Montag, 4. Juli 2016

1980 - Der 1. Iran-Irak Krieg und Vulkanausbruch am Mount St. Helens - Talking Heads bis Tom Waits

Iran und Irak beginnen den 1. Golfkrieg und der Iran wird weltweit mit Sanktionen belegt. In den USA wird der Republikaner Ronald Reagan Präsident und die Truppen der UdSSR marschieren in Afghanistan ein, was die Stimmung zwischen den Großmächten ziemlich verschlechtert – so werden die olympischen Sommerspiele in Moskau von den meisten Westlichen Staaten boykottiert. In Polen streiken derweil Werftarbeiter für bessere Lebensverhältnisse – was die Brüchigkeit des kommunistischen Systems dokumentiert. In Deutschland formiert sich aus der Anti-Kernkraft Bewegung eine politischen Opposition – Diese sogenannten „Grünen“ gründen sich als explizit ökologische – und zu diesem Zeitpunkt auch streng pazifistische - Partei. In Alaska bricht der Vulkan Mount St. Helens aus, einer der heftigsten Vulkanausbrüche der jüngeren Geschichte, Bei einem Erdbeben in Algerien kommen 20.000 Menschen ums Leben. Bon Scott (AC/DC) stirbt, ebenso John Bonham (Led Zeppelin), Ian Curtis von Joy Division begeht Selbstmord, der Jazz-Musiker Bill Evans und der Songwriter Tim Hardin sterben und am 8. Dezember wird John Lennon in New York von einem durchgedrehten Fan auf offener Straße erschossen und mit ihm stirbt eine DER Symbolfiguren der Rockmusik der Sechziger. Der an Krebs erkrankte Bob Marley gibt seine letzten Konzerte.1980 ist Wasserscheide zwischen Punk und Post-Punk, (der da noch New Wave genannt wird). Hardrock verwandelt sich unter dem Einfluss von Punk in die „New Wave of British Heavy Metal“ und viele etablierte Musiker holen sich ihre Inspirationen aus Punk und New Wave. Einige der besten Debüts des Post Punk entstehen, auch die sog. „Neue Deutsche Welle“ als Reaktion auf die Musik aus England erlebt ihren Höhepunkt mit hörenswerten Platten vom Plan, DAF und den Fehlfarben und einige längst etablierte Musiker wie Steely Dan, Peter Gabriel oder Van Morrison bringen durchaus Hervorragendes zustande. Ein schwarzer Musiker mit dem Pseudonym Prince schafft den musikalischen Durchbruch, aber es gibt auch in diesem Jahr haufenweise Musik, die ich nicht beachte, obwohl doch die Massen Unsummen dafür aus dem Fenster werfen - wie etwa Christopher Cross' Debüt oder Diana Ross' Megaseller Upside Down oder Genesis' kommerzieller Durchbruch mit dem unerquicklichen Pop-Produkt Duke - (das übrigens inzwischen eine seltsame neue Anerkennung erhält - wie sich die Meinungen doch ändern...)

Talking Heads

Remain in Light


(Sire, 1980)

Das Jahr 1980 war für die Talking Heads ein Jahr der Festlegung in eine bestimmte stilistische Richtung. Sie waren in den Jahren zuvor unter dem Einfluss von Brian Eno immer mehr in zu einer eigenständigen und seltsam intelektuellen Funk- und Soul Maschine geworden. Auf Remain in Light sogen sie als finalen Schritt - hin zur explodierende Tanzkapelle - Einflüsse insbesondere aus der afrikanischen Musik auf – nicht ganz frei von Trend-Einflüssen übrigens – afrikanische Sounds waren grad auf dem Wege En Vogue zu sein, allerdings waren die Talking Heads hier Trendsetter und nicht -follower... Als erstes wurde von Tina Weymouth und Chris Frantz ein polyrythmisch hüpfender Teppiche ausgebreitet, auf dem dann Gitarren und Keyboards ein Geflecht aus Sounds und Melodien verteilten. Dazu erfand David Byrne seine Texte ausnahmsweise spontan und lautmalerisch, laut eigener Aussage insbesondere beeinflusst von amerikanischen Fernsehpredigern. Dieses Gemisch aus purem Rhythmus und kühlem Intellekt war 1980 ungeheuer aufregend und neu, und es sollte immensen Einfluß auf die Musik des kommenden Jahrzehnts haben. Die intellektuelle Zickigkeit der Talking Heads, die sie zuvor oft so fern aller Menschlichkeit und Wärme positioniert hatte, ging hier im Groove von Stücken wie „Once in a Lifetime“ oder „´The Great Curve“ regelrecht unter. Und das schöne „Listening Wind“ ist zugleich das mitfühlendste Stück das den Talking Heads je gelang. Erwähnen muß man neben Eno unbedingt auch die zahlreichen Gastmusiker -darunter insbesondere den Gitarrist Adrian Belew (das unfassbare Ende von „The Great Curve“!!) -die einen hohen Anteil an der Klasse von Remain in Light. Haben. Müßte ich eine beste Platte der Talking Heads wählen, es wäre Diese

Joy Division

Closer


(Factory, 1980)

Ian Curtis, Frontmann von Joy Division war während der Aufnahmen zu Closer laut späteren Berichten seiner Band-kumpane in einer Art Trance. Die Band bekam endlich die ersehnte Anerkennung, Curtis hatte eine Groupie-Affäre und mit seiner Gesundheit ging es bergab. Das so von ihm herbeigesehnte Rockstar-Leben war offenbar nicht gut für ihn, er war in einer Krise – die er aber mit seinen Kollegen nicht kommunizierte – wie man in diversen Dokumentationen und dem sehenswerte Film von Anton Corbijn erfährt. Einen Monat nach den Aufnahmen zum zweiten Album brachte er sich um – für sein Umfeld überraschend - und Closer wird daher wohl immer als Ankündigung für seinen Suizid angesehen werden. Insbesondere die 2. LP-Seite wirkt durch ihre seltsam fatalistische Musik kurz vor dem Stillstand - mit Songs wie „Decades“ und „Eternal“ - äußerst bedrückend. Aber diese Musik ist zugleich von einer düsteren und beeindruckenden Schönheit - und man möchte fast sagen „Tröstlichkeit“. In “Atrocity Exhibition“ lädt uns Curtis im reinsten Wortsinn in seine düstere Welt ein, eine Welt, die von großer melodischer Schönheit ist, die in Songs wie „Isolation“ vielleicht keine Hoffnung verheißt, in der der Untergang aber jeden Schrecken verloren hat, weil er unausweichlich und sogar befreiend zu sein scheint - eine Stimmung, die Joy Division übrigens von Beginn ihrer Karriere an erzeugten und die Nichts an der Tragik von Curtis' Tod ändert. Die wieder eiskalte Produktion von Martin Hannett tat natürlich ihr Übriges, und das Cover Design (schon Monate vor Curtis' Tod festgelegt) war nur noch der logische Schlußpunkt. Man sollte also immer bedenken: Die Songs wurden so geschrieben und das Album so aufgenommen und gestaltet wie es ist, BEVOR Ian Curtis seinem Leben ein Ende setzte.

The Cure

Seventeen Seconds


(Fiction, 1980)

Nur 11 Monate nach dem geradlinigen Post-Punk von Three Imaginary Boys erfanden Robert Smith und seine Band ihren Sound noch einmal neu und veröffentlichten mit Seventeen Seconds ein Album, das ebenso sehr ein Klassiker des Post Punk wurde, wie es zugleich den Gothic Rock definieren sollte. Tatsächlich wäre das Album ein bis zwei Jahre später ein Hybrid aus Beidem gewesen – oder sagen wir es mal so: Zu dieser Zeit gab es vielleicht einfach noch keine Einschränkungen durch so etwas albernes und diffuses wie Genregrenzen. Noch klangen die Songs sparsam und gemessen, ohne die auf späteren Alben wie Pornography üblichen verzerrten Sound-wände. Seventeen Seconds mag den folgenden Alben in der Art des Gesanges und in der Düsternis der Texte ähneln und die Arrangements verweisen auch auf zukünftige Alben, die Songs selber jedoch verweigern sich noch dem popmusikalischen Verse/Chorus/Verse Format, was dazu geführt haben mag, dass Seventeen Seconds von Manchen als zu seltsam und somit schwach empfunden wird. Wer jedoch die atmosphärische Seite der Musik von The Cure mag, wird dieses Album lieben. Die komplette zweite Seite der LP ist fehlerlos, die Hitsingle „A Forest“ mit ihrem Mix aus kühlem Ambient-Sound und Krautrock Groove ist einer der besten Songs von The Cure. Und Gothic Fans werden Songs wie „Secrets“, „In Your House“ und „At Night“ lieben, während „M“ wiederum schon fast so catchy ist, wie spätere Hits. Selbst in seiner düstersten Stimmung vermochte Smith offensichtlich den Pop-Musiker in sich nicht zu verleugnen. Eine Tatsache, die sich durch seine komplette Karriere ziehen sollte – eine Karriere , die hier Fahrt aufnahm.

Echo & the Bunnymen

Crocodiles


(Korova, 1980)

The Bunnymen (und Echo – ihre Drum-Machine, bevor sie einen Drummer fanden) waren eine dieser Bands, die zum einen deutlich von Psychedelik inspiriert waren, die aber zugleich auch Kinder ihrer Zeit sind, eine archetypische Band des Post-Punk und ihr brilliantes und düsteres Debut präsentiert sie sofort in voller Blüte mitsamt einzigartigem Sound. Schon mit dem dramatischen „Going Up“ zu Beginn zeigt Crocodiles die individuellen Stärken der Band auf: Gitarrist Will Sergeant ist neben Johnny Marr von den Smiths und Vini Reilly von Durutti Column einer der Besten seiner Generation - eher den Song untermalend, ohne Gitarrensoli, aber mit einfallsreichem und melodischem Spiel. Happy Death Men“ ist einer dieser Songs, bei denen die Stille zwischen den Tönen genauso wichtig ist, wie der Klang. Die Rhythm Section Pattinson/De Freitas trägt den Sound durch ihr variantenreiches rhythmisches Spiel und Ian McCullough ist ein außerordentlich charismatischer Sänger, der Dramatik wohl einzusetzen weiss. Der Sound der Band zeigt die neue Art von Virtuosität, die etlichen Bands dieser Generation zu eigen sein wird. Songs wie „Pride“, „Do It Clean“ und „Rescue“ wurden sofort zu Klassikern des Post Punk und Crocodiles anerkannt als eines jener Debutalben, auf dem keine Note verschwendet und kein Ton zu viel gespielt wird. Dass alle vier aufeinanderfolgenden Alben der Bunnymen zu den essentiellen Klassikern des Post Punk/New Wave gehören, zeigt sich allein schon dadurch, dass es immer wieder jüngere Bands gibt, die sich dieser zeitlosen Sounds bedienen.

The Comsat Angels

Waiting for a Miracle


(Polydor, 1980)

Noch eines dieser erfreulichen Debutalben des Jahres 1980 – und ein weiteres, das im Laufe der Zeit zu Unrecht vergessen wurde. Die Comsat Angels (ComSat steht für Kommunikations-Satellit...) kreierten mit Waiting For A Miracle ihren völlig eigenen und ökonomischen Soundminimalismus, der weit in die Zukunft weisen sollte. Dabei blieb die Musik der Angels zunächst jedoch so obskur wie erfolglos (nur DJ John Peel hielt von Beginn an grpße Stücke auf sie...). Vielleicht war das abgrundtiefe und fantastische Rhytmusfundament von Drummer Mic Glaisher und Bassist Kevin Bacon zu extrem, Andy Peaks an die Doors erinnerndes Orgelspiel 1980 einfach zu unüblich und Stephen Fellows schneidende Gitarre und sein kehliger Gesang zu bösartig und die Texte über Beziehungen („Total War“) zu scharfzüngig. Dabei sind gerade diese Texte ein reizvolles Element: "I can't relax 'cause I haven't done a thing and I can't do a thing 'cause I can't relax“ Die Produktion ist messerscharf und transparent, jedes Instrument in völliger Klarheit nebeneinander angeordnet zu hören. Und wenn man Songs wie die Single „Independence Day“, „Postcard“ oder „Missing In Action“ mit seinem Stop-and-Go hört, bleibt es ein Rätsel, wieso Waiting.. nicht in einem Atemzug mit den bekannten Klassikern des Post Punk genannte wird. Ich vermute so mancher junge Musiker der 00er Jahre hat die ersten drei Alben der Comsat Angels zuhause – und wenn nicht, sollten Fans von Interpol oder den Editors sich diese Band anhören. Ihr Debut und das folgende Album sind vergessene Meisterwerke, die ihre Epigonen mühelos übertreffen.

Young Marble Giants

Colossal Youth


(Rough Trade, 1980)

Die Young Marble Giants mögen es weder beabsichtigt haben, noch überhaupt daran gedacht haben ihrem Sound ein Etikett zu verpassen, aber aus dem heutigen Blickwinkel ist Colossal Youth Zen Disco, New Wave Haiku, Monk-Punk, seltsam weltfremder Ramones/ Pistols Minimalismus, ein Album, welches Popmusik in ein Bild verwandelt, das in Zeitlupe nach allen Richtungen explodiert. Colossal Youth mag mit seinen perfekt platzierten Gitarren, sparsamen Drums, Bass und Gesang einen ebenso großen Einfluß auf kommende Generationen von Slow-Core Bands wie Low oder Codeine gehabt haben wie auf Lo-Fi Bastler mit ihren 4-Track Aufnahmegeräten. Zu ihrer Zeit – und auch später - gab es kaum eine Band mit einem vergleichbaren Sound, keine die so unheimliche und zugleich vergnügt zu klingen vermochte. So ist „Eating Noddemix“ Musik für den sonnigen Morgen nach der Apokalypse, „Wurlitzer Jukebox“ ein Dance Track bei dem der Geiger-Zähler den Takt für den letzten Menschen auf Erden tickt. Lange Zeit blieb Colossal Youth einzigartig, zwar hörten die richtigen Leute diese Musik, aber die waren immer wenige und die Giants blieben lange Zeit ein singuläres Phänomen – eine Band die nur Anfang der Achtziger entstehen konnte, die aber keine Nachahmer fand. Erst Ende der 00er Jahre kamen The xx der Ästhetik der Young Marble Giants nahe. Ein Hinweis darauf, wie weit sie ihrer Zeit voraus waren ist das aber meiner Meinung nach nicht. Das Album ist und bleibt auch heute noch einzigartig, und das nicht nur, weil die Band kein weiteres Album zustande bringen sollten.

The Feelies

Crazy Rhythms


(Stiff, 1980)


Wenn ein Album schon mit einem solchen Titel beginnt - „The Boy With the Perpetual Nervousness“... Der Titel könnte wirklich als Programm für die Musik auf Crazy Rhythms stehen, genau wie der Albumtitel, der darauf hinweist, was hier zu erwarten ist. Die kleine Band aus New Jersey schuf mit ihrem Debüt mal eben einen der Stützpfeiler des amerikanischen Underground-Rock. Es beginnt mit klappernden Hölzern, dann bricht ein polyrhythmischer Sturzbach los, nervöser Gesang, schnelle Songs, die dank des Schlagzeug-Genies Anton Fier  um ein Fundament kreisen, das mal an Krautrock, mal an Velvet Underground's Stoizismus erinnern. Dazu die direkt ins Mischpult gespielten Gitarren von Glenn Mercer und Bill Million, die sich leicht psychedelisch umkreisen, so wie Television es vorgemacht haben. Diese Band hatte ein eigenständiges Konzept, und das wollten sie durchziehen – und sie hatten einen Sound, den später so manche Band zitieren sollte, der aber doch erstaunlich eigenständig geblieben ist. Trotzdem – der große Erfolg blieb auch hier aus, vielleicht hat ihnen die Tatsache genügt, dass sie in New York schon seit der Single-Auskopplung „Fa Cé-La“ als der heisse Scheiß galten, sicherlich war ihr Ehrgeiz nicht so groß, wie der manch weniger interessanter Band. Jedenfalls hatten sie genügend Songs für ein wunderbares Album, das klingt wie Television auf 45 rpm, die Talking Heads mit Songs und The Ramones als Intellektuelle. Und ich wette, ohne Crazy Rhythms gäbe es R.E.M nicht, deren Gitarrist war einer ihrer größten Fans. Und bitte auch ihre in elend langen Abständen folgenden Alben beachten !!

David Bowie

Scary Monsters


(RCA, 1980)

Tragisch eigentlich, dass einer – vielleicht DER – Wegbereiter des Post-Punk 1980 sein letztes gutes / interessantes Album für etliche Jahre macht – danach zwar kommerziell erfolgreich ist, aber im Grunde bis ins neue Jahrtausend nur noch seine eigene Legende verwaltet. Scary Monsters bietet tatsächlich in gewisser weise so etwas, wie den Epilog zu Bowie's Arbeit in den Siebzigern. Da lebt Major Tom wieder auf, da werden aber auch schon mal elektronische Spielereien angedeutet – das Album klingt (und sieht aus...), als wäre Bowie für dieses Album durch seine letzten Platten gegangen, und hätte sich mal hier mal da inspirieren lassen – eine Methode, die nur er als das künstlerische Chameleon, als das er zu diesem Zeitpunkt immer noch galt, auch wirklich überzeugend anweden durfte. Deshalb: Scary Monsters ist ein sehr gutes Album, das nur noch von der Berlin Trilogie und Hunky Dory übertroffen wird. Beim hypnotischen „Ashes to Ashes“ zitiert er Major Tom – und schreibt einen seiner besten Songs, bei „Up the Hill Backwards“ gibt es tanzende Rhythmen und wirre Gitarren, Robert Fripp trägt mit seinen gedehnten Frippertronics zum Drive des Titelstückes bei, „Fashion“ nimmt Dance-Pop auf Bowie Art vorweg, dafür ist „Teenage Wildlife“ regelrecht elegisch – und mit „Kingdom Come“ wird Tom Verlaine von Television gecovert – und Bowie macht sich den Song wirklich zu eigen. Es ist wie so oft bei Bowie ein Album aus recht unterschiedlichen Bestandteilen, aber die Teile fügen sich im Nachhinein zu einer massiven Einheit zusammen. Bowie wird 1980 von den aktuellen Trends eingeholt, aber noch kann er musikalisch mit den jungen Bands mithalten. Bedauerlich, dass Bowie danach zumindest künstlerisch die falsche Richtung einschlug.

Van Morrison

Common One


(Warner Bros., 1980)

Common One ist eines der außergewöhnlichsten Alben in Van Morrisons's Gesamtwerk. Nach Veedon Fleece (1974) hatte er irgendwie hin- und herlaviert, mit Into the Music vom Vorjahr hatte er sich – immerhin auf hohem Niveau – selber zitiert, aber Common One ist eine ganz andere Geschichte – ein Album, das - wäre da nicht diese Stimme – einen ganz anderen Künstler zu präsentieren scheint. Offenbar hatte dieser ständig nach Suchende auf einmal so etwas wie inneren Frieden gefunden – das jedenfalls ist der Eindruck, den Common One mir beim Hören vermittelt – und hatte Van Morrison nicht gesagt, dass er die Interpretation seiner Musik gerne dem Hörer überlässt ? - „It's All in YOUR Head“, das waren seine Worte.... Common One wird bestimmt von den beiden 15+ minütigen Tracks „Summertime In England“ und „When Heart Is Open“ - Ersterer ein funky Rhythm'n'Blues mit Bläsern und String Section und Van Morrison in Hochform, inklusive Scat-Gesang und Grunzen, Textzeilen, die seine Belesenheit präsentieren sollen („T.S. Eliot chose the ministry, James Joyce wrote... James Joyce wrote... stream of consciousness books...“) und dann kommt zum Schluß der Impressionismus von „When Heart is Open“, bei dem der Grantler anscheinend in eine Art schläfrige Trance verfällt – Ein Stück, das eher an Miles Davis ca. In A Silent Way erinnert und bei dem Van Morrison das gewohnte Terrain komplett verlässt. Die restlichen Stücke fallen gegen diese beiden Elogen ein bisschen ab – kein Wunder – aber der Opener „Haunts of Ancient Peace“ mit seinen flüsternden Bläsern und rumpelndem Bass bereitet schon perfekt auf dieses ungewöhnliche Album vor, und „Satisfied“ lässt dann auch den Freund des „normalen“ Blues ein wenig aufatmen. Common One polarisiert mehr als Astral Weeks – seinerzeit wurde es abgefeiert, aber es gibt etliche Kritiker, die die Esoterik beklagen, mir scheint es aber genauso tief empfunden und persönlich, wie seine besten Alben.... und es wird für lange Zeit sein letztes wirklich großes Album bleiben. Danach kamen etliche Werke, die anscheinend mit Autopilot eingefahren wurden, und auf denen ärgerliches „Muckertum“ regiert.

Tom Waits

Heartattack And Vine


(Asylum, 1980)


Heartattack and Vine ist ein janusköpfiges Album: In den Jahren vor diesem Album hatte Tom Waits sein Image als weltmüder und von Wein und Frauen trunkener Barpianist ca 5.00 Uhr morgens perfektioniert, aber er ist ein kluger Mann, und er scheint gewusst zu haben, dass dieses Bild irgendwann ausgemalt ist, und er eine völlig neue Leinwand brauchen würde. Es gibt auch hier wieder Songs, die mit Piano, versoffener Stimme und herzzerreißender Romantik ausgestattet sind - „Savin'All My Love for You“ etwa, oder das später von Springsteen gecoverte „Jersey Girl“ hätten auf den vorherigen Alben gut gepasst und sind gekonntes Storytelling und Songwriting, aber da sind auch die Songs, die auf die Musik hinweisen, die bald kommen sollte: Das Titelstück verbindet schon die romantischere Welt der früheren Jahre mit ein wenig Häme und Schmutz, „Downtown" ist zwar genauso konventionell instrumentiert - wie das ganze Album - aber Waits wollte jetzt offenbar auch den Spaß an den Absurditäten des Lebens vertonen. Dieser Aspekt des Daseins war es, den er neu entdeckt hatte, den er hier begann herauszustellen, für den er buchstäblich eine neue, noch zerkratztere Facette seiner Stimme benutzte – und auf den kommenden Alben betonen würde. Heartattack and Vine ist nicht mehr wie Blue Valentine oder gar das im Vergleich fast naiv romantische Debut Closing Time und es ist noch nicht so zerkratzt und verbogen wie der Nachfolger Swordfishtrombones , es liegt stilistisch genau dazwischen. Kein Nachteil, wenn die Songs so gut sind wie bei Tom Waits.








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