In der UdSSR wird nun auch offiziell die sogenannte Perestroika von Michail Gorbatschow verkündet, die Neujahrs-Ansprache Ronald Reagans wird in der Sowjetunion im Fernsehen übertragen. Bei einem Besuch des amerikanischen Präsidenten in Berlin fordert dieser, die Mauer niederzureißen. Ende des Jahres vereinbaren die beiden Supermächte den Abbau der atomaren Mittelstreckenwaffen. Die Weltbevölkerung erreicht laut UN die 5 Milliarden Grenze. Am 19. Oktober gibt es am sogenannten Black Monday einen gewaltigen Börsencrash (Irgendwie interessant, dass in Zeiten der Entspannung die Geldmärkte wackeln...) und in Israel beginnt die Erste Intifada der Palästinenser. Andy Warhol stirbt in New York, ebenso Blues Musiker Paul Butterfield, Reggae Musiker Peter Tosh und Jazz Bassist Jaco Pastorius. 1987 ist das Jahr in dem sich in der Gegend um Seattle eine Band namens Nirvana gründet, das Jahr in dem mit Aretha Franklin die erste Frau in die Rock'n'Roll Hall of Fame aufgenommen wird und das Jahr in dem Michael Jackson mit Bad den Nachfolger zum Mega-Seller Thriller veröffentlicht. Ein aufgeblasener und uninspirierter Aufguss des aufgeblasenen und vom Kommerz inspirierten Vorgängers, der jedoch gekauft wird, als wäre er das Allheilmittel gegen den Niedergang der Popularmusik. Es ist auch das Jahr des Hair-Metal - zumindest kommerziell – mit der Veröffentlichung des Debüts von Guns N' Roses, U2 werden überlebensgroß, R.E.M. sind im Mainstream angekommen, im US-Underground beginnen Bands wie die Pixies, Sonic Youth, Replacements oder Dinosaur Jr. die Saat auszubringen die in den 90ern aufgehen wird. Dasselbe gilt für wirklich harte Musik jenseits von Hair Metal, wo Bands wie Anthrax und Heathen den Thrash Metal weiterführen und Bands wie Death, Napalm Death und Bathory ganze Sub-Genres anstoßen. Gothic Rock ist ein weiterer Trend mit Höhepunkten, und Prince ist die echte Alternative zum allgegenwärtigen Michael Jackson - während die wirklich gehaltvolle schwarze Musik namens HipHop sich ebenfalls im Aufwind befindet. Auch große Acts wie Sting, Springsteen und Fleetwood Mac bringen erträgliche Alben hervor und in England verabschieden sich leider die Smiths endgültig. '87 ist wie '86 und '85, nur das Angebot an Stilvarianten in der populären Musik ist inzwischen breiter gefächert und Geld fließt in dieser Zeit im Musik-Business in Strömen. Die Mini- und Mikro-Genre's der Neunzger bilden sich heraus, man könnte auch sagen, die Musik der Jugend wird immer beliebiger. Und vergessen will ich neben dem ob en gedissten Michale Jackson gerne – Whitney Houston, Rick Astley oder den Schweinerock von Whitesnake... nur um ein paar Beispiele zu nennen
Prince & The Revolution
Sign 'O' The Times
(Warner
Bros., 1987)
Nach dem (relativen) kommerziellen Mißerfolg von Parade und seinem begleitenden, eher peinlichen Film Under the Cherry Moon hatte Prince die carte blanche, die er für Purple Rain und Around the World in a Day bei Warner Bros. erhalten hatte, anscheinend verspielt. Prince selber hatte dafür allerdings wenig Verständnis und war entsprechend verärgert - zumal das bedeutete, dass Warner ihn zwang, Sign O’ the Times nicht als aufgeblähtes Tripel-Album zu veröffentlichen. Aber man muss gestehen: Das ist einer der wenigen Fälle, in denen das Einschreiten eines Labels dem Künstler zum Vorteil gereichen sollte, denn so wurde das Album als zwar chaotisches, sprudelndes, eklektizistisches, aber auch notwendig reduzierte Doppel-LP veröffentlicht. His Oneness hatte in der Zeit vor der Produktion den Kontakt zu seinen Mitmusikern eingeschränkt und nach der letzten Tour The Revolution in die Wüste geschickt – und nun quasi alleine Songs aufgenommen, in denen immer wieder apokalyptische Bilder von AIDS, Drogen, Bomben, kaputten Familien und weggeworfenen Babys auftauchten, bei denen aber auch immer wieder Hoffnung auf Gott, Liebe oder einfach nur Spaß dagegen gestellt wurde. Vom perfekten, wundervoll reduzierten Titeltrack (einem von Prince's besten Songs überhaupt) über das verspielte „Starfish and Coffee” bis zum lodernden Minneapolis-Funk von „Housequake” - dieses Album bietet auf 16 Songs mit das Beste, was Prince und die 80er zu bieten hatten. Und für die Wissenden gab es mit diesem Album vor Allem künstlerisch - und auch kommerziell - eine anständige Alternative zum (meiner Meinung nach) unerträglich durchgeplanten Produkt-Pop von Michael Jackson's Bad.
Prince - Sign O' The Times
Guns N' Roses
Appetite For Destruction
(Geffen,
1987)
Guns N’ Roses und ihr Debüt Appetite For Destruction sind wohl das willkommen ungeschminkte Gesicht des ansonsten doch ziemlich furchtbaren Hair-Metal. Die Band aus L.A. benutzten zwar dessen Image, trug vermutlich sogar die gebrauchten Klamotten der Bands aus dieser Szene, aber sie waren schmutziger und gefährlicher, ihr bluesiger Hardrock hatte mit AC/DC und Aerosmith genausoviel zu tun wie mit den Sex Pistols – und ihre Haare waren tatsächlich ungefönt – ja, man konnte sogar annehmen, dass sie ab und an ungewaschen waren! Sänger Axl Rose hatte erwiesenermaßen nicht nur die Fun-Seite des Lebens in L.A. gesehen, seine Art des Gesangs und seine Texte klangen nicht nur nach Attitüde, die Misogynie, der Ärger und auch die Ängste waren echt. Und er hatte nicht nur Ängste, er zeigte in der Power-Ballade „Sweet Child O' Mine“ sogar eine gewisse Verwundbarkeit – im Testosteron Genre doch eher unüblich. Der Horror des Lebens in einer Stadt wie L.A. wurde in Songs wie „Welcome to the Jungle“, dem Heroin-Song „Mr. Brownstone“ oder eben „Paradise City“ perfekt wiedergegeben. Aber all das hätte nicht gereicht und funktioniert, wären da nicht die klassischen Twin Gitarren von Izzy Stradlin und Slash und das Rhythmus-Fundament von Duff McCagan und Drummer Steven Adler gewesen. Inzwischen wird gerne vergessen, dass Guns N' Roses 1987 eine erfreuliche Überraschung waren - sie wirkten sogar ein bisschen skandalös und gefährlich - und diese verschworene Gemeinschaft spielte eines der besten Hard Rock-Alben der 80er ein. Cock-Rock? Ja, aber so funktioniert er und so macht er Spaß, und er führte dazu, dass sich ein paar andere Bands neben einer Attitüde auch auf die Qualität der Musik konzentrierten – Und vor Allem: „harter“ Rock oder meinetwegen „Metal“ fand (auch) durch sie ein breites Publikum, welches dann wiederum ein paar noch interessantere Bands wie etwa Metallica entdeckte... Und noch ein P.S. zum Albumcover - dass das tolle Covermotiv in den USA indiziert wurde (sexueller Inhalt ?) ist so traurig wie bezeichnend für die Fremdheit der Kultur da drüben...
Guns N' Roses - Welcome To The Jungle
The Smiths
Strangeways Here We Come
(Rough
Trade, 1987)
The Smiths
The World Won't Listen
(Rough
Trade, Rel.1987)
Strangeways Here We Come ist nach eigenen Aussagen sowohl das Lieblingsalbum von Johnny Marr als auch das von Morrissey - dabei erschien es sogar erst einige Zeit nach dem unerfreulichen Split der Band, zu einer Zeit also, als die beiden sich wohl ansonsten in Nichts einig waren. Und tatsächlich ist das Album fast so gut wie The Queen is Dead,- es gibt nur wenige Songs, die nicht an die Qualität des vorherigern Albums heranreichen. „A Rush and a Push and the Land Is Ours“ und „Stop Me If You Think You've Heard This One Before“ sind genau wie „Paint a Vulgar Picture“ enorm catchy. Die Band klingt reifer und ruhiger, sowohl das bittersüße „Girlfriend in a Coma“, als auch „Death of a Disco Dancer“ und das rührende „Last Night I Dreamt That Somebody Loved Me“ sind weit glatter als die Songs der vorherigen Alben. Hätten sie sich nicht schon aufgelöst, so würde Strangeways Here We Come als perfektes Übergangsalbum durchgehen können. So war es zumindest ein würdiger Schlußpunkt und man kann mit Recht – und voller Bedauern - spekulieren, ob die Smiths möglicherweise noch größer geworden wären – wenn auch vielleicht nicht unbedingt besser - wenn sie weitergemacht hätten. Letztendlich sollte ja dann zumindest die Solo-Karriere von Sänger Morrissey eine Fortsetzung der Musik der Smiths garantieren, zunächst aber gab es für die untröstlichen Fans der Band mit The World Won't Listen einen erquicklichen Nachschlag. Diese Compilation ist so etwas wie Hatful Of Hollow - Pt 2. Die Smiths hatten auch in den Jahren 85-87, nach dieser ersten fantastischen Compilation weiterhin etliche hervorragende B-Sides und Non-LP Singles veröffentlicht, die sie nun auf diesem und einem weiteren, teils deckungsgleichen Sampler verteilten. The World Won't Listen ist dabei dem für den amerikanischen Markt gedachten Louder Than Bombs vorzuziehen, da auf Letzterem auch einige Songs vom Debüt platziert wurden. Fans wollen freilich beide Alben ihr Eigen nennen, zumal es sonst nur wenige Überschneidungen im Material gibt. Auf Hatful... gibt es große, typische Smiths Songs wie „Asleep“, „Rubber Ring“, „London“, „Unloveable“, „Is It Really So Strange“ und natürlich „Panic“, „Ask“ und die große, verlorene Single „You Just Haven't Earned It Yet Baby“. Alles selbstverständlich Songs die sich auch auf einem der vier Studioalben der Band nicht hätten verstecken müssen - alles Musik, die die 80er erträglich machten.
The Smiths - Girlfriend In A Coma
The Smiths - You Just Haven't Earned It Yet, Baby
U2
The Joshua Tree
(Island,
1987)
1987 ist das Jahr, in dem Bono und U2 zu den Rock-Ikonen werden, als die man sie heute sieht. Es ist die Zeit, in der sie noch Suchende sind - Pilger auf einem neuen Kontinent, genau wie auf dem Cover abgebildet. Und auf ihrem 87er Durchbruchs-Album The Joshua Tree – ihrem besten neben dem Vorgänger The Unfogettable Fire – stellen sie sich auch musikalisch so dar: Ihr Trip in die USA veränderte ihren Sound, sie ließen sich von der amerikanischen Musik beeinflussen, aber sie machten es sich Gott sei dank nicht so einfach, nur Blues und Country auf ihre Musik aufzusetzen, sie ließen die amerikanische Musiktradition und ihre alten Sounds organisch in einander fliessen, blieben so nach wie vor als U2 erkennbar. Das liegt neben Bono's charkteristischer Stimme natürlich auch an Gitarrist The Edge, der seinen Sound lediglich um ein paar bluesige Nuancen erweiterte. Bonos schon immer etwas pathetische Texte sind aber hier vom „American Dream“ beeinflusst, er klingt so ernsthaft wie ein Wanderprediger, der voller Visionen aus der Wüste kommen – und es ist ein Image, das ihm gut zu Gesichte steht. Und vor Allem hatten sie genau dafür eine ganze Reihe von gelungenen Songs geschrieben: Hits wie “Where The Streets Have No Name”, “I Still Haven’t Found What I’m Looking For” und “With Or Without You” haben auch nach all den Jahren Nichts an Dringlichkeit verloren, zumal ihnen der damals so neue Klang ebenfalls bis heute hervorragend steht – was das Album in seiner Gesamtheit so besonders wirken lässt. The Joshua Tree zeigt U2 noch ein letztes mal in Unschuld und Ernsthaftigkeit, kurz bevor sie zum Mega-Act aufsteigen und die Ironie entdecken sollten.
U2 - With or Without You
Sonic Youth
Sister
(SST,
1987)
Ein echter Kandidat für das beste Album des Jahres 1987 ist zweifellos auch Sister von Sonic Youth. Inzwischen mag es EIN Noise/ Alternative Rock Alben unter vielen geworden sein, aber die Stellung der Band als Vorreiter und Paten einer „Szene“ die es zu dieser Zeit eigentlich noch garnicht gab, ist unbestritten. Sister beendete faktisch die Zusammenarbeit von Sonic Youth mit dem verdienstreichen Punk Label SST Records (über dessen Geschichte und weitere bahnbrechende '87er Alben ich an anderer Stelle berichten will...) und es fasste alle Stärken und Fähigkeiten der vier New Yorker Musiker perfekt zusammen: Thurston Moores Noise-Gitarren, Kim Gordons einzigartig coolen Gesang. Lee Renaldos Melodien und Steve Shelleys beste Drum-Performance. Noise, surreale Songs. Kraft. Ruhe. Perfektion: Opener „Schizophrenia“ weist schon den Weg in melodischere Gefilde, aber immer noch gibt es diese Collagen aus Noise und Distortion, mit denen sie den Untergrund aufgewühlt hatten. Und unter all dem Lärm findet man Struktur und Songs von überraschender Schönheit, findet man das, was Sonic Youth in den kommenden Jahren immer wieder so besonders machen sollte – und was sie von ihren Kollegen Swans (siehe weiter unten) unterschied. Das Album strahlt bei aller experimentellen Kompromisslosigkeit eine erstaunliche Wärme aus. Hätten die vier Musiker aus Sister und dem Vorgänger EVOL ein einziges Album destilliert, so wäre es besser als der legendäre Nachfolger Daydream Nation. So ist Sister „nur“ ein weiteres fantastisches Album einer der größten Bands der 80er und 90er Jahre.
Sonic Youth - Schizophrenia
Swans
Children Of God
(Caroline,
1987)
Ich bleibe in New York's Noise-Szene: Swans Kopf Michael Gira bezeichnet Children of God als Wendepunkt in der Geschichte seiner Band. Und tatsächlich begannen auch seine Swans die harten Noise-Rock-Strukturen der Vorgänger-Alben um melodiöse Komponenten und akustische Instrumentierung zu erweitern. Vielleicht war es hier der wachsende Einfluß von Gira's damaliger Lebensgefährtin, der Musikerin/Performance Künstlerin Jarboe, der die notwendige Erweiterung des Konzeptes forcierte. Und natürlich war auch der Schlaukopf Gira selber klug und abenteuerlustig genug, die Notwendigkeit einer Erweiterung des Sounds seiner Band zu erkennen. Aber natürlich sind auf diesem Album auch immer noch genug Songs von der bekannten und bei den Swans üblichen drastischen Brutalität. Sie sind ja selbst in den 00er und 10er Jahren – zwanzig Jahre später also – eine Band, die Musik eher als physische Tortur erleben lassen. Hier beginnt "Child“ mit Gewehrschüssen und beschreibt die Hinrichtung von Kindern aus Sicht des Henkers – Sie waren eben immer drastisch in der Wahl der Mittel und Themen. „New Mind“ erinnert ebenso an die tribalistischen harten Songs der Vorgängeralben, ist mithin Swans, wie man sie immer erinnern wird, aber der Text immerhin weist auf Veränderungen hin. Gira sagte es ja auch selber: „Ich wollte mich anderen Dingen zuwenden und nicht in irgendeinem Musikstil verharren, der in unserem Fall hätte albern werden können, wenn wir einfach so weiter gemacht hätten....“ Children of God ist somit ein bedeutender Wendepunkt für die Swans, und die hier eingeschlagene musikalische Richtung ist der fruchtbare Boden, auf dem kommende Alben – insbesondere die mit den „Nebenprojekten“ und nach einem mehrjährigen Hiatus auch die Musik der Swans bis weit ins nächste Jahrtausend wachsen werden. (... was heisst, dass all die Liebhaber von The Seer und To Be Kind sich dieses Album anhören sollten...).
Swans - Children of God
R.E.M.
Document
(I.R.S.,
1987)
Und hier nach U2 der nächste Mega-Act der Neunziger an der Schwelle zum Ruhm: Document ist das letzte R.E.M. Album für das Indie-Label I.R.S., die letzte Platte bevor sie in den Augen vieler fundamentalistischer Fans ihre Glaubwürdigkeit verloren und sich „an die Industrie (= Warner Bros.) „verkauften“ - was ich persönlich für eine elitäre Unsinns-Aussage halte. Schon mit dem Vorgänger Lifes Rich Pageant waren R.E.M. Insofern „kommerziell“ geworden, als sie einen weicheren Sound, „schönere“ Melodien gefunden hatten. Aber Document hat noch variablere und zugleich dringlichere Songs, Co-Producer Scott Litt – der die Band von nun an für etliche Jahre begleiten sollte – gab R.E.M. einen noch transparenteren, noch kraftvolleren Sound als zuvor – was wie gesagt von Manchen als Kommerzialisierung gesehen wurde, in Wahrheit aber nur ein natürlicher Schritt in der Entwicklung ihrer Musik war. Dazu kam die Tatsache, dass Michael Stipe auf einmal verständlich sang, nicht mehr so nuschelte - auch wenn manche Texte nach wie vor kryptisch blieben. „Finest Worksong“ und das rasante Stream-of-Consciousness „It's the End of the World as We Know It (And I Feel Fine)“ sowie der Überrschungs Top-Ten Hit „The One I Love“ jedenfalls bersten auch in modischerem Klang regelrecht vor Energie und Gitarrenriffs. Und R.E.M. wurden tatsächlich explizit und verständlich politisch: Im Jangle Pop von „Welcome to the Occupation“ und bei „Disturbance at the Heron House“ oder „King of Birds“ definierten sie musikalisch den Begriff „political correctness“ (der ihnen später auch im negativen Sinne als Naivität angelastet wurde). Das Wichtigste an Document aber sind und bleiben die memorablen Tunes und die wütende Energie mit der sie rausgehauen wurden. Ich sage: R.E.M. wurden nicht schlechter, sie wurden nur erwachsen.
R.E.M. - Its the End of the World as We Know it
The Replacements
Pleased To Meet Me
(Sire,
1987)
So Mancher bevorzugt die frühen Alben der Replacements für Twin Tone – die beeindruckend sind – aber die Trilogie der Sire Alben der Mitt-Achtziger (Tim, Pleased... und Don't Tell a Soul..) kann meiner Meinung nach locker mithalten, ist sogar teils befriedigender weil besser produziert, und die überbordende Energie der Band in Bahnen lenkt – oder eben zähmt - wie die Kritiker sagen. Das Highlight dieser zweiten Trilogie ist ohne Zweifel Pleased to Meet Me, denn hier sind einige der besten Momente der Band und ihres inzwischen völlig konkurrenzlosen Leaders Paul Westerberg eingefangen: Der huldigte in einem der besten Songs des Albums dem Vorbild und Big Star Boss “Alex Chilton”. Andere Songs wie “Never Mind”, “Skyway” und vor allem “Can’t Hardly Wait” sind vielleicht ein kleines bisschen gebremster als die Songs auf dem anderen, ungezügelteren Klassiker der Band - Let It Be - aber sie zeigen zugleich, dass Westerberg als Songwriter besser geworden war. Pleased to Meet Me klingt durch die Dichte an guten Tunes mitunter wie eine Best-Of Compilation. Sie hatten den Gitarristen Bob Stinson gefeuerte und waren nach Memphis gegangen um mit dem legendären Jim Dickinson aufzunehmen, und der versuchte nicht, einfach nur, Westerbergs ungezähmtes Geheul oder die Angriffslust der Band zu disziplinieren, sondern er zwang sie auch noch dazu, “in tune“ zu bleiben und die Songs vorher anständig einzuüben – eine vorgehensweise, die die Band zuvor vermieden hatte. Dann holte er noch seinen Sohn Luther und den besungenen Alex Chilton zu den Sessions - und machte so den Unterschied. Aber vor Allem ist dieses Album– wie oben gesagt – Paul Westerbergs endgültiger Durchbruch als Songwriter: Er konzentrierte sich auf seine Qualitäten und machte eines der besten Alben seiner Karriere – allerdings wurde mit diesem Album auch deutlich, dass der Typ bald seine Band nicht mehr brauchen würde. Dinge verändern sich...
The Replacements - Can't Hardly Wait
The Silos
Cuba
(Watermelon,
1987)
…. und hier nun wieder eines von diesen persönlichen Lieblingsalben, das in den üblichen Jahres-Polls und -Charts nicht so oft vorkommt. Die persönliche Note in diesem Artikel sozusagen... Die New Yorker Band The Silos wird gerne mit dem Begriff Alternative Country zusammengebracht – was zwar irgendwie berechtigt ist, aber zugleich ein bisschen zu kurz greift. Gegründet von dem kubanisch-amerikanischen Songwriter Walter Salas-Humara und dem Country/Punk Visionär Bob Rupe hatten sie '87 schon ein hoch gelobtes Debütalbum hinter sich und ihren sehr eigenen Stil etabliert. Die Silos spielen Country, gefiltert durch die Augen eines New Yorkers – und genau das sind sie ja auch. Bei ihnen klingen R.E.M. und Gram Parsons durch, aber auch die Feelies und Velvet Underground – was Cuba dann auch zu einem Album macht, das weit tiefer gründet als der übliche Alternative Country - Kram. Der Opener „Tennessee Fire“ beginnt mit dem nervösen, an die erwähnten Feelies erinnernden Drumming von John Galway und endet mit dem Wirbel von Mary Rowell's Violine, das akustische „Margaret“ wird von Steel-Guitar Richtung untergehende Sonne geschoben, aber egal, was sie spielen, immer wieder unterlegen Keyboard, Cello oder Violine den Song mit einem Drone, den man eher mit den urbanen Klägen der Velvet Underground verbindet und der so garnicht zu sschlichter Cowboymusik passen will. Lyrics mit klugen Alltagsbeobachtungen, die etwas teilnahmslos klingende Stimme von Salas-Humara, all das hebt Cuba auf eine ungewohnte Ebene und gibt den Kick in Richtung größere Bedeutung - und macht es zu einem erstaunlichen Album das für mich ein zugegebenermaßen sehr unauffälliger „Klassiker“ sein könnte.
The Silos - Tennessee Fire
Bathory
Under The Sign of the Black Mark
(Black
Mark, 1987)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen