Mittwoch, 5. April 2017

1988 - Hurricane Gilbert und George Bush und der Iran-Irak Krieg - Sonic Youth bis Cowboy Junkies

Der Iran-Irak Krieg endet aber die USA führen zuletzt noch eine Seeschlacht gegen den Irak, bei der eine unbeteiligte Passagiermaschine abgeschossen wird. Der Republikaner George Bush wird Präsident der Vereinigten Staaten und in der UdSSR verkündet Michail Gorbatschow, dass jeder sozialistische Staat sein Gesellschaftssystem selber wählen darf. Die sogenannte Perestroika führt somit zur Entspannung im Ost-West Konflikt – und in der Folge zum Auseinanderfallen des Ostblocks. Im Irak kommen bei einem Giftgasangriff der irakischen Armee auf eine von Kurden bewohnte Stadt tausende Menschen um, in Myanmar sterben Tausende bei der Zerschlagung der Demokratiebewegung und bei einem Erdbeben in Armenien sterben 25.000. Und in den USA richtet der Hurrikan „Gilbert“ die größten bislang ermittelten Zerstörungen an: Eine Warnung vor den klimatischen Veränderungen, die bald immer deutlicher werden. Gil Evans, Chet Baker, Nico und Roy Orbison sterben. 1988 ist ein Jahr mit einer Menge musikalischer Höhepunkte im Albumformat. HipHop's Golden Years beginnen. Er wird gefährlich und kommerziell erfolgreich – manchmal auch gefährlich albern mit seiner macho-haften Gangsta-Attitüde - wobei man allerdings zugeben muß, dass da Realitäten geschildert werden. Kleine, unabhängige (independent...) Plattenfirmen wie 4AD, Rough Trade, Beggars Banquet oder SST bringen Platten heraus, die zu Klassikern werden – mit unterschiedlicher Musik, die unter dem Oberbegriff „Indie“ einen undefinierten Stilmix zusammenfasst, der aber dann mit dieser Bezeichnung bis weit in die Neunziger durch die Musikwelt geistert. Da gibt es z.B. Bands, die Rückkopplung von Gitarren als wichtigstes musikalisches Element entdecken (siehe Galaxie 500 oder My Bloody Valentine), während in Seattle und Umgebung im Underground Punk und Beatles verquirlt werden. Und ganz harte Musik wird noch härter - Bands wie Carcass, Napalm Death und Death deklinieren den Sound der Sub-Genres der kommenden Jahre durch, aber noch gilt diese Musik Vielen als reiner Krach. Prince veröffentlicht seine letzte wirklich große LP, Country-Rock wird durch hinzufügen von Punk-Einflüssen allmählich zu Americana und Talk Talk und Mary Margaret O'Hara machen Platten jenseits aller Kategorien, die zu mehr oder weniger bekannten Klassikern werden. Es gibt einige ganz hervorragende Alben, aber auch Musik, die ich hier nur ganz kurz erwähnen will, weil sie so komplett unnötig ist. Daß in diesem Jahr die CD erstmals höhere Verkaufszahlen hat als die LP, ist schon schlimm genug, aber ganz vergessen will ich Bon Jovi und andere peinliche Dicke Eier-Rockmusik oder Luther Vandross und seinen Schmuse-Soul oder gar Boygroups mit Konfektions-Pop wie die inzwischen hoffentlich vergessenen Bros.

Sonic Youth

Daydream Nation


(Blast First, 1988)

"Sheets of sound" ist eine Bezeichnung für Musik, die meist mit John Coltranes tonal/atonalen und virtuosen Saxophon Klangwellen verbunden wird, sie passt jedoch durchaus auch auf die sonischen Attacken, die Sonic Youth auf Daydream Nation auf ihre Hörer losließen. Wellen von Feedback und dissonanten Akkorden, ein Meer aus Noise, auf dem zu surfen nicht gerade einfach war, denn es handelt sich um trügerische See mit Untiefen und gefährlichen Strömungen. Daydream Nation ist mystisch und seltsam. Surreale Texte ("Here he comes again/ Magic Monkey Friend" - „Total Trash") treffen auf gewagte und seltsam harmonische Tunes. Dieses Album ist aufregend, immer wieder unvorhersehbar und gilt nicht umsonst als Meilenstein – zumindest in Bereichen der Musik, die unterhalb des kommerziellen Radars der Dümmlichkeiten der Reagan Jahre in den USA stattfand. Sonic Youth wurden bis dahin oft mit Velvet Underground verglichen, obwohl sie doch schon auf den beiden vorherigen Alben eigene Wege gegangen waren, obwohl sie aus einer eher akademischen Kunst-Szene kamen, die den Lärm schon lange als Kunstform erkannt hatte und ihn nicht als reines Mittel zur Zerstörung altbekannter Schemata nutzte. Nun demonstrierten sie mit mit ihrer eigenen Mixtur aus Noise, Improvisation und Pop, dass anspruchsvolle Musik voller Schönheit sein kann, dass man Zugänglichkeit und Lärm miteinander verbinden kann. Man höre „Teen Age Riot“, „Total Trash“ oder „Candle“ und sieht: Dieses Album steht auf gleicher Höhe neben Zen Arcade und The Velvet Underground & Nico – und es diente in den folgenden Jahren Legionen von Bands als Quelle der Inspiration. Es machte aus Kunst und NoisePop und NoisePop zu Kunst.

Talk Talk

Spirit Of Eden


(Parlophone, 1988)

Ich stelle ja gerne das (mir) wichtigste Album des jeweiligen Jahres ganz an den Anfang eines solchen Artikels. Und eigentlich ist Spirit of Eden im Jahr 1988 das beste aller Alben - eigentlich ist es eines der besten Alben aller Zeiten... Aber ich habe hier nun Sonic Youth's Daydream Nation vorangestellt, weil es größeren Einfluss hatte, mehr Musiker von ihm deutlich beeinflusst sind. Spirit of Eden ist ein Solitär, nur wirklich vergleichbar mit seinem Nachfolger... es war seiner Zeit weit voraus bezüglich Stimmung, Instrumentierung, Arrangements, Konzept und Produktion, und man kann Spirit of Eden - im höchsten Falle wenn man will - als erstes „Post Rock“ Album bezeichnen. Jedenfalls waren Talk Talk auf ihrem vierten Album eine vollkommen andere Band als zu Beginn ihrer Karriere. Ende der Achtziger war aus einer synthetischen Charts-Pop Maschinerie eine lose Versammlung von Musikern geworden, die mit Dobro, Harmonium, akustischem Bass, Ausbrüchen auf der Blues Harp, Strings, Gitarren-Noise und mit einem Kinderchor etwas einzigartig Schönes erschufen. Über all dem lag Bandkopf Mark Hollis' fragiler Gesang und sein so harmonisches Songwriting, dem man die Vergangenheit in den Pop-Charts immer noch anhören konnte - der sich aber nach dem schon erstaunlich komplexen Vorgänger The Colour of Spring nun endgültig in Richtung Kunstlied verabschiedete. Zwei Jahre zuvor war man sich ja noch nicht sicher gewesen, wo Talk Talk sich hin bewegen würden, aber Spirit of Eden war dann eindeutig. Spiritualität spielt sowohl bei der Musik als auch bei den Lyrics eine große Rolle, und das Album besteht aus sozusagen nach Innen gekehrten Texten und Songs – Songs die eher Meditationen gleichen, die erstaunlich organisch von Stille bis ins symphonische Chaos stürzen. Miles Davis, Can, die Velvets und klassische Musik werden zitiert ohne zu dozieren oder zu kopieren. Selten war Musik emotionaler, selten wird der Hörer auf so faszinierende Weise in ihren Bann gezogen – es ist emotionale Kopfmusik, konstruiert, ohne konstruiert zu wirken, zufällig erscheinend, aber doch geplant – und nur durch den Nachfolger Laughing Stock noch einmal erreicht. Spirit of Eden ist eines der originären Meisterwerke der Musik und steht außerhalb des Kontextes der Pop- oder Rockmusik – und hat ganz nebenbei auch mit dem, was in zehn Jahren Post Rock genannt wird, letztlich wenig zu tun.

Pixies

Surfer Rosa


(4ad, 1988)

Frank Black, Kim Deal, Joey Santiago, und David Lovering waren The Pixies und 1988, als die Radiolandschaft mit Synth-Pop und Hair-Metal kontaminiert war, waren es diese vier „Oddballs“, die den Alternative Rock in die Richtung schoben, die in den Neunzigern vorherrschend werden würde – und dann in gezähmter Form zum Mainstream mutierte. Hüsker Dü und die Minutemen übertrumpften sich in dieser Zeit und zum Ende ihrer jeweiligen Karrieren gegenseitig mit Doppelalben und Sonic Youth pflügten die Noise-Landschaften durch, aber die Pixies machten mit Surfer Rosa (und dem Nachfolger Doolittle ) etwas ganz Anderes. Sie zeigten, dass Musik bedrohlich und wahnsinnig und zugleich Pop sein kann. Hüsker Dü mögen ähnlich getrieben klingen, aber die Pixies waren beim Wüten witziger und weniger aggressiv – und damit in der Folge auch erfolgreicher. Man kann Frank Black sicher nicht unterstellen, dass er sich darüber im klaren war, dass er mit dieser Musik den Rock der kommenden Jahre entscheidend beeinflussen würde. (Die Pixies hatten großen Einfluss auf Kurt Cobain und den Erdrutsch, den der ein paar Jahre später mit Nirvana erzeugte). Da gab es Indie-Hits wie “Where is My Mind ?“ oder das unsterbliche „Gigantic“, die Lärm mit süßestem Pop paaren - die Lyrics allerdings sind manchmal nicht gerade leichte Kost: Wer die Vagina „Bone Machine“ nennt, denkt sehr funktional - oder hat ein Problem mit Geschlechtsteilen - und Kim Deal singt auf „Gigantic“ bei einem vordergründig niedlichen Pop-Song über Penisgröße. Und der geniale „Zu-Der-Zeit-Noch-Indie“ Produzent Steve Albini kreierte einen Sound, der mit seiner trockenen Wucht Maßstäbe setzte und der zum Vorbild vieler anderer Bands werden sollte – womit er sich selber nebenbei unentbehrlich machte. Surfer Rosa läutet den Indie Rock der Zukunft ein.

My Bloody Valentine

You Made Me Realise EP


(Creation, 1988)



My Bloody Valentine

Feed Me With Your Kiss EP


(Creation, 1988)



My Bloody Valentine

Isn't Anything


(Creation, 1988

Was für ein Jahr für die irische Band My Bloody Valentine: Im August und September die EP's You Made Me Realise und Feed Me With Your Kiss, und dann im November ihr (tatsächlich zweiter !) Longplayer Isn't Anything – aber vor Allem, nach einigen Jahren als nette Twee-Pop Band nun die Etablierung eines Sounds, der sich anhört – oder besser anfühlt – als würde man von einem Düsenjet eingesaugt und lebendig wieder ausgespuckt. Ja, die Vergangenheit als melodieverliebte Indie-Pop Band ist noch lebendig, aber mit dem Weggang des ehemaligen Sängers Dave Conway und dem Zugang von Gitarristin/Sängerin Bilinda Butcher und Bassistin Debbie Googe - und mit dem Wechsel zum krediblen Label Creation - hatte sich der Sound von My Bloody Valentine so sehr geändert, dass Bandkopf Kevin Shields später den Fans abriet, irgendwelche Musik seiner Band aus der Zeit vor '88 zu erwerben. Die erste Single mit Bilinda Butcher („Strawberry Wine“) war noch Jangle-Pop gewesen, aber auf You Made Me Realise beginnen sie ihren Pop mit heftigsten Gitarren-Rückkopplungen zu übergießen – und damit den Sound zu erzeugen, der bald etliche Nachahmer fand. Dass das Titelstück der EP zu ihren besten Kompositionen gehört, ist ein Argument für diese EP, dass dieses Stück im Mittelteil das weisse Rauschen der Gitarren in den Vordergrund stellt, dass die restlichen drei Stücke dagegen kaum abfallen sind weitere Argumente für diese EP. Die Tatsache, dass der Nachfolger Feed Me With Your Kiss den gefundenen Sound/ das Konzept der Noise-Behandlung von eigentlich süßen Pop-Songs noch vertieft, zeigt zum Einen dass MBV einen Lauf hatten und ist Hinweis auf die Bedeutung der EP's nicht nur für diese Band: Epigonen wie Ride oder Slowdive sollten das EP Format ebenfalls als vollwertige Ergänzung zur LP etablieren. Beide EP's sind inzwischen auf der Compilation EP's 1988-91 billig zu finden – weit billiger als die Originale jedenfalls – und mir gefällt Feed Me... etwas besser als der noch ein ganz kleines bisschen unentschlossenere Vorgänger . Aber es ist ein Unterschied um Millimeter. Die dann folgende LP Isn't Anything kann man dann als Bestätigung der gefundenen Identität sehen. Die EP's waren ja noch eher für die Fan's, die LP war nun ausgearbeitet – und sie verblasst nur neben dem, was mit den nachfolgenden EP's Glider und Tremolo sowie dann zuletzt mit dem Meisterwerk Loveless noch kommen sollte. Angeblich tüftelte Kevin Shields auch hier schon wochenlang am Sound zum Album, nahm die Gitarren mit soviel Hall wie möglich und allen möglichen weiteren Effekten auf, um dann den Klang der Gitarren selber wieder zu löschen und nur das Rauschen übrig zu lassen. Das Ergebnis jedenfalls hätte nie so toll geklungen, wären unter dem metallischen Klirren nicht so feine Songs wie „(When You Wake) You're Still in a Dream“, „No More Sorry“ oder „All I Need“. Die zeigen, dass nicht nur US Bands wie Sonic Youth oder Hüsker Dü Noise und Pop verbinden können – auch über die Länge einer kompletten LP – sondern dass diese Iren da einen völlig eigenen Stil entwickelt haben und dabei so klingen wie niemand zuvor (auch nicht wie The Jesus and Mary Chain...). Isn't Anything hat das Schicksal, vom Nachfolger Loveless regelrecht erstickt zu werden, aber es zeigt für mich eigentlich am Besten, welche Schönheit sich unter all den Soundschichten bei dieser Band verbirgt.

Green On Red

Here Come The Snakes


(Restless, 1988)

Keyboarder /Gitarrist und Songwriter Chris Cacavas hatte Green on Red verlassen, um eine beachtenswerte Solo-Karriere zu starten (bzw. bei Giant Sand auszuhelfen – siehe weiter unten) und sein scheinbar unverzichtbarer Keyboard-Sound war nicht mehr. Man hätte nicht erwartet, dass Chuck Prophet und Dan Stuart diesen Verlust so leicht verkraften könnten, aber die beiden gingen nach Memphis und nahmen dort unter der Ägide des legendären Produzenten und Musikers Jim Dickinson und Joe Hardy mit Here Come the Snakes völlig unbeirrt von allen Personalien ihr bestes Album auf. Dafür ließen sie die Psychedelismen der Anfangsjahre hinter sich und spielten einen Roots Rock, der unverkennbar an den Stones ca. Exile on Mainstreet angelehnt war. Und das Schöne ist: Es gelang - denn zum Einen hatten sie die Songs, zum Anderen flossen genug Soul, genug Dylan und genug Gun Club in ihre Musik dass Gedanken an einen schnöden Rip-Off gar nicht erst aufkommen konnten. Und natürlich waren sie sich ihrer Vorbilder bewusst und schämten sich ihrer auch keinesfalls: Das Eröffnungsstück „Keith Can`t Read“ hat den entsprechenden Titel sowie dessen Riffs und schmierige Vocals, „Rock'n'Roll Disease“ macht sich über New Wave und MTV lustig aber das Beste sind die ruhigen und immer ein bisschen windschiefen Country Jams wie „Morning Blue und die Ballade „We Had It All“.... Hier (und beim folgenden Album) ist einer der Anfagspunkte des alternative Country...

Giant Sand

Love Songs


(Demon, 1988)

Auf dem vierten Album seiner Band Giant Sand hatte Howe Gelb seine zersplitterte Variante des Country-Rock endlich perfektioniert. Love Songs gilt nicht umsonst als Höhepunkt der 80er Diskographie dieser Band – bzw des Musikers, der sich immer wieder des „Projektes“ Giant Sand bedient. Auf diesem Album begleitet ihn Chris Cacavas (vormals Green On Red) an den Keyboards, Gelb's Frau Paula Jean Brown spielt Bass und John Convertino – der bald mit Calexico seinen eigenen Kram macht - bedient die Drums, und Howe Gelb spielt seine mal wunderbar skelletierte, mal kreischende Gitarre und singt mit dieser unsicheren Stimme, die perfekt in die seltsam unfertig wirkende Musik passt. Und genau diese Unfertigkeit erschafft den Reiz von Love Songs, Eine vage Balance, die jeden Moment ins Chaos überzukippen droht... und es doch nie tut. Bei „One Man's Woman/ No Mans Land“ lebte Gelb seine Liebe zum Soul aus, indem er die Basslinie aus „Heatwave“ klaut und einen Country-Song darüber baut, „Mad Dog Man“ verwandelt sich aus einem unklaren Beginn in einen straighten CCR Song mit kreischenden Gitarren, „Finger Nail Moon, „Barracuda“ wiederum lebt von Cacavas' gespenstischen Keyboards, die Musik nimmt Alternative Country und Grunge in einem vorweg und bleibt dabei zugleich einzig Giant Sand. Das Ende der Achtziger – und wieder eine Band, die einen völlig eigenen Stil etabliert hat.

American Music Club

California


(Demon, 1988)

Der American Music Club hatte schon in den Jahren zuvor hier und da Aufmerksamkeit erregt, aber mit California wurde die Band um den Schmerzensmann Mark Eitzel zu einer anerkannten - weil vollkommen eigenständigen - Band. Die Musik auf ihrem dritten Album kreist nun verstärkt um Eitzel's hoch emotionalen Gesang und den warmen, oft mit der Pedal-Steel von Bruce Kaphan verzierten Sound einer Band, die man als Wegbereiter des Slow-Core bezeichnen kann. Eitzel ist ein großer und trauriger Geschichtenerzähler, Einer, der seine Songs absolut glaubhaft vorträgt. Seine bislang bester Song war hier sicher „Blue and Grey Shirt“ über einen an AIDS verstorbenen Freund, ein Song ohne jeden unnötigen Kitsch, tief empfunden und ehrlich. Der warme Sound der Band ließ aber auch die andere Songs hier tiefrot erstrahlen. Vom Steel-Gitarren getragenen Opener „Firefly“ bis zum strahlenden „Luminous“ - das hier ist kein Country, das geht weiter und hat mehr mit der Weltmüdigkeit eines Leonard Cohen zu tun – mit einem Gesang, der in seiner Emotionalität vielleicht an Morrissey erinnern mag. In den USA waren sie kein Thema, in Europa wurden sie ab hier wenigstens für eine Weile zur Kenntnis genommen, California und der Nachfolger Everclear (von '91) sind große, zeitlose Musik.

Eleveth Dream Day

Prairie School Freakout


(Amoeba, 1988)

Und hier nun der immer wiederkehrende Fall von persönlicher Vorliebe. Dieses Album mag obskur sein, aber es ist eines der ganz großen dieses Jahres (meine ich...) Eleventh Dream Day hatten zwar schon eine EP veröffentlicht, aber Prairie School Freakout ist ihr triumphaler Beginn.Sie wollten ein Album machen, das so nah wie möglich an ihren Live-Sound heranreichte und spielten deshalb diese zehn Songs Live im Studio ein, wobei das Aussteuern der Gitarren länger gedauert haben soll, als die Aufnahmesession selber. „Watching Candles Burn“ als Opener hat schon eine gewaltige Rasanz, die Band klingt wie die Punk-Version von Neil Young & Crazy Horse, man mag sie auch mit dem Dream Syndicate oder den L.A.-Punks X vergleichen, aber letztlich sind sie zu sehr Midwesterner, zu wenig urban. Janet Beveridge Bean und Douglas McCombs sind eine kraftvolle Rhythm Section auf der Rick Rizzo und Baird Figi brennende Soli abfeuern („Tenth Leaving Train). „Beach Miner“ hat eine Richard Lloyd Gitarrenmelodie auf Crazy Horse-Akkordfolgen, bei „Among the Pines“ bricht ein Mann sich in der Dusche den Schädel und sieht zu wie sein Leben in den Abfluss rinnt. Die Band wurde nun - wie so viele bislang sehr unkommerziell wirkende Bands von der Musik-Großidustrie bemerkt, Atlantic nahm sie unter Vertrag und sie machten vielleicht bessere Alben, aber keines brennt wie Prairie School Freakout .

The Go-Betweens

16 Lovers Lane


(Beggars Banquet, 1988)

16 Lovers Lane ist das letzte Album der Go Betweens vor ihrer 12-jährigen Pause und es ist eine wundervolle Suite aus Songs über zerfallende Beziehungen und verlorene Liebe, ein Album, das man vielleicht mit Fleetwood Mac's Rumours vergleichen kann. Tatsächlich kam die Band 1988 mit der erklärten Absicht im Studio zusammen, trotz der Beziehungsprobleme zwischen den einzelnen Mitgliedern noch ein letztes großes Album zu machen - was ihnen dann ohne Zweifel auch gelang. The Devil's Eye“ handelt noch von der glückbringenden Kraft der Liebe, die Single „Streets of Your Town“ aber klingt zwar nach einem hellen Sommertag, hat aber schon gefährliche Unterströmungen, „Love is a Sign“ mit seinen halb-erinnerten Bildern ist wunderbar arrangiert mit eleganten Mandolinen und den Strings von Amanda Brown, die auf diesem Album ihr ganzes Können zeigt. Das Album mag nicht so kraftvoll und originell sein wie ihr Meisterstück Before Hollywood - als die Band noch vor Leidenschaft und Energie strotzte - und es ist nicht so ausladend und innovativ wie Liberty Belle and the Black Diamond Express aber es bietet in seinen besten Momenten das Beste aus beiden Alben und steht ihnen somit kaum nach. Und die Musik der Go-Betweens hat aufgrund ihrer sparsamen Mittel und ihres zeitlosen Songwritings den einen Vorteil: Sie klingt auch heute noch überraschend aktuell und modern.

Cowboy Junkies

The Trinity Sessions


(RCA, 1988)

The Trinity Session ist das Album, auf dem die kanadische Band Cowboy Junkies ihren von vorneherein recht eigenständigen Sound perfektionierten. Es ist ein komatöser und zugleich intensiver Klang, eine Folk-Version von Velvet Underground, die zwar den Eindruck erweckt, als wäre die ganze Band auf Beruhigungsmitteln oder auf Heroin - dafür aber dann letztlich doch zu konzentriert klingt. Das Album wurde in einer einzigen Nacht in einer Kirche aufgenommen und diese Umgebung gibt dem Album tatsächlich den Titel mitsamt sakralem Klang, der so zu ihnen passt. Songwriter Michael Timmons ist mit fünf Eigenkompositionen sowie mit dem Text zu "Blue Moon Revisited" - einer neuen Version eines Rogers & Hart Klassikers - vertreten. „Misguided Angel“ klingt wie ein uraltes Traditional, wahrscheinlich weil die Junkies immer irgendwie „alt“ klingen. Mit diesem zweiten Album brachten die Cowboy Junkies ihre Verlangsamung von Musik zur Perfektion und insbesondere Margo Timmins Stimme war inzwischen der nicht mehr ganz so heimliche Star. Großartig wie immer die Auswahl der Coverversionen: „Sweet Jane“ von den Velvets ist naheliegend, Hank Williams' „I'm So Lonesome I Could Cry“ passt ebensogut wie Patsy Cline's „Walkin' After Midnight“. Ein Klassiker des Slow-Core von einer weiteren Band der es gelungen ist, einen Sound zu entwickeln, der nicht zu imitieren ist.





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