Stalins Tochter flieht aus der UdSSR in die USA, der Vietnam Krieg nimmt weiter seinen grausamen Lauf, in Nigeria bricht der „Biafra Krieg“ aus, in dessen Verlauf bis zu 200.000 Menschen umkommen. Die meisten verhungern wegen der Lebensmittelblockaden der westlichen Länder. In Israel geht's schneller. Im sog. Sechs-Tage Krieg besetzen die Israelis die Golan-Höhen und der Krieg ist nach sechs Tagen (logisch) aus. Der Revolutionsheld Che Guevara wird in Bolivien erschossen - und zum Pin Up für Generationen von Non-Konformisten und Spaß-Revolutionären. In Newark (USA) brechen Rassenunruhen aus in deren Verlauf 27 Menschen umkommen und in Deutschland wird bei Protesten gegen den Besuch des iranischen Schahs der Student Benno Ohnesorg erschossen. Schweden wechselt vom Links- zum Rechts-Verkehr und in Deutschland beginnt das Farbfernsehen. Die erste Herztransplantation gelingt und in England wird der erste Geldautomat in Betrieb genommen. Kurt Cobain, Billy Corgan, Chuck Schuldiner (Death), Noel Gallagher und Jeff Tweedy werden geboren, Otis Redding kommt bei einem Flugzeugabsturz ums Leben und John Coltrane stirbt an Krebs. Die Zeitschrift „Rolling Stone“ erscheint erstmals, das legendäre Monterey-Pop Festival wird zu einem der berühmtesten Festivals der Rockgeschichte und die im Vorjahr gemachten Versprechungen in der Rockmusik werden eingelöst: Die Beatles verkünden, sie haben Acid konsumiert und veröffentlichen Sgt. Peppers.. Jimi Hendrix, die Doors, Velvet Underground, Pink Floyd erscheinen auf der Szene. Psychedelic, Acid Rock, Soul, Country, Free Jazz, das was man gemeinhin „Experimentelle Rockmusik“ oder Avantgarde nennt., sie alle warten 1967 mit großartigen Alben auf. So ernten die späteren Ikonen der Rockmusik das, was sie in den beiden vorherigen Jahren gesät haben, und die Anzahl an wegweisenden Veröffentlichungen und Klassikern ist riesig. 1967 ist das Jahr, das mit dem sogenannten „Summer of Love“, dem Höhepunkt der Hippie Bewegung in San Francisco, verbunden wird. Freie Konzerte, freie Drogen und freie Liebe regieren und die Welt scheint auf dem Sprung in eine neue Zeit – und es gibt natürlich auch schlechte Musik, wenn sie auch nicht gerade die Charts regiert : Engelbert Humperdinck und Tom Jones etwa interessieren nicht. Also – weg damit...
Jimi Hendrix Experience
Are You Experienced
(Track,
1967)
Jimi Hendrix Experience
Axis: Bold As Love
(Track,
1967)
Jimi Hendrix war von Chas Chandler, dem Bassisten der Animals, dazu überredet worden, aus den USA nach England zu kommen und als Solist aufzutreten, was er gerne annahm, da seine Karrierre in den USA als Sideman bei den Isley Brothers etwa nicht in Schwung kam. Auf viele Briten wirkte er mit seinem Look und seiner Art, Musik zu machen zunächst einmal wie ein Wesen von einem anderen Stern, aber die Begeisterung über seine Fähigkeiten war schnell riesig - und sollte auch bald wieder in die USA überspringen. Zunächst jedoch fand er in England mit Mitch Mitchell und Noel Redding zwei Musiker, die seine Art von psychedelischem Blues spielen wollte. Was Are You Experienced so besonders macht, sind nicht nur Hendrix immense technische Fähigkeiten, sein Umgang mit Effekten und die Lockerheit, mit der er Gitarre spielte, es ist insbesondere die verspielte Experimetierlust, der offensichtliche Spaß daran, an den Fundamenten des Blues und des Soul zu rütteln. Songs wie „Red House“ und sein erster Hit „Hey Joe“ sind zwar im Blues verwurzelt, aber sie klangen 1967 extrem futuristisch, „Foxy Lady“ oder „Purple Haze“ sind psychedelische Freak-Outs, und „The Wind Cries Mary“ ist pure Poesie. Das Debut der Experience ist einer der Momente, in denen psychedelische Musik explodierte – künstlerisch wie kommerziell. Eingezwängt zwischen diesem revolutionären Debut und Electric Ladyland, welches allgemein als Jimi Hendrix' Sternstunde betrachtet wird, ist das zweite Album der Experience, Axis: Bold as Love, das Album, das etwas geringere Beachtung findet. Jeder andere Musiker jedoch wäre froh, auch nur ein einziges Album von solcher Klasse gemacht zu haben. Bei Hendrix sollte es nur der Zwischenschritt auf dem Weg zu Größerem werden - aber was für einer: Hier ist die wunderbare spacige Ballade „Little Wings“, hier gibt es „Castles Made of Sand“, „One Rainy Wish“ und den Proto-Fusion-Jazz von „If 6 Was 9“. All das war eine Zementierung des fantas-tischen Zusammenspieles zwischen Hendrix und seinen Mitstreitern, und es zeigte zugleich, daß Hendrix sowohl kompositorisch als auch produktionstechnisch mit Riesenschritten in unbekanntes Territorium unterwegs war - sein Gitarrenspiel war zu dieser Zeit ja sowieso von einem anderen Stern - Was die Kollegen in England schon lange erkannt hatten: Ob Clapton, Page oder Beck. Sie alle gingen zu seinen Auftritten, wollten sehen was Hendrix machte, und das dann in ihre Arbeit einfliessen lassen. Und tatsächlich ist Hendrix' Experimentierlust in der Musik dieser Zeit überall wiederzufinden. Seine technische Brillianz mag von späteren Gitarristen später erreicht und auch überflügelt worden sein, die Abenteuerlust seiner Musik allerdings ist einzigartig -. Und bis heute hörbar.
Velvet Underground
Velvet Underground & Nico
(Verve,
1967)
Es gibt wenige Platten, deren Einfluß auf das spätere Geschehen in der Rockmusik so groß ist, wie The Velvet Underground & Nico. Die Namen der Bands, die sich auf die Musik auf dieser LP berufen, liest sich wie ein Who Is Who der Rockmusik. Dabei war der kommerzielle Erfolg dieses Albums 1967 eher bescheiden. Die LP kam erst fast ein Jahr nach der Produktion auf den Markt, nachdem Elektra, Columbia und Atlantic das Album abgelehnt hatten, griff das Jazz-Label Verve zu, unterstützte den Verkauf aber nur widerwillig. Die Musik war mit ihren experimentellen Ansätzen, mit ihrer dunklen Schönheit und den noisigen Passagen und Texten über Drogen („Heroin“) und Sadomaso („Venus in Furs“) das Gegenteil dessen, was 1967 im Allgemeinen gehört und für gut gefunden wurde. Andy Warhol - als „Produzent“ der LP genannt und natürlich für das legendäre Cover-Design zuständig, hatte Lou Reed und John Cale gesagt, sie sollten keine Kompromisse bei der Ausführung ihrer musikalischen Ideen eingehen, und genau danach klingt das Album bis heute. Es ist die Reibung zwischen Reed's Pop Subversion und Cale's avantgardistisch-klassischem Ansatz, die den Reiz der Musik ausmacht. Daß Warhol das deutsche Model Nico Päffgen als Sängerin - und als ästhetisches Element - in die Band holen ließ, mißfiel Reed, er ließ sie nur auf drei der Songs singen,(und „All Tomorrow's Parties“ zu einem der schönsten Songs der Velvets machen) ein bisschen Schade, weil ihr teutonischer Akzent und ihre dunkle Stimme der Musik noch einen zusätzlichen, düsteren Anstrich gibt, aber das Album wurde auch so zur wichtigsten Koordinate für die dunkleren Seiten der Rockmusik. Und wer es heute nicht kennt, hat das Wichtigste in der Rockmusik des 20. Jahrhunderts verpaßt.
Pink Floyd
Piper At The Gates Of Dawn
(Columbia,
1967)
1967 waren Pink Floyd die heißesten Anwärter auf den Thron der Hipness. Sie hatten mit ihren Singles Kleinode der britischen Psychedelik geschaffen („Arnold Layne“ und „See Emily Play“), einen Plattenvertrag bei EMI ergattert und nun mit Piper At The Gates Of Dawn die einzige ernsthafte Konkurrenz zu Sgt Peppers.. aufgenommen. Ihr Hauptsongwriter, das erratische Genie Syd Barrett, war noch vollkommen bei sich und gleichzeitig weit über allen anderen Songwritern seiner Zeit. Der Title des Albums ist Barretts' Lieblingskinderbuch entnommen (Der Wind in den Weiden) und so unkonventionell wie er selber sind auch die Songs auf diesem Album. Da gibt es lange, psychedelische Instrumental-exkursionen („Interstellar Overdrive“) aber auch unheimlichen Pop („Lucifer Sam“ oder „Matilda Mother“). Barretts teils humorvoll verspielte Texte werden von der Band mit seltsam psychotischer Musik unterlegt und machten Piper... zu einem Album, das letztlich weder von anderen Bands noch von ihnen selber jemals übertroffen sollte. Dass Pink Floyd später mit vollkommen anderer und nicht vergleichbarer Musik zum Massenphänomen wurden, ist eine andere Geschichte. Das hier ist einer der wichtigsten Psychedelik-Meilensteine seiner Zeit.
The Beatles
Sgt. Peppers Lonely Heartsclub Band
(Apple,
1967)
The Beatles
Magical Mystery Tour
(Parlophone,
1967)
Die Beatles hatten sich 1967 schon weit mehr an die modernen Klänge des Psychedelic-Rock angepasst, mit Revolver 1966 ein Meisterstück des psychedelischen Pop abgeliefert, und sie sprühten immer noch vor Ideen. So nahmen sie neben den hippen Pink Floyd in den Abbey Road Studios das Pop/Kunst Phänomen Sgt. Peppers.. auf. Und sie sprengten mit diesem kaleidoskopischen Album in allen belangen Grenzen. Wenige Alben sind so sehr im kulturelle Bewußtsein, wie dieses. Vom später so oft auch von anderen Bands zitierten Coverdesign (Siehe Zappa's We're Only In It for the Money) über die Produktion bis zu den hier versammelten Songs, die einzeln und für sich bei weitem nicht eine solche Wirkung haben wie im Gesamtkonzept. Multitrack Overdubs, Sing-along Melodien, ein Paul McCartney, der in Hochform war, Songs wie „Lucy in the Sky With Diamonds“ – dem man den versteckten Hinweis auf den Gebrauch von LSD nachsagen sollte, oder das so herzergreifende „She's Leaving Home“ - all das machte vielleicht nicht das beste Album der Beatles aus (wobei es nicht selten als solches bezeichnet wird) aber es ist und bleibt eines der prägnantesten Symbole seiner Zeit.
Magical Mystery Tour, in UK zunächst als Begleitung zu einem TV-Special als Double 7-Inch mit nur 7 Songs veröffentlicht und heutzutage in der auf 11 Songs aufgestockten US-LP Version bekannt, ist als Songkollektion vielleicht sogar etwas stärker als das in den Himmel gelobte Sgt. Peppers.. (ja! ...und natürlich hat es nicht dessen Magie oder kulturhistorischen Wert...). Song-Highlights sind hier jedenfalls in noch größerer Dichte versammelt und mancher Song ist dem Material auf dem Vorgänger überlegen: Da ist diese „pixie dust“ Produktion, da ist das Titelstück oder das sanfte Instrumental "Flying", das asiatisch angehauchte "Blue Jay Way", das Daliesk-surreale Meisterwerk "I Am the Walrus", die berührende Bitte um Toleranz und Verständnis "Hello Goodbye", und die unsterbliche Mini Symphonie "Strawberry Fields Forever", oder die Nationalhymne von Utopia "All You Need is Love". Nicht auf der Dopple-7Inch, aber auch nett ist "Penny Lane" obwohl fast schon zu süßlich und nostalgisch. Die auf der LP-Version ergänzten Songs haben definitiv nicht die Stärke der oben genannten Songs, dennoch: Magical Mysterie Tour ist the Beatles at their best.
Kinks
Something Else By The Kinks
(Pye,
1967)
waren die Kinks dem rockenden Beat verschrieben, und in dieser Zeit der psychedelischen Revolution liefen sie natürlich Gefahr, unmodern zu werden. Also machte Ray Davies inzwischen auch Zugeständnisse an die Hippie-Ästhetik - allerdings nur in Maßen. Schon das Vorgängeralbum Face to Face hatte ja schon milde Anklänge an den Sound der Zeit gehabt, Something Else führt das weiter, aber zugleich blieb die Band dem 3-minuten Song verpflichtet. Was der Platte ihren Status als einer der Höhepunkte in der Discografie der Kinks verleiht ,sind nicht so sehr die psychedelischen Elemente sondern die exzellenten und zeitlosen Songs. Davies Mikrokosmos ist hier schon bevölkert von Frauen mit Lockenwicklern („Two Sisters“), englischen Oberschicht-Angebern („David Watts“) Verlierern und Melancholikern, der „Afternoon Tea“ ist selbstverständlich, das englische Wetter wird mild psychedelisch abgehandelt („Lazy Old Sun“) und mit „Waterloo Sunset“ ist ein Song für die Ewigkeit dabei, der wunderbar Einsamkeit und Idylle in der englischen Großstadt beschreibt. Kurz: Das ganze Album hat – mehr sogar noch als sein exzellenter Vorgänger - eine solche Dichte an guten Songs, dass es eben auch als komplette Album bestehen kann. Es hat kurz gesagt schon alle Eigenschaften, die den Nachfolger – The Village Green Perservation Society nur noch etwas mehr auszeichnete – und der die Band seltsamerweise seinerzeit etwas ins Abseits befördern sollte
The Who
The Who Sell Out
(Decca,
1967)
The Who werden immer mit bestimmten Songs verbunden (Im Moment ist es „Behind Blue Eyes“) bzw mit der Rock Oper Tommy, dann sind da noch die Alben Quadrophenia oder Who's Next – alles Sachen, die nach diesem Album und nach '67 passieren, ihre ersten Alben sind zwar voller Hits und wunderbarer weniger bekannter Songs, aber eben auch etwas uneinheitlich, noch mit Schwächen. 1967 allerdings dachte Pete Townshend schon in größeren Dimensionen: Das dritte Album seiner Band, The Who Sell Out sollte ein Konzeptalbum werden. Gedacht war es als Tribut an die damals extrem populären Pirate Radio Stations, die vor Englands Küste sendeten und insbesondere ein junges Publikum mit angesagter Musik versorgten. So gibt es zwischen den Stücken gefakete Jingles und die Songreihenfolge ist zunächst wie eine Radiosendung aufgebaut. Irgendwann auf der zweiten Seite der LP jedoch verliert man den Faden - aber das ist dann auch gleichgültig, die Dichte an großen Songs ist nämlich weiterhin erstaunlich groß. Es gibt den Hit „I Can See for Miles“, der sich in die Reihe der Klassiker einfügt, es gibt – der Zeit entsprechend – Andeutungen von Psychedelia bei „Armenia City in the Sky“ oder „Relax“; was aber am wichtigsten ist: Die Band spielt ungemein kraftvoll, hat an Härte angesichts von Blumenkindern nichts verloren, auch wenn Townshend bei „Tattoo“ und dem gar akustischen „Sunrise“ introspektiver ist als gewohnt. The Who Sell Out zeigt eine Band, die eindeutig an Selbstvertrauen gewonnen hat, die das Beste aus den Mod-Tagen mitgenommen hat in eine vielversprechende Zukunft. Es ist ihr erstes echtes Meisterwerk - mit einem grottenhässlichen Cover.
The Rolling Stones
Between The Buttons
(Decca,
1967)
The Rolling Stones
Their Satanic Majesties Request
(Decca,
1967
1967 ist das Jahr der psychedelischen Musik, wie man auf diesen Seiten unschwer bemerkt. Auch die Rolling Stones entdeckten bewusstseinserweiternde Drogen und die Musik die man dabei nascheinend hören mußte. Noch waren sie allerdings stark im R&B und Blues verwurzelt, ihr letztes Studioalbum war Aftermath gewesen, auf dem sich Jagger & Richards als Songwriterteam endgültig etabliert hatten. Da wurde Between the Buttons zu Beginn des Jahres '67 tatsächlich als Rückschritt angesehen, zwar gab es mit „Let's Spend the Night Together und „Ruby Tuesday“ erfolgreiche Singles, diese aber waren nicht auf dem Album enthalten (und wurden später hinzugefügt), und das restliche Material auf dem Album wurde seinerzeit nicht wirklich verstanden. Das Album ist mit Gold durchwirkter dunkler Samt, weit düsterer und tiefer, als die vorherige Befreiung aus dem Rhythm & Blues und somit ein Ausblick auf das, was die Stones in den kommenden Jahren ausmachen sollte. “She Smiled Sweetly“ mag als Beispiel hier stehen, und ganz nebenbei: Dies ist eines von Beach Boys-Kopf Brian Wilson's Lieblingsalben, und der muß es schließlich wissen. Der Nachfolger Their Satanic Majesties Request sticht aus der glorreichen Phase der Stones in den 60ern stilistisch stark heraus. Gemeinhin wird dieses Album als(etwas missglückte) Antwort der Stones auf das psychedelische Meisterstück der Beatles (Sgt. Peppers) gesehen. Das mag richtig sein, zumindest wollten die Stones jedenfalls eine Antwort auf Flower Power geben - und begaben sich damit auf fremdes Terrain. Terrain, das so fremd war, dass sie sich nach Meinung vieler rettungslos verliefen. Inzwischen wird das allerdings auch gerne anders gesehen, denn es gibt auch auf Their Satanic Majesties Request einige unsterbliche Songs – in einer etwas bunteren Verkleidung vielleicht, aber „She's a Rainbow“, „2000 Man“ oder „2000 Lightyears from Home“ sind fraglos große Songs. Jagger & Richards machten in dieser Zeit wenig falsch, und ihnen ein anbiedern an Trends vorzuwerfen, hat so recht niemals funktioniert. Die Stones hatten immer die Fähigkeit die jeweiligen Moden durch ihre Brille zu filtern, ob Psychedelik, Punk oder Disco. Neben den eben genannten typischen Stones-Tracks im modischen Gewand gab es noch hervorragenden Heavy Psych mit „The Citadel“ und ja – auch ein paar seltsame Freak Outs, die vielleicht nicht nötig gewesen wären. Aber es ist nun einmal das Jahr 1967..
Cream
Disreali Gears
(Reaction,
1967)
Dass Cream die erste „Supergroup“ im Rockzirkus waren – geschenkt. Dass sie als Power-Trio der Jimi Hendrix Experience Konkurrenz machen sollten, dass ihre drei Mitglieder zusammengeworfen wurden, um kommerziell und auch künstlerisch entsprechend abzuräumen ist auch klar. Dass das auch zeitweise sogar wunderbar funktionierte ist da schon eher verwunderlich. Die drei Mitglieder, Jack Bruce, Eric Clapton und der Durchgeknallte Arsch Ginger Baker könnte man sicher als explosive Mischung bezeichnen. Aber 1967 hatten sie noch keinen Grund, an ihrer Zusammenarbeit zu (ver)zweifeln. Sie hatten gerade neun Konzerte in New York gegeben und gingen sofort in die Atlantic- Studios um mit Felix Pappalardi den Nachfolger zum Debut aufzunehmen. Und sie nutzten ihre Talente und Erfahrungen für einen Schritt aus der Blues-Ecke in modernere Psychedelic-Gefilde. Vorab war mit „Strange Brew“ schon eine Single veröffentlicht worden, die mit einem virtuosen Solo Claptons und seinen Vocals sowie mit einem schön verrückten Text den Geist der Zeit traf: "Strange brew - killing what's inside of you. She's a witch of trouble in electric blue. In her own mad mind she's in love with you". Da ist ja dann Alles gesagt. Die Musik auf Disraeli Gears passt in ihre Zeit. Die drei Musiker begannen die Blues-Schemata aufzulösen, schrieben Songs mit komplexen rhythmischen Verschiebungen und gewagten Harmoniewechseln und – nicht das geringste Verdienst – blieben dabei angenehm konsumierbar. “Sunshine of Your Love „ und „Tales of Brave Ulysses“ sind psychedelisch, gewagt und zugleich memorabel. Die ausufernden Improvisationen der Konzerte werden zugunsten der Songs zurückgehalten, das Album hat – nicht nur durch die Texte die Jack Bruce zum Teil mit dem Dichter und Sänger Pete Brown schrieb - eine ganz spezielle Exzentrik, eine „Britishness“ die es zusammen mit der Virtuosität seiner Erzeuger zu einem besonderen Beispiel des Psychedelischen Rockmusik macht. Und es ist ganz nebenbei so laut, dass neben - oder genauer – vor den Alben von Black Sabbath als eines der ersten Heavy Metal Alben stehen könnte. Disraeli Gears mag sehr in seiner Zeit gefangen sein und heute unmodern klingen, aber es ist musikalisch so reich, dass es zweifellos zu Recht zum Kanon der Klassiker zählt.
Traffic
Mr. Fantasy
(Island,
1967)
Die Story der Band Traffic ist geprägt durch ein beständiges Hin und Her von Mitspielern, Streitereien und Versöhnungen. Im Zentrum stand der blutjunge Keyboarder und Sänger Steve Winwood, der zuvor mit der Spencer Davis Group für Furore gesorgt hatte. Er galt als junges Genie, und als er die Group verließ, erwartete man einiges von seiner neuen Band. Tatsächlich hatte Winwood mit Jim Capaldi einen guten Drummer und noch besseren Texter dabei, Chris Wood gab dem Sound mit Flute und Saxophone eine besondere Note und Dave Mason war nicht nur ein prima Gitarrist und Sänger, er war auch noch ein toller Songwriter. Nur leider verließ er die Band noch während der Aufnahmen zu Mr. Fantasy (um sich zu den Aufnahmen des zweiten Albums wieder anzuschließen) und als das Album ein paar Wochen später in den USA veröffentlicht wurde, geschah das mit einem Cover, auf dem die drei verbliebenen Mitglieder zu sehen waren und mit den Hitsingles, die man auf der britischen Version weggelassen hatte an Stelle der Songs von Mason. Heute ist das egal, meist bekommt man alle Songs serviert und die sind immer noch erfreulich unterhaltsam. Traffic spielten eine Mischung aus angesagtem Psychedelic Pop - sicher beeinflusst von dem, was die Beatles machten- Blues und orientalischen Klängen – unter anderem, weil Dave Mason gerne und gut Sitar spielte. Und die Stimme Winwood's ist es nicht allein, die alles zusammenhält. Auch das Songwriting beider - Mason's wie Winwood's - ist aller Ehren wert. Songs wie „Heaven is in Your Mind“ und „Dear Mr. Fantasy“ (Winwood und Capaldi) sind genauso feine britische Psychedelia wie Mason's „House for Everyone“ oder „Hole in My Shoe“. Und das sind nur vier Songs von etlichen (... wie gesagt, das variiert). Produzent Jimmy Miller sollte einen ähnlich warmen Sound mit der famosen Band Family kreieren, und er produzierte bald auch die Stones. Traffic machten trotz aller Unruhen noch einige sehr gute Alben und Steve Winwood mag in den 90ern mittelmäßigen Schlock gemacht haben – '67 jedenfalls war er einer der besten Sänger der Pop-Welt.
John Mayall & The Bluesbreakers
A Hard Road
(Decca,
1967)
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