Freitag, 26. August 2016

1978 - Papst Johannes Paul I &II, J.R. Ewing und Dallas - Elvis Costello bis Big Star

...ist das Jahr, in dem im Iran erstmals der bis dahin mundtot gehaltene Ayatollah Chomeini zu Wort kommt. Noch erklingen seine Worte aus dem französischen Exil, aber sie schlagen Wellen in der islamischen Welt. In Italien wird der Politiker Aldo Moro von der Terrororganisation „Rote Brigaden“ entführt und getötet. Nach dem Tode von Papst Paul IV bleibt der italienische Nachfolger Papst Johannes Paul I nur 33 Tage im Amt. Sein plötzlicher Tod ist bis heute Quell von Gerüchte und Verschwörungstheorien, man sagt die Mafia oder die Kurie habe da ihre Hand im Spiel gehabt.... Sein Nachfolger ist der weit konservativere Pole Karol Woytila. In London wird das erste Retortenbaby geboren, Die Fernsehserie „Dallas“ startet. Vor der Küste der Bretagne geht der Öltanker „Amoco Cadiz“ auf Grund und löst eine gewaltige Ölkatastrophe aus. Im Iran kommen bei einem Erdbeben 15.000 Menschen um, und der Sektenführer Jim Jones treibt in den USA 900 Gläubige in den Zyankali - Selbstmord. Musikalisch ist 1978 das Jahr des Post-Punk. Pere Ubu, die Buzzcocks, Wire, sie alle machen Musik, die Punk mit Kunst paart und so zum Post-Punk wird. Auch der Reggae hat das Ende des Punk sehr lebendig überstanden. Währenddessen wird Ambient von Ex Roxy Music Gehirn Brian Eno im Alleingang erfunden, Die 70er klingen aus, und viele neue Acts etablieren sich in den Nachwehen des Punk mit Musik, die weit in die Zukunft weist. Peter Gabriel emanzipiert sich vom progressiven Rock, Marvin Gaye macht ein Scheidungsalbum, Hard Rock wird langsam zu mehr als nur Deep Purple, Heavy Metal in der Form wie wir ihn kennen ist noch nicht da, aber es beginnt laut zu rumoren. Country ist immer noch lebendig, und Scott Walker macht mit den Walker Brothers auf einmal Musik, die seltsam und unheimlich ist. Die Dire Straits und The Police, zwei Bands aus ganz unterschiedlichen Bereichen, beginnen in diesem Jahr Karrieren, die bis weit in die 90er führen sollen und die sie an Stelle solcher Dinosaurier wie Led Zeppelin oder Yes treten lassen werden. Ignorieren will ich Boney M oder auch die Soundtracks zu Grease und Saturday Night Fever, die für die peinliche Variante von Disco stehen, aber sehr erfolgreich sind (und von vielen bis heute geliebt werden). Das zweite Album der Band Boston kann ich heute auch einfach nicht mehr gut finden (obwohl ich es im Alter von 15 Jahren mochte...), wenn ich mir im Vergleich dazu etwa Wire oder die Talking Heads anhöre. Ebenfalls erfolgreich, aber hier ohne Belang: Bob Seeger's Hemdsärmel-Rock oder George Benson's Leichtgewichts-Jazz.

Elvis Costello

This Year's Model


(Radar, 1978)


Nach seinem Debut My Aim Is True – noch mit der Backing Band Clover und ohne die Attractions aufgenommen und somit eher im Pub Rock Sound – gelang Elvis Costello mit This Years Model die Metamorphose vom Folkie zum angry young man des New Wave. Dieses Album bietet das, was man bis heute mit Costello verbindet: Sie ist eine einzige Attacke - von „No Action“ über „Lip Service“ und „Lipstick Vogue“ bis zum gruseligen, Gänsehaut erzeugenden “Night Rally“. Von Nick Lowe ohne überflüssiges Beiwerk produziert, schießt Costello seine Worte wie Pfeile in den Wanst der britischen Wohlstandsgesellschaft. Beißend, giftig, sardonisch sind die Texte, und die Musik entsprechend angriffslustig und zugleich mit dem für Costello typischen melodischen Aplomb. Die Attractions waren dafür definitiv die richtigen Waffenbrüder, mit Steve Nieves schneidendem Orgelklang statt der brutalen Gitarre, die Costello nicht spielen konnte, mit einem Sound, der eher von 60er Garagen-Bands beeinflusst war, als vom Punk-Sound der Stunde. Die Musik ist natürlich Popmusik, aber die ist voller Wut, Zynismus, Verzweiflung und Liebe, gesungen von einer Stimme, die all diese Emotionen trefflich in sich vereint – und entsprechend unschön ist. Es sind die Faktoren, die Costellos Musik in der folgenden langen Karriere immer wieder auszeichnen sollten. Er mag später stilistische Sprünge nach links und rechts gemacht haben, aber er kehrte zunächst auch immer wieder zum zynischen Pop zurück. This Years Model ist das Album, das die allgemeine Vorstellung von Costello's Musik definiert, einer Musik, die die unbequemen Seiten des Zusammenlebens behandelt... und darin perfekt ist.

Wire

Chairs Missing


(Harvest, 1978)

Gerade mal acht Monate nach dem Debut Pink Flag veröffentlicht, war Chairs Missing ein Schlag ins Gesicht der Punk-Szene, die die Band so gerne für sich vereinnahmt hätte. Kritiker wie Fans waren nicht begeistert: Wire teilten auf einmal das Label mit den Prog-Rockern Pink Floyd und Produzent Mike Thorne spielte - auf Wunsch der Band ! – auf dem neuen Album sogar Synthesizer. Es wurde mehr Wert auf den Sound gelegt als zuvor, die Songs wurden länger, das Tempo langsamer. Dazu kamen nun Texte, die durchdacht und düster waren, die der Musik zusätzlich Tiefe gaben. Nicht dass Chairs Missing wirklich einen Verrat an Punk-Idealen dargestellt hätte, im Gegenteil, was ist mehr „Punk“, als gerade die konsequente Verweigerung gegenüber der Vereinnahmung durch eine „Szene“ ? So jedenfalls schufen Wire eines der ersten und zugleich besten Post-Punk Alben. (Der LP-Titel übrigens bedeutet soviel wie „nicht mehr alle Tassen im Schrank“). Songs wie „I Am the Fly“ mit insektenhaft schwirrenden Gitarren, das elektronisch verfremdete „Practise Makes Perfect“, oder das kurze, noch am ehesten an die Songs auf Pink Flag erinnernde „Outdoor Miner“, - all diese Songs in eiskaltem Soundgewand - zeigen Wire wie in einem Schnappschuß an einem bestimmten Punkt ihrer rasend schnellen Entwicklung. Und zugleich sind sie eine der Bands, deren Musik weit in die Zukunft weisen sollte. Hier holen sich etliche spätere Bands aus Hardcore und Post-Punk ihre Ideen - und Wire machen bis heute (!) überraschend glaubwürdig weiter...

Kraftwerk

Die Mensch-Maschine


(Kling Klang, 1978)


Auch Kraftwerk waren 1978 auf einem der Höhepunkte ihrer Entwicklung. Ihre Musik war von Beginn an ihrer eigenen Zeit voraus gewesen, ihr Einsatz von Computern in der Musik visionär, ihre Ästhetik einzigartig. Mit dem Vorjahresalbum Trans-Europa Express hatten sie den nächsten künstlerischen Höhepunkt erreicht, der Nachfolger Die Mensch-Maschine war nun mit seinem Gesamtkonzept aus Musik und Design noch ausgereifter. Der Stummfilmklassiker Metropolis von Fritz Lang diente als Inspirationsquelle, das an den russischen Konstruktivisten El Lissitzky angelehnten Cover sollte die Bildsprache etlicher New Wave - und vor allem Synth-Pop-Acts der kommenden Jahre definieren, der kalte Sound der Synthesizer, die Art des Gesangs und sogar das ästhetische Konzept wurden bald darauf von Epigonen wie Gary Numan erfolgreich kopiert. Und neben dem ganzen stilistischen Überbau hatten Kraftwerk auch noch die entsprechend durchdachte und gelungene Musik zum Konzept. „Das Model“ ist ein Traum von einem Popsong, so kühl, elegant und verführerisch wie eines der Geschöpfe vom Laufsteg. "Neonlicht" und "Die Mensch-Maschine" wirken wie urbane Mantras, deren sanfte Monotonie neue musikalische Sphären eröffnet. Der zackige Funk von „Die Roboter“ bringt den Albumtitel auf den Punkt und entstand beim Zusammenspiel der beiden Schlagzeuger Wolfgang Flür und Karl Bartos mit ihrem neuen Sequenzer. Die Idee, sich auf der Bühne durch Androiden - Alter-Egos vertreten zu lassen, entstand genau hier und wurde direkt von den gläubigen Anhängern der elektronischen Lehre The Human League kopiert. Man findet im Laufe der Zeit wohl wenige Alben, die so weite Kreise ziehen würden.

Blondie

Parallel Lines


(Chrysalis, 1978)

Haben Blondie zu diesem Zeitpunkt eigentlich noch irgend etwas mit Punk zu tun? Ihre ersten beiden Alben waren im Dunstkreis des CBGB in New York entstanden, dort wo Patti Smith 'rumhing, und wo Television Psychedelic Rock ohne Blues wagten, aber Blondie waren von vorne herein viel mehr Pop, als die meisten in dieser Szene jemals werden sollten. Für ihr drittes Album Parallel Lines holten sie den zuvor mit Bands wie Sweet und Smokie erfolgreichen Pop-Produzenten Mike Chapman ins Boot, der ihre an Brill-Building geschulten Songs aufpolierte und ihnen damit den kommerziellen Erfolg ermöglichte, der zuvor noch ausgeblieben war....was bedeutet, dass jedes Spurenelement des Punk nun ganz verschwunden war, und Parallel Lines ganz einfach perfekte Popmusik wurde. Höchstens Debbie Harry's kühler Girl Glamour mochte noch daran erinnern, woher die Band kam. Die Songs hier allerdings hätten in jeder Form ihre Klasse bewahrt. Schließlich zog ja auch die ganze Band bei der Kommerzialisierung ihres Sounds mit. Blondie als Band sollten nie mehr besser werden als bei Songs wie den Hits „Sunday Girl“ oder dem Discotheken-Knaller „Heart of Glass“, bei dem Drummer Clem Burke sich zu gleichen Teilen von Kraftwerk und den Bee Gees im „Saturday Night Fever“ beeinflussen ließ. Aber wie es sich für ein großes Album gehört waren auch nicht als Single gedachte Tracks wie „One Way Or Another“ oder das an Marilyn Monroe gemahnende „Fade Away and Radiate“ - mit Robert Fripp an der Gitarre - von höchster Qualität. Blondie führten mit Parallel Lines auf selbstbewusste Weise den Girl-Group-Pop der Sechziger hinüber in die Achtziger.

Talking Heads

More Songs About Buildings And Food


(Sire, 1978)

Es ist schon dieses zweite Album der Talking Heads - More Songs About Buildings And Food - auf dem ihr Interesse an Disco, R&B und Soul das Kommando übernahm. Vom Al Green Cover „Take Me To the River“, (in den U.S. Top 40) bis zu den Disco-Elementen im Mix von “I’m Not in Love” wird nun alles intensiv an schwarze Musik angelehnt. Natürlich sind da noch Songs, die auch auf Talking Heads 77 gepaßt hätten – die nervöse New Wave Seite ihres Sounds würden sie schon wegen David Byrnes Stimme nie gänzlich verleugnen können - aber das Rhytmusgespann aus Tina Weymouth und Chris Frantz spielte ab jetzt intensiv, messerscharf und hoch-komplex – und funky. Byrne's Texte und sein typischer Gesang wurden immer besser und die fruchtbare Partnerschaft mit Brian Eno - erstmals als Produzenten für die Talking Heads tätig - begann hier. Eno's Vision war es, die Betonung auf den Rhythmus zu setzen, was der Musik sehr gut tun sollte. Und er beließ David Byrne's hypernervösen Gesang so wie er war, um die Identität der Band nicht zu verschleiern – weil diese Stimme das einmalige Merkmal der Talking Heads bleiben sollte. So sind es speziell die beiden letzten Songs, die More Songs.. .vom Vorgänger abheben. Al Green's „Take Me to the River“ wurde wie gesagt zum Hit und „The Big Country“ ist einer der besten Songs der Talking Heads überhaupt. Eno hatte die Band zweifellos in die Spur gesetzt – und der Brite nutzte die Zeit zum Mastering des Albums für ein weiteres bahnbrechendes Projekt...

Various Artists

No New York


(Antilles, 1978)

..und zwar für diese Anthology, die man getrost die beste für ihre Musik nennen kann. Brian Eno hatte während seiner Arbeit mit den Talking Heads das Underground-Festival „New York, New York“ gesehen und war von der sogenannten No Wave Szene so beeindruckt, dass er deren Musk unbeding dokumentieren wollte. Jede der vier Bands auf dieser Anthology - James Chance and the Contortions, Teenage Jesus and the Jerks, Mars und D.N.A. - bekam in je vier Songs die Chance, ihre Musik und damit vor Allem ihre Haltung zum Musikmachen darzustellen. Und die Haltung war offensichtlich WEIT wichtiger als ihre Umsetzung. No New York ist ein Dokument des Chaos und frechen Nihilismus in musikalischer Form. Die vier Bands detonieren in vier Explosionen und sagen, dass man ALLES tun darf, dass es keine Regeln und vor Allem keine Einschränkungen durch ein Zuwenig (oder Zuviel) an handwerklichen Fähigkeiten geben darf: Es ist der Ur-Gedanke des Punk, nur weiter gedacht. Die Contortions sind die „konventionellsten“, zumal musikalisch fähigsten, mit Funk-Punk der klingt wie eine Mischung aus James Brown, Free Jazz a la Albert Ayler und Charles Manson. Teenage Jesus and the Jerks klingen wie Junkies, die ihre Gitarren stimmen und dabei – in Form von Lydia Lunch's „Gesang“ - einer Katze auf den Schwanz treten. Auch Mars klingen mit ihrer Kakophonie aus Gitarre, Bass und Schlagzeug nicht viel einladender. Sie rennen - ein bisschen wie im Free Jazz - von einer Melodie einfach in verschiedene Richtungen, aber in all dem Lärm versteckt sich irgendwo eine Pop-Band. Ihr „Helen Forsdale“ ist ein „Eleanor Rigby“ für eine atonalen Welt. DNA schließlich sind fast bluesig, mit Arto Lindsay als Sänger und Free-Form Gitarrist (der später in erlauchten Free-Jazz Kreisen reüssieren sollte). No New York ist definitiv keine Anthology für den gepflegten Nachmittagstee. Die Musik tut weh und sie ist nicht Punk oder Post Punk, wie er dann von Tausenden von Bands variiert wurde. Das hier ist „No“ Wave, und Viele sagen dazu: „Das ist unverschämter, sinnloser Lärm, der sich als Kunst verkaufen will.“ Könnte stimmen, ist mir aber egal. No New York ist - wie vorhin erwähnt – ein Dokument der absoluten Freiheit, es sind die Gedanken der Hippie Kultur zusammen mit denen des Punk zu Ende gedacht.

Ramones

Road To Ruin


(Sire, 1978)

Das Studioalbum Nummer Vier der Ramones ist ihr letztes großes Album. Sie hatten mit dem 76er Debüt Ramones schon ihren Stil definiert und mit dem dritten Album Rocket From Russia ihren kreativen Zenith erreicht, jetzt wollten sie auch Hits landen und Kohle machen. Und die Suche nach kommerziellem Erfolg ist ihnen deutlich anzuhören, die Songs werden länger, die Produktion ist ausgefeilter, und das Tempo geht ein bisschen runter. Nun, sie hätten wahrscheinlich auch kaum noch schneller werden können, und solange ihnen die entsprechenden Songs gelangen, konnte man ja damit leben. Da sind polierte Gitarren-Overdubs bei „I Just Want to Have Something to Do“, jangly Guitars bei der Coverversion von „Needles and Pins“, es gibt sogar echte Gitarrensoli , mal simple Ein-Finger Soli wie bei „I Wanna Be Sedated“ aber auch komplexere Tonfolgen, die sich fast nach „Rock“ anhören - wie etwa bei „Don't Come Close“ - und das geht dann mitunter in die Hose. Es gibt mit „Questioningly“ eine echte Pop-Ballade, immerhin mit netter Melodie aber es gibt auch ein paar weniger gelungene Momente auf diesem Album. Aber immerhin sind die guten Songs immer noch in der Überzahl, die oben genannten „I Wanna Be Sedated“ und „I Just Want to Have Something to Do“ sollten zu Klassikern des Punk werden, „She's the One“ und „I'm Against It“ sind genauso gut, nur unbekannter, und der Versuch Hits zu schreiben und erfolgreich zu werden ist ja an sich nichts Verwerfliches. Nach diesem Album aber ließen die Ramones immer mehr nach, die Wiederholung ihrer Formel begann an Reiz zu verlieren, weil sie an Energie verloren, was wiederum den immer größeren Aversionen der Bandmitglieder untereinander geschuldet sein mag. In den 80ern hatten sie auf jedem Album noch hier und da einen guten Track, aber Road to Ruin ist ihre letzte wirklich konsistente Platte (wenn man das folgende Live Album nicht mitzählt, das ja so was wie eine Best Of ist). Sie hätten auch einfach aufhören können, ihr Denkmal jedenfalls stand schon.

Television

Adventure


(Elektra, 1978)

...Television hingegen hätten schon nach ihrem Debüt ihre Karriere beenden können. Sie sind eine der Bands, die immer das Problem hatten, ein so großartiges Debüt abgeliefert zu haben, dass ein Nachfolger nicht besser sein KONNTE. Vielleicht waren sie sich dessen bewusst. Auf jeden Fall versuchten sie es gar nicht erst eine Art Marquee Moon Teil 2 einzuspielen. Was wiederum auch schwierig war, denn die Essenz der Band, das ineinander verflochtene Gitarrenspiel von Tom Verlaine und Richard Lloyd, konnten sie ja nicht einfach weglassen. So versuchten sie mit einem neuen Produzenten (John Jansen, der u.a. mit Meat Loaf gearbeitet hatte) den Sound zu variieren – was der Musik leider nicht immer gut tat. Tom Verlaine's Gesang beispielsweise klingt kaum noch nach ihm selber, der scharfe Sound des Debuts wird deutlich abgeschliffen, Television klingen „softer“ als auf Marquee Moon – und das gefällt vielen Hörern bis heute nicht. Dabei gibt es andererseits einige Songs, wie „Glory“ und „The Dream's Dream“, denen die neue Zurückhaltung durchaus steht. Bei „The Fire“ denkt man auf einmal an Pink Floyd – und das nicht im negativen Sinne, man muß sich bei Television nur erst einmal daran gewöhnen an eine andere Band zu denken... Nichtsdestotrotz ist Adventure ein gelungenes, teilweise tolles Album. Es ist eben nur nicht so gut wie Marquee Moon ,- am besten man hört Adventure zuerst. Und das Sleeve-Design ist wieder mal sehr schön - ein gelungenes Sechziger-Zitat.

Patti Smith Group

Easter


(Arista, 1978)

... und nun das nächste Mitglied der New Yorker CBGB's Szene – die Szene, die zu dieser Zeit die innovativsten Spiele betrieb. Und Patti Smith hatte ein ähnliches Problem wie Television, aber eine andere Lösung. Sie wird immer über ihr Debüt Horses von '76 definiert werden, genau wie Television über ihr Debüt Marquee Moon.. Und das ist nicht die einzige Gemeinsamkeit. Beide kommen aus der gleichen Szene, aus der New Yorker Punk-Szene, die immer etwas anders war – künstlerischer, intellektueller und avantgardistischer als die Szene in Europa. Zumal Patti Smith mit Tom Verlaine eng befreundet war. Aber die beiden hatte vollkommen andere Voraussetzungen: Die Patti Smith Group hat einen eigenen, recht „normalen“ Rock-Sound, die Besonderheit liegt in der Sängerin und Texterin Patti Smith, in ihrem atemlosen Vortrag und in ihren mitunter frei assoziierten Lyrics – und nicht zuletzt in ihrer Außenwirkung als (selbst)bewusst NICHT „niedliche“ Frau und Musikerin - als Punk-Ikone wie man das oft so schrecklich vereinfacht bezeichnet. Ihr drittes Album Easter sollte der kommerzielle Durchbruch werden, die Patti Smith Group spielte noch rockistischer als zuvor, der Sound war beeinflusst von Bruce Springsteen, mit dem Patti rumhing und mit dem sie gemeinsam ihren größten Hit „Because the Night“ schrieb und dessen Produzent Jimmy Iovine deutlich herauszuhören ist. Easter ist von christlichen Motiven durchzogen – vom Titel über die Liner Notes bis zum Song „Privilege“ der sich auf den gleichnamigen (ziemlich schrecklichen) Film bezieht, in dem ein Rockstar von Kirche und Staat zu einer Art Messias aufgebaut wird, der die Jugend konformisieren soll. Ob Patti Smith sich selber so sah...? Der Spagat zwischen Kunst und Kommerz jedenfalls gelang besser als erwartet. Bei aller kommerziellen Ausrichtung hatte sie dieses Quentchen Authentizität, das sie vom normalem Pop abhob. Und wenn sie Zeilen sang wie „Love is an angel disguised as lust/ Here in our bed until the morning comes“, verschob sie die Grenzen der Akzeptanz im Radio um einiges Richtung Anspruch. Easter ist nicht Horses.... na und?

Big Star

3rd / Sister Lover


(PVC, 1978)

Und hier das perfekte Aussenseiter-Album: Die Geschichte der Band Big Star ist eine der Tragödien in der Rockgeschichte und ihr drittes und letztes Album wurde 1974 aufgenommen, als es die Band eigentlich schon nicht mehr gab – nur noch Sänger, Gitarrist und Songwriter Alex Chilton (Ex-Box Tops) und Drummer Jody Stephens waren übrig - und es wurde dann erst im Jahr 1978 eher halbherzig veröffentlicht.  Dieses Album fängt aber nicht nur aufgrund seiner desolaten Entstsehungsgeschichte auf's dramatischste genau den Moment ein, in dem das Leben auseinanderfällt. Die Fragilität der Songs ist so berührend, die desperate Stimmung dem Sänger so deutlich anzuhören, dass man nicht anders kann, als zuhören. Hier werden in depressiven, sogar apokalyptischen Texten Momente größter Verletzlichkeit eingefangen („Holocaust“) - und dabei ironisch belächelt. Alex Chilton erwies sich in dieser Zeit, von Alkohol- und Drogenproblemen geplagt und vollkommen desillusioniert, da seine Karriere auf Grund zu laufen drohte, als Meister der düsteren Popmusik. Hoffnungslosigkeit klang aus seinem klaren Soul-Gesang und aus jeder Gitarrennote. 3rd / Sister Lover ist ein Nacht-Album („Kangaroo“ wurde tatsächlich des nachts insgeheim aufgenommen, da die Band sich keine Studiozeit leisten konnte) und sollte auch Nachts gehört werden. Die fragilen Arrangements von Chilton und dem genialen Jim Dickinson sind minimalistisch ("Big Black Car") und klingen nach Kammermusik ("Stroke it Noel", "O Dana"). 3rd / Sister Lover ist ein dunkler Stern und das beeindruckende Vermächtnis einer Band, die einfach zur falschen Zeit die richtige Musik machte. Es mag bezeichnend sein, dass dieses Album tatsächlich nie wirklich definiert wurde, ein Track Sequencing fand nie abschliessend statt, so dass es diverse Versionen desAlbums gibt, das Cover wurde in verschiedenen Varianten, je nach jeweiliger Plattenfirmma gestaltet und selbst der Name der Band könnte entweder Big Star oder Sister Lover lauten. Man weiss es nicht und Alex Chilton kann es uns nun nicht mehr sagen, er ist inzwischen verstorben und weigerte sich zeitlebens, sich genauer zu diesem Album zu äussern... aber schließlich mag es ihm bewusst gewesen sein, dass banale Fakten bei solcher Musik keinen Wert haben. Die Kehrseite von Pet Sounds vielleicht ?  





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