Der Beginn der 50er Jahre wird politisch vom kalten Krieg und vom Korea-Krieg bestimmt. 1951 erobern chinesische und nord-koreanische Truppen Seoul, werden wieder zurückgeschlagen und ein jahrelanger Stellungskrieg beginnt. Der amerikanische General McArthur will die Atombombe gegen China einsetzen, aber US Präsident Truman verweigert den Einsatz, um die Welt nicht in einen Atomkrieg zu stürzen. Zur gleichen Zeit ist in den USA die Kommunisten-Verfolgung unter Senator McCarthy voll im Gange - insbesondere Künstler und Intellektuelle, aber auch ganz normale Menschen, bekommen beim leisesten Verdacht mit dem Kommunismus zu sympathisieren, die größten Schwierigkeiten – und etliche Künstler zerbrechen an dieser Praxis. Die McCarthy-Ära wurde seitdem zum Synonym für politische Verfolgung und Stigmatisierung von Andersdenkenden. 1952 wird erstmals eine Wasserstoffbombe gezündet. Die Bundesrepublik Deutschland integrierte sich in die westliche Allianz, das deutsche Fernsehprogramm beginnt zu senden - mit gerade mal 1000 Anschlüssen, in Afrika wehren sich immer mehr Menschen gegen die Kolonialmächte England und Frankreich. Japan schließt einen Friedensvertrag mit den USA, der 2. Weltkrieg beginnt am geistigen Horizont der Menschen langsam zu verblassen. Musiker wie DeeDee Ramone und Sting werden in diesem Jahr geboren, in den frühen 50ern ist das American Folk Music Revival, da politisch linksgerichtet, kaum Thema im öffentlichen Bewusstsein. Musiker wie Pete Seeger haben Auftrittsverbot, Woody Guthrie wird 1952 mit Chorea Huntington diagnostiziert. Und solche „Alben“ wie die unten vorgestellte Antholgy of American Folk Music sind – noch - nur Thema für ein paar seltsame, linksdenkende und vom Gros der Gesellschaft kaum anerkannte Beatniks oder bebrillte Historiker. Aus dem Jazz der Vierzigern entstandene Unterströmungen wie BeBop sind noch Avantgarde. Die frühen Fünfziger sind der Ursprung vieler Entwicklungen im Jazz und Folk der kommenden Jahre und Jahrzehnte – und letztlich Ursprung dessen, was wir als Popmusik kennen. Aber noch findet diese Musik ihren Weg ins Ohr der Hörer haupsächlich durch das Radio, durch Live-Auftritte und durch die 7“-Single und die 10“ EP, die manchmal, für ein wohlhabenderes Publikum – als „Album“ kompiliert wird. Helden dieser Zeit sind Johnnie Ray oder Patti Page. Aber auch John Lee Hooker, Fats Domino, Little Walter und Hank Williams machen etliche Singles, die dann später - in Albumform gesammelt - veröffentlicht werden - und die den Blues in die Fünfziger holen und Rock'n'Roll vorbereiten!!
Various Artists
The Harry SmithAnthology of American Folk Music
(1952,
Smithsonian Folkways)
Die Anthology of American Folk Music kann man getrost als einflussreichste Songsammlungen des Folk-Revivals – und für die kommende Folkmusik - und somit für die "Rockmusik" - in den USA (und dann auch weltweit) bezeichnen. Das ist keine Untertreibung, denn der Einfluss dieser Anthology reichte bis ins kommende Jahrtausend. Zu Beginn der 50er Jahre vom exzentrischen Musikologen und Künstler Harry Smith auf Schellack-Platten zusammengesammelt und 1952 nur halblegal veröffentlicht, hatte Smith 84 teils vollkommen obskure Songs lose thematisch geordnet auf sechs LP's zusammengestellt und damit zunächst mal vielen jungen Folk Musikern eine kostbare Schatztruhe offen hingestellt. Das Ding war die Arbeit eines besessenen Sammlers, und zugleich ein Geniestreich, der viele junge Folkmusiker irgendwann später dazu bringen würde, diese Songs nach zu spielen, nach den Urhebern zu forschen und manchem der hier versammelten Künstler gar eine zweite Karriere zu ermöglichen (Leute wie John Hurt oder Doc Boggs waren nämlich nicht etwa tot, sondern so wie ihre Singles lediglich 20-30 älter geworden). Vor allem aber bewirkte diese Kollektion das Bewusstwerden eines musikalischen Erbes, das in den USA in Vergessenheit zu geraten drohte und diente später Musikern wie John Fahey oder Bob Dylan als Blaupause für die Musik, die sie in der kommenden Zeit machen sollten - die wiederum andere Musiker beeinflussen würde.... Die sechs LP's sind in drei Kategorien unterteilt, und die Reihenfolge der Songs ist nicht etwa chronologisch, sie hat eine streng subjektiv-historische und thematische Logik, die Smith in äußerst unterhaltsamen Kommentaren erklärt. Hier einzelne Songs herauszuheben oder einzelne Musiker besonders zu erwähnen ist wenig sinnvoll. Es gibt zu viel gute Musik hier, allerdings ist die Klangqualität naturgemäß gewöhnungsbedürftig. Mitschnitte von Schellackplatten eben, da rauscht und knackst es auch auf CD, aber das kann man ja auch sympathisch finden Hier liegen sie jedenfalls, die Wurzeln von Dylan und Konsorten.
Thelonius Monk
Genius of Modern Music Vol. 1
(Blue
Note, Rel. 1951)
Thelonius Monk
Genius of Modern Music Vol. 2
(Blue
Note, Rel. 1952)
… und auch her gilt – diese beiden „Alben“ sind Zusammenstellungen von Aufnahmen, die einige Jahre zuvor eingespielt wurden: Volume 1 der beiden Compilations Genius of Modern Music beinhaltet die erste Session von Thelonius Monk als Bandleader am 15. und 24. Oktober bzw. 21. November 1947. Diese Sessions sind so etwas wie eine Initialzündung für den BeBop. Man muß sich klarmachen, dass Monk zur damaligen Zeit mindestens belächelt, wenn nicht gar angefeindet wurde für eine Musik, die für die damaligen Ohren so geklungen hat, wie die abstrakten Drip-Paintings etwa von Jackson Pollock wirkten (und bis heute auf so manchen Betrachter wirken). Mancher Kritiker warf Monk tatsächlich vor, ein schlechter (=unfähiger) Musiker zu sein, „entschuldigte“ den avantgardistischen Ansatz mit mangelnden instrumentalen Fertigkeiten. Erst nach einigen Jahren - also zu Beginn der Fünfziger - hatte sich diese Haltung insoweit gebessert, als dass Blue Note die Sessions veröffentlichte, und bald würden etliche seiner Kompositionen zu Standards des Jazz werden. Und das, obwohl (oder gerade weil) sie technisch äußerst schwer zu meistern sind. Da sind die seltsamen Chord Progressions von "Thelonious"; das witzige, melodisch schräge „Well, You Needn't“; der Bud Powell Tribut „In Walked Bud“ und natürlich einer der bis heute meistgespielten Jazz Standards „Round Midnight“ Art Blakey's Drumming ist gut, aber noch kamen nicht alle Musiker bei der Umsetzung von Monk's Ideen mit. Da ist dann auf Volume 2 der Compilation der Fortschritt deutlich erkennbar. Monk war bei diesen Sessions in seine Rolle als Bandleader hineingewachsen und hatte seinen Begleiter begreiflich gemacht, wie sie seine Musik umsetzen sollten. Das Programm besteht fast ausschließlich aus Eigenkompositionen, und zwar solchen, die später ganze Alben beeinflussen und bezeichnen sollten: „Four in One“ beginnt noch als konventioneller BeBop, wird dann aber rhythmisch unglaublich vertrackt, „Criss Cross“ (später gab es ein Album gleichen namens) ist von vorneherein regelrecht abstrakt, es gibt aber auch den relativ klaren, blues-basierten Titel „Straight No Chaser“ (ebenfalls später Albumtitel) und die Ballade „Ask Me Now“. Einige von Monks Sidemen sollten später mit eigenen Bands Karriere machen, ob Trompeter Kenny Dorham, oder der nun weit besser mit den vertrackten Rhythmen klar kommende Art Blakey, der wiederum hier manchmal vom großen Max Roach ersetzt wurde. Auch Bassist Al McKibbon und der bei Volume 1 noch wie ein Fremdkörper wirkende Saxophonist Sahib Shihab waren im BeBop angekommen. Beide Alben gehören in jede Jazz-Kollektion, ihr Einfluß auf den Jazz der 50er und 60er kann nicht überschätzt werden.
Bud Powell
The Amazing Bud Powell, Vol. 1
(Blue
Note, Rel. 1951)
Die CD von Blue Note mit dem Titel The Amazing Bud Powell Vol. 1 enthält heutzutage alle Aufnahmen von 1949, die Powell mit einem Quintett mit Fats Navarro und dem Saxophon-Koloss Sonny Rollins aufgenommen hatte, sowie eine Trio Session mit Max Roach von 1951. Im Einzelnen waren die Aufnahmen zur damaligen Zeit auf diversen 78ern veröffentlicht worden, heute hat man das Problem, hier manche Tracks in mehrfacher Version hören zu müssen. Am Besten man stellt sich sein eigenes Album aus den Tracks zusammen. Der geniale Pianist Powell war zu dieser Zeit gesundheitlich schon nicht mehr auf der Höhe. Er war Mitte der 40er Jahre mehrfach von Polizisten verprügelt worden, war Alkoholiker – und unter Alkoholeinwirkung leider oft extrem aggressiv, und hatte daher schon diverse Aufenthalte in psychiatrischen Kliniken mit den damals üblichen Elektroschock-Therapien hinter sich. Das mehr als selbstironische „Un poco loco“ zeigt, warum Powell neben Monk und Charlie Parker als eine der wichtigsten Figuren des BeBop gilt. Er war einer der innovativsten Pianisten und dieses Album enthält den Stoff, den Jazz in neue Sphären führen sollte.
Charlie Parker & Dizzy Gillespie
Bird and Diz
(Mercury,
1952)
...und auch Bird and Diz ist so ein Dokument für die Entwicklung, die der Jazz in den Jahren nach dem 2. Weltkrieg gemacht hat. Charlie Parker hatte genau wie Dizzie Gillespie oder Thelonius Monk (der hier ebenfalls mit von der Partie ist) dem Jazz neue Türen eröffnet und mit seiner Art der Komposition und Improvisation den Modern Jazz begründet. Ab 1950 ging es mit Parker zwar gesundheitlich bergab - er war schon seit dem 15. Lebensjahr heroinabhängig, aber bei den Sessions 6. Juni 1950 (zunächst auch auf diversen 78ern und 1952 als 10'' erschienen, wie das damals üblich war), hatte er einen guten Tag. Alle Kompositionen bis auf „My Melancholy Baby“ stammten von ihm, und die LP steht - wie die Alben von Bud Powell und Thelonius Monk - exemplarisch für die Art, wie Jazz sich in den End-40ern entwickelt hatte. Gespielt werden kurze Themen, auf denen die Musiker dann improvisieren, eine Art des Musizierens, die man im Jazz bislang so nicht gekannt hatte. Vorher gab es in den Big Bands zwar auch Solisten, aber die hatten sich dem Kollektiv unterzuordnen, hatten nur festgeschrieben Momente, in denen sie brillieren durften. In kleineren Ensembles konnte das Solo natürlich ausführlicher gespielt werden, und auf diesem Album haben wir solch eine kleine Band mit hervorragenden Solisten. Bird and Diz ist nicht nur wegen der Beteiligten eines der wichtigsten Dokumente des Jazz dieser Zeit, es ist tatsächlich die letzte gemeinsame Studioaufnahme von Gillespie und Parker. Und hier gibt es feine Versionen von Parker-Songs wie „Leap Frog, „Mohawk“ oder „Relaxin' With Lee“. (Wobei Song eben das meint: Ein Thema das zum wilden Improvisieren genutzt wird...) Essenzieller Stoff auch dies für den, der wissen will was BeBop ist...Gutes Cover Design übrigens – von David Stone Martin...
Billie Holiday
Billie Holiday Sings
(Clef
Rec., 1952)
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