeanfällen heimgesucht, verbrachte der zunehmend eigenbrötlerische Brian seine lichten Phasen mit Komponieren und Studiotüfteleien. In Abwesenheit seiner schon arg von ihm entfremdeten Boys projizierte und produzierte das erratische Genie die Instrumentaltracks zu diesem Wunderwerk, das die Band bei der Heimkehr nach dem Touren genauso wenig verstand (und in Person des unerträglichen Mike Love bis heute nicht versteht...!), wie drei Monate später Brians künstlerischen Zenith, die Single „Good Vibrations“ (Nicht ! auf dieser LP enthalten, sondern erst auf der Resteverwertung des lange Zeit verschollenen Meisterwerkes Smile - genannt Smiley Smile !). Auf Pet Sounds enthalten sind dafür aber immerhin Wilson's schönstes Liebeslied „God Only Knows“ und etliche andere Wunderwerke wie etwa das verträumte „Caroline, No“ (Wilson's Lieblingsstück) oder der „Good Vibrations“-Vorläufer „Sloop John B.“ etc etc... Die Texte zum Wunderwerk hatte Wilson dabei mit dem Werbejingles Experten Tony Asher verfasst. Es gibt - wenn man so will - nur eine Sache, die man Pet Sounds vorwerfen mag: Die Musik hat soviel Sex wie ein Kindergeburtstag – Anzüglichkeiten, Sex, Gefahr oder gar Revolte sind nicht existent – Pet Sounds ist pure, naive Schönheit. Er habe nur dem von ihm hochgeschätzten Beatles-Album Rubber Soul etwas noch höherwertigeres, noch schöneres entgegensetzen wollen, sagte Brian Wilson später in der Gewißheit, daß ihm dies gelungen war. Auch wenn es seltsamerweise wie oben gesagt in der Rezeption immer wieder auf- und absteigt - Pet Sounds ist in jeder Hinsicht einzigartig und unübertroffen.

 

The Beatles

Revolver


(Parlophone, 1966)

Bei den beiden folgenden Alben bin ich in meiner Begeisterung und somit meinem Glaube an ihre „Zeitlosigkeit“ etwas schwankend. Ganz einfach, weil sowohl die Beatles als auch die Stones (meiner Meinung nach) bessere Alben gemacht haben – die Stones später mit Sticky Fingers oder Let It Bleed etwa, die Beatles mit Rubber Soul ein Jahr zuvor. Aber Revolver ist zweifellos das Album, mit dem die Beatles Avantgarde wurden. Beim Überbordwerfen limitierter Pop-Regularien legten sie jedenfalls ein frappierendes Tempo vor. In knapp zwei Jahren vom putzigen „yeah yeah yeah“ von „She Loves You“ zur Andeutung und Antizipation psychedelischer Exzesse auf „Tomorrow Never Knows“! Das Image der netten Jungs von nebenan hatte schon ein paar Risse bekommen und die Fab Four hatten sich von den Zeichen der Zeit, von Psychedelik und Pop als Kunstform genauso wie vom Übermächtigen Bob Dylan inspirieren lassen. George Harrison etwa sagte : “I quote Bob Dylan like others quote the bible“. Allgemein muß man erkennen, dass die bewußtere Wahrnehmung der Fortschritte befreundeter, aber auch konkurrierender Musiker wie der Stones, der Kinks, Byrds, Beach Boys/ Brian Wilson, und eben Dylan den Ehrgeiz befeuerte. Dazu kamen Drogenerfahrungen, die ihren Teil zur inneren Öffnung des nun fröhlich experimentierenden Quartetts beitrugen. Säuselten sie auf dem sehr schönen, aber sicher auch harmloseren Vorgänger Rubber Soul noch süßlich „Michelle, ma belle“, so sind die Tracks auf Revolver bei aller Verspieltheit von bestechender, kühler Brillianz. Lennon schrieb über seinen Dealer („Dr. Robert“), Harrison ließ sich von indischer Musik inspirieren („Love You To“) und sogar der „konservativste" der Vier - weil am meisten dem puren Pop zugewandte Paul McCartney - versuchte sich in allen Stilen. Daher kann man Revolver als das kompletteste Album der Beatles bezeichnen. Aber es ist auch das Letzte, auf dem sie eine Band waren. Es mag nur eine Hit-Single abgeworfen haben (das kindliche „Yellow Submarine“) und ich selber bevorzuge Rubber Soul und Sgt. Pepper, aber es ist sicher ihr visionärstes Album.

The Rolling Stones

Aftermath


(Decca, 1966)


Die Musik der Stones war nie in demselben Sinne revolutionär wie die von Dylan, auch waren ihre Alben produktionstechnisch nicht so innovativ wie die der Beach Boys oder der Beatles, aber sie waren diejenigen, die das Blues und Rhythm & Blues Erbe aus den USA zunächst besonders glaubwürdig nach Europa überführten – und dann ihr eigenes Gebräu daraus kochten - und die besten Songs im Vergleich zur Konkurrenz hatten. Und in diesem Prozess ist Aftermath das wichtigste Album ihrer formativen Jahre. Hier gilt nämlich: Für die Emanzipation der Songwriter Jagger/Richards gibt es keine wichtigere LP als ihre Vierte (In den USA ihr sechstes Album – wieder mit anderem Tracklisting) – denn auf Aftermath. stammten erstmals alle Songs aus der eigenen Feder, hier ließen sie auch den Einflüssen von Dylan und aufkommender Psychedelia freien Lauf. Zwar war es noch keine komplette LP voller gleichwertiger Songs, aber da sind Highlights wie die frauenverachtenden „Under My Thumb“ und „Stupid Girl“ - Etwas, das man selbst jetzt von den braven Beatles nie hören würde, da ist die zärtliche Ballade „Lady Jane“ - mit fast mittlelalterlichem Arrangement, das Motown-angehauchte „Out Of Time“ und da ist natürlich mit „Paint It Black“ einer ihrer dekaden-übergreifenden Klassiker. Noch war auch Brian Jones' Kreativität in voller Blüte, er setzte Dulcimer und Sitar zur Verfeinerung des Sounds ein und bewies ein letztes Mal vor seinem Drogenabsturz, wie wichtig er für die Zukunft hätte sein können. Als Abschluss kommt dann noch das 11-minütige „Goin' Home“, dramaturgisch eine Meisterleistung und ein Beweis dafür, dass sich Mick Jagger als Sänger vor niemandem verstecken mußte. Es mag – wie oben gesagt - auch ein paar Schwachpunkte geben, aber es sind verdammt wenige. Aftermath ist eines der besten Alben der Stones in ihrer noch rohen Form als Rhythm and Blues Band und es ist – wie so vieles in diesem Jahre 1966 – zugleich End- und Startpunkt einer neuen Phase dieser Band, denn ab jetzt war klar: Die wollten mehr sein als begabte Rhythm and Blues Adepten. Den Beweis dazu würden sie ein knappes Jahr später antreten.

The Kinks

Face To Face


(Pye, 1966)


Neben den fraglos bedeutenden Veröffentlichungen der vier hier oben genannten “major league player“ wird das erste „komplette“ Album der Kinks gerne vergessen. Liegt vielleicht daran, dass es so urbritisch ist, oder daran, dass es soundmäßig etwas angestaubter wirkt als Pet Sounds oder Revolver etwa und per Definition nicht zeitlos ist wie Blonde on Blonde. Zumal Ray Davies immer und ewig als Meister des Singles-Formates gelten wird, sind es doch auch auf Face to Face einzelne Songs wie „Sunny Afternoon“ oder „Dandy“, die im kollektiven Bewusstsein geblieben sind. Aber damit tut man dem Album als Ganzes unrecht, und Ray Davies sicher auch keinen Gefallen, denn der begann hier eindeutig das LP-Format als Komplettwerk zu nutzen – was dem allgemeinen Trend entsprach, und was die Kinks in dieser Zeit als Band auch fraglos zu meistern in der Lage waren. Sie ließen sich zwar noch ein letztes Mal von Shel Talmy produzieren, aber sie nahmen sich tatsächlich mehr als ein paar Wochen Zeit für die Produktion. Und Ray Davies hatte auch die Themen für ein komplettes Album. Seine Studien der britischen Mittelschicht, ihre halb ironische, halb liebevolle Beschreibung in Verbindung mit Songs, die vor jeder Konkurrenz bestehen können, macht Face to Face genauso zu einem der großen Alben der beginnenden Psychedelic-Ära, wie die wachsenden instrumentalen Fähigkeiten der Band. Sein Bruder Dave hatte offenbar gelernt, was einen guten Gitarristen ausmacht, Beim ironischen „Holiday in Waikiki“ erklingt eine Hawaii-Gitarre, das Album ist neben den beiden Hits voller gleichwertiger, aber unbekannterer Songs wie "Rosy Won't You Please Come Home“, "Party Line," "Too Much on My Mind“, "Rainy Day in June“ und "Most Exclusive Residence for Sale“, die allesamt hörenswert sind – und die später zum Beispiel Bands wie Blur inspiriert haben dürften.

The Byrds

Fifth Dimension


(Columbia, 1966)

Jaja, die zweite Reihe der Bands, die den Ruck Richtung Innovation in der Rockmusike mitmachten: Die Byrds hatten dem Folk-Rock auf ihren ersten beiden LP's im Vorjahr schon die eine oder andere Dimension hinzugefügt. Aber sie waren zunächst auch eine Band, die über Singles definiert wurde. Aber auch sie wollten hörbar nun die LP als komplettes Paket nutzen. Auf Fifth Dimension jedenfalls gingen sie weiter als je zuvor. Zwar hatten sie noch nicht nur befriedigendes Material beisammen, aber hier wurde der Sound der Byrds definiert, - ein Sound, der Folk, Pop, Psychedelic und hier auch schon Spuren von Country enthält, und der durch Roger McGuinn's 12-String-Gitarre seinen bis heute so eigenen Charakter hat. So gibt es auf diesem ersten sinnigen Album der Band neben traditionellen Folk Songs wie dem schön ochestrierten „Wild Mountain Thyme“, neben dem Country Rocker „Mr. Spaceman“nun auch psychedelische Höhenflüge wie „Eight Miles High“ - einen der größten Songs der 60er mit Anklängen an John Coltranes Love Supreme,. Und da ist „I See You“ mit einem herrlich psychedelischen 12-String-Workout, da ist auch mit „What's Happening?!?!“ der erste von David Crosby allein verfasste Song, noch etwas unbeholfen, aber seiner Zeit sehr sympathisch verhaftet aber da ist leider auch eine weitere überflüssige Version von „Hey Joe“ (jede Band in den USA schien diesen Song 1966 spielen zu müssen). Dadurch und durch noch ein paar Ausreißer ist Fifth Dimension noch nicht ein so fehlerloser Klassiker, wie die beiden folgenden Alben. Aber besser als die meisten Konkurrenten ist das Album allemal. Aber sie würden bessere LP's machen.

Rick Nelson

Bright Light & Country Music


(Decca, 1966)


 

Wie schon öfters erwähnt – es gibt etliche Alben, deren kommerzieller Erfolg und deren Bekanntheitsgrad weit hinter ihrer musikalischen Klasse oder Bedeutung liegt, und deren pure Schönheit mich veranlasst, ihnen einen weit prominenteren Platz im Jahreskanon einzuräumen, als es in den üblichen Liste, Lexika oder Kompendien der Fall sein mag. Rick Nelsons erstes Album mit Country-Rock ist eines von dieser Sorte. Auf Bright Lights & Country Music erfand er im wahrsten Sinne des Wortes eine Musik, die erst Mitte der Siebziger mit Bands wie den Eagles kommerzielle Höhen erreichen sollte. Eine Art Musik, die er natürlich nicht alleine entwickelte – Bald kam Bob Dylan mit Nashville Slkyline, die Byrds ein paar Monate später mit Gram Parsons und Sweetheart of the Rodeo. Und auch der Ex-Byrd Gene Clark mit den Gosdin Brothers begann (psychedelischen) Rock und die zu dieser Zeit den Rockmusik-Hörenden so ferne Country Musik miteinander zu verbinden – aber noch war das ein gewagter Schritt. Dylan mochte man das Wagnis zu dieser Zeit verzeihen – andere, wie der ehemalige Teen-Star/ Rock'n'Roller Rick(y) Nelson hatten es da möglicherweise nicht so leicht – oder auch leichter, weil sie sowieso machen konnten was sie wollten weil sich kaum jemand für ihn interessierte. Bright Lights & Country Music jedenfalls hat ein schon ein Sleeve-Design, das an Kitschigkeit den buntesten der Nashville Riege in nichts nachsteht – und das eine „Rockmusik“-hörende Käuferschicht wohl kaum ansprechen wollte. Die Musik freilich ist für das Nashville dieser Tage zum Einen zu wenig poliert und vor Allem zu progressiv für den reaktionären Country-Markt. Die Songs sind zwar teils Coverversionen bekannter Country-Hits („Truck Drivin' Man“, „Louisiana Man“), aber Nelson hatte auch formidable eigene Songs dabei – sein „You Just Can't Win“ muß sich vor keinem Original verstecken – und dazu kommt eine Band, die besser nicht sein kann: James Burton an der Dobro hatte bei Elvis (und auch bei ihm) gespielt, Leon Russell und Glen D Hardin machten mit, ebenso wie der großartige Clarence White an der Gitarre – alles Musiker, die mit Nashville wenig am Hut hatten, die eher einen modernen Sound spielen konnten und wollten – und so das Album zwischen die zu der Zeit ungünstig gestellten Stühle setzten. Heute hört sich das Album nur noch schön – und erstaunlich modern an. Nelson machte zunächst so weiter und gilt als einer der Pioniere des progressiven Country Rock.

Love

s/t


(Elektra, 1966)

Und hier zwei Bands, die der „neuen“ Generation angehörten – die Debütalben hinlegten, die vor zwei Jahren wohl noch „unveröffentlichbar“ gewesen wären. Arthur Lee, Gitarrist und Sänger von Love, war gewiß eine der schillerndsten Figuren der Rock Musik der 60er Jahre. Er hatte Love Mitte der 60er zunächst unter dem Namen The Grass Roots gegründet, als eine andere Band unter diesem Namen eine LP veröffentlichte, änderte er den Namen seiner Band in Love um und unterschrieb einen Vertrag beim aufstrebenden und für progressiverer Musik offenen Folk-Label Elektra - das sich mit ihm (und u.a. auch mit den Doors) jetzt im aufstrebenden Rock-Bereich positionieren wollte. Auf dem Debüt Love wurde noch der Sound der Byrds mit dem der Stones verquickt, aber ein eigenes Profil war schon zu erkennen, allein schon durch Arthur Lee's charakteristische Stimme und sein exzellentes – nicht elektrisches, sondern meist akustisches Gitarrenspiel. Neben einigen hervorragenden Songs wie einer lärmenden Version des Bacharach/ David Stücks „My Little Red Book“, dem düsteren „Signed D.C. oder dem von Bryan McLean - dem zweiten Songwriter in der Band - geschriebenen „Softly to Me“ sind auch auf diesem Album noch ein paar durchschnittliche Stücke zu hören, die das Album gegenüber den beiden legendären Nachfolgealben etwas abfallen lässt. Aber die Klasse der Band lässt sich schon erkennen und es ist ein Debüt, das den Charme einer gewissen Unschuld hat.

 The 13Th Floor Elevators

The Psychedelic Sounds Of The 13Th Floor Elevators


(International Artists, 1966)

Und hier hören wir die Quintessenz des Psychedelic Garage-Rock der Sechziger. Das Cover von John Cleveland ist eines der definitiven Artefakte der psychedelischen Kunst, und die Musik ist so wie das Cover: Chaotisch und..... eben psychedelisch, Die texanische Band 13th Floor Elevators hatten mit Roky Erickson einen manischen Sänger, dessen „Karriere“ eine der erratischsten ist, die es in diesem Business gibt, sein Gesang nimmt das Atemlose, Entfesselte solcher Punk Heroen wie Iggy Pop oder Richard Hell vorweg. Der Sound der Band ist einzigartig geprägt vom pulsierenden Wummern des „Elecric Jug“ (ein afrikanischer Tonkrug, der als zweiter Bass fungiert), die Produktion ist roh und primitiv, aber was das Album an die Spitze der langen Reihe der Garage-Rock und Proto-Punk Klassiker stellt, sind Songs wie „You're Gonna Miss Me“ und „Fire Engine“. Dieses Album zeigt die dunkle Seite von Psychedelic Rock, die Musik hat mehr mit den düsteren Seiten der zu dieser Zeit noch in der Wiege liegenden Doors gemein, als mit dem fröhlichem Flower Power-Folk-Pop der Mama's and the Papa's . Die Gitarren waren – vermutlich nicht nur für diese Zeit - zu hart, die Texte zu finster, die Musiker zu sehr den Drogen zugetan, als dass die intolerante Gesellschaft in ihrem Heimatstaat solche Freaks hätte dulden können oder wollen. Die Musiker nahmen (mit Ausnahme des Drummers) bewusst LSD (was zu dieser Zeit erlaubt war) und Marihuana (was illegal war) und standen dementsprechend ständig mit einem Fuß im Gefängnis. Mit „You're Gonna Miss Me“ hatten sie dennoch einen mittleren Hit – und wurden in Texas ins Gefängnis gesteckt. Was dann kam... siehe 1967.

John Mayall & The Bluesbreakers

With Eric Clapton


(Deram, 1966)


Ganz sicher war ich mir nicht, welches Album ich ans Ende dieser zehn Auserwählten stellen wollte. Aber nicht Alles, was ich für 1966 als besonders „wichtig“ erachte, ist nur innovativ. Der Blues von John Mayall's Bluesbreakers jedenfalls ist sehr nah an den Vorbildern. Aber in der Zeit zwischen seinem Engagement bei den Yardbirds und der Supergruppe Cream folgte mit Eric Clapton ein seinerzeit immens wichtiger Gitarrist ein Jahr lang mit den Bluesbreakers seiner Liebe zum reinen Blues. John Mayall ließ ihm ,- wie all seinen Nachfolgern an der Gitarre in den folgenden Inkarnationen seiner Bluesbreakers - alle Freiheiten, sich zu entfalten. Der spätere Fleetwood Mac Gründer John McVie sowie Hughie Flint legen ein kraftvolles und intensives Rhytmusfundament und insbesondere dank des Produzenten Mike Vernon entstand mit John Mayall & The Bluesbreakers with Eric Clapton eines der besten und archetypischsten Alben des britischen Blues-Booms der 60er. Die Songs waren der übliche Mix aus Blues-Traditionals und Eigenkompositionen von Mayall bzw. Mayall/Clapton. Die Version von Robert Johnsons „Ramblin' On My Mind“ ist unschlagbar und mit dieser LP untermauerte Clapton seinen Ruf als einer der besten Gitarristen Englands. Bald stand „Clapton is god“ an den Hauswänden – ein Kompliment , das ihn auf ein Podest stellte, von dem er nie mehr herunterkam, ob er das wollte oder nicht und das ich bei all seinem Können für ungerechtfertigt halte. Seine Karriere jedenfalls bekam hier den nötigen Schub, um dann durchzustarten

 



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