Mittwoch, 15. Juni 2016

1971 – Greenpeace, Honecker und Frauenwahlrecht in der Schweiz – Rolling Stones bis Sly & the Family Stone

Dies ist das Jahr in dem in Kanada die Umweltorganisation Greenpeace gegründet wird. Die Menschen in den USA sind immer weniger an der Fortsetzung des Vietnamkrieges interessiert, und als die New York Times Geheimdokumente über den Krieg veröffentlicht, will Präsident Nixon dies verhindern, scheitert aber vor den Gerichten. In Deutschland berichtet der Stern erstmals über Abtreibung. In Ägypten wird der Assuan Staudamm eröffnet, die Astronauten der Apollo 14 Mission landen als Dritte auf dem Mond – das wird langsam also auch langweilig.In der Schweiz bekommen Frauen erstmals das Wahlrecht und in der DDR wird Erich Honecker Nachfolger von Walter Ulbricht und im Vier-Mächte Abkommen wird der geteilte Status Berlin's für die kommenden Jahrzehnet zementiert. Die Sechziger sind nun definitiv vorbei, und mit Ihnen ist die naive Hoffnung auf eine bessere Welt verschwunden. Gene Vincent und Doors Sänger Jim Morrison sterben. 1971 folgt dem Vorjahr darin, dass wieder etliche ikonische „Klassiker“ der Rockmusik erscheinen - klar, die Bands und Musiker wissen ja nichts von meiner strengen Trennung nach Erscheinungsjahr. Die Stones, Led Zeppelin, The Who, John Lennon - sie Alle veröffentlichen Alben, die später als ihre definitive Leistungen angesehen werden. Und ihre Klasse rührt unter anderem daher, dass sie die Naivität der Mitt- bis End-Sechziger gegen eine weit düsterere Sicht getauscht haben. Das Album hat die Single nun endgültig als wichtigstes Medium abgelöst. Das zeigt sich inzwischen sogar im Soul, wo Marvin Gaye und Sly Stone das Albumformat perfekt nutzen. '71 weiten sich einige musikalische Horizonte, in diesem Jahr blühen Genres wie Singer / Songwriter, Folk, Country und Southern Rock weiter auf, genau wie Progressive- und Kraut-Rock, Soul und die alte Tante Jazz, der mit Rock zu Fusion verschmilzt. Wer also die altbekannten Klassiker nicht mehr hören mag, der muß nicht lange suchen um weniger bekannte, aber kaum weniger gute Alben zu finden. Und auch Elvis rafft sich zu einem letzten wirklich gelungenen Album auf.. Und noch ist es so, dass die Charts voller Musik sind, die doch recht erinnernswert ist - ein riesiger Unterschied zu den Zuständen ab Mitte der Siebziger (bis heute). Dennoch werde ich gut verkaufte Produkte wie Andrew Lloyd Webber's Jesus Christ Superstar oder die singenden Geschwister The Osmonds nicht beachten – macht denen ja Nichts...

The Rolling Stomes

Sticky Fingers

(Rolling Stone Rec., 1971)

 


Die Stones hatten mit Let It Bleed und Beggars Banquet die 60er grandios abgeschlossen, sich '71 von Decca und insbesondere deren terminlichen Vorgaben getrennt und ihr eigenes Label gegründet. Die Musik auf ihrem ersten Studiowerk der 70er allerdings verdüsterte sicher unter dem Einfluß von Drogen und unter dem Eindruck der gewalttätigen Auswüchse während der 69er Tour massiv. Dazu kam, dass die Alben zuvor schnell und unmittelbar aufgenommen worden waren, die Songs von Sticky Fingers aber hatten sich über einen längeren Zeitraum angesammelt. Sie leisteten sich nun, da sie auf dem eigenen Label veröffentlichen konnten, offensichtlich den Luxus einer längeren Periode zwischen Songwriting und Aufnahme. Das Cover des neuen Albums war von Andy Warhol entworfen worden, die Musik, in verschiedenen Studios in England und den USA mit diversen handverlesenen Gastmusikern (Ry Cooder, Billy Preston, Nicky Hopkins etc) aufgenommen, war langsamer, blueslastiger und bekam durch Keith Richards Freundschaft mit dem Ex-Byrds Musiker und Americana-Pionier Gram Parsons dezente Country-Anklänge. Der größte Hit des Albums („Brown Sugar“) wurde zum Klassiker, „Wild Horses“ und „Dead Flowers“ sind tatsächlich unironische Country-Musik, „Sister Morphine“ ist eine schockierende Überdosis-Story (der Text stammt von Jaggers Freundin Marianne Faithful, die konnte da aus dem eigenen Erfahrungsschatz schöpfen...) und „Moonlight Mile“ bekommt durch Paul Buckmasters grandiose String-Arrangements die erforderliche Tiefe. Kurz: Mit Sticky Fingers legten die Stones die Messlatte für die Konkurrenz und auch für sich selbst verdammt hoch – so hoch,dass sie sie später kaum noch zu überspringen vermochten. Es ist eines jener Alben, die man zu Recht zeitlos nennen kann.... ähnlich wie...

The Rolling Stones - Sister Morphine 

The Who

Who's Next

(Polydor, 1971)

Der legendäre Cover Shoot der Band, die sich kollektiv die Reissverschlüsse hochzieht nachdem sie gegen einen Monolithen gepinkelt hat, ist natürlich genial infantil, und gibt dem lustigen Wortspiel Who's Next Raum und Sinn. Aber es gab da noch einen dritten Grund auf einen Monolithen zu pinkeln: Pete Towshend hatte eigentlich eine Science Fiction Oper geplant, ein opulentes Doppelalbum mit dem geplanten Titel Lifehouse, war aber an den Kosten, terminlichen Schwierigkeiten, dem eigenen Anspruch mit dazugehörigem Nervenzusammenbruch gescheitert. So beschloß er, die besten Songs des gescheiterten Mammutwerks mit ein paar zusätzlichen neuen Songs zu vermischen und das Ganze als „normales“ Album zu veröffentlichen. Und wenn es je ein Album geschafft hat eine Brücke zwischen dem Bombast des Prog-Rock und der reduzierten Intensität des Punk zu schlagen, dann ist das wohl Who's Next. Jeder Song scheint mit sich selbst zu ringen, was eine ungeheure Spannung erzeugt, Townshend hatte in der Zwischenzeit den extrem teueren und neuen Synthesizer entdeckt, der den muskulösen Songs wenn nötig eine ungewohnte Textur verlieh, seine Mitstreiter waren in Bestform und die Balance zwischen Balladen und wirklich LAUTEN Rockern war perfekt. „Baba O'Reilly, „Won't Get Fooled Again“, und vor allem „Behind Bue Eyes“ sind Songs für die Ewigkeit .....und mit diesem Meisterwerk hatte Townshend auch noch eine passende Antwort auf das fantastische Album der Rivalen von den Stones. Und dass er an einer weiteren Rock Oper gescheitert war, machte ja auch Nichts - als nächstes kam ja Quadrophenia

The Who - Baba O'riley 

Led Zeppelin

(IV)

(Atlantic, 1971)

Zunächst einmal: Led Zeppelin IV (wie die LP in Ermanglung eines Titels gemeinhin genannt wird) gehört - genau wie die beiden vorher beschriebenen Alben - zu den Ikonen der Rockmusik, und das ist der Grund warum dieses Album einen so exponierten Platz auf diesen Seiten hat. Es ist ein – wenn nicht DAS archetypische Heavy Metal Album der frühen Siebziger, denn hier verbanden die vier Superstars von Led Zeppelin majestätischen Hard Rock, Blues und epischen Folk zu der Musik, die in den folgenden Jahren mit dem Begriff Heavy Metal belegt werden sollte. Hunderte von Epigonen würden sich von diesem Album – und von der hier ausgelebten Liebe Robert Plants zu Mystizismus und Okkultem - beeinflussen lassen. Dabei hat IV objektiv betrachtet neben einigen sehr guten Songs durchaus seine Längen. Die Folk-Ballade „The Battle of Evermore“ wird durch den Gesang von Sandy Denny veredelt „Rock and Roll“ ist klischeehaft, aber ungemein kraftvoll. Am bekanntesten - und inzwischen leider im Classic-Rock Radioprogramm zu Tode gedudelt ist natürlich „Stairway to Heaven“. Es ist ein Song, der als gelungene Fusion aus allen Einflüssen, die Led Zep zu dieser Zeit ausmachten, stehen kann. Und er ist ein Beispiel für perfekten Spannungsaufbau. Die langsame, folkige Gitarrenpassage zu Anfang, die Steigerung zum Hard Rock, der theatralische Gesang Robert Plant's – all das würde später etliche Male von anderen wiederholt werden. Das Original freilich ist immer überlegen – wenn auch zu oft gehört. Mit “Going to California“ gab es einen weiteren gelungenen Folk Song und „When the Levee Breaks" ist „Stairway...“ fast ebenbürtig. Dennoch wirkt IV heute bei genauem Hinhören mitunter seltsam hohl und aufgebläht. Es hat seinen guten Ruf vielleicht garnicht so sehr verdient, andererseits sind Moden veränderlich – und unter Metal-Fans bleibt dieses Album vermutlich bis in die Ewigkeit als gültiges Fundament bestehen.

Led Zeppelin - When The Levee Breaks 


Leonard Cohen

Songs Of Love And Hate

(CBS, 1971)

Leonard Cohen gilt bekanntermaßen als Literat der Rockmusik. Allein als Sänger konnte er mit seinem wenig melodischen, nasalen Murmeln kaum Meriten sammeln, und seine Songs waren bis zu diesem Album oft sparsam arrangierte Melodieskizzen – zwar eingängig, aber nicht ausformuliert (was auch seinen Reiz hat). Aber es sind immer seine Lyrics, die im Mittelpunkt der Musik stehen. Und sie stehen sicher auch zu Recht außerhalb jeder Kritik. Auf Songs of Love and Hate bot Cohen exakt, was der Titel versprach – allerdings sind Liebe und Hass in den Texten so eng miteinander verflochten, dass man den Unterschied mitunter nicht mehr auszumachen vermag – was es zu einem der desperatetsen Alben der Rockgeschichte macht. Schon bei den ersten Worten des ersten Tracks wird klar, dass hier keine Freude aufkommen wird: „I stepped into the avalanche/ It covered up my soul...“ Finsterster Punkt in dieser Welt der Schatten ist die suizidale Paranoia von „Dress Rehearsal Rag“, mit Kinderchor und den sinistren Arrangements von Paul Buckmaster. Auch die atmosphärische Produktion von Bob Johnson passt perfekt zu den bis auf die Knochen emotionaler Katharsis reduzierten Songs. So sparsam wie nötig, Cohens Gesang und seine Gitarre im Voprdergrund, dazu die eben genannten Strings um die Atmosphäre zu verdichten... Das Album auf die genannten Songs zu reduzieren täte ihm bei weitem Unrecht: Hier finden sich noch weitere Preziosen, wie etwa das später so erfolgreich gecoverte „Famous Blue Raincoat“ und das wunderbare „Joan of Arc“. Alles Beweise für Cohen's durchaus großes Talent auch als Songwriter. Aber all das verhinderte selbstverständlich nicht, dass diese düstere Songsammlung zunächst einmal Cohens kommerziell erfolglosestes Album sein würde. Tja, Schönheit und Verkäulichkeit... Inzwischen hat es diesen Status aber vermutlich verloren.

Leonard Cohen - Dress Rehearsal Rag 

Joni Mitchell

Blue

(Reprise, 1971)

Die Menge von Alben, deren Einfluss sehr weitreichend ist, ist 1971 wirklich beeindruckend. Angeblich war es der heute nahezu vergessene Songwriter David Blue, der Joni Mitchell zu diesem Songzyklus über das Zwischenmenschliche inspirierte (Joni Mitchell selber hat das allerdings nie bestätigt, sie bezog es immer eher auf Miles Davis' Kind of Blue...). Und Blue mag erst 1971 aufgenommen worden sein, aber es ist auch so etwas wie die schmerzvolle Rückschau auf die verlorenen Illusionen der Sechziger – allerdings aus der ganz persönlichen Perspektive der Künstlerin selber. All die Geschichten über Liebe, Verlust und verlorene Hoffnungen beziehen sich nicht auf die Gesellschaft, sondern explizit auf Mitchells persönliche Vita, auf ds Ende ihrer Beziehung mit David Crosby und ihre Erfahrungen in den Jahren zuvor. Der „älteste Song hier - „Little Green“ - ist eine Überbleibsel aus dem Jahr 1967 und behandelt in aller Offenheit ihr zur Adoption freigegebens Kind. Ihre Bekenntnisse mögen teils bitter sein, aber sie verweisen auch voller Selbstbewußtsein darauf, dass man sich seinen Fehlern stellen und zu ihnen stehen sollte. Dadurch kommt nicht die Weinerlichkeit auf, die viele Singer/Songwriter-Alben immer wieder unerquicklich macht. Und Joni Mitchell ist in ihren Songs auf Blue nicht vage oder metaphorisch, sie redet eindeutig von sich selbst. Das Alleine aber macht natürlich kein großes Album aus: Dass die schiere Musikalität von Joni Mitchell Blue dann auch noch zu weit mehr als einer Ansammlung von Bekenntnissen macht, dass sie hier die Grenze zwischen Folk und Jazz transzendierte und dazu großartige Songs geschrieben hatte ist der andere und mindestens genauso wichtige Faktor für ein weiteres großes Album in ihrer an hervorragenden Alben reichen Karriere. Und wenn wir schon bei „Bekenntnis-Musik“ und Nabelschau gelandet sind...

Joni Mitchell - All I Want 

John Lennon

Imagine

(Apple, 1971)

Und hier das nächste '71er Album, das zur Ikone wurde: Mit dem vorherigen Album Plastic Ono Band (1970 – siehe ebenda) hatte John Lennon die Beatles exorziert, hatte seine Seele mindestens genauso offenngelegt wie Joni Mitchell es auf Blue tat .... allerdings war er eine noch öffentlichere Person als Joni Mitchell oder Leonard Cohen – schließlich war er Mitglied der größten (Teenie-)Band der Welt gewesen. Nun emanzipierte sich dieser ehemalige Schwarm tausender kreischender Teenager immer mehr als ganz ernsthafter Solo-Künstler – immerhin war er auch bei den Beatles immer „der Intellektuelle“ gewesen. So kehrte er auf Imagine zurück zu konventionellerem Songwriting, allerdings verbargen sich unter der ruhigen Oberfläche nach wie vor so manche verstörende Bekenntnisse. „Jealous Guy“ mag von süßlichen Geigen umspielt sein, die Lyrics jedoch zeigen einen zutiefst verstörten Mann. Das muntere „Crippled Inside“ ist offensichtlich nicht gerade philanthropisch, und der ikonografische Titelsong wünscht bekanntermaßen Frieden auf der Welt qua Verzicht auf Besitz, Religion oder Klassenunterschiede – Eine Idee, die heute übrigens weit naiver klingt als 1971. Man muß sich vor Augen halten, dass Lennon zum einen ein desillusionierte Vertreter der Peace and Love Generation war, und dass er zum anderen schon bei den Beatles derjenige gewesen war, der für den Zynismus zuständig war. So ist „Give Me Some Truth“ dann auch bitterer Hard Rock, „How Do You Sleep“, eine Attacke gegen Paul McCartney und „I Don't Want to Be a Soldier“ eine auch heute noch überzeugende - weil weniger sentimerntale - Anti-Kriegs-Hymne. Zu dieser Zeit war Lennon in allen Belangen in Hochform, aber leider sollte Imagine seine letzte wirklich konzise Songsammlung bleiben.

John Lennon - Crippled Inside 

David Bowie

Hunky Dory

(RCA, 1971)

Um die Wahrheit zu sagen - und auch auf die Gefahr hin, defätistisch zu sein - er ist schließlich inzwischen verstorben - Bowie ist einer der Musiker, bei denen es mir immer schwer fiel, den Hype um seine Person – und damit auch um seine musikalischen Leistungen – wirklich zu verstehen. Die kultische Verehrung, die ihm zuteil wird, konnte ich nie teilen und die musikalischen Leistungen waren für mich nie so beeindruckend, wie sie dargestellt werden - seine Berlin-Trilogie der Jahre 77-78 wäre ohne Brian Eno undenkbar gewesen, viele seiner Alben sind erschreckend inkonsistet, enthalten neben 1-2 guten Songs oft einiges an Füllmaterial und die Tatsache dass er einen großen Teil seiner Bedeutung dem „chamäleon-haften“ Wechsel seiner Images zu verdanken, hat in meinen Augen nichts mit musikalischem Ideenreichtum zu tun – oder sind Madonna oder Lady Gaga auch tolle Musikerinnen...? Aber ich will ja auch gerecht bleiben: Es gibt es neben noch ein paar anderen durchaus sehr guten Alben auch noch Hunky Dory. Es ist sein ehrlichstes Album, hier verneigte er sich vor seinen Vorbildern - vor The Velvet Underground, Andy Warhol und Bob Dylan - hier klingt er nicht so prätentiös wie sonst, es gibt keine unnötigen Experimente, dafür aber eine Kollektion von Songs, die zwar ebenfalls uneinheitlich ist, die aber durch die gleichbleibend hohe Qualität zueinander passen. Yes-Keyboarder Rick Wakeman übernahm den instrumentalen Lead Part von Mark Ronson, Bowie produzierte selber, hatte mit dem schönen „Life on Mars“ einen weiteren Single Hit, und mit der Neil Young Hommage „Quicksand“ oder der Schwulenhymne „Oh, You Pretty Things“ einige seiner besten Songs am Start – die aber auch im Zusammenspiel mit den anderen Songs gut funktionieren. Für diesen kurzen Moment waren die Maskeraden unwichtig (Siehe Cover). Bowies ehrlichstes und damit für mich auch bestes Album.

David Bowie- Oh! You Pretty Things 

T.Rex

Electric Warrior

(Reprise, 1971)

Beneath the bebop moon/ i wanna croon/ with you“ stellt Marc Bolan in den ersten 30 Sekunden dieses Albums klar - und T.Rex went electric. Begleiten ließ der inzwischen alleinige Kopf der „Band“ sich hier unter anderem von den Ex-Turtles/Ex Mothers of Invention, Flo and Eddie (Aka Howard Kaylan und Mark Volman), deren androgyne Backing Vocals integraler Bestandteil eines Albums sind, das den Begriff Glam Rock definieren sollte. Das Cover freilich sieht nach Hard Rock aus, aber der sollte - mit Ausnahme des letzten Stückes „Rip Off“ - erst auf dem Nachfolger The Slider die Herrschaft übernehmen. Electric Warrior immerhin ist, außer beim zentralen „Bang A Gong (Get It On)“ und bei der anderen meisterlichen Single „Jeepster“, nicht einmal so poppig, wie man es gemäß des Images Marc Bolan's erwartet. Nein, auf diesem Album – mehr als etwa auf Bowies Hunky Dory - wird zwar Glam formuliert (womit ganz nebenbei auch ein wichtiger Bestandteil der Genesis des Punk entsteht) aber diese Musik ist genauso unterlegt mit mystischen Meditationen und Trips, die an die Sechziger und an die Psych-Folk Vergangenheit der Band erinnern, als die sich noch Tyrannosaurus Rex nannten – als Beispiel braucht man nur zum zweiten Track „Cosmic Dancer“ oder zum rein akustisch performten „Girl“ switchen.... Wer also nach dem ersten hart rockenden T.Rex Album sucht wird erst beim oben genannten Nachfolger fündig werden, Electric Warrior jedoch ist gerade wegen seiner Unentschiedenheit das interessantere – und letztlich auch bessere Album. Und besagtes Cover Design (von Hipgnosis – die z.B. Pink Floyd-Hausdesigner waren) macht dieses Album endgültig zur Ikone der Rockmusik. 

T. Rex - Cosmic Dancer 


The Beach Boys

Surf's Up

(Brother Rec., 1971)

Wo stehen die Beach Boys 1971 ? Jahre nach dem fun-in-the-sun der frühen 60er und nach ihrem künstlerischen Triumph Pet Sounds – (der von Teilen der Gruppe allerdings nie als solcher gesehen wurde...) und Jahre nachdem Brian Wilson sich vom Scheitern seines Smile -Epos ein weing erholt zu haben schien und für das vorjährige, ein wenig erratische Sunflower (...für mich als Liebhaber der Band trotzdem ein tolles Album...) wieder seine Kreativität in die Arbeit der Beach Boys eingebracht hatte schien die Band jetzt an einem Scheideweg. Mike Love hatte die Zügel noch nicht fest in der Hand, schrieb aber schon Message Songs wie „Don't Go Near the Water“ und das an Leiber/Stoller's „Riot On Cell Block # 9“ angelehnte „Student Demonstration Time“. Zu dieser Zeit hatten sie mit Jack Rieley einen neuen Manger, der sie von ihrem Image der Surf-Boys loseisen wollte, und ihnen eine politischere Aussendarstellung verschrieb. Da passte durchaus auch Brian Wilson's „A Day in the Life of a Tree“ zum neuen Image als Umweltaktivisten und auch Bruder Carl's introspektiver, exotischer Folk-Pop passte in das Sammelsurium. Aber genau das ist Surf's Up dann auch: Ein Album von teils berückender Schönheit, aber auch von einer gewissen Inkonsistenz. Nur, wen stört's? Zur Zeit seiner Veröffentlichung hielt der Erfolg sich in Grenzen, aber mit der Zeit hat Surf's Up an Liebhabern gewonnen. Musiker wie Sterolab, Sean O'Hagan oder Sufjan Stevens ließen sich von der relaxten Atmosphäre beeinflussen und die hier verwendeten Reste aus den Smile -Sessions (...das Titelstück und „'Til I Die“, Brian's letzte wirklich große Produktion..), die hier erschienen ließen die Reputation des Albums spätestens in den Neunzigern mit Recht kontinuierlich steigen. Allerdings würde die Kreativität der Band hiernach langsam versiegen. Das letzte wirklich große Beach Boys Album.

The Beach Boys - 'Til I Die 

Sly & The Family Stone

There's A Riot Going On

(Epic, 1971)

Und wieder – das Cover eine Ikone – die Musik eine zukunftsweisende Innovation: Man kann There's a Riot Goin' On als Sly Stones angewiderten Kommentar zur politischen Situation des Jahres '71 definieren – Kennedy und Martin Luther King waren Attentaten zum Opfer gefallen und der Idealismus der 68er war zerbröckelt - man kann es auch – und zu Recht - als den Anfang seines vollkommenen Absturzes in Sucht und geistige Verwirrung erkennen, aber es ist letztlich mehr als all das – oder all das zusammen. Riot... ist anders als alle anderen Alben von Sly & the Family Stone, es ist bei weitem nicht so überbordend wie der politische Vorgänger Stand!, und auch anders als die allermeisten Soul-Alben dieser Zeit, in der schwarze Musik sich so sehr wandelt, in der sie oft genug ein neues Selbstbewusstsein widerspiegelt (wie ich weiter unten zeigen kann...). Aber der anderswo deutliche Idealismus und die Aufbruchstimmung werden bei Sly & the Family Stone ersetzt durch Skepsis, Zynismus und unterdrückte Wut. Ja, es gibt noch Spaß – hier und da – aber der hat immer einen bitteren Beigeschmack. Pornografie hat den Sex ersetzt und Drogen die Spannung. Sly Stone feiert auf diesem Album eigentlich hauptsächlich den Spaß an den Drogen - und erzeugt damit eine Stimmung, die einen unwiderstehlichen und etwas unheimlichen Sog hat, die nicht - wie bei vielen, von Drogen geprägten Alben - hauptsächlich einschläfernd ist, sondern eine unterschwellige Spannung beibehält. Die Grooves mögen narkotisierend sein, man will sich in ein willkommenes Koma fallen lassen, aber das Songwriting ist noch so scharf und treffend, wie man es von Sly Stone aus den Jahren zuvor kannte. Der Opener „Luv N' Haight“ ist düstere Vorahnung, „Family Affair“ erschreckend resigniert und der Blues „Time“ ist nicht mehr traurig, sondern nur noch zynisch. Riot... ist finsterer, beängstigender, verführerischer Soul – Eine Kombination, die so nicht mehr nachgeahmt wurde.

Sly & The Family Stone - Family Affair  

 

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