Mittwoch, 24. August 2016

1993 - Darkthrone bis Necrophobic - The Second Wave of Black Metal und wie ich lernte umgedrehte Kreuze zu mögen

1993 kann man als das Jahr der Initialzündung dieser mitunter kritisch angesehenen Variante des Metal ansehen. Ende der Achtziger hatten ein paar Jugendliche in Norwegen keine Lust mehr auf die ihrer Meinung nach zu wenig ernsthaften und nur noch “modischen” Bands des Death- und Thrash Metal, sahen deren wachsenden kommerziellen Erfolg als Affront an und beschlossen, Krach zu veranstalten, der so nihilistisch wie möglich war – sowohl inhaltlich als auch in der Ausführung. Womit konnte man noch wirklich schockieren? Mit Blasphemie, mit faschistoider Gesinnung, mit Hass. Wie vermeidet man insbesondere im metallenen Bereich der Musik kommerziellen Erfolg ? Mit dumpfem Sound und Eintönigkeit. Aber es wurde sehr schnell komplizierter. Der Sound wurde zur Trademark, die Shows, bei denen die Darsteller gerne mit dem sog. Corpsepaint bemalt waren und bei denen mit Tierblut rumgesaut wurde, hatten regen zulauf, der nihilistische Gestus wurde zur Mode, bei manchen zum Lebensinhalt, bei anderen zur Pose. - und die Musik von diversen Labels zum Trend der Stunde gekürt. Einem Trend der überraschend viele Varianten bekam. Das Problem für viele Interessierte ist, dass es insbesondere unter den Vertretern der sog. Second Wave of Black Metal einige Protagonisten gab (manche gibt es immer noch...), deren Haltung extrem fragwürdig – und teilweise nicht einmal mehr das, sondern wirklich faschistoid ist, und dass viele Bands und Teile der dazugehörigen Szene sich halbherzig oder gar nicht von rechtem Gedankengut distanziert haben. Leider gehören dazu einige “Projekte” (oft scheinen BM-Musiker andere Menschen so sehr zu verabscheuen, dass sie alles alleine machen), deren Produkte stilistisch und musikalisch sehr überzeugend sind. Vielleicht können nur Leute die wirklich “Hassen” auch Musik machen, die den Hass vertont. Natürlich gibt es inzwischen sowohl Bands, die sich weiterentwickelt haben, musikalisch wie intelektuell, als auch solche, die Kraft und Furor, den Reiz des BM, als Ausgangspunkt für Neues genommen haben. Aber es gibt auch immer noch einen “Zweig” des Black Metal, der offensiv rechtsradikal ist. Hier aber erst mal ein paar Worte zu einigen “Klassikern” einer Art von Musik, die von Sonic Youth durchaus voller Respekt als eine Art “Anti-Musik” bezeichnet wurde.....und ein paar Worte zum Ursprung des Genres – zur First Wave of Black Metal - am Ende dieses Artikels

Darkthrone

Under a Funeral Moon


(Peaceville, 1993)

Hier wird alles, was Black Metal so schwierig, aber auch so toll macht, vorgekaut und ausgespuckt. Lyrics werden hasserfüllt und unverständlich herausgekreischt, das Schlagzeug klingt nach Motorschaden, die Gitarren sind ein sich jeder Virtuosität verweigerndes weisses Rauschen. Songs beginnen unmittelbar und ohne alberne Einleitung und enden auch so. Under a Funeral Moon war schon das dritte Album der Norweger, nach einem weniger bemerkenswerten Death Metal Debüt und einem umso beeindruckenderen Nachfolger (A Blaze in the Northern Sky), die zusammen die Ästhetik dieses Stils mitbegründeten. Man kann die Musik sicher auch als sinnlosen Lärm bezeichnen, aber das Gleiche wurde über Velvet Underground oder Joy Division gesagt (deren Ästhetik nicht unähnlich - nur depressiver - ist) für mich ist dies hier minimalistischer Punk, mit Lyrics die bewusst überzogen sind, Tracks mit Titeln wie “Summer of the Diabolical Holocaust“ oder „Under A Funeral Moon” können nur so klingen wie hier. Darkthrone waren zu dieser Zeit ein Trio - mit Künstlernamen wie Nocturno Culto, Fenriz und Zephyrous – und ihre Musik ist ebenso ernst gemeint wie das finstere Image, mit dem sie sich umgaben, und man sollte sie auch so hören. Das hier ist vollgepackt mit echten Emotionen, nicht mit den Nettesten, aber wer eine Vertonung der negativsten Seiten des Daseins hören will, findet hier reichlich Stoff


Burzum

Det Som Engang Var


(Deathlike Silence, 1993)


Meine Haltung zu diesem Album ist äußerst zwiegespalten – aus einem einfachen Grund: Varg Vikersen, der Mann hinter Burzum, ist ein - das inzwischen auch offen zugebender - Faschist und ein verurteilter Mörder (der seit ein paar Jahren seine Strafe abgesessen hat und jetzt in diversen Blogs seine wirren Gedanken verbreitet). Aber er hat seinerzeit auch Musik veröffentlicht, die – was dieses Genre angeht – perfekt in ihrer Atmosphäre und seltsamen Schönheit ist. Er hatte schon in den Jahren zuvor mit seinem damaligen Kumpel und späteren Mordopfer Øystein “Euronymus” Aarseth sein Debütalbum und eine EP auf dessen Label veröffentlicht (geführt aus dem kleinen Plattenladen Helvete – sozusagen der Keimzelle des Black Metal in Norwegen) sowie die Songs für dieses zweite Album geschrieben. Schon bei Veröffentlichung der EP Aske lag er im Streit mit Aarseth, hatte ihm aber die Veröffentlichung überlassen, da er selber zu dieser Zeit Schwierigkeiten mit der Polizei hatte, die ihm (zu Recht) vorwarf einige der unrühmlichen Brandanschläge auf Stabkirchen in Norwegen mit initiiert zu haben. Musikalisch jedenfalls ist Det Som Engang Var eines der definitiven und perfektesten BM-Alben. Themen der (meist auf norwegisch gekreischten) Songs sind die Natur und die Mythologie Norwegens sowie Tolkiens “Herr der Ringe”, auf das Vikernes sich schon oft bezogen hatte (Er hatte zeitweise den Künstlername “Count Grishnak” getragen). Dazu hatte er alle Instrumente in nur 26 Stunden selber eingespielt, und eine unglaubliche Mischung aus gedoppelten Gitarren, Drums und unheiligem Kreischen zu einem giftigen Gebräu aus verzweifelter Melancholie und Misanthropie zusammengekocht. Im Gegensatz zu Darkthrone klingt auf Det Som Engang Var alles weniger klischeehaft, tiefer und ernsthafter. Schon der abrupte Wechsel vom klassischen Intro zum rohen Getrümmer des zweiten Songs “Key to the Gate” ist perfekt, vereint zwei Welten. Die Musik ist auf der einen Seite rhythmisch eintönig, wird aber immer wieder von atmosphärischen Sounds und instrumentalen Intermezzi unterbrochen. Es ist - wie gesagt leider – eines der besten Alben des Black Metal und wurde jahrelang aus nachvollziehbaren Gründen von der Musikpresse boykottiert. Vikersen brachte kurz nach Erscheinen des Albums seinen ehemaligen Freund und musikalischen Partner um und kam von 1993 bis 2009 ins Gefängnis, wo er weiter Musik machte, eher Ambient als BM und wo er immer tiefer in politische Blödheit abrutschte. Kann und soll man ein Album wie Det Som Engang Var von einem bekennenen Faschisten wie Vikersen hören? Ich tu's, weil die Musik an sich keine rechtsradikalen Inhalte hat, und ich persönlich hier den Musiker von der Musik trenne. Und er hat mit dem Nachfolger Filosofem ein noch besseres Album gemacht

Immortal

Pure Holocaust


(Osmose, 1993)

Das zweite Album der Norweger Immortal – mit dem misanthropischen Titel Pure Holocaust - muss man natürlich auch erwähnen: Da ist zuerst einmal das Cover mit den Musikern in vollem Ornat - von denen aber tatsächlich nur Demonaz Doom Occulta und sein Freund Abbath Doom Occulta (Oh Mann !) alle Instrumente eingespielt hatten. Grim wurde nur als Posterboy abgelichtet. Da ist der Titel - so unkorrekt wie möglich - und da ist selbstverständlich die Musik. Immortal fanden sogar Gnade vor den Augen des US Extrem Muikers Paul Ledney (Havohej - siehe weiter unten)! Und der Mann hatte Ahnung. Pure Holocaust ist höllisch rasant, von eisiger, grimmiger Atmosphäre, dabei melodisch ausgefeilt und letztlich Blaupause für etliche Copycats, die aber alle hier nicht mehr herankamen. Abwechslungsreicher als Darkthrone, politisch genießbarer als Burzum und schneller als alle anderen. Die Themen sind nordische Mythologie und - natürlich - Hass. Schon beim Opener “Unsilent Storms in the North Abyss“ ist das Drumming rasanter, als bei der Konkurrenz und Sänger Abbath hört sich eher nach tollwütigem Hund als nach Mensch an. Und auf den folgenden Songs wird das Tempo mitnichten gedrosselt, nur hier und da kommen ein paar majestätisch dahinschleppende Passagen vor („The Sun No Longer Rises“), die für eine gewisse Abwechslung sorgen. Die Melodik erinnert manchmal an Bathory, passt zum „nordischen“ Klima und der eiskalten Produktion des Albums. Wo Burzum und Darkthrone auf ihre jeweilige Weise nach aggressivem Hass klingen, sind Immortal Wahnsinn im eisigen Winter. Ihre ersten drei Alben (= der Vorgänger Diabolical Fullmoon Mysticism und die '95er Battles in the North) sind genauso unverzichtbar wie die ersten Darkthrone und Burzum Alben.

Emperor/Enslaves

Emperor/Hordanes Land - Split Release


(Candlelight, 1993)

Dieses Split-Release ist ebenso richtungsweisend, wie Darkthrone's drittes Album, aber sowohl Emperor als auch Enslaved sollten im Verlauf der Zeit eine weit interessantere Entwicklung durchmachen, als ihre Vorbilder, die letztlich mit den ersten vier Alben schon ihren Claim abgesteckt hatten. Und für Fans des Old School BM geht über diese erste Veröffentlichung beider Bands nichts hinaus. Tatsächlich kann man sagen, dass sowohl Emperor als auch Enslaved hier so inspiriert klingen, wie nie mehr danach - Denn noch war Black Metal eher Leidenschaft als Geschäft (Auch wenn ich den Vorwurf des Ausverkaufs von “Idealen”, der quasi jedem halbwegs erfolgreichen BM-Act gemacht wird, lächerlich finde). Emperor feilten bis zum folgenden Full-Length Album weiter an ihrem Stil, klangen aber nie mehr so unmittelbar und aggressiv wie hier. Tremolo-Picking und Keyboards, die noch weiter im Hintergrund standen als auf dem kommenden Album, untermalen Songs, die zum Besten gehören, was Black Metal kompositorisch zu bieten hat: „Wrath of the Tyrant“ und „ Cosmic Keys to My Creations and Times“ sind frühvollendet, Emperors folgende Alben sind allesamt hörenswert, aber letztlich Variationen von dem, was hier vorgedacht wurde. Die drei Stücke von Enslaved (auf der 2. Seite der LP) reichen hingegen noch nicht ganz an das heran, was die Band in den kommenden Jahren noch machen sollte. Sie sind eine der Bands, die sich ständig weiterentwickelten, deren Debut hier im Vergleich daher etwas schwächer ist. Was nicht viel heißen soll. Auch hier schon mischten sie ihrem an Burzum geschulten BM eine kräftige Prise Viking-Metal und exzentrische Spielereien bei. Enslaved scheuten sich schon '93 nicht die Grenzen des Genres zu sprengen, und kompositorisch waren sie schon hier auf der Höhe – Allein in der Ausführung sollten sie noch besser werden

Satyricon

Dark Medieval Times


(Moonfog, 1993)

Die Norweger Satyricon sind ein Fall für sich. Manchen BM Fundamentalisten sind sie bald zu virtuos und zu arrogant, unter anderem weil sie als eine der ersten Bands einen Plattenvertrag bei einem großen Label bekamen – und dadurch seitdem mit dem Vorwurf des „Ausverkaufs“ behaftet, Ihr Debüt allerdings ist noch ein perfektes Beispiel für den Underground-Black Metal des Jahres '93. Sie bestehen zu diesem Zeitpunkt aus Sigurd „Satyr“ Wongraven, der alle Instrumente spielt und singt und dem Drummer Kjetil „Frost“ Haraldstad, der zunächst von seinem Chef abgelehnt worden war, weil er keine Erfahrung an seinem Instrument hatte, sich aber in kürzester Zeit zu einem hervorragenden Instrumentalisten entwickelte. Das Debütalbum Dark Medieval Times – eingespielt nach den üblichen Jahren im Untergrund und zwei Demo's – gehört zu den besten Alben des damals noch jungen Genres. Eine eiskalte Atmosphäre, Passagen mit den dem Titel entsprechenden mittelalterlichen Klängen via Akustik-Gitarre und Flöte, boshaft gekreischte oder geflüsterte Vocals, eine rohe und primitive Produktion, die aber eher zur gewünschten Atmosphäre beiträgt, als ihr zu schaden – das Album kann sich durchaus mit Burzum's Det Som Engang Var und Darkthrones Under a Funeral Moon messen, das Songwriting ist vielleicht sogar abwechslungsreicher als es bei den beiden Vorgenannten der Fall ist. Es gibt geschickte Tempowechsel („Taakeslottet“), aber auch die gerne genommenen, rasanten und zugleich eintönigen Passagen, die zur desperaten Atmosphäre beitragen sollen. Hier liegt natürlich auch das Problem mit diesem (und fast allen anderen) Black Metal Alben, die Bemühungen um „Evilness“ ist den meisten Alben deutlich anzuhören - und dadurch mitunter unfreiwillig komisch. Man sollte immer bedenken: Das sind die „Stilmittel“, die man akzeptieren muss, um einen Zugang zu der Musik zu bekommen – und all die Musiker hier sind damals noch sehr junge Leute gewesen.

Impaled Nazarene

Ugra-Karma


(Osmose, 1993)

Impaled Nazarene kommen nicht aus Norwegen, sondern aus Finnland, und obwohl sie der Einordnung ins Black Metal Umfeld vehement widersprachen, kann man die Musik auf ihrem zweiten Album Ugra-Karma wohl getrost jedem Black Metal Afficionado zumuten – zumal sie - getreu der Grundeinstellung aller echten Black Metal Bands - hauptsächlich die Tatsache beklagten, dass Black Metal nur ein Trend wäre, dem sie auf keinen Fall folgen würden. In der Tat: Impaled Nazarene mögen einen Namen haben, der klischeehaft ist, aber ihr Sound ist eindeutig Black Metal mit etlichen recht eigenwillige Facetten. Da ist der Einsatz von Keyboards, die im Hintergrund einen seltsam psychedelischen Nebel erzeugen, da sind Drums, die manchmal eher an Industrial-Geratter erinnern, als an Black Metal-Geknüppel. Und natürlich kokettieren auch Impaled Nazarene mit dem Nationalsozialismus, wenn sie etwa bei “Gott ist tot” kreischen: „Gott ist tot“, „Judean Gott ist tot“ und „Heil! Heil! Heil! Heil!“... Und natürlich wurde der Nazi-Bezug bald darauf großäugig geleugnet und der Song stattdessen als Kritik an der israelischen Palästinenser-Politik dargestellt. Letztlich verarbeiten Impaled Nazarene auf etwas dümmliche Weise alle möglichen fragwürdigen bis unappetitlichen Themen, Sänger Mika Luttinen hatte sich ein Buch über Hare Krishna gekauft, und daraus die Themen für zwei Songs sowie den Albumtitel geholt, dazu kommt die übliche Blasphemie und eine Prise Perversion bei “Sadistic 666/Under the Golden Shower” und “The Horny and the Horned”. Alles ein bisschen albern und aufgesetzt – aber wer hört diese Musik wegen der Texte ? Dafür wird die Musik auf Ugra-Karma mit der notwendigen Aggressivität zelebriert - “Soul Rape” etwa ist unglaublich rasant, klingt, als würde eine Harcore-Band auf Speed durchdrehen. Das Album vibrierte vor Energie und einer seltsam Art von perversem Spaß. Impaled Nazarene sind die Ramones der Second Wave of Black Metal und dieses Album ist wirklich schön....

Beherit

Drawing Down the Moon


(Spinefarm, 1993)

Beherit kommen auch aus Finnland, und sind wohl immer etwas zu seltsam für den gewöhnlichen BM - Hörer gewesen, wie mir scheint. Das Cover mit dem untypischen Mondoberflächen-Motiv statt irgendeiner satanistischen Symbolik macht es schon deutlich. Die hatten einen etwas anderen Horizont als etwa ihre Zeitgenossen aus Norwegen. Andererseits: Beherit ist die syrische Bezeichnung für Satan, und die Musiker nannten sich Marko "Nuclear Holocausto" Laiho , Jari „Sodomatic Slaughter“ Pirinen und Abyss (Whatever...). Aber der Sound der Band hebt sich definitiv vom Black Metal der Norwegischen Flaggschiffe ab. Die Kreissägengitarren sind tiefer gestimmt, erinnern manchmal an Black Sabbath, der Gesang ist eine Mischung aus Growls und tiefem Kreischen, der Sound ist roh, primitiv, chaotisch und sehr speziell. Es gibt recht kurze, immer voneinander abgegerenzte Songs, besser simple Riffs, die dann im Chaos münden. Ich denke Drawring Down the Moon hat Jahre später einige der fortschrittlicheren Chaotic Black Metal Bands wie Deathspell Omega beeinflusst. Bandkopf Nuclear Holocausto machte nach dem Debut mit Dark Ambient weiter. Dieses Album hier ist nicht nur schön, sondern auch und vor allem anders.



Die erste Welle des Black Metal und ein paar andere Bands dieses Jahres



... wie gesagt: Noch ein paar Worte zum „Ursprung“ dieses Genres, oder besser – ein paar Namen. Da waren einmal Venom, die Band aus England, die unter Anderem auch mangels instrumentaler Fertigkeiten einen sehr rohen Metal spielten, Anfang der Achtziger vor Allem mit einem nicht sonderlich ernsthaften aber zu der Zeit wohl recht schockierenden satanistischen Image spielten. Ihr Debut heißt Welcome to Hell - das geht ja noch – ihre 2. Platte von 1982 hieß dann Black Metal - ist aber eher simpler Thrash-Metal. Dann sind da die Schweden Bathory, deren rohe Kost schon eher an den BM der ersten Stunde erinnert, die aber auch immer eine kräftige Prise nordische Mythologie und Viking-Metal hinzufügten. Ihr Image war ernsthafter, ihre Musik, weniger förchterlich als romantisch, ihr fast atonal-chaotisches 87er Album Under the Sign of the Black Mark gehört für mich zu den essentiellen BM-Alben. Nur wussten sie noch nicht, dass sie damit ein Genre beeinflussen würden. Die Schweizer Celtic Frost, deren To Mega Therion ('85) genauso toll ist, hatten großen Einfluss, sind aber auch irgendwie eher am Rande des Black Metal geblieben, genauso wie die Dänen Mercyful Fate. Deren Leadsänger King Diamond „erfand“ den Corpsepaint (oder waren das etwa Kiss...?), die Band spielte Thrash – und zwar sehr feinen – hatte aber sonst mit BM nichts zu tun. Und dann kamen irgendwann die Norweger Mayhem, denen sowohl Burzum's Varg Vikersen als auch der im Review zu dessen Det Som Engang Var erwähnte Øystein Aarseth unter dem Pseudonym Euronymus angehörte. Sie sind wohl die Band die für den Beginn der „Second Wave of BM" und damit für die Initialzündung des Black Metal steht, ihr musikalischer Output allerdings beschränkt sich bis 1994 auf zwei chaotische und fast nicht anhörbare EP's mit den netten Titeln Pure Fuckin' Armageddon und Deathcrush. DAS ist dann Black Metal wie ihn die Hardliner hören wollen: Kreischen, Rumpeln, Rasen – und keinerlei Zugeständnisse an Ästhetik in Musik – noch mehr Anti-Musik als etwa Havohej. Mayhem haben dann 1994 ein sehr gutes Album gemacht – ohne ihre „berühmtesten“ Mitglieder und das reicht. Ansonsten gibt es . Wie hier unten veranschaulicht - etliche interessante frühe Bands aus verschiedensten Ländern. Der Musikstil der am wenigsten Tolerant erscheint, ist erstaunlich international, mit Bands aus Brasilien, Griechenland (deren Rotting Christ ich nicht vergessen habe, die ich aber im Moment noch nicht so mag...) , Polen, Tschechien, Russland, Schweden und bald dann auch Großbritannien, USA und Deutschland. Vielleicht wird das unterstützt durch die Tatsache, dass man die Lyrics nie wirklich versteht, ihren Sinn allerdings immer.

Havohej

Dethrone the Son of God


(No Fashion, 1993)

Havohej werden als Entsprechung zu Burzum für den US Black Metal bezeichnet - allerdings hat sich ihr Begründer, der ehemalige Drummer der frühen Black Metal Band Profanatica, nicht zum politischen Dummkopf stlisiert. Er ist eher in religiöser Hinsicht extrem. Neben Judas Iscariot und Krieg gehört Havohej zu den ersten US-Bands, die sich in dieser Musikrichtung einen Namen machte. Man schaue das Cover an, auf dem sich Paul Ledney vor Abscheu zu winden scheint, höre sein unweltliches Gekrächze, das Programm und genau so gewollt ist. Dazu seine Texte, die so blasphemisch wie nur möglich sind (in den bigott/religiösen USA sicher skandalöser als hier) und ein Titelsong, der „a capella“ dargeboten wird. Was genau Ledney so an Religion und vor allem am Christentum stört, erschliesst sich nicht, er nannte in Interviews sinngemäß ALLE organisierten Religionen schwachsinnig, verteilte seinen Hass auch gerecht auf die Black Metal Szene weltweit und gab nur wenigen Bands das Recht zu existieren. Tja - Havohej ist Jehova rückwärts, und Gott kann das Existenzrecht nach eigenem Gutdünken verteilen. Die Songs tragen Titel wie „Fucking of Sacred Assholes“ oder „Spilling Holy Blood“, und wer streng religiös ist, wird sowas nicht hören wollen. Die Musik wird absichtlich primitiv gehalten, Drums ähnlich wie bei Bathory bilden das Grundgerüst, darüber ein, zwei sich wiederholende Bass-Riffs und Gitarren, die nach Kreissäge klingen. So machen Havohej zusammen mit ihren Brüdern im Geiste Ildjarn die ultimative Anti-Musik - Musik die nur als eine Art sonischer Gewalt existiert, ähnlich wie manche elektronische Noise-Acts. Die Songs haben oft zwei gegensätzliche musikalische Themen, gerne chaotisch und atonal, die irgendwann kollidieren um den Höhepunkt zu markieren. Das ganze Album riecht nach unheiligem Abscheu und Blasphemie ist der einzige Anlass für die Musik. Im Grunde ist Dethrone the Son of God also das ultimative Black Metal-Album. Man kann es nur noch anders machen, nicht bösartiger.

Sigh

Scorn Defeat


(Deathlike Silence, 1993)


Man sagt ja, Japaner können Alles nachmachen. Ein Klischee, aber in der extremen Musik folgen sie offenbar gerne Vorbildern aus Europa und den USA – um diese dann auch mal zu übertreffen – man höre sich nur Bands wie die Flower Travellin' Band, Boris oder Acid Mothers Temple... an. Scorn Defeat war das erste Album von Sigh, die mit dem Titel die Vorbilder Venom zitierten, aber musikalisch schon weit komplexer waren., als die Black Metal Urväter – und als ihre Zeitgenossen aus Norwegen und Finnland. Scorn Defeat ist sauber produziert, es gibt ausgefeilte Instrumental-Passagen, mit Fake-Orchester und ruhigen Keyboard-Parts, der Gitarrist Shinichi Ishikawa ist nicht nur schnell, er kann auch Melodie – und dennoch – Scorn Defeat ist Black Metal. Die Einflüsse aus Klassik, Thrash und Doom sind hörbar, aber Sigh waren für alle anderen Gneres und deren Hörer bei weitem zu extrem, der klassisch ausgebildete Bandkopf, Bassist, Sänger und Keyboarder Mirai Kawashima neigte zum musikalischen Wahnsinn, mit dem er sich in den folgenden Jahren ganz konsequent zwischen alle Stühle setzen würde. Dieses Debüt wurde nicht umsonst von Euronymus' Deathlike Silence Records veröffentlicht – der wusste offenbar da schon, was Black Metal kann. Das Album passt nicht in das geläufige Bild von Black Metal anno 1993, ist aber so abwechslungsreich und fremd, dass man es mal anhören sollte, auch wenn - oder gerade weil – ein Song wie „Gundali“ mit klassischem Klavier endet. Dafür hat der 10-minüter „Ready for the Final War“ einen zu Black Metal passenden Titel, beginnt in rasantem Tempo mit ausreichend bösartiger Atmosphäre, ehe es in Richtung Chaos abbiegt. Sigh würden einen logischen Weg in Richtung Avantgarde-Metal gehen und 2001 mit Imaginary Sonicscape mindestens ein weiteres großes Album machen. Scorn Defeat ist Black Metal für zu schlaue Köpfe

Mystifier

Göetia


(Osmose, 1993)

Auch in Brasilien waren die Tapes und Alben von Bands wie Celtic Frost und Bathory irgendwo auf offene Ohren gestossen. Die Band aus Salvador, Bahia hatte schon Ende der Achtziger begonnen, Thrash mit finsteren Untertönen zu spielen, hatten mit den Landsleuten The Sarcófago zumindest ein paar Gesinnungsgenossen und begannen zu Beginn der Neunziger die Grenzen ihrer Musik - und ihrer Texte - immer weiter in anti-christliche Bereiche zu verschieben. Ihr drittes Album Göetia entspricht auch nicht dem, was die Protagonisten der Second Wave of Black Metal in Norwegen machten. Der Sänger heisst zwar Asmodeus, aber er kreischt nicht, sondern er growlt, Astaroth und Behemoth spielen auch mal Thrash-geschulte Twin Leads, wenn es sein muss, Drummer Lucifuge Rofocale ist einer, der mehr kann als nur rasant Klopfen, und dann ist da ja auch noch Beelzebuth, der zwar den Namen des Teufels nicht schreiben kann, aber Bass spielt und sauber produziert. Und ein Song wie “The Sign of the Unholy Cross” ist zu Beginn so rasant wie manches von Immortal, ehe es in atmosphärische Mid-Tempo-Gefilde abgleitet – die Gefilde übrigens, in denen Mystifier definitiv besser zurechtkommen. Dann die angewiderten Vocals, die dazu hervorgestossen werden, die Misanthropie und der Hass – was anderes als Black Metal soll das sein ? Es sind Lyrics die sich mit Okkultem und Blasphemie beschäftigen, wobei die Tatsache, dass die Musiker eher in der portugiesischen Sprache als im Englisch zuhause sind, an so lustigen Songtiteln erkennbar wird wie etwa “The True Story About Doctor Faust's Pact with Mephistopheles” - demnächst bei RTL 2.... Göetia klingt nicht so kalt, nicht so winterlich wie Det Som Engang Var oder Under a Funeral Moon, aber es klingt ausreichend “evil” und herrlich verrottet, es ist Black Metal aus dem Dschungel, um ein Klischee zu bemühen. Und Brasilien würde sich auch in der Folgezeit als Land mit einer fruchtbaren Extrem-Metal-Szene erweisen.

Dissection

The Somberlain


(No Fashion, 1993)


Schweden war Anfang der 90er eine der Hochburgen des Death Metal. Eine Band, die Black Metal spielte daher in diesem Land eher ungewöhnlich, zumal tatsächlich ein regelrechter Krieg zwischen den jeweiligen Szenen herrschte. Was warfen wohl die Norweger den Schweden vor ? Natürlich den Teufel Kommerzialität. Und in der Tat, wenn man das erste Album von Dissection hört, ist die Tatsache, dass sie die Proberäume mit At The Gates teiten (deren 92er The Red in the Sky... sehr guter Death Metal ist) wenn man will, herauszuhören. Insofern jedenfalls, als Dissection durchaus ein Ohr für Melodie haben, dass sie ihrer Musik auch durchaus eine klare Produktion durch den da gerade mal 20-jährigen Dan Swanö angedeihen lassen. Für Anhänger der Reinen Lehre ist The Somberlain höchstens melodischer Death Metal und lediglich Gesang und eisige Atmosphäre sind mit anderen Black Metal Bands vergleichbar. Dafür gibt es auch mal ein akustisches Gitarren-Intermezzo und reichlich Sinn für Melodie und Dramatik. Wer Black Metal in seiner “geniessbarsten” Form hören will ist hier jedenfalls richtig. Dissection widmeten The Somberlain dem kurz zuvor ermordeten Euronymus und hatten hier mal eben die Duftmarke für BM in Schweden gesetzt. Der Nachfolger Storm of the Lights Bane sollte dann zu einem DER BM-Alben überhaupt werden.

Necrophobic

Nocturnal Silence


(Black Mark, 1993)

Und schon komme ich an die Grenzen des Black Metal – man nennt es heute Blackened Death Metal. Necrophobic sind auch Schweden, und die hatten eh das Problem, nie „true“ genug zu sein für einen anständigen Black Metal Fan, der Norwegen und vielleicht noch Finnland als BM-Land gelten lassen konnte. Pech – denn The Nocturnal Silence ist ein sehr gutes Album eben auf der Grenzlinie zwischen Death- und Black Metal. Schnelles Riffing, gekreischte Vocals, die eher an BM erinnern, blasphemische Texte, aber eine Melodik und eine Produktion, die roh und zugleich klar ist, da sind Riffs und Melodien und sogar Passagen mit Soli und Akustikgitarre. Die Einflüsse reichen von Bathory („Before the Dawn“) bis zu Slayer („Unholy Prophecies“) und Necrophobic trauten sich zu der damaligen Zeit mit diesem Album was: Death Metal Bands durften so nicht klingen, die Grenzen waren da noch sehr eng gezogen und es gab eine regelrechte Feindschaft, die auf Konzerten durchaus auch physische Auswirkungen haben konnte. Nocturnal Silence ist abwechslungsreich, die Spannung wird hochgehalten, die Tracks sind aggressiv und zugleich differenziert, und wer extremen Metal mag, wird das Album zu schätzen wissen. Necrophobic gingen zunächst klugerweise nicht auf Tour, aber so versank das Album in der Flut der Veröffentlichungen jener Zeit. Spätere Alben sind deutlicher in Richtung BM gerückt, aber ihr Debüt ist meiner Meinung nach ihr bestes Album - und eines der großen Alben des... ach, was weiss denn ich.....













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