In den USA sorgt die sogenannte Lewinsky-Affäre für Aufsehen, in der Präsident Bill Clinton sein Verhältnis zu einer Praktikantin samt pikanter Details zugeben muß und damit die Empörung aller Moralwächter erregt. In Kenia und Tansania werden Anschläge auf amerikanische Botschaften verübt, bei denen 200 Menschen sterben – die USA werden in afrikanischen Staaten immer unbeliebter. In Nigeria sterben bei der Explosion einer von amerikanischen Konzernen betrieben und nicht überwachten Pipeline 1200 Menschen (was weit weniger bekannt ist !). Die Organisation „Attac“, die sich für Umweltbelange und gegen politisches und gesellschaftliches Unrecht jeder Art einsetzt, wird gegründet. In Deutschland endet nach 16 Jahren die „Ära Kohl“ und damit auch die politische Vorherrschaft der CDU und mit Gerhard Schröder wird ein vergleichbar selbstherrlicher Mensch neuer Bundeskanzler. In Kambodscha stirbt der alte Diktator Pol Pot. Am 18. Mai stirbt mit Frank Sinatra einer der größten Gesangsstilisten des Jahrhunderts. Ebenso sterben: Carl Wilson von den Beach Boys, Cozy Powell, Tammy Wynette sowie Carl Perkins. Musikalisch ist es ein Jahr des Umbruchs. Brit Pop kollabiert, der amerikanisch Alternative Rock scheint auch irgendwie müde, obwohl große Acts wie R.E.M und Pearl Jam gute Platten machen, sind sie künstlerisch weniger spannend als noch vor ein paar Jahren – denn: Sie sind nun der neue Mainstream. Dafür gibt es dieses Jahr eine Menge interessanter Alben mit mehr oder weniger avantgardistischer elektronischer Musik. Bands wie Air, Massive Attack, Boards of Canada machen spannende Musik, Post-Rock etabliert sich, - ein „Genre“ das sehr verschiedene Bands mit sehr verschiedenen Stilen unter einem Begriff vereinigt, den diese Bands vermutlich nicht unterschreiben würden. Auch „alternativer“ Country schenkt uns ein paar wunderbare Alben. Und aus dem noch alternativeren Underground (der Alternative zu Alternative sozusagen) kommen ein paar Alben, die zu Klassikern werden, die seltsam neben allen Trends zu liegen scheinen - wie z.B. Neutral Milk Hotel's Opus Magnum. Und Metal und diversen Sub-Genres wie Noise-Rock sind sowieso schon länger fruchtbar. Ganz uninteressant, aber vielleich kulturhistorisch bedeutend (... als eine Art Negativ-Entwicklung) ist der Country-Pop von Shania Twain, die Soundtrack-Overkills zu Filmen wie Titanic (der begann schon im Vorjahr) oder Armageddon (Aerosmith) und – Ooops, das Disney-Sternchen Britney Spears beginnt seine musikalische Karriere !
Mark Hollis
s/t
(Polydor,
1998)
Der frühere Mastermind von Talk Talk hatte noch einen Vertrag mit seiner Platenfirma zu erfüllen. In den letzten sieben Jahren hatte er zwar Musik geschrieben und Klavier gespielt, aber nichts davon aufgenommen, sein Unwille sich in Kategorien pressen zu lassen und seine Unzufriedenheit mit der Musikindustrie – aber sicher auch die Tatsache, dass er von den Tantiemen aus alten Talk Talk-Tagen ein unabhängiges Dasein führen konnte - ließ ihn wohl ganz in Ruhe arbeiten. Nun führte er auf seinem ersten Solo-Album – wie es schien ein wenig widerwillig - das weiter, was seine Band zuletzt auf so hohem Niveau begonnen hatte, und ließ zugleich sein Interesse an rein akustischer Musik in sein Konzept einfliessen. So destillierte er Klänge, erzeugt von kaum tätigen Instrumentalisten, zu einem leisen, meditativen, akustischen Minimalismus, mit allerhöchstens losen Songstrukturen, oft gänzlich ohne Percussion. Die entstandenen „Songs“ waren dabei von großer melodischer Schönheit, Hollis' seufzender Gesang wurde regelrecht „umrahmt„ von lose strukturierten Arrangements aus Holzbläsern und gestreichelten Akustikgitarren. Ohne die Ausbrüche aus den letzten beiden Talk Talk Alben entstanden Bilder und Stimmungen, die einen Menschen zeigen, der über sein Leben reflektierte. Hollis' resonante Stimme schien mit den Jahren ruhiger und rauer geworden, was dieses Album zusammen mit der minimalistischen Schönheit solcher Songs wie „The Colour of Spring“ und „Watershed“ zu einem erstaunlichen Erlebnis macht. Mark Hollis zeigt einen Musiker, der das Stilmittel "Stille" zum Leitfaden seiner Musik gemacht hatte - und der damit ein in der populären Musik einzigartiges Album schuf.
Mercury Rev
Deserter's Songs
(V2,
1998)
Einst waren Mercury Rev als Band gestartet, die wilde Noise Ausbrüche und freie Psychedelik zu teils unglaublich lautem und unglaublich gutem Krach vermischten (Bei der '94er Lollapalooza Tour wurden sie wegen zu großer Lautstärke rausgeschmissen, und man höre sich nur mal ihr Debüt Yerself Is Steam und den Nachfolger Boces an). Nachdem der exzentrischen David Baker – und mit ihm die Düsternis; aber nicht der latente Wahnsinn - aus dem Bandgefüge entfernt worden war und nach einem schon sehr guten Album (See You on the Other Side von 1995) hatten sie nun bei Deserter's Songs mit Flaming Lips Kollaborateur und Bandmitglied David Fridman den perfekten Produzenten, der die immer knapp unter der Oberfläche lauernde Schönheit in den Songs der Band herausstellte, indem er ihnen zunächst einmal einen wunderbaren orchestralen Soundteppich webte. Dazu ließ er „The Hudson Line“ mit Grasshopper's ekstatischer Gitarre veredeln, "Delta Sun Bottleneck Stomp" auf eine Promenade in Outer Space führen, und fixte bei „Endlessly“ und „Holes“ Generationen von Hipstern auf den Sound von Bassoon und singender Säge an. Und bei „Opus 40“, dem zentralen Stück der Platte, führt Jonathan Donahue uns mit seiner Chorknabenstimme in eine lupenreine Technicolor-Explosion. Deserter's Songs ist zu gleichen Teilen narkotisch und überirdisch – Es ist Schlaflied, Trip und Triumph in Einem. Und all das gelang ihnen, obwohl – oder gerade weil – sie fast ihr ganzes Equipment gegen Drogen eingetauscht hatten ! Die Frage, ob die Band während der Aufnahmen stoned war, ist somit obsolet. Die Frage ob man die wilderen, explosiveren ersten beiden Alben der Band diesem und dem nachfolgenden vorzieht ebenso – man muß beide kennen.
Manic Street Preachers
This Is My Truth, Tell Me Yours
(Virgin,
1998)
Everything Must Go, das 96er Album der Manic Street Preachers hatte das rätselhafte Verschwinden ihres Texters und Enfant Terribles' Richey James behandelt, und war voller Emphase, Wut und Trauer gewesen. Aber irgendwie mußte es ja auch weitergehen und vom Weitermachen handelt der Nachfolger This Is My Truth, Tell Me Yours. Und die Manic Street Preachers machten das – nun als Trio – auf die für sie vermutlich einzig mögliche Weise. Sie bauten auf dem üppigen Sound des Vorgängers auf, die Songs wurden wieder in Strings getaucht, und klingen dadurch manchmal regelrecht überwältigend, sind aber eben auch immer brutal ehrlich und voller überbordender Energie. Dass sie damit den Vorwurf bestätigten, sich zu einer Art Stadion-Rock Band für Sozialisten zu entwickeln, ist sicher berechtigt, aber ein Wiederholen der alten Formeln vor Edwards Verschwinden wäre meiner Meinung nach die schlechtere Alternative gewesen. Nun - jedenfalls ging es wieder einmal um Alles. Das war natürlich prätentiös, aber auch überzeugend in seiner Leidenschaft und Musikalität. Die erste Single hat keinen geringeren Titel, als „If You Tolerate This Then Your Children Will Be Next“ und ist der einzige explizit politische Track. Die Songs sind teils sehr unterschiedlich, fließen aber so geschickt ineinander, dass ein regelrechter Flow entsteht, der den machmal entstehenden Pomp überdeckt. Es gibt schwächere Songs hier - manche Ideen werden breiter ausgewalzt, als sie es verdient hätten, aber hier ist wieder einmal das Ganze mehr als die Summe der Einzelteile, und bei aller Kommerzialität ist das Album als komplette Packung nicht gerade leichte Kost. Jedenfalls hatten die Preachers wieder einmal bewiesen, dass man Musik machen kann, die Intellekt, Emotion und ROCK verbinden kann.
Godspeed You Black Emperor!
F#A#Infinity
(Kranky,
1998)
...und um weiter über majestätische Musik zu sprechen: Wenn der Sprecher beim ersten Stück, dem Intro des „Dead Letter Blues“ das erste Mal von den Müttern spricht, die verzweifelt ihre Kinder halten, und dazu Violinen im Hintergrund aufschreien wie eine Schar Verdammter, bekomme ich immer eine Gänsehaut. F# A# Infinity ist ein wilder, majestätischer Tribut an das Ende aller Tage, eine Anklage wider die Macht der Märkte, ein verzweifelter Aufschrei ob der Leere des postmodernen Lebens - und ein Triumph dessen, was man irgendwann mal im Progressiven Rock gesucht, aber nicht gefunden hat. Trotz moderner Herangehensweise wirkt die Musik des neunköpfigen Musikerkollektives aus Kanada altehrwürdig, als hätten wir sie schon lange im Hintergrund gehört, aber nie bewußt wahrgenommen. Samples aus dem Alltag, Straßenprediger, statisches Rauschen aus dem Radio, all das in Kombination mit Streichern und kraftvollen Gitarren überträgt eine Botschaft, wie sie politischer nicht sein kann - und das vollkommen ohne „normalen“ Gesang. Die drei ellenlangen Instrumentalstücke auf F# A# Infinity waren die Neudefinition des progressiven Rock im positivsten Sinne und sie sagten vor allem eines: Die Apokalypse wird wunderschön. Passenderweise wurde das Intro zu „East Hastings“ für den epochalen Zombie-Film 28 Days Later benutzt. Dass diese Musik in das Genre“ Post Rock eingeordnet wird, ist ein bisschen hilflos – denn mit den andewren Bands des Genres teilen sie nur den Sinn für Dynamik und das fehlen eines richtigen Sängers, aber wie kann man dieses musikalische Inferno sonst beschreiben ?
Portishead
Roseland NYC Live
(Go
! Beat, 1999)
Ein Livealbum als Referenz für eine Trip Hop Band wie Portishead mag seltsam erscheinen, aber es gibt gleich mehrere Gründe dafür, Roseland NYC Live so hoch einzuschätzen. Zum Einen unterstützte das 35-köpfige Orchester den kargen Sound von Portishead mit einem Rausch aus Streichern und Bläsern – ein Experiment, das sie gleichzeitig rauer und pointierter klingen ließ, zum Anderen ist die Emotionalität von Beth Gibbons' großartigem Gesang in einer solchen Live Situation unmittelbarer. Ein gutes Beispiel ist das letzte Stück, „Strangers“. Die Strings fügten eine melodische Dimension hinzu, die diesen Song vom zweiten, so unzugänglichen Studioalbum der Band zu einem ganz anderen Hörerlebnis machen. Die Live-Version von "Mysterons" mag der auf dem „freundlicheren“ Debütalbum Dummy noch ähneln, aber insbesondere das Material des zweiten Albums Portishead gewinnt durch den Einsatz des Orchesters. Dabei sind die Arrangements nicht einmal so anders als auf den beiden Studioalben – aber die Präsenz eines Orchesters als weiteren Klangkörper bei Stücken wie "Sour Times," und "Glory Box" erzeugen zusätzliche Spannung - und vor Allem eine Dramatik, die den Tracks der LP's gut zu Gesicht steht. Roseland NYC Live ist somit mindestens so gut wie Portisheads Studio Output und aufgrund der Unterschiede zu ihnen keines der üblichen überflüssigen Live-Alben. Es ist eine essentielle Ergänzung
Massive Attack
Mezzanine
(Virgin,
1998)
In einer Kritik habe ich mal gelesen, Mezzanine absorbiere Licht. Und tatsächlich finde ich kaum eine besserer Beschreibung für diese Musik. Im sowieso schon dämmrigen Genre TripHop wurden selten so tiefe Register gezogen wie beim bedrohliche pulsierenden „Angel“, Vocals so herausgehustet und -gekeucht wie auf „Risingson“. Was das Album zum Glück davon abhält ein reiner, unmenschlich finsterer Drogen-Trip zu werden, sind die immer wieder aufblitzenden melodischen – gar poppigen Momente, die subtilen Hooks in wirklich „schönen“ Songs. Da ist die Stimme von Elizabeth Fraser von den Cocteau Twins, deren außerweltliches Wispern auf Tracks wie „Teardrop“ und besonders „Group Four“ einen seltsamen Kontrast zur Finsternis in der Musik herstellt: Eine Stimme die klingt wie ein Licht über einem gewaltigen Agrund – was dann wieder eine Spannung erzeugt, die nur mit dem Song alleine nie erreicht werden könnte. Da ist natürlich auch „Inertia Creeps“, der „Hit“ auf dem Album, da ist das Titelstück, da sind 11 Songs die zusammen eines der größten Alben der 90er bilden, auch wenn nach den ersten vier Stücken der hohe Standard etwas sinkt. Mezzanine mag das letzte große Album des Genres TripHop sein, es gehört aber weit über seine Genre-Grenze hinaus zu den besten Alben die die 90er hervorbrachten.
Neutral Milk Hotel
In The Aeroplane Over The Sea
(Merge,
1998)
Man könnte sich Neutral Milk Hotel als Marschkapelle auf Acid vorstellen, die den zum Scheitern verurteilten Versuch startet, Musik für eine Parade der Desorientierten zu machen. Jeff Mangum, der Kopf der Band jedenfalls, schien auf der einen Seite viel zu Öffentlichkeitsscheu, viel zu wenig extrovertiert, um solche Musik überhaupt aufzuführen. Es war wohl der Kokon, den seine Freunde des Elefant 6 Kollektives bildeten, der ihm die Möglichkeit und vor allem die hermetische Atmosphäre bot, seine Ideen zu verwirklichen – vermutlich in der Hoffnung, dass sowas sowieso kaum jemand hören würde.... Denn Neutral Milk Hotel waren doch eigentlich viel zu „Lo-Fi“ um mit einem so größenwahnsinnigen Konzept erfolgreich zu werden. Jedenfalls waren sie größenwahnsinnig genug für die geplante Musik, und sie hatten eine gewisse unschuldige Genialität, waren zugänglich, poppig und zugleich rätselhaft und schufen – ganz gewiss unfreiwillig und sicher zu dieser Zeit für sie selber unerwartet - ein Meisterwerk. Wie schon auf dem Debüt On Avery Island produzierte der Schulfreund und Apples in Stereo - Gründer Robert Schneider und das erratische Genie Jeff Mangum hatte für sein zweites Album nun Material beisammen, das „erwachsener“ war, das dem Debüt in seiner Dynamik überlegen war, das Struktur und Textur hatte und aus In the Aeroplane Over the Sea eben mehr machte, als ein weiteres gutes Indie-Album. Und so wuchs das Album im Laufe der Zeit vom Status des Geheimtipps zu einem DER Klassiker des Indie Rock der 90er. Songs wie die spirituelle Epiphanie „The King of Carrot Flowers Pts. Two and Three“ oder „Two-Headed Boy“ werden mit überbordender Emotion gesungen, fast in Ekstase. Was all das zu bedeuten hatte mag kaum zu entschlüsseln sein, aber Stream-of-Consciousness Lyrics sind nicht nur Dylan vorbehalten und wenn Songwriting, Lyrics und Arrangement sich so perfekt zusammenfügen, soll Kritik gefälligst verstummen. Ein Album das man oft hören muß um es trotzdem nicht zu begreifen.
Elliott Smith
XO
(Dreamworks,
1998)
Ein Singer/Songwriter mit einem Major Label recording budget ist ein bisschen wie ein Esel mit einem Spinnrad, - man weiss nicht wie er daran kam und er weiss nicht was er damit tun soll. Aber das Dreamworks Label-Debut von Elliott Smith ist der Beweis, dass es Esel gibt, die spinnen können. Auf XO, seinem ersten Album für eine große Plattenmfirma wurde nicht der Fehler gemacht, alles mit Strings und Backgroundgesang zuzukleistern. Smith doppelt einzig die eigene Stimme, gab dem Album leicht beatle-esque String-Arrangements und setzte den Fokus auf die emotionale Kraft seiner Musik. Melancholie und „Prunk“ mögen unvereinbar scheinen, Smith jedoch gelang es auf XO, Beides wunderbar zu verbinden, jeder Klang von Gitarre oder Piano fungiert als Ergänzung zu seinem emotionalen Gesang. Natürlich war es nach der Oscar-Nominierung für seinen Beitrag zum Soundtrack von Good Will Hunting deutlich erknennbar, dass er nicht in diese Welt des Showbiz passte, man stelle ihn sich bei einer der folgenden Oscar-Parties vor – quälend entsetzlich – aber er stand zu dieser Zeit auf seltsame Weise auf der Schwelle zum stardom, - und drehte dem Zustand schnellstmöglich den Rücken zu. Das beeindruckende an XO ist die Eleganz und Ökonomie, mit der er seine Songs ausstattete - keine Zügellosigkeit, dem Charakter der Songs immer dienlich. Smith's Songs klingen immer (noch) resigniert, aber zugleich tröstlich. Das liegt wohl an seiner Stimme und an der reichen Melodik, beste Beispiele sind etwa der Opening-Track „Adeline“ oder das waltzernde Titelstück „Waltz # 2 (XO)“, eine Studie über die Fremdheit und Distanz zwischen Menschen. Dies scheint ihn zu dieser Zeit (nicht ganz unlogisch) stark beschäftigt zu haben, handeln doch die meisten Songs hier von den flüchtigen Momenten, in denen Menschen untereinander wirklich Kontakt haben – und diesen wieder verlieren.
Come
Gently, Down The Stream
(Matador,
1998)
Es sollte das finale Album der Band aus Boston sein. Come hatten in den Jahren zuvor als eine der wenigen Bands ihrer Generation Blues perfekt mit Indie-Rock verbunden. Es gab natürlich noch ein paar andere, wie etwa die Jon Spencer Blues Explosion, aber deren Ansatz war es, Blues durch Punk zu filtern, Come allerdings kamen vom Noise-Rock, hatten sich dem Blues sozusagen von einer anderen Seite genähert, Sie hatten zunächst insbesondere textlich und inhaltlich mehr mit Blues zu tun als die meisten anderen Bands ihrer Art, was wohl auch damit zusammenhing, dass sie mit Thalia Zedek eine der besten bzw. am besten geeigneten Sängerinnen für diese Art Musik hatten. Zedek's rauer Gesang ist für desperate Geschichten wie geschaffen, und auf Gently, Down the Stream singt noch sie besser, als auf den vorherigen, beachtlichen Alben. Ein weiterer Reiz sind die sich umschlingenden Gitarren von Zedek und ihrem Partner Chris Brokaw, der hier auch noch Drums spielt. Das einzige, was man dem Album vielleicht vorwerfen kann, ist seine allzu große Lust am Lärm - immer wieder brechen wahre Gitarrenstürme los und brechen die Songs aus dem Blues Konzept. Der Song „Saints Around My Neck“ gerät dadurch zu Post-Rock Mogwai'scher Prägung, aber am Ende kommt Thalia Zedek mit ihrer besten Vocal-Performance, um den Song doch noch zu erden - und mit „Middle of Nowhere“ werden Come dann regelrecht zärtlich. Chris Brokaws „Recidivist“ zeigt, dass er als Songwriter gewachsen war, dass seine Songs auch ohne den speziellen Sound dieser kleinen Band funktionieren würden. Come waren mit ihrem letzten Album tatsächlich nicht mehr nur grimmig, sondern auch ein bisschen fatalistisch geworden. Man stelle sich einfach vor, Sonic Youth wären mit entsprechender Sängerin beim Blues gelandet. Die Kraft dieser Musik ist im Cover-Shot jedenfalls perfekt abgebildet. Thalia Zedek machte hiernach einige beachtliche Solo-Alben, die Intensität dieses Albums erreichte sie aber nicht
OutKast
Aquemini
(LaFace,
1999)
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