Montag, 31. Oktober 2016

1981 – Ronald Reagan und die NATO und Solidarnosc in Polen – Black Flag bis The Cramps

Der Iran-Irak Krieg ist auf seinem Höhepunkt, während in den USA mit dem republikanischen Dummkopf Ronald Reagan ein ehemaliger Schauspieler und politischer Hardliner zum Präsidenten gewählt wird, der den wahnwitzigen und sinnlosen Rüstungswettlauf mit der UdSSR forciert und die NATO als Verteidigungsbündnis gegen die UdSSR ausbaut. Viele Menschen in Europa sind mit dieser Zuspitzung des Kalten Krieges nicht einverstanden - es ist die Zeit, in der die Anti-Kriegs Bewegung ebenso wie die Anti-Atom und Umweltschutz-Bewegung in Europa an Stärke gewinnt und es ist eine Zeit der Unruhen und Unzufriedenheit mit der sozialen Kälte im von Maggie Thatcher regierten Großbritannien – man muß dabei traurigerweise bedenken: Diese Politik ist eine in demokratischen Entscheidungsprozessen gewählte – Dummheit regierte wohl auch damals schon. Derweil ist in Polen die Gewerkschaft Solidarnosc auf Konfrontationskurs gegen die kommunistische Partei – es ist ein erstes Aufbäumen gegen das System, ein erster Hinweis auf die Umbrüche, die in einigen Jahren folgen werden. Und dann: Erstmals wird von AIDS berichtet. Bob Marley stirbt in diesem Jahr an Krebs. Die Musikindustrie scheint keinen Erfolg auf der Suche nach DEM Trend der 80er zu haben. Man bleibt auf der sicheren Seite, kommerziell erfolgreich ist nur belanglose Musik: Soul verliert seine Seele an Disco, Country wird zu Pop, Pop wird mit den seltsamen Stars on 45 Mixes vollkommen beliebig. Aber wer sich nicht nur an den Charts orientiert wird (wie immer) erstaunlich vielfältige und interessante Musik finden: Junge Bands wie The Cure oder Echo & the Bunnymen machen in England düstere Musik zur Zeit, Soft Cell stellen mit Synth Pop – einem der fruchtbarsten Trend der Zeit - den Hedonismus der Schwulen-Szene zur Schau, in den USA beginnen mit Verspätung Bands wie Black Flag oder Hüsker Dü ihre unironische Version des Punk – den Hardcore-Punk – unter die Leute zu bringen, und gehen direkt in unterschiedliche Richtungen. Ein paar etablierte Musiker wie Rickie Lee Jones musizieren weiterhin auf hohem Niveau, in Deutschland machen diverse Bands eine ansprechende, teutonische Version des New Wave. All das ist (noch) Musik außerhalb des Mainstream. Gute Musik zu machen und dann zu verkaufen scheint '81 sehr schwer zu sein – prominent ignorierte wird hier von mir auch Phil Collins erstes Solo-Album (der hat Millionen davon verkauft... das macht dem nichts aus – und nzwischen gibt es genug Verrückte, die diese Musik im Nachhinein sogar ganz schön toll und wertvoll finden) oder zum Beispiel Foreigner's, Rick Springfield's, REO Speedwagon's fortgesetztes beliefern der Charts mit übelstem Schlock. ICH hätte in den Charts lieber folgende Alben gesehen....

Black Flag

Damaged


(SST, 1981)

Damaged gilt als eines der ersten Alben des West Coast Hardcore, der amerikanischen Reaktion auf die Punk-Revolte Englands und es definierte damals sofort durch seine Intensität und seine Kraft ein ganze Genre. Black Flag existierten zur Zeit des Releases schon seit fünf Jahren,sie hatten unter anderem mit dem mit dem dann zu den Circle Jerks abgewanderten Keith Morris diverse EP's und Singles aufgenommen (Die im folgenden Jahr auf dem Album Everything Went Black zusammengefasst wurden). Aber der wirkliche Durchbruch in Form von weltweiter Aufmerksamkeit (... in gewissen Kreisen jedenfalls...) kam erst jetzt. Ein paar Wochen vor den Aufnahmen kam mit Henry Rollins ein neuer Sänger, dessen physische Präsenz und wütende Energie dieses Album mindestens genauso prägte wie das rasante und virtuose Gitarrenspiel von Bandkopf und SST Labeleigner Greg Ginn. Der hatte nicht nur ein paar feine Songs geschrieben, sondern neben den üblichen Themen (Entfremdung, Langeweile, Wut) auch eine gehörige Portion giftigen Humor in die Lyrics gepackt. Einen Humor, mit dem sich Legionen von Jugendlichen '81 wunderbar identifizieren konnten. Das geniale Black Flag-Logo mit den vier Balken unter dem Namen zog sich bald kilometerweit über Hauswände, Songs wie die Proto-Slacker Hymne „TV Party“ oder „Rise Above“ wurden nicht nur von Punks gehört, sondern auch vom Metal-Publikum beachtet. So mancher später erfolgreiche Thrash-Metaller an der Westküste wird sich Damaged mehr als einmal angehört haben. Das Cover übrigens zeigt Henry Rollins in einem Spiegel, den er zuvor mit einem Hammer zerstört hat. Und das Blut ist Marmelade – also keine Angst.

Kraftwerk

Computerwelt


(Warner Bros., 1981)

Nach dem Erfolg von Die Mensch-Maschine brauchte das Düsseldorfer Kollektiv Kraftwerk erst einmal drei Jahre, um das eigene Kling-Klang Studio aufzurüsten und ein neues Album aufzunehmen. In diesen drei Jahren entdeckten Teile der Popwelt tatsächlich ebenfalls die von den Düsseldorfern mit erfundene Elektronik in der Musik: Sie hatten es vorgemacht, Bowie ließ sich von ihnen beeinflussen, dann kamen Bowie-Adepten wie Gary Numan, OMD, oder John Foxx (von Ultravox) nahmen den Ball weiter auf. So kam es, dass Computerwelt zu einem Zeitpunkt veröffentlicht wurde, als die Musikwelt allmählich Anschluss an die Visionen der Elektronik-Pioniere fand. Und Ralf und Florian hatten nun keine Lust mehr, nur íhrer Zeit voraus zu sein und feierten stattdessen die Ankunft der Welt, die sie schon so lange versprochen hatten. Dafür hatten sie natürlich wieder einige feine Melodien parat. Diesmal gab es kurze Stücke die eine gewisse kühle Fröhlichkeit ausstrahlten: „Taschenrechner“ wurde als Single in unterschiedlichen Sprachen veröffentlicht und enthielt tatsächlich Samples von Rechnern von Casio und Texas Instrument – was den Song heute auf seltsame Weise modern und altmodisch zugleich klingen lässt. „Computer Liebe“ wiederum ist zeitloser Techno, bevor es Techno überhaupt gibt, bei „Nummern“ wird in verschiedenen Sprachen von Eins bis Acht gezählt und die Musik nimmt die vertrackten Rhythmen von IDM zuvor. Durch solche Elemente und durch das kluge „Songwriting“ behält Computerwelt – wie das Meiste, was die Düsseldorfer erschufen - bis heute seinen zeitlosen Charakter. Die Musik zu Beginn der 80er hatte wie gesagt mit den oben genannten Acts Vieles von dem übernommen, was Kraftwerk in den 70ern vorgemacht hatten - aber mit ihrer selbstverständlichen Hinwendung zum Pop waren Kraftwerk – vielleicht ungewollt – wieder Allen einen Schritt voraus.

This Heat

Deceit


(Rough Trade, 1981)

Bands wie This Heat waren und sind bis heute in kommerzieller Hinsicht völlig irrelevant - und zugleich künstlerisch so visionär und singulär, dass man sie nur als kostbare Solitäre betrachten kann... Ein Schicksal, dass sie mit vielen anderen bedeutenden Musikern spätestens seit Ende der Sechziger teilen (The Red Crayola, Captain Beefheart; etc). Ihre Erbe findet sich dementsprechend nur bei den freien Radikalen der Rockmusik, in Genres wie Drone, Prog, Freier Improvisationsmusik, Elektronischer Musik und Punk wieder – bei denjenigen, die Entwicklungen vorantreiben, an denen sich dann andere, banalere Acts bereichern. 1981 ist eines dieser Jahre, in denen es schwer vorstellbar ist, welcher „Szene“ eine Band wie This Heat angehört haben mag, wer so etwas gehört haben mag. Sie klangen – und klingen immer noch - völlig out of place. Höchstens Bands wie die Art Bears (die Art-Rock Band aus der Canterbury Szene) oder Family Fodder beackerten seinerzeit ein ähnliches Feld – allerdings aus einer anderen Richtung sozusagen. Die gleichberechtigten Multi-Instrumentalisten Charles Hayward, Charles Bullen und Gareth Williams' hatten 1977 mit ihrem Debüt immerhin John Peel's Aufmerksamkeit erlangt. Mit einem Debüt, das schon durch Bestandteile der später so unpassend genannten Weltmusik durchzogen war, einem Album, auf dem sie künstlerisch Neuland nicht bloß betreten, sondern komplett durchquert hatten. Ihr zweites und letztes Album Deceit ist deutlich mehr vom Punk beeinflusst und gilt damit als als das Konventionellere . Aber natürlich klangen sie nicht wie die Sex Pistols oder die Ramones, Punk ist nur eine Option die neben Krautrock, Tape Manipulationen, freiem Jazz und Toncollagen genutzt wird. Einzelne Songs zu benennen ist schwierig, jedes Teil hier steht für sich, ist aber seltsamerweise immer dieser speziellen Band zuzuordnen. Ich sag's mal so: Versuche dir eine wilde Mischung aus Can, afrikanischer Musik, Pere Ubu ohne Gesang, Soft Machine und kaputtem Radio vorzustellen. Es ist Post Punk, ehe Punk Geschichte ist. Und ist so was wie „Radio Prague“ überhaupt Musik ? Und ist „Hi Baku Shyo“ nicht schrecklich und zugleich schön ?

Glenn Branca

The Ascension


(99 Records, 1981)

.. und aus gegebenem Anlass noch so ein Album, das keiner kennt, aber alle kennen sollten (... ich will diesmal eine Weile im "experimentelleren Bereich der Populärmusik verweilen). Aber irgendwie ist es ja auch verzeihlich, dass ein Musiker wie Glenn Branca und der Lärm den er mit vier voll aufgedrehten Gitarren, Bass und Schlagzeug macht, nicht jedem gefällt. Branca hatte in New York mit den Theoretical Girls No Wave mitgemacht, die Bereiche in denen Punk und Kunst zusammenlaufen begannen mitgestaltet, war der klassischen Musik sowenig fremd wie der gerade entstehenden Noise-Szene, aus der Bands wie Sonic Youth und die Swans erwachsen sollten. Und so ist The Ascension die Vorwegnahme all dessen, was diese beiden und etliche andere Bands bis weit ins kommende Jahrtausend tragen sollte – Nebenbei, wen wundert es da, dass einer der hier mitspielenden Gitarristen Lee Ranaldo ist (später bei eben jenen Sonic Youth) Komponiert wie eine Symphonie (...später aufgenommene Alben würde Branca dann explizit „Symphony No...“ nennen) arrangiert er sein Orchester aus ohrenbetäubenden Gitarren, Bass Drums um minimalistische Tonsequenzen. Ohne die Vorarbeit in Stücken wie dem über 12-minütigen „The Spectacular Commodity“ hätte Michael Gira vermutlich niemanden gefunden, der mit ihm drei Töne über 20 Minuten anschwellen lässt, bis das Trommelfell blutet. Branca und seine fünf Mitstreiter nahmen The Ascension zwischen Tourdates in den USA und einem Europatrip auf – in einem „Rock“ - Studio, was den Facetten seiner Musik nur zum Teil entspricht – aber die Band war hörbar eingespielt, so dass dieses Album ein wunderbares Dokument seiner Zeit ist. Und es ist in der Tat anstrengend - ich persönlich kann den Lärm zu bestimmten Zeiten auch mal langweilig finden. Aber dann höre ich eben die Moody Blues, um mir dann wieder die Ohren von The Ascension freiblasen zu lassen.

Massacre

Killing Time


(Celluloid, 1981)

Und noch mehr davon ? Massacre war ein weiteres Trio aus dem No Wave/Free Jazz Umfeld in New York (... und hat nichts mit gleichnamigen Death-Metal Acts zu tun.... wobei....). Auch hier sind die Musiker zwar namhaft, aber nicht populär. Der britische Gitarren-Radikale Fred Frith, Drummer Fred Maher, der mit dann bald Lou Reed ebenso zusammenarbeitete wie mit Lloyd Cole und der hyperaktive Bassist/Produzent und Hansdampf in allen Gassen Bill Laswell. Ihr einziges Album Killing Time ist ein Meisterstück in Kakophonie und Dissonanz, irgendwo zwischen Punk, Noise und freiem Jazz – also mithin genau da, wo man es bei diesen Musikern vermuten würde - und es ist dabei doch irgendwie erstaunlich genießbar. Nein - nicht wie ein Album von Television oder Sonic Youth, eher wie ein Aspekt von etwas, auf das sich die oben erwähnten This Heat hätten konzentrieren könnten. Das Ergebnis ist einerseits akademisch, andererseits merkt man dem Titelstück etwa ganz deutlich den Spaß an, den Fred Frith hatte, als er auf die Saiten eindrosch, die Disziplin, mit der Laswell und Maher Rhythmus und Struktur in den Noise von „Corridor“ legen. Daß die Songs (...ja, es sind Songs) meist die 3-Minuten Grenze nicht überschreiten, dass sie tatsächlich immer wieder durch kleine Gadgets wie Bass-Flageolet-Töne, stöhnende Gitarrensounds oder das Schaben auf Saiten aufgelockert werden, dass sie im Grunde simpel, oft sogar minimalistisch bleiben, lässt mich Killing Time hier voller Begeisterung empfehlen – denn das ist ein echtes Qualitätsmerkmal. Jazz für Art-Punks, Punk für Free Jazzer.

King Crimson

Discipline


(E.G., 1981)

Und wenn ich schon mal dabei bin, passt es ja, die Brücke zu King Crimsons Wiedererweckung in Form des Albums Discipline zu schlagen. Was Robert Fripp dazu bewogen haben mag, die Band, die einen Ruf als „coole“ progressiv-Rock Formation zu verlieren hatte, neu zusammenzustellen, weiß ich nicht - und es hat mich damals auch nicht interessiert. Es könnte die Erstarkung der experimentellen Musik (im Untergrund zwar, aber das hat er sicher bemerkt...) gewesen sein, oder die Tatsache, dass er in den Jahren mit Brian Eno die richtigen Musiker gefunden hatte. Es kann auch sehr esoterische Gründe haben – Fripp spütrte laut Interviews den „Geist des scharlachroten Königs“ wieder. Aber wie gesagt – es ist egal. King Crimson hatten auf sehr hohem Niveau Pause gemacht (mit dem großartigen Album Red – 1974). Nun hatte Fripp wieder Bill Bruford als Drummer zu sich geholt, aber er hatte nun den Peter Gabriel Bassisten Tony Levin mit an Bord und als Jungbrunnen den Talking Heads/ Brian Eno Gitarristen Adrian Belew dazu geholt. Das neue Album klang wie eine Fortsetzung von Red, versetzt mit der zappeligen Energie der Talking Heads, aber dann diszipliniert durch Fripp's Sinn für Struktur und Ordnung (Discipline eben...). Oder anders: Als hätten die Talking Heads ein paar Jahre an ihren Instrumenten geübt - denn Adrian Belews Gesang klingt sehr nach David Byrne – hör' dir nur „Elephant Talk“ an – aber die Virtuosität, mit der Fripp und Belew sich gegenseitig an den Gitarren umspielen, hat mit den New Wave Meistern wiederum nichts gemein. Und auch wenn das sanfte „The Sheltering Sky“ zunächst nach einem Ausflug der Heads nach Afrika klingt, verwandelt es sich doch bald in eine runderneuerte Version der ruhigeren Sound- und Melodiecollagen King Crimson's, und das furiose „Frame by Frame“ mit seinen Auf-und-Ab Gitarrenläufen ist dann tatsächlich Progressive-Rock in modern.

Brian Eno & David Byrne

My Life in the Bush of Ghosts


(Sire, 1981)

Bei Brian Eno und David Byrne waren wir gerade, also...: Eno genoß mit Byrne (und den Talking Heads) eine so fruchtbare Zusammenarbeit, dass ein Solo-Album der Beiden irgendwie logisch war. Und dass dabei alles andere als gewöhnliche Popmusik entstehen würde, war auch klar. Tatsächlich wurden die meisten Songs von My Life in the Bush of Ghosts während der Aufnahmen zu Remain in Light aufgenommen, dem von Eno produzierten Album, bei dem Einflüsse afrikanischer Musik den wichtigsten Bestandteil im Sound der Heads bilden. Auf Bush of Ghosts... werden diese Ideen ausformuliert, verändert, und um etliche Faktoren erweitert. Das Album ist eine komplette Sound-Collage aus Radioschnipseln, den Gesängen libanesischer Bergbauern, christlichen Predigern, muslimischen Gesängen, ägyptischer Popmusik und Soundspuren eines Exorzismus-Rituals. Über all das legen Musiker wie Bill Laswell (siehe Massacre übrigens... hier hängt Alles zusammen), David Van Tieghem oder Talking Heads Bassist Chris Frantz gemeinsam mit etlichen Percussionisten einen Funk-Teppich. Dass sich daraus eine muskulöse Einheit bildet, dass es wie eine Erweiterung der Rhythmus- und Soundideen der Talking Heads klingt, ist einerseits logisch, zeigt andererseits aber auch die Meisterschaft sowohl des Visionärs Eno, wie auch des nervös-autistischen Schlaukopfes Byrne. Die beiden nahmen mit dieser Sample-Orgie unter Funk-Rhythmus etliches vorweg, was in den kommenden Jahren in der populären Musik geschehen sollte. ... Bush of Ghosts... mag heute nicht mehr so revolutionär klingen wie 1981, aber man kann sich immer noch trefflich in den Klüften und Spalten seiner Soundlandschaften verlieren.

Motörhead

No Sleep 'til Hammersmith


(Bronze, 1981)

Es wird ja immer wieder gerne der Versuch gemacht, Motörhead irgendwie zu intellektualisieren – was meiner Meinung nach völlig unnötig ist. Wenn man rohen ungezügelten Rock'n'Roll, - mit den Mitteln der Beginnenden Achtziger in völlig eigenständigem Stil hören will, dann muss No Sleep 'til Hammersmith her (Oder eines der ersten Studioalben desTrios) – und dann braucht es keine wortgewandte Rechtfertigung. Die drei Musiker um den ehemaligen Hawkwind Bassisten und Rock- Veteranen Lemmy Kilmister hatten vor Allem mit Overkill (79) und Ace o' Spades (80) phänomenale Studioalben gemacht, die genauso gerne von Black Sabbath/ Deep Purple Fans gehört wurden, wie von Fans der Sex Pistols oder The Damned (mit denen sie auf Tour waren). Letztlich aber haben Motörhead immer nur nach sich selbst geklungen. Da sind Elemente aus Heavy Metal und Punk, da ist auch der psychedelische Rock von Hawkwind, nur eben eingedampft auf seine härteste Essenz, da ist Lemmy's Stimme, die so ungekünstelt nach Suff und Proletariat klingt, nach jemandem, der noch den konsequentesten Nihilisten auslacht und da sind Songtitel, die wie definitive Parolen klingen. No Sleep 'til Hammersmith könnte man auch als schnöde Best of... der ersten Alben bezeichnen, aber die bekannten Songs sind so mitreissend gespielt, klingt so „live“, dass man gerne dabei gewesen wäre – wenn man nicht um seine Ohren fürchten müsste. Alle elf Songs sind Hits. Ob „Ace of Spades“, „Bomber“ oder „Overkill“ - egal. Alles essenziell und alles auch ein bisschen gleich.... Jaja, wie man so sagt: Im Grunde braucht man von Motörhead nur ein Album – maximal – aber dann will man doch immer noch ein bisschen mehr von dieser staunenswerten Urgewalt hören. Dies ist KEIN Heavy Metal. Es ist Motörhead.

The Gun Club

Fire Of Love


(Slash, 1981)

Das Debüt des Gun Club muß zu Zeiten von New Wave und Synth-Pop für den Charts-Hörer äußerst unzeitgemäß geklungen haben – wenn es dann von so jemandem gehört wurde. Fire of Love vermischt Rockabilly, Roots/ Blues Music und Punk zu einem Gebräu, das man heute Gothic Americana nennt, Musik, die inzwischen meist von einem berechneten Image lebt - aber auf diesem Album gibt es keine Unze Berechnung. Der Kopf der Band, Jeffrey Lee Pierce, war – nachweislich - ein Getriebener, der keine andere Wahl hatte, als diese Musik zu machen. Mit seiner Stimme zwischen unirdischem Geheul und besessenem Gesang klang er wie ein Punk, der Zynismus mit Leidenschaft vertauscht hatte, der uralte Geschichten von Sex, Mord und Drogen zu erzählen hatte. „Sex Beat“ hat einen simplen Country-Shuffle Rhythmus, nimmt aber bald rasant Tempo auf. Das durch den Blues Giganten Robert Johnson bekannte „Preachin' the Blues“ wird im Stakkato vorgetragen und mit glühender Slide angesengt. „Ghost on the Highway“ ist Punk-Blues, „For the Love of Ivy“ läßt Bilder von KKK-Ritualen in den Sümpfen der Südstaaten entstehen. Diese Art Blues war giftig und neu (oder auch uralt), und Pierce wird sich gewiss nicht gefragt haben, welches Genre er hier bediente. 20 Jahre später fragte Jack White von den White Stripes vollkommen zu Recht „..why are these songs not taught in schools?

Wipers

Youth Of America


(Park Avenue, 1981)

Die Wipers werden mir immer ein Rätsel bleiben. Ihre Songs sind episch, aber meist kurz, voller Pathos und zugleich ungemein ökonomisch – ja regelrecht sparsam. Die ersten drei Alben sind unverzichtbar, ob das Debut Is this Real ? aus dem Vorjahr oder das folgende Album Over the Edge besser ist, als Youth of America, spielt keine Rolle. Man muss alle drei haben. Aber ihre Einordnung und ihre Beliebtheit bei einem Publikum, das sich zu Hardcore oder Punk bekennt, ist ein bisschen verwunderlich. Ihre Musik mag spartanisch sein, aber Gitarrensoli... diese Hippie-Melodik...die Länge der Songs ? Wichtigster Faktor für den Sound der Wipers ist ohne Zweifel Gitarrist/ Sänger / Songwriter Greg Sage – ein Getriebener, ähnlich wie Gun Club's Jeffrey Lee Pierce – nur kompromissloser und diktatorischer als dieser. Und einer, der sich irgendeiner Szene vermutlich nicht „zuordnen“ würde. Seine Mitspieler sind im Grunde austauschbar, er definiert Alles an der Musik seiner Band. War das Debüt noch eine Sammlung kurzer, harter Songs gewesen, in Tempo und Haltung durchaus „Punk“ - so wollte Sage sich mit dem Nachfolger nach eigener Aussage bewusst von den Bands der US Punk-Szene absetzen. Ich vermute, da spielt einerseits der unbedingte Wille, sich von Nichts und Niemandem vereinnahmen lassen zu wollen eine Rolle als auch der Umstand, dass Sage mit fast 30 Jahren ganz einfach einer anderen Generation angehörte. Jedenfalls sind Stücke wie „Pushing the Extreme“ oder der über 10-minütige Titeltrack kein Punk – und ein Fast-Instrumental wie „When It's Over“ ist von Zeitgenossen wie Black Flag, den Ramones oder Dead Kennedy's meilenweit entfernt. Es ist schwer zu beschreiben, was die Wipers genau machen – sie klingen getrieben, kompromisslos, rau, aber vor Allem klingen auch sie wie keine andere Band.

The Cramps

Psychedelic Jungle


(I.R.S., 1981)

Und wenn ich die letzten beiden Alben hier hingestellt habe, darf ich dieses nicht weglassen... denn auch die Cramps haben in den sumpfigen Bereichen gewildert, in denen der Gun Club residierte. Sie waren mindestens ebenso besessen, und auf ihrem zweiten Album liehen sie sich auch noch den Gun Club Gitarristen Kid Congo Powers aus – aber sie hatten mehr Humor. Es gelang ihnen auf diesem zweiten Longplayer erneut, thrashigen Punk und Rockabilly mit Spuren von Blues und Country und stilbewußter B-Movie Attitüde zu verbinden. Einzig die Tatsache, dass sie selber das Album später als „zu konzeptionell“ - und damit als zu langsam bezeichnen würden, könnte man beklagen. Aber gerade diese Eigenschaften sprechen vielleicht auch für Psychedelic Jungle. Lux Interior und Poison Ivy waren jedenfalls immer noch die Vordenker der Band, Interior sang auch hier als würde er gleich überschnappen und Poison Ivy's Behandlung der Gitarre war einzigartig primitiv. Psychedelic Jungle ist für Cramps-Verhältnisse tatsächlich fast „ruhig“ und dadurch auch irgendwie ...psychedelisch. Sie coverten mit „Greenfuz“ oder „Goo Goo Muck“ obskursten Garage Punk aus den Sechzigern, verfielen bei „Don't Eat that Stuff on the Sidewalk“ in Zappa-eske Freak-Outs, und wurden dann bei „Rockin' Bones“ fast subtil.... aber zum Glück nur fast. Denn da gibt es noch „Caveman“ und das brilliante „The Natives Are Restless“...All you need is Rock and Roll and B-Movies, fellow cave dwellers.

















































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