Donnerstag, 20. April 2017

1970 - Joni Mitchell bis Beach Boys - Music from Laurel Canyon

Irgendwann Mitte der Sechziger bildete sich in den Holywood Hills von LA, nahe des Sunset Strip ein musikalischer Mikrokosmos – eine Szene – entlang der sich schlängelnden Straße in einem kleinen Nebental in einer Nachbarschaft, die „Laurel Canyon“ genannt wurde. Wer da als Erster die vermutlich damals noch erschwinglichen Häuser mietete, ist nicht ganz klar. Überliefert ist, dass Frank Zappa als einer der ersten in einem später abgebrannten Haus namens „Log Cabin“ sein Domizil aufschlug und begann, legendäre und ausschweifende Parties zu feiern. Bald hatte sich ein großer Teil der lokalen Rock-Prominenz dieser Zeit dort angesiedelt – oder war Dauergast bei einem der Anwohner. Jim Morrison hat sich für sein „Love Street“ von seiner Wohnung hinter dem Laurel Canyon Country Store inspirieren lassen, Michelle und John Phillips lebten in der Zeit des großen Erfolges der Mamas and the Papas dort, die Byrds, Buffalo Springfield und die Künstler/ Bands die aus deren Asche hervorgingen (Poco, die Eagles, Roger McGuinn, Chris Hillman oder David Crosby, Stephen Stills Graham Nash und Neil Young, die da erstmals gemeinsam ihre Stimmen erhoben... Carole King, Judee Sill, Mickey Dolenz und Peter Tork von den Monkees, dessen Parties unglaublich gewesen sein sollen. Canned Heat, James Taylor, Jackson Browne und Joni Mitchell – man sieht es: Die Liste ist lang und die Namen erlesen. Die große Jackie DeShannon nannte als Erste ein Album Laurel Canyon, (1968) John Mayall's Bluesbreakers machten den Blues from Laurel Canyon. - und das unten folgende Album von Joni Mitchell bezieht sich auch explizit auf diesen magischen Ort. Hier nahmen die Musiker gemeinsam Drogen - und Musik auf, spielten sich ihre neuen Songs in ihren Häusern bei gemeinsamen Jam-Sessions vor, hier bildete sich eine eigene Form der Post-Hippie Kultur (Zappa hätte gekotzt...) mit einer eigenen, mitunter auch zwiespältigen Musik heraus. Der Sound des Laurel Canyon ist geprägt von Folk, Blues, Rock and Roll und Jazz, auch von Latin, Country and Western, Psychedelia und Bluegrass – und all das formt sich zu einem Soft Rock, der komplett „weiss“ ist, der mal sehr tief reicht und das Beste aus seinen Einflüssen vereint, der als Instrument für die Songwriter-Fähigkeiten ein üppiges Bett bietet, der aber auch unendlich banal und bequem werden kann. Und wie so oft: Zu Anfang sind die Ergebnisse (= Alben) interessant bis aufregend, dann steigert sich die Qualität – und die Menge der Ergebnisse – und dann sackt das Niveau ab. 1968 bis 1972 ist die große Zeit der Musik aus der Laurel Canyon Szene, danach kommen noch ein paar wenige tolle Alben und in den 00er Jahren wird der „Geist“ dieser Zeit – ein bisschen idealisiert und verklärt von Musikern wie Jonathan Wilson wiederbelebt – aber in den 00ern erlebt alles irgendwann ein Revival.... Hier die großen Alben jenes Jahres (1970) und jenes Ortes... Alben die diese Szene zu dieser Zeit widerspiegeln.

Joni Mitchell

Ladies Of The Canyon


(Reprise, 1970)

Joni Mitchells Entwicklung weg von der simplen Folk-Sängerin zu einer Künstlerin mit starkem eigenem Profil verlief in Riesensprüngen. Ihr 69er Album Clouds hatte schon den Rahmen gesprengt, Ladies of the Canyon (… genau dieser Laurel Canyon....) war ein weiterer Riesenschritt in ihrer Entwicklung – einer Entwicklung, die sehr viel ihrer Zugehörigkeit zu der Laurel Canyon Szene zu verdanken hatte. Und hier war es vor Allem ihre Freundschaft mit Stephen Stills, David Crosby und Graham Nash, die in die Songs eingeflossen sein wird – oder ganz konkret: Sie wird den Freunden die Songs zu Ladies of the Canyon vorgespielt haben, auch die Tipps und Kommentare der Musiker angehört haben – aber sie war von vorne herein autark genug, ihren eigenen Weg zu gehen – was wiederum auch den noch immer andauernden Reiz dieses Albums ausmacht. Spätestens mit diesem dritten Album hat Joni Mitchell eine eigene Sprache gefunden, den Folk Richtung Jazz (man höre nur das Klarinettensolo am Ende von „For Free“) und einer eigenen Form von „offenem“ Songwriting hinter sich gelassen. Ihre Gitarren-Tunings wurden abenteuerlich, ihr Gesang lautmalerischer und ihr Songwriting war auf einem frühen Hochpunkt. „Big Yellow Taxi“ ist auf Ladies of the Canyon und auch die viel gecoverte Reminiszenz „Woodstock“. Manche der Songs sind auf dem Piano arrangiert, andere haben ein Cello-Arrangement, die Stimmungen wechseln von nachdenklich über sentimental und düster zu ironisch – und die Musik ist aus einer klaren, selbstbewusst weiblichen Position gemacht. Joni Mitchell ist eine völlig eigenständige, selbstbestimmte Künstlerin – und damit in einer Position, die von ihren männlichen Kollegen auch klar anerkannt wurde – was 1970 wahrlich noch nicht üblich war. Ladies of the Canyon ist ein erster Höhepunkt in Mitchell's reicher Diskografie (dem das noch bessere Blue folgen würde) und es ist einer der Höhepunkte in der Reihe der – ich nenn' sie hier mal so - Laurel Canyon Alben.

Crosby, Stills, Nash & Young

Déjà Vu


(Atlantic, 1970)

Das Trio aus dem Ex Byrd David Crosby, Ex Buffalo Springfield Stephen Stills und Ex-Hollie Graham Nash hatte sich 1968 bei einer Party in Joni Mitchell's Haus kennengelernt, festgestellt, dass ihre Ideen und Stimmen perfekt harmonierten – und mit Crosby, Stills & Nash 1969 ein enorm erfolgreiches Album gemacht. Da ihnen ein Keyboarder bei Live-Auftritten fehlte, versuchten die drei es zuerst bei Steve Winwood – der wegen Blind Faith nicht konnte – und dann bei Stills Ex-Kollegen Neil Young, der zwar Gitarrist war, aber auch Piano kann... Es funktionierte, die Band trat mit Joni Mitchell im Vorprogramm bei Woodstock auf – und der Ruhm wuchs ins Unermessliche. So nahm die Supergroup ab Sommer '69 ihr erstes gemeinsames Album auf. Die Aufnahmen sollen exorbitante 800 Stunden in Anspruch genommen haben, die einzelnen Teile der Songs wurden meist von den Musikern einzeln aufgenommen, nicht im Bandkontext – ein Hinweis auf das komplexe Beziehungsgeflecht der drei Diven Crosby, Stills und Young, von denen insbesondere die beiden letztgenannten eine (un)gesunde Konkurrenz pflegten (…und das schon seit Buffalo Springfield-Tagen...). Aber das Ergebnis war in jeder Hinsicht befriedigend. Déjà Vu ist das bestverkaufte Album aller Beteiligten, es warf vier Hitsingles ab und es ist ein künstlerischer Wurf von großer Eigenständigkeit und hoher Qualität. Neil Young spielt nur auf der Hälfte der Songs mit, aber seine beiden Songs - „Helpless“ und das aus drei verschiedenen Tracks zusammengebaute „Country Girl“ mit Harmonies aller vier Sänger geben dem Album die zusätzliche Dimension, David Crosby's „Almost Cut My Hair“ gehört zu dessen besten Songs und dasselbe gilt für Nash's „Teach Your Children“, das Jerry Garcia von Grateful Dead mit Steel-Guitar veredelt. Déjà Vu ist eben mehr als die Summe seiner Teile. Für diesen Moment funktionierte diese prekäre Kombination von Musikern – dass der einzige in einer gemeinsamen Session aufgenommene Track Joni Mitchells „Woodstock“ war, mit feinem Harmoniegesang von Crosby, Stills und Nash und Gitarrenlicks von Neil Young, zeigt vielleicht, welchen wohltuenden Einfluss die Szene im Laurel Canyon da noch haben konnte. ….und danach machten alle Vier sehr gelungene Solo-Alben. Neil Young's After the Goldrush,, Crosby's If I Could Only Remember My Name und Graham Nash's Songs for Beginners erschienen erst '71, aber....

Stephen Stills

s/t


(Atlantic, 1970)

schoss als Erster schon im Jahr 1970 hinterher. Sein erstes eigenes Album nach der formidablen Super Session mit Mike Bloomfield und Al Kooper brennt regelrecht – und es ist eine Versammlung namhafter Musiker die sich wahrscheinlich auch durch die Szene im Laurel Canyon kannten. Aufgenommen wurde Stephen Stills freilich in London und so sind als Gäste auch Ringo Starr, Eric Clapton und Jimi Hendrix zu hören – der einen Monat vor Veröffentlichung des Albums verstarb und dem das Album gewidmet ist – ebenso wie ein illustrer Cast aus dem Laurel Canyon mit Crosby, Nash, John Sebastian, „Mama“ Cass“ Elliott und einem Haufen weiterer namhafter Cracks. Aber all das wäre nur eine uninteressante Aneinanderreihung von Namen, wäre das Ergebnis nicht so gelungen. Man erkennt die „Vorgänger“ Crosby, Stills & Nash und Déjà Vu, man hört, welchen Einfluss Stills dort hatte und man merkt, dass er noch etliche Songs und Ideen in der Hinterhand hatte. Seine Stimme hat eine Dringlichkeit, die auch heute noch überzeugt, der musikalische Unterbau ist edel, inspiriert und klingt immer noch frisch, das Cover mit Stills an der Akustischen ist bescheidener als der Mix aus Folk, (akustischem und elektrischem) Blues und hartem Rock und das Songwriting ist gelungen. Sein „Love the One You're With“ ist ein Evergreen mit etwas naiver Hippie-Botschaft, aber es sind Songs wie der Blues/Rock Crossover „Old Times Good Times“ - mit Hendrix an der Gitarre, oder „Sit Yourself Down“ mit illustren Stimmen in den Harmonies, die eine Ergänzung zu Déjà Vu bieten, die Stills als Sänger, Schreiber und Gitarrist in der Form seines Lebens zeigen. Das Album wurde nicht ganz so gehyped, wie es verdient hätte, aber es ist ein sehr gelungenes - der Egomane Stills blieb allerdings extrem unsympathisch, er machte mit dem Nachfolger Stephen Stills 2, und mehr noch mit dem Kollektiv-Album Manassas noch zwei große Alben, aber dann sank sein Stern schnell und bis heute zehrt er eigentlich nur noch von seinem Ruhm aus den Zeiten im Laurel Canyon...

John Phillips

s/t (John, The Wolfking Of LA)


(Dunhill, 1970)

Das erste Solo-Album des Songwriters und (Background) Sängers der Mama's & the Papa's ist in vieler Hinsicht exemplarisch für die Musik dieser Zeit im Laurel Canyon. John Phillips hatte mit seiner damaligen Bandkollegin und Ehefrau Michelle im Laurel Canyon residiert, Schauspieler und Musiker waren bei Ihnen aus und ein gegangen und John hatte sich eine massive Kokain- und Heroin-Sucht zugelegt – womit er nicht der Einzige war... Jetzt trennte sich seine Frau von Ihm, er hatte mit Geneviève Waïte immerhin eine neue Freundin, der Traum der Hippie-Kultur – für die seine vormalige Band mit Hits wie „California Dreaming“ oder „Monday Monday“ so sehr Symbol gewesen war (… er hatte übrigens auch „San Francisco (Be Sure to Wear some Flowers in Your Hair“ geschrieben...) - dieser Traum war ganz klar gescheitert und sein Leben schien zu zerfließen wie Butter in der Sonne. Und so klingt auch die Musik auf John, the Wolfking of L.A. Es ist eine sanfte, countrifizierte Abschiedshymne an die vergangene Kultur, benebelt vom Heroin, durchzogen von dunklen Erinnerungan an kaputte Beziehungen, aber eben auch mit Songs über seine neue Liebe („Let It Bleed, Genevieve“) und seine langjährige Freundin Ann Marshall („April Anne“). Das Songwriting ist für die düsteren Themen seltsam verträumt und sanft, Phillips Stimme fehlt jede Düsternis und die Musiker im Hintergrund gehören zu den besten ihrer Zeit. Steeler Buddy Emmons und Red Rhodes, Gitarrist James Burton, Drummer Hal Blaine – er konnte offenbar frei wählen. Hätte er diese Songs gemeinsam mit den anderen Mama's und Papa's aufgenommen, der Erfolg wäre garantiert gewesen. Aber es kam anders: Die Mama's & Papa's schuldeten Dunhill noch ein Album, es kam zum Gerichtsprozess und Phillips Solo-Album bekam kaum Promotion, obwohl es mit „Mississippi“ sogar einen kleinen Hit abwarf – Phillips hatte seine Drogensucht immer weniger im Griff und lange Jahre blieb The Wolfking obskur – bis es dann im neuen Jahrtausend eine Neubewertung erfuhr und inzwischen (zu Recht, finde ich) als ziemlich „cool“ gilt.

James Taylor

Sweet Baby James


(Warner Bros., 1970)

Auch James Taylor hat im Laurel Canyon 'rumgehangen, auch er steht für eine bestimmte Art Singer/ Songwriter Musik – eine Art allerdings, die noch weniger scharf, weniger engagiert ist, als die von Stephen Stills oder Joni Mitchell. Es mag ja an seiner Biografie liegen – er hatte die Hippie-Zeit mit seiner Heroinsucht und Besuchen in Psychatrien überstanden, hatte '68 ein erfolgloses Album gemacht, war wegen seiner Sucht wieder in einer Klinik gelandet, hatte nach erfolgreicher ReHab einen Motorradunfall, durch den er wieder nicht auftreten konnte – kurz: Er hatte Grund genug, desillusioniert zu sein und sich nur noch um sich und sein Unglück zu drehen – und er konnte inzwischen Songs schreiben, die diese Stimmung einer aufnahmebereiten jungen Generation verkauften. Er zeigt auf die beste mögliche Weise, wie man introvertierte, egozentrische Musik machen kann, er war der neue Typus Singer/ Songwriter, dessen Interesse nicht mehr der Aussenwelt oder der Politik galt, sondern nur noch den eigenen Befindlichkeiten. Das ist nicht immer schlecht, obwohl es unerträglich werden kann, aber hier klang das noch neu. Und Taylor erzählte von dem, was seine Generation erlebt hatte – oder gerne erlebt hätte - und er hatte tolle Musiker für Sweet Baby James zusammengesucht. Laurel Canyon Cracks wie Randy Meissner, Carol King am Piano und Red Rhodes an der Steel, Taylor's Stimme ist angenehm, leicht näselnd – da kann mit ein paar guten Songs nichts mehr schief gehen: Und „Fire and Rain“ gehört eben doch zu den besten Songs seiner Generation, „Country Road“ verbindet Country und Hippie-Musik in dunkelblau, klingt wie die Eagles in ein paar Jahren. Die Musik ist manchmal unerträglich sanft und melancholisch, aber in bestimmten Momenten ist sie in ihrem Fatalismus eben auch reizvoll. Sweet Baby James ist ein bisschen uncool, aber es ist sehr typisch für das, was aus dem Laurel Canyon kommen wird...

Essra Mohawk

Primordial Lover


(Reprise, 1970)

Zu den weniger bekannten Musikern aus dem Laurel Canyon gehört Essra Mohawk – deren zweites Solo-Album Primordial Love allerdings zu den wirklich hörenswerten gehört. Dass der Rolling Stone es zu den best 25 albums ever made zählte, mag ein Indiz sein – wobei solche Einordnungen ja auch immer sehr Moden und Modernismen unterworfen sind. Essra Mohawk war unter dem Namen Uncle Meat (!) kurz Teil von Zappa's Mother's of Invention gewesen (und der nahm immer nur die Besten...), hatte dann unter ihrem Geburtsnamen Sandra Elayne Hurvitz '68 ein Album gemacht, und nahm dann Ende '69 dieses Solo-Album auf. In der Zeit heiratete sie ihren Produzenten Frazier Mohawk und nahm dessen Nachnamen an ...(und verkürzten Sandra zu S-ra...). Sie hatte schon vorher als Songwriterin für die Shangri-La's und Vanilla Fudge gezeigt, was sie drauf hatte, aber auf diesem Solo-Album ließ sie so richtig los. Sie hatte als Begleiter – wie auf den hier versammelten Alben so oft – Musiker aus der Szene an Bord. CSN&Y's Drummer Dallas Taylor, Gitarrist Lee Underwood, die halbe Crew von Rhinoceros (bei denen sie beinahe Sängerin geworden wäre...) - und sie hatte eine Stimme , die man als eine eigenständige Mischung aus Joni Mitchell' und Laura Nyro bezeichnen kann – so wie die Musik zwischen urban und naturverbunden, naiv und abgeklört zu schwanken scheint – und damit den Geist des Laurel Canyon auch ganz gut einfängt. Ihre Songs sind komplex, mit häufigen Tempowechseln, kommen ohne die üblichen Strukturen aus und bleiben doch im Ohr. Sie hatte für Stephen Stills das aufmunternde „Thunder in the Morning“ geschrieben, bei „I Have Been Here Before“ werden Jazz, Psychedelik und die freie Form der Rockmusik dieser Zeit mit Bläsern und vollem Sound zusammengeführt. Natürlich geht’s um Re-Inkarnation, und der Song könnte arg esoterisch und naiv klingen – aber durch Essra Mohawk's Stimme bleibt er glaubwürdig, sie verhindert das Abrutschen in den Eso-Kitsch. Da ist sie einer Musikerin wie der ebenfalls so obskuren Linda Perhacs angenehm ähnlich. Das Album ging leider wegen mangelnder Promotion unter, aber ich denke, ihre Musik ist für den großen Kommerz zu eigenartig. Und sie hatte auch noch das Pech, Woodstock zu verpassen (sie kam erst an, als die Zelte abgebrochen wurden) sie wurde „fast“ Sängerin bei Jefferson Starship, nachdem Grace Slick die Band verlassen hatte - bei ihr gelang so einiges nur „fast“... aber Primordial Love und das nachfolgende Essra Mohawk ('74) sind feine Beispiele dafür, dass es neben Joni Mitchell weitere intelligente, originelle Künstlerinnen im Laurel Canyon gab.

Jimmy L. Webb

Words and Music


(Reprise, 1970)

Anfang der Siebziger war der Laurel Canyon Resident Jimmy Webb ein etablierter Songwriter – für Andere. Er hatte zwei Dutzend Top 100 Hits gehabt, mit „McArthur Park“ - gesungen von Richard Harris - mit „Wichita Lineman“ und „Galveston“ von Glen Campbell und dem von etlichen Musikern gecoverten „By the Time I Get to Phoenix“ ein paar Klassiker auf dem Konto. Und jetzt beschloss er seine Songs ebenfalls selber zu interpretieren. In die Szene passte er wohl nicht ganz so gut, er war als Sohn eines Baptisten Predigers religiös aufgezogen worden und war mit dieser Haltung in dieser hedonistischen Umgebung ein Fremder, aber er wurde von den Musikern aus der Nachbarschaft wie Joni Mitchell und Jackson Browne bewundert. Sein erstes richtiges Solo-Album Words and Music nahm er nur mit dem Gitarristen und Multi-Instrumentalisten Fred Tackett und seiner Schwester Susan als Mit-Sängerin auf – und mit der Beschränkung auf einen weniger opulenten Sound allein grenzte er sich schon von seiner bisherigen Arbeit ab. Dazu kam seine ungekünstelte Stimme, manchmal rau an den Ecken, nicht beeindruckend, aber sympathisch. Dazu Lyrics, die sich mit seinem Alltag in der Musikszene befassen - er bewundert den Songwriter Kollegen „P.F. Sloan“, er kritisiert die Musik-Industrie und er lässt insbesondere seinen Glauben an Gott immer wieder in die Texte einfließen und ist in all dem sehr selbstbewusst. Die Songs auf Words and Music sind weniger hitparaden-tauglich, haben – wie es in dieser Zeit durchaus nicht unüblich war – weniger klare und einfache Strukturen – was nicht heißt, dass sie zu überkandidelt wären. Webb kann immer noch wunderbare Melodien finden, seine Songs haben - nicht nur durch Fred Tackett's Gitarre – einen jazzigen Vibe, „Psalm One Five-O“ ist eine kluge Kombination aus Energie und Esoterik, ist aber für ein simples religiöses Lied viel zu avantgardistisch, „P.F. Sloan“ ist perfekt arrangiert, mit gegenläufigen Melodien und dem Chorgesang seiner Schwester Susan und klingt zugleich trügerisch einfach. Das Album bietet ganz einfach ausgedrückt Songwriting auf höchstem Niveau – so hoch, dass es damals nicht die Massen begeistern konnte. Aber Jimmy Webb machte ab jetzt eine ganze Abfolge von anspruchsvollen Solo-Alben.

Gordon Lightfoot

Sit Down Young Stranger


(Reprise, 1970)

Man kann jetzt trefflich darüber diskutieren, ob der Kanadier Gordon Lightfoot in diesen Artikel über die Laurel Canyon Musik gehört. Aber hey! Joni Mitchell und Neil Young sind auch Kanadier, der 32-jährige Lightfood hatte nach vier recht erfolgreichen Alben nun mit Warner Bros. eine neue Plattenfirma, und die schickte ihn nach L.A., um sein neues Album mit Studioassen aus der lokalen Szene wie Ry Cooder, John Sebastian und Randy Newman unter der Ägide von Lenny Waronker aufzunehmen. Wie sehr Lightfoot sich in die Szene einfügte, ob er mit den Leuten dort Drogen nahm und jammte, weiß ich nicht – seine Musik aber passt perfekt in diese Zeit und an diesen Ort. Er ist ein klassischer Folk-Singer, einer, der von Dylan und Robbie Robertson hoch geschätzt wurde, seine Songs sind subtil, wohltuend melodisch, leicht melancholisch, klingen immer ein bisschen veträumt und haben -wenn überhaupt - eher hintergründig kritische Inhalte. Auf Sit Down Young Stranger, das seinen größten Hit „If You Could Read My Mind“ enthält, stehen neben seiner akustischem Gitarre die Orchester-Arrangements im Vordergrund, die die Songs noch etwas weicher spülen – die allerdings auch sehr geschmackvoll sind – schließlich hatte da unter Anderem Randy Newman seine Finger im Spiel. Und es gibt eben eine ganze Reihe weiterer sehr gelungener Songs: „Minstrel of the Dawn“ ist ein Opener, der mit Orchester und leicht mittelalterlicher Melodie das Terrain absteckt, „Sit Down Young Stranger“ warnt ein bisschen altväterlich vor dem Krieg, Lightfoot covert Kris Kristoffersen's „Me and Bobby McGee“ und zieht es mit Ry Cooder's Mandoline wieder auf seinen Country-Ursprüngen zurück und deroben genannte Hit – nach dem das Album übrigens bald umbenannt wurde – ist einer der großen Folk-Klassiker... und es gibt eben noch etliche feine Songs auf diesem Album. Danach ging Lightfoot erst einmal nach Nashville, was durchaus zu seiner Musik passt. Ob er sich von der Musik des Laurel Canyon beeinflusst sah, weiss ich nicht, ich bin mir aber sicher, dass etliche Musiker dort genau bei ihm hinhörten.

Poco

s/t


(CBS, 1970)

Die nominellen Hauptpersonen von Buffalo Springfield sind im Kosmos des Laurel Canyon untergebracht und eingeordnet – aber was ist mit Richie Furay und Jim Messina, den weniger berühmten, aber ebenso wichtigen Mitglied der Pioniere des Country-Rock? Nun, die hatten mit Randy Meissner, dem Steel-Guitar Könner Rusty Young und Drummer Gorge Grantham Poco gegründet, und mit Pickin' Up the Pieces im Vorjahr ein ganz exzellentes Debütalbum gemacht, das die Musik der Parade-Laurel Canyon Band Eagles sehr geschmackvoll vorweg nahm. Zum zweiten Album hatte zwar Bassist Randy Meissner die Band verlassen, aber mit Timothy B. Schmit kam vollwertiger Ersatz (... vor Allem was die Gesangs-Fähigkeiten angeht..) und Richie Furay gab seine bislang klare Führungsrolle als Songwriter ab, trug nur noch drei Songs zu Poco bei. Dafür hatte Lead-Gitarrist Messina mit „You Better Think Twice“ einen Song dabei, der einer der Band-Favoriten werden würde, und „Nobody's Fool“ vom Debüt wurde hier zu einem über 18-minütigen Jam, bei dem insbesondere Young sein Können an der Steel beweisen durfte. Das Album hatte aber trotz seiner Qualitäten, trotz der ausgefeilten Gesangsharmonien und eleganter Kompositionen nicht den erwünschten Erfolg – gerade mal #58 in den Charts – Ja, so hoch konnte man mit solcher Musik damals in den Charts kommen – und das Besetzungs-Karussell begann sich zu drehen... So wird man Meissner und Schmit bald bei den Eagles wiederfinden. Poco ist ein würdiger Nachfolger zum fantastischen Debüt, und hier ist das Beispiel für den soften Country-Rock aus dem Canyon.

Beach Boys

Sunflower


(Brother Rec., 1970)

Die Beach Boys sind natürlich auch schon von Beginn an Bestandteil der Laurel Canyon Szene, sie sind mit ihrem sanfteren Sound – ohne ausgedehnte Improvisationen und ohne ekstatische Verdrehungen so typisch L.A. Wie Bands wie Grateful Dead und Jefferson Airplane typisch San Francisco sind. Und mit den ausgefeilten Gesangsharmonien und den sommerlichen Songs ist dieser Sound auch ein wichtiger Einfluss auf den Soft-Rock der kommenden Jahre. Dabei sind die gelungenen Post-Pet Sounds Alben weit mehr als nur „soft“ (= leichtgewichtig). Und es sind einige: Smiley Smile ('67), Friends (68), 20/20 (69) – sie machen jedes Jahr ein kurzes, aber mindestens gutes Album – und nach Sunflower, dem Höhepunkt dieser Phase, werden noch Surf's Up ('71) und Holland (73) kommen.... Aber trotzdem waren die Beach Boys zu Beginn der 70er in den USA ziemlich weg vom Fenster – ihr Image war unmodern, sie waren eine Band aus Prä-Psychedelik Tagen und in den USA wurde Sunflower, ihr erstes Album für Warner Bros., so gut wie gar nicht wahrgenommen. Zu Unrecht. Die Band funktionierte nun doch wieder als Einheit, was sicher auch darauf zurückzuführen war, dass neben einigen neuen Songs von Bandgenie Brian Wilson sowohl sein Bruder Dennis als auch Bruce Johnson sich als Songwriter weiterentwickelt hatten und hervorragende Songs zum Album beitragen konnten. Dennis' „Slip On Through“ und Johnsons „Deirdre“ sind kaum schlechter als Vieles aus der großen Zeit der Beach Boys in den Mitt-60ern, „Add Some Music to Your Day“ und insbesondere das überirdische „Cool Cool Water“ von Brian Wilson haben endlich wieder die wunderbaren Harmony Vocals die nur die Beach Boys konnten. In den USA wurde die LP wie gesagt komplett ignoriert, in England erhielt sie immerhin gute Kritiken. Inzwischen gilt das Album zu Recht als eines ihrer Besten, und spätestens ab den 90ern haben Bands wie die High Llamas hier ganz genau zugehört.







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