Montag, 1. Mai 2017

1953 - Stalin's Tod und Queen Elizabeth's Krönung - Peggy Lee bis Hank Williams

Im Jahre 1953 stirbt Josef Stalin in der UdSSR und der Prozess der Entstalinisierung beginnt, in dem Wirtschaft und Gesellschaft ein wenig aus dem Griff der kommunistischen Partei entlassen werden. In der DDR kommt es wegen dieses Tauwetters zu Unruhen, die jedoch von der Armee niedergeschlagen werden. In Großbritannien wird die junge Elizabeth gekrönt und bis weit ins kommende Jahrtausend die Queen bleiben. Der Korea-Krieg endet und Fidel Castro versucht in Kuba an die Macht zu kommen, scheitert aber zunächst, die UdSSR zündet jetzt auch eine Wasserstoffbombe und zieht im Rüstungswettlauf mit den USA gleich. Der Mount Everest wird erstmals bestiegen. 1953 ist das Geburtsjahr von Musikern wie Mike Oldfield, Andy Partridge (XTC) und Lucinda Williams. Mit Hank Williams stirbt viel zu früh der größte Country Musiker aller Zeiten an einer Medikamenten und Alkohol-Überdosis. Auch der Jazz-Gitarrist Django Reinhardt stirbt. Bis zum Urknall des Rock'n'Roll ist es noch einiges hin und noch ist Jazz in Form von BeBop Avantgarde, Musiker wie Thelonius Monk, Miles Davis, Chet Baker oder Sonny Rollins setzen ihre Duftmarken, aber all das geschieht noch nicht im Glamour des Pop-Business sondern eher im Verborgenen und auch nicht in der Form, in der wir es kennen. Es gibt keine LP's im Pop oder Jazz-Bereich (Longplayer gibt’s nur bei Klassik..), alles wird auf 78ern, 10''- Alben etc veröffentlicht und ist erst Jahre später in LP- Form erhältlich. Derweil leiden in den USA die Anänger der Bürgerrechtsbewegung – und mit ihnen die Musiker des „Folk Revival“ - immer noch unter der von Senator McCarthy angestoßenen Kommunisten-Hetze. Für Konservative Amerikaner ist alles, was alt ist, sich kritisch mit den Härten der arbeitenden (Land)bevölkerung beschäftigt oder gar gleiche Recjte für Schwarz und Weiss fordert kommunistisch und somit zu verbieten. Die 50er scheinen aus unserer fernen Perspektive harmlos, aber das waren sie nicht. Es mag unschuldige populäre Musik geben wie die des Schnulzensängers Perry Como aber der Jazz bietet mit Künstlern wie Peggy Lee, Billie Holiday, Charlie Parker oder Thelonius Monk – Künstlern, die ab hier nicht in großen Big Bands spielen, sondern sich „Solo“ (bzw. mit kleiner Band) verwirklichen, ein gewisses Maß an Subversion.

Peggy Lee

Black Coffe with Peggy Lee


(1953, Decca)

Black Coffee von Peggy Lee wurde ebenfalls - wie viele Alben der frühen 50er - zunächst als 10'' Album mit acht Tracks veröffentlicht. In der um weitere vier Tracks erweiterten LP-Form wurde es erst 1956 herausgebracht – und danach etliche Male re-released. Julie London, Anita O'Day, Blossom Dearie oder eben Peggy Lee – sie alle hatten bis 52-53 in diversen Big Bands mitgesungen (Peggy Lee bei Benny Goodman...) sie alle waren weiße Vocal Jazz Sängerinnen um die Dreißig und sie alle machten ab jetzt eine Art von Musik, die heute zutiefst unmodern erscheinen mag. Diese Musik scheint aus heutiger Sicht einer Zeit zu entstammen, in der „gay“ noch glücklich bedeutete, und Rock'n'Roll noch in weiter Ferne lag. Allerdings geht es bei genauerem Hinhören erfreulich subversiv zu (... mal ganz abgesehen von der Tatsache, dass in den Fünfzigern eben auch NICHTS wirklich harmlos war...). Lee hatte sich von Capitol, ihrem alten Label, gelöst und durfte nun bei Decca mit kleiner Besetzung ein eher dunkel gefärbtes Album aufnehmen. Die Songauswahl war (mit ein paar Ausreißern) entsprechend intim: Der Titelsong gehört in die Top Ten aller Torch Songs, aber auch „It Ain't Necessarily So“ und „Gee, Baby, Ain't I Good to You?“ waren das perfekte Vehikel für ihre ganz leicht angeraute Stimme. Die Tatsache, dass sie - wie all die nachfolgenden Jazz-Sänger/innen der kommenden Jahre - sog. „Standards“ sang, ist ein Zeichen dieser Zeit. Man kann sich ja mal den Spaß erlauben die diversen Versionen verschiedener Sängerinnen eines solchen Standards wie „I've Got You Under My Skin“ von Cole Porter zu vergleichen... Peggy Lee erwies sich als Meisterin ihres Faches, klang seidig, elegant und intim, aber auch bei schnelleren Stücken hielt sie die Zügel in der Hand und machte aus Black Coffee eines der besten Vocal Jazz Alben aller Zeiten – zumal es eines der ersten dieser Art ist. Es mag bezeichnend sein, dass Koryphäen wie Satchmo und Duke Ellington große Stücke auf sie hielten und dass Joni Mitchell dieses Album als eines ihrer liebsten und einflussreichsten benannte.

Billie Holiday

An Evening With Billie Holiday


(Clef, 1953)

Die 1915 geborene Billie Holiday war in den Fünfzigern schon eine gezeichnete Person. Sie hatte bis 1950 für Decca Singles (78er) aufgenommen, war aber wegen ihrer Drogengeschichten 1947 acht Monate im Gefängnis gewesen und hatte danach kaum noch die Möglichkeit gehabt aufzutreten – was ihrem Drogenkonsum auch nicht unbedingt ein Ende setzte. Dann hatte der Jazz Entrepreneur und Label Eigner Norman Granz sie unter Vertrag genommen um mit ihr mit kleiner Bandbesetzung das neue Medium – das sogenannte Album – zu nutzen. Der Live-Mitschnitt An Evening With Billie Holiday (ihr zweites - nach einem Studio-Album, das ich für '52 besprochen habe) wurde dazumal als 10“ veröffentlicht und später um diverse Tracks erweitert - und es zeigt die begnadete Sängerin zwar noch nicht in so desaströser Verfassung, wie zwei Jahre später, aber ihre Stimme klang auch hier schon auf tragische Weise mitgenommen. Was der Intensität ihres Vortrages allerdings keinen Abbruch tut, im Gegenteil, manche Hörer ziehen die Aufnahmen ab '52 denjenigen aus den 30ern und 40ern vor, nun hatte sie ihre Geschichten offenkundig auch gelebt. Die Begleiter auf den acht Tracks sind von erster Güte: Barney Kessel an der Gitarre, Oscar Peterson am Piano, Ray Brown am Schlagzeug.... alles Namen, die in diesen und den kommenden Jahren für Qualität stehen sollen. Und dass Billie Holiday aus Songs wie „Stormy Weather“ oder Irving Berlin's „Yesterdays“ alles herausholen konnte, ist sowieso klar. Ab jetzt kamen in loser Reihenfolge diverse Alben heraus, Billie Holiday ging es dabei zwar gesundheitlich immer schlechter, aber die Musik der folgenden sechs bis sieben Jahre ist – zum Mindesten - ergreifend. Als Höhepunkt gilt das 58er Album Lady in Satin – nur Monate vor ihrem Tod aufgenommen mit Orchesterbegleitung mit dem von Sinatra bekannten Arrangeur Ray Ellis. Aber die Jazz Alben dieser Zeit sind kein bisschen schlechter. Sie zeigen, warum sie als größte Jazz-Sängerin mit tiefblauem Hintergrund gesehen wird.

Thelonius Monk Trio

Thelonius


(Prestige, 1953)

Diese 10’’Sache wiederholt sich natürlich auch hier... Die später erweiterte LP hatte dann neben den sechs Songs aus zwei Sessions mit Gary Mapp am Bass und Art Blakey und Max Roach an den Drums noch zwei zusätzliche Tracks („Blue Monk” und „Just a Gigolo“)... aber egal. Wichtig ist, dass Monk hier Musiker dabei hatte, die seiner Musik zu folgen in der Lage waren, dass er nun – nach den Compilations mit Tracks aus den Jahren '47 bis '52 auf Blue Note (siehe 1952...), ein erstes neues Album machen durfte. Es ist aber sicher so, dass Songs wie der Opener „Little Rootie-Tootie“ oder „Monk's Dream“ mit ihren krachenden Piano-Chords, mit ihrer seltsamen Dissonanz 1953 für die meisten Hörer immer noch harter Tobak waren – so etwas klang dem an den Big Band Sound gewöhnten Jazz-Hörer zu exzentrisch. Monk vermied weiterhin eingefahrene Pfade, war ja allein schon mit der Trio-Besetzung außerhalb der Norm und wurde dafür zunächst für verrückt oder zumindest für unfähig zu vernünftigem Piano-Spiel erklärt. Die Haltung vieler damaliger Verächter entspricht damit der, die so mancher heute noch gegenüber abstrakter Kunst hat: „Das kann doch jeder...“ - und sie ist auch genauso ignorant. Heute hören sich Songs wie „Trinkle Tinkle“ vielleicht nicht mehr ganz so revolutionär an. Da sind die Melodien dann doch zu deutlich erkennbar und die Ohren der Jazz Hörer durch Free-Jazz zu sehr an Abstraktion gewöhnt, aber die Musik auf Thelonius scheint mir dennoch und auch heute immer noch recht ungewöhnlich mit ihren Clustern und Trillern, mit diesem herrlich pulsierenden Bass und der virtuosen Schlagzeugbegleitung und sie klingt heute auch ungewöhnlich „fröhlich“ und lebendig für Jazz, jaja, was für Zeiten – und das nach all den Jahren. Erstaunliches Album – und ein Hinweis auf die kommenden Revolten im Jazz.

Bascom Lamar Lunsford

Smoky Mt. Ballads


(Folkways, 1953)

Bascom Lamar Lunsford war seinerzeit so etwas wie die lebene Schatzkiste der amerikanischen Folk-Musik – einer Musik mithin, die in den frühen Fünfzigern meist von Spezialisten gehört und auf alten Schellack-Platten gesammelt wurde, die aber immer noch sehr lebendig in den Farmhäusern in abgelegenen Tälern der Appalachen gespielt wurde (… und bis heute gespielt wird...). Er kann ganz wunderbar als Beispiel für das Wiederaufleben der Folk-Traditionen der USA herhalten, denn zwei seiner alten Songs – 1928 aufgenommen - sind auf Harry Smith's Anthology of American Folk Music enthalten(Siehe 1952...). Und „I Wish I Was a Mole in the Ground“ hat via Bob Dylan (auf Blonde on Blonde...) und andere Zitierende insbesondere ob seiner absurden Grausamkeit den Weg ins Bewusstsein der jungen Bürgerrechtler/ Folk- Generation gefunden. Dabei war der gelernte Jurist und Appallachen-Heimatforscher Lunsford 1953 rüstige 65 Jahre alt, performte durchaus noch und nahm '53 mit dem regen Folkways-Label eine Kollektion aus seinen über 100 gelernten Songs neu auf. Ich vermute selbst McCarthy hätte aus den gottesfürchtigen, geisterhaften (und mitunter auch sehr grausamen) Lyrics der auf Banjo und Mandoline vorgetragenen Weisen keine kommunistische Hetze herauslesen können. Viele der Songs hier hatte Lunsford schon in den Zwanzigern auf Singles aufgenommen, er hatte damals sogar in einem gewissen Maße kommerziellen Erfolg damit gehabt, er war 1939 von Präsident Roosevelt zu einem Auftritt vor dem britischen König geladen gewesen, er hatte in den Vierzigern Aufnahmen für die Library of Congress gemacht (Songs über die Ermordung dreier US Präsidenten...), er war politisch für die Demokraten tätig gewesen und hatte Musik für den „New Deal“ gemacht... er war kurz gesagt sehr umtriebig gewesen. Mit den Smoky Mt. Ballads gab es nun einen neuen Hinweis auf die Kraft und Lebendigkeit amerikanischer Folk-Musik fernab von Blues und Jazz. Dass Lunsford seine Songs immer fein beschlipst im Anzug mit weissem Hut vortrug, dass er als Kind einen urtümlichen Banjo-Stil gelernt hatte, dass sein Vortrag nun gereift und authentisch war – all das lässt diese Songs heute noch so glaubhaft und zeitlos klingen. Jazz war im Umbruch (zu einer i.m.o. Extrem spannenden Musik). Diese Musik, amerikanischer Folk – war schon seit Jahrzehnten spannend. Der Vorteil der Smoky Mt. Ballads gegenüber den „historischen“ Aufnahmen (die allesamt heute beim Smithsonian Folkways Label erhältlich sind): Die Klangästhetik ist moderner, unsere Ohren kommen damit besser zurecht. Und ganz nebenbei: Es gibt noch weitere Musiker aus der Anthology..., die in den kommenden Jahren neu- bzw. wieder entdeckt werden. (Dock Boggs, Roscoe Holcomb, Clarence Ashley, Buell Kazee). Hier also frische Wurzeln zum Folk der frühen Sechziger

Hank Williams

...as Luke the Drifter

(MGM, Rec. '50-'52, Rel. 1953)

Zunächst der Hinweis – wie gesagt stirbt Hank Williams in der Silvesternacht 52/53 auf dem Rücksitz eines Auto's, das ihn zu einem Konzert fahren soll an einer Überdosis von Medikamenten und Alkohol. Noch im selben Jahr werden im üblichen 10'' Format ein „Album“ mit dem Titel Memorial Album mit sechs seiner größten Hits veröffentlicht, sowie mit Luke the Drifter eine weitere 10'' die man als echtes Konzeptalbum bezeichnen kann. Luke... ist ein Album, das eine alte Tradition der Countrymusik aufnimmt. Williams hatte mit seinem Produzenten Fred Rose zwischen 1950 und -52 - gegen dessen Bedenken - einige Songs aufgenommen, bei denen er eine Art Country-Talking Blues praktiziert, eher moralisch verbrämte Geschichten erzählt, wie es in den 40ern wohl angesagt war, die, in den 50ern als 7''es veröffentlicht - wenig kommerziellen Erfolg hatten. Nach Williams' Tod verlangten die Hörer nach Material, und so war es Zeit, auch diese Songs unter dem Titel Hank Williams as Luke the Drifter zu veröffentlichen. Tatsächlich kündigte Williams Songs wie „Pictures From Life's Other Side“ bei seinen Auftritten und Radio-Shows mit den Worten an: „And here's a number by one of my closest relatives, Luke the Drifter...“ Williams sah in seinem Alter Ego die Möglichkeit, finstere Geschichten, die dunkle Seite des Lebens zu besingen und zu beschreiben - durchaus auch eine Moral vertretend, die er unter seinem echten Namen links liegen ließ. Durch die bedächtig erzählten und mitunter ziemlich moralin-sauren gesprochenen Einleitungen mit schwellender Orgel und weinender Steel im Hintergrund haben die Tracks heute etwas komisches. Und die Song-Titel, die unter dem Alias Luke the Drifter 1953 auf der 10'' veröffentlicht wurden, sagen alles: „I Dreamed About Mama Last Night“, „Be Careful Of Stones That You Throw“, „Men With Broken Hearts“ und zuletzt das komplett gesprochene „The Funeral“... Aber natürlich gab es noch weitere Songs, die Hank mit diesem Konzept im Kopf aufgenommen hatte – so entstanden im Laufe der Jahre etliche Versionen dieses Albums, auf denen dann auch Klassiker wie „Ramblin' Man“ und das buchstäblich auf Hank zutreffende „I've Been Down That Road Before“ ergänzt wurden. Man muss bedenken – Hank Williams nahm das wirklich (und hörbar) ernst, schließlich entstammte er einer Gesellschaft, welche die hier gezeigte teilweise quälend rigide Moral lebte – oder zumindest zu leben vorgab. Die Songs von Williams als Luke the Drifter zeichnen ein Bild einer Gesellschaft, die auch heute noch in Teilen der USA existiert. Dass manche dieser Songs auch musikalisch beeindrucken, zeigt, warum Hank Williams bis heute als einer der größten Musiker Amerika's gilt. Kein Wunder, dass Dylan ihn – auch in dieser Version – verehrt.



















Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen