Donnerstag, 23. März 2017

1970 – Black Sabbath bis Frijid Pink - Hard Rock und Schweres Metall

1970 ist eindeutig das Jahr, das als Geburtsstunde des „Heavy Metal“ gelten kann. Dabei haben Black Sabbath und Deep Purple vermutlich nicht geplant, ein Genre zu gründen. Sie haben eben das gespielt, was ihnen einfiel und dabei aufgrund der Zusammensetzung der Band einen bestimmten Sound kreiert, der neu war. Grundlage des Sounds von Black Sabbath war angeblich die Erkenntnis, dass Musik, die Horror-Elemente hat, die Massen anziehen würde. Das hatten sie bemerkt, als sie sahen, dass im den Proberäumen gegenüberliegenden Kino Horrorfilme die größten Publikumsmagneten waren. Also machten sie Musik zum Fürchten. Und Elemente aus der Filmmusik von Horrorfilmen findet man dann tatsächlich bei ihnen wieder – wie bei fast allen Acts, die sich späterhin dem Metal verschreiben würden. Deep Purple und mehr noch Led Zeppelin dagegen kamen eher traditionell daher – vom Blues und vom psychedelischen Rock. Sie ersetzten zunächst das Blues-Feeling durch infernalische Lautstärke und überhöhten die Bühnenpräsenz insbesondere ihrer Sänger mit ausgesprochenen Macho-Posen – auch eine Tradition, die sich bis ins heute im Metal fortsetzen würde. Es war insbesondere ein junges Publikum – eines, das mit Flower Power und Protest-Folksängern nichts anfangen mochte, das die Stones und die Beatles als etablierte und etwas pomadige Größen betrachtete, das hier seine neuen, eigenen Helden fand. Dass sich daraus über Hard Rock und Metal fortlaufend ein paar ganz eigene Stilrichtungen bilden sollten, die in gewissem Sinne immer parallel zum „normalen“ Rockgeschehen lief, ist eine andere Geschichte. Eine die ich in anderen Einträgen wie „Was heisst NWOBHM“ oder „Wo kommt der Thrash her“ beleuchten werde. Hier die drei allgemein anerkannten Metal-Begründer – und ein paar Bands – wie etwa Free oder The Who oder die amerikaner James Gang und Frijid Pink - die vermutlich zumindest ein vergleichbares Publikum hatten.

Black Sabbath

s/t


(Vertigo, 1970)



Black Sabbath

Paranoid


(Vertigo, 1970)

Black Sabbath sind sicherlich die Band, die den größten Einfluß auf den Heavy Metal der kommenden Jahrzehnte hatten. 1969 als Jazzrock-Band unter dem Namen Earth in Birmingham gegründet, entwickelten sie bald ihren eigenen Sound, indem sie den Heavy Blues Led Zeppelins seines Blues-Anteiles beraubten und dann einfach noch „heavier“ spielten. Das Publikum war zwar schnell überzeugt, allein die Kritiker spielten über Jahre hinweg nicht mit, was den Musikern allerdings herzlich egal gewesen sein dürfte. Das gleichnamige Debüt (mit gleichnamigem Song – auch eine „Tradition“ die sich in diesem Genre bis heute hält...) hat schon viele der Trademarks, die die nächsten fünf Jahre nur noch leicht variiert wurden. Einen dumpfen, düsteren Sound, schwere Riffs und eine benebelte, halluzinatorische Atmosphäre und die oben erwähnten Horror-Elemente. Der apokalyptische Titeltrack, der Klassiker „N.I.B.“ und „The Wizard“ zeigen die Vorliebe der Band für Schwarze Magie. Und natürlich waren sie gerade damit zum einen bei ihrem jugendlichen Publikum sehr erfolgreich, beeinflussten zum anderen damit auch zukünftige Musikergenerationen. Heavy Metal und der Teufel waren einander bekannt gemacht worden. Was für das Debüt gilt, trifft auf das im selben Jahr aufgenommene Paranoid noch mehr zu: Der Sound war definitiv gefunden, jetzt kamen noch ein paar wirklich fantastische Riffs dazu, die Musik klang unendlich „evil“, insbesondere wegen Ozzy Osbournes Gesang, seiner quengelnden Stimme, die späterhin von diversen Sängern nachgeahmt werden sollte, die aber doch unerreicht bleibt. Dann ist da noch Tony Iommies Gitarrenspiel. Dessen abgehackten „Soli“ und das prägnante Rhytmusspiel unterlegt Songs, die für die Ewigkeit gemacht schienen - und die mit dem Doom-Metal ein ganzes Subgenre des Metal erschaffen und beeinflusst haben. Der Titelsong kam in England und den USA ohne jeglichen Radioeinsatz hoch in die Charts, ebenso das unsterbliche „Iron Man“ mit seinem unvergesslichen, verzerrten Refrain. „War Pigs“ und „Electric Funeral“ sind weitere Klassiker, und „Planet Caravan“ zeigt, dass auch ein langsames Akustikstück unendlich finster sein kann. Dass diese Art von Musik da noch als wenig ernst zu nehmende Scharade galt, hat (bis heute) eher Image- als Vernunftgründe


Deep Purple

In Rock


(Harvest, 1970)

1970 ist nicht nur wegen Black Sabbath das Jahr, in dem der Heavy Metal die entscheidenden Impulse erhält. Da waren natürlich auch noch Deep Purple - und mit diesen beiden Band sind die genannt, die das Genre wahrscheinlich am meisten geprägt haben. Deep Purple hatten schon vorher „harte“ Musik gemacht, aber auf ihren vorherigen Alben waren sie noch stark von Flower Power beeinflusst gewesen. Mit der als MK II berühmt gewordenen Besetzung gelang es ihnen, etwas ganz Neues zu erschaffen. Die Kombination aus Jon Lord's Klassik-beeinflusstem Keyboardspiel, Ritchie Blackmore’s innovativer und harter Gitarre und den Fähigkeiten des neuen Sängers Ian Gillan sollte ein weiteres Referenzalbum des Metal entstehen. Das Mount Rushmore Cover war die passende Verpackung für ein Album voller Songs, die zu Klassikern wurden: Es beginnt mit den brillianten Songs „Speed King” und „Bloodsucker”, dann kommt das beste Stück der LP, das extrem abwechslungsreiche „Child In Time”, ein Song der ohne Ian Gillans Vokalakrobatik – die kommende Heavy Metal Shouter genause beeinflussen sollte wie Ozzy Osbournes Gesang - gar nicht existieren könnte. „Flight of the Rat“ ist vielleicht der schwächste Song hier, und selbst der ist insbesondere in den Instrumentalparts beeindruckend genug. „Into the Fire“, „Living Wreck“ - beides hervorragende Metal Songs und zuletzt der zweitbeste Song der LP - „Hard Lovin´ Man“ machen aus In Rock eine der Ikonen des Metal. Einziges Manko: In Rock steht für einen Metal-Sound, der heute als altmodisch gilt. Spätere Bands wurden einfach extremer, aber die Moden ändern sich...

Led Zeppelin

III


(Atlantic, 1970)

Den Begriff Heavy Metal gab es wie gesagt 1970 noch nicht. Leute, die Musik solcher Bands wie Deep Purple hörten, waren möglicherweise durch den lauten, aggressiven Sound von Led Zeppelin in diese Spur gebracht worden – und heute gelten Led Zep genauso als Wegbereiter des Metal wie Deep Purple und sind gleichzeitig für den an Thrash geschulten Metal-Head eher ein historisches Blues-Phänomen als ernsthaftes "Metall". Damals hatten sie mit ihren ersten Alben allerdings die Grenzen der Härte und Lautstärke weit voran getrieben. Nach diesen ersten beiden - in wenigen Tagen aufgenommenen Alben ließen sich Led Zeppelin für III nun etwas mehr Zeit. Viele der Songs wurden buchstäblich am Lagerfeuer komponiert, die Band orientierte sich am akustischen Sound von Crosby, Stills, Nash & Young, ließen Folkmusik einfliessen, verbeugten sich vor Roy Harper und versuchten ganz einfach (klugerweise) musikalisch zu wachsen. Selbst ein Rocker wie der galoppierende „Immigrant Song“ stürmt nicht einfach drauflos, „Celebration Day“ hat ein seltsam psychedelisches Slide-Solo, Songs wie „Bron-Y-Aur Stomp“ und „Gallows Pole“ sind erkennbar tief in britischem Folk verwurzelt, eine Richtung in der Led Zeppelin noch weiter experimentieren sollten. Und dann war da noch „Tangerine“ einer der besten Songs der Band, bei dem sie Westcoast-Sounds mit ihrem krafvollen Sound vereinten. Es gab mit „Since I've Been Lovin' You“natürlich noch den Blues, der für sie die Basis und Startpunkt gewesen war. Fans und Kritik jedoch waren zunächst verwirrt, nach kurzer Zeit jedoch erkannten alle III als das was es ist: Eines der besten Alben Led Zeppelin's.

The Who

Live At Leeds


(Polydor, 1970)

The Who sind 1970 eine etablierte Band – sie hatten von der Hitsingle „My Generation“ 1965 bis zur Rock-Oper Tommy im Vorjahr schon die Entwicklung vom Mod-Rock zu komplexer Rockmusik geschafft. Aber dass The Who Live eine Macht waren, dass sie weit härter waren, als ihre Konkurrenten von den Stones, das war zwar bekannt, aber noch nicht offiziell dokumentiert. Ein Live-Album war also – auch und gerade nach dem etwas überkandidelten Tommy – durchaus angebracht. Und in der Tat gehört Live At Leeds zu den ganz großen Live Alben der Rockgeschichte. Die originale LP enthält nur sechs Songs – drei davon Cover-Versionen: Mose Alison's „Young Man Blues“, Eddie Cochran's „Summertime Blues“, und Johnny Kidd & The Pirates' „Shakin' All Over“, aber heutzutage kennt man die auf 14 Tracks aufgestockte Version des Konzerts vom 14. Februar '70 – und hier gilt – es ist die bessere Variante, obwohl mit den sechs Songs auf der LP schon Alles gesagt ist: Man hört hier The Who in aller Pracht, vor Kraft strotzend und immer knapp am Rande des Chaos – und ohne artifiziellen Unsinn – obwohl sie bei den Konzerten dieser Tage das komplette Tommy-Album spielen mussten. Den Teil ließen sie für das Album wohlweislich außen vor – vierzehn Minuten „My Generation“, siebeneinhalb Minuten „Magic Bus“, ein paar Rock'n'Roll Klassiker, mit einem durchgedrehten Keith Moon an den Drums, mit Roger Daltrey, der sein Mikro durch die Gegend wirbelt, und mit Pete Townshends ungeheuer dynamischem Gitarrenspiel... Man kann die Band regelrecht sehen. Der Tatsache, dass das einzelne Konzert als LP herauskam ist das Bootleg-Cover Design zu verdanken. Live At Leeds ist ein großartiges Dokument für den harten Rock dieser Zeit.

Free

Fire And Water


(Island, 1970)

Free sind natürlich – genau wie ihre Kollegen von Led Zeppelin – im Grunde eine Blues-Band. Aber eben eine, die mit ihren Riffs – insbesondere mit dem Riff zum Evergreen „All Right Now“ und mit ihrem vergleichsweise „harten“ Sound etliche spätere Metal-Musiker und -Hörer beeinflusst oder zumindest beeindruckt haben dürften. Mit den Produktionsbedingungen zum Vorgänger waren sie unzufrieden gewesen, und das hatten sie auch ihrem Labelboss Chris Blackwell mitgeteilt, und ihm zugleich erklärt, sie würden nun selber produzieren. So nahmen die Aufnahmen zu Fire and Water ein beträchtliches Mehr an Zeit in Anspruch, sie verschlissen mit Engineer Andy Johns einen namhaften Mann und bekamen mit Roy Thomas Baker einen damals noch unbekannten Könner an die Regler (der später z.B. Queen produzieren würde) und nahmen Material auf, das zwar in Blues getaucht war, aber eben auch nach hartem Rock klang. Der Über-Hit des Albums ist eben nicht das einzige tolle Stück auf Fire and Water, der Titelsong und Opener des Albums, das bluesige „Heavy Load“ und „Mr. Big“ - das erste Stück auf der zweiten LP-Seite - sind mindestens genauso gut. Der soulige Gesang von Paul Rodgers und vor Allem das geschmackvolle Giterrenspiel von Paul Kossoff heben die Musik weit über den Durchschnitt. Free spielen natürlich keinen „Metal“, aber sie klingen selbst bei Balladen wie „Oh I Wept“ oder „Remember“ durch das prägnante und minimalistische Rhythmusfundament und ihren verzerrten Gitarrensound immens kraftvoll, kraftvoller jedenfalls als andere Bands des britischen Blues-Booms. „All Right Now“ wurde seither im Format-Radio totgespielt, aber das ist inzwischen schon fast vergessen, man wird, wenn man dieses Album neu hört, überrascht feststellen, dass pure, rohe „Rockmusik“ erstaunlich geschmackvoll sein kann.

Groundhogs

Thank Christ For The Bomb


(Liberty, 1970)

Die Groundhogs waren immer eine der britischen Blues Bands der zweiten Reihe – vermutlich eben weil sie von vorne herein zu hart für ihr Metier waren. Und Thank Christ For The Bomb ist neben dem nachfolgenden Album Split das Album der Wahl. Sie mögen als Basis Blues und Boogie haben, aber Bandkopf Tony McPhee war für jedes Experiment zu haben. Dazu hatte er eine sehr kraftvolle No Fun-Stimme, die sich mit traurigen Geschichten kaum vertrug und sein Gitarrenspiel war weit härter als das eines Paul Kossoff etwa. Zusammen mit dem Bassisten Pete Cruikshank und dem Drummer Ken Pustelnik machten die Drei eher Power-Rock als Blues – und auf Thank Christ for the Bomb polemisieren sie dem Titel entsprechend gegen den Krieg und den Kapitalismus. Im von fast folkigen akustischen Gitarren durchzogenen „Soldier“ betrachtet er den Krieg aus der Post-Woody Guthrie Warte wenn er singt: "Soldier, when you see 8,000 climbin' up on you / Don't see them as men – just see them as enemies of the king, y'know.". Und der Titeltrack ist grundsätzliche Kritik am Krieg in 24 klugen Zeilen bevor sich die Band dann in einen krachenden Rausch spielt.. Diese Lyrics und diese Musik war die Kopfgeburt von Tony McPhee, einem echten britischen Exzentriker, der progressiven Rock, komplexe Strukturen, die mitunter gar an die Magic Band erinnern und Blues und Bogie zu einer sehr eigenen Mischung zusammenkippte und der mit der Schluss-Trilogie „Status People“, „Rich Man, Poor Man“ und „Eccentric Man“ auch noch bittere Gesellschaftskritik übte. Die Groundhogs haben sicher wegen ihres komplexen Materials und dessen Unkommerzialität nie einen vergleichbaren Erfolg wie Free gehabt, aber ihre Musik ist überraschend zeitlos geblieben. Und natürlich ist auch das hier kein „Metal“, aber Thank Christ for the Bomb klingt für mich ziemlich metallisch.

James Gang

Rides Again


(AB

...und noch ein Album, das nicht Metal ist, das aber etliche Bands beeinflusst haben dürfte, die dann die „harte“ und „schwere“ Variante der Rockmusik entwickelt haben. James Gang war die Band des Gitarristen Joe Walsh – eines Gitarristen, der bald eine einträgliche Karriere mit den Westcoast-Softies Eagles machen würde – aber mit seiner James Gang - und auf seinen Solo-Alben - hat er eine Musik gemacht, die eher an moderne Stoner-Rock Bands erinnert als an den countryfizierten Rock der Eagles. Rides Again war – nach dem extrem gelungenen, aber weit stärker im Blues verhafteten Debüt Yer Album von 1969 - Walsh's Meisterstück. Es zeigt, was für ein vielseitiger und zugleich unverkennbarer Gitarrist er ist, es zeigt, dass er Songs schreiben kann und dass er verschiedenste Einflüsse unter den Deckel seines ureigenen Stiles zu packen vermag. Der Opener „Funk#49“ ist harter Rock plus Funk, das siebenminütige Epos „The Bomber“ vermischt schweren Jam-Band-Rock mit psychedelischen Exzessen, man kann sich lebhaft vorstellen, woher James Gang ihre immense Reputation als Live-Band hatten – sie galten seinerzeit als DAS Konzert-Ereignis neben den Grateful Dead.... Es ist das Power-Trio par excellence, mit einem Gitarristen/ Keyboarder/ Sänger, der der eindeutige Leader ist und mit einer äußerst effektiven Rhythmussektion. Joe Walsh mag nicht die größte Stimme haben, aber er weiss neben der Gitarre diese ungeheuerliche, dröhnende Orgel einzusetzen. „Tend My Garden“ ist langsam und heavy, das Intermezzo „Garden Gate“ ist dann wieder ein Grund, warum sich die Eagles für ihn interessiert haben dürften. und der Closer „Ashes The Rain And I“ sollte mal als Heavy-Ballade von einer der großen Metal-Bands gecovert werden. Der große Durchbruch blieb auch nach dem folgenden Album aus, Walsh machte ein tolles Solo-Album und ging dann zu den Eagles...

Wishbone Ash

s/t


(MCA, 1970)

Nachdem Deep Purple Gitarrist Richie Blackmore den Gitarristen Ted Turner gehört hatte, war er voller Begeisterung zu den Leuten von MCA Records gegangen und hatte sie dazu gedrängt, dessen Band unter Vertrag zu nehmen. In der Tat sind die beiden Gitarren von Andy Powell und Ted Turner ein Wunder an sich. Wishbone Ash klangen wie keine andere Band, sie brachten das Unisono-Spiel zweier Gitarristen zur Perfektion, und sie hatten – zumindest in den ersten Jahren ihres Bestehens – durchaus die Frische und auch die Songs, um beeindruckende Alben abzuliefern. Das Debüt Wishbone Ash ist hier und da noch etwas unentschieden – dass sie eine starke Blues-Basis hatten, entsprach dem Zeitgeist und den Gepflogenheiten bei gitarren-orientierten Bands – es war die Basis, auf der zu dieser Zeit Rockmusik entstand – aber Wishbone Ash betonten die Seite der Gitarrenduelle stark, sie verließen auf diesem Album die Lehre des reinen Blues für progressive und mitunter sehr lyrische Passagen und Songs. „Lady Whisky“ wäre purer Soft-Rock, wären da nicht die Solo-Exkursionen, die den Song dann auf mehr als sechs Minuten ausdehnen. Mit fortlaufender Dauer des Albums werden die progressiven Hard Rock Einflüsse immer deutlicher, und beim Closer, dem über zehn-minütigen Jam „Phoenix“ hebt die Band wahrhaftig ab. Sie klangen – wie gesagt – wie keine andere Band und spätere Bands wie Thin Lizzy oder Judas Priest haben sich bei ihnen wohl einiges abgehört, einziges Manko blieb über die gesamte Karriere das Fehlen eines vernünftigen Sängers. Aber auf den ersten drei Alben – vor Allem auf dem Meisterwerk Argus (1972) kann man darüber hinwegsehen – die anderen Elemente ihres Sounds sind einfach zu beeindruckend. Wobei ich aber auch ganz klar zugeben will, dass diese Art Musik heute herzlich unmodern ist... aber das gilt eigentlich für alle Alben in diesem Kapitel.

Sir Lord Baltimore

Kingdom Come


(Mercury, 1970)

Da gibt es ja noch eine ganze Anzahl von weniger bekannten Vorläufern des Metal zu Beginn der Siebziger. Zum Beispiel das US Power Trio ‘Sir Lord Baltimore. Die gingen '71 zum Support ihres ersten Albums zusammen mit Black Sabbath auf Tour – und ihr progressiver Psychdedelic Rock hatte in der Tat mehr mit Black Sabbath zu tun als mit dem Sound anderer Bands dieser Art. Schon der Opener und Titelsong des Albums klingt, als würden Cream unter dem Einfluss von Steroiden Ernst machen. Krachender Bass, extrem durchgedrehte Gitarren, ein singender Drummer, dessen Stimme – nicht selbstverständlich in dieser Zeit – mit der instrumentalen Power mithalten kann. Sie konnten extrem eingängige Riffs schreiben, aber vermutlich waren die Tempowechsel innerhalb der Songs, die spiltternden Gitarren, der durchgedrehte Gesang und die überbordende Energie zu viel für ihre Zeit. Heute (… oder vielleicht noch besser in den frühen Neunzigern) würde man Kingdom Come als experimentellen Stoner-Rock bezeichnen – und fände vermutlich auch nicht wirklich viele Liebhaber. Aber das Album klingt gerade wegen seiner Exzentrik bis heute erstaunlich zeitlos – und es ist für seine Zeit sehr heavy und passt somit ganz hervorragend hier hin.

Warhorse

s/t


(Vertigo, 1970)

Das Gleiche nochmal aus dem United Kingdom. Bassist Nick Simper hatte bei Deep Purple gespielt, aber Ian Gillan und er waren nicht die besten Freunde und so musste er die Band verlassen. Er begleitete die Sängerin Marsha Hunt, formte - als diese schwanger wurde - mit dem Gitarristen und dem Drummer seine eigene Band, holte sich den „Shouter“ Ashley Holt und den jungen Keyboarder Rick Wakeman dazu, der aber bald die Band wieder verließ um durch Frank Wilson ersetzt zu werden. Warhorse waren eine erfahrene, ziemlich virtuose Band, die sich in den Trend der progressiven Rockbands einreihten, die ihre Musik aus dem Blues-Kontext lösten und härter, lauter und wilder spielten, als man es bislang gekannt hatte. Es gibt Ähnlichkeiten mit Deep Purple, da ist die prominente Orgel - immer im Kampf mit der Gitarre, da sind krachende Proto-Metal Songs wie „No Chance“ oder „Burning“, aber Warhorse sind düsterer als Purple, ihre Songs sind härter, weniger verspielt. Es gibt (natürlich zu dieser Zeit) lange Instrumental-Exkursionen, die typisch für den progressiven Rock sind, die Bands wie Iron Maiden später – und anders – praktiziert haben- Mit „St. Louis“ gibt es eine etwas unpassend „fröhliche“ Cover-Version eines Easybeats-Songs, die immerhin zeigt, dass Warhorse auch sowas können... Man wollte wohl unbedingt einen Hit... Vermutlich kommen viele Faktoren zusammen, die verhinderten, dass Warhorse Erfolg hatten. Zu viele Bands dieser Art, zu unauffällig im Vergleich mit Deep Purple und Black Sabbath, Die Songs nicht ganz so gut, wie die der Konkurrenz, schlechte Promotion und ein schwächeres zweites Album ... es gibt etliche Gründe, aus denen solche Bands scheitern. Warhorse werden Nerds, die sich an der Musik dieser Zeit delektieren, sowohl kennen als auch schätzen. Genauso wie die Band um den Sänger Mike....

Patto

s/t


(Vertigo, 1970)

dessen Band mit ihrem Debüt Patto in eine ähnliche Kategorie fallen. Mike Patto ist ein formidabler Sänger – mit einer der besten und auffälligsten Stimmen seiner Zeit – eine Art Steve Winwood mit rostigen Nägeln in der Kehle, er hatte mit Ollie Halsall eine Gitarristen (und Vibraphonisten...) in seiner Band, der quasi ALLES spielen konnte – und der Ruf einer Band stieg und fiel in diesen Zeiten der ausgedehnten Soli mit dem Gitarristen – und Patto hatten ein Konzept, das progressiven Rock, Jazz und Blues mit der neuen Härte paarte. Was sollte also schief gehen ? Da fängt das Album mit einem über sechs-minütigen Slow-Burner titels „The Man“ an, der sich gegen Ende in einen Hybriden aus Jazz und Hardrock verwandelt, der zeigt was für eine Stimme Mike Patto hatte – da ist das akustische „Time to Die“, das an Love's Forever Changes erinnern mag, da sind harte Gitarrenfeuerwerke bei „Red Glow“ und „San Antone“ - aber trotzdem blieb auch Patto der Erfolg versagt. An mangelnder Originalität hat es sicher nicht gelegen, da ist eher die Unentschiedenheit im Stil, die Tatsache, dass es keinen „Hit“ in dem Sinne gegeben hat und die Tendenz zum manchmal gar freien Jazz, die der Band im Wege stand – und auch die Tatsache, dass Gitarrist Ollie Halsall zwar unglaublich effektiv und zugleich virtuos war, das Rampenlicht aber hasste..! Und auch hier gilt, wie für die meisten Alben unter diesem Artikel: Diese Musik ist heute ziemlich unmodern mit ihren instrumentalen Angebereien, aber diese Begeisterung für das eigene Instrument hat auch einen naiven Charme, und Patto hatten es wirklich drauf – siehe das komplexeste Stück „Money Bag“, bei dem man spätestens bemerkt, dass Bass und Drums in derselben Liga spielen wie Stimme und Gitarre. Keine Ahnung... womöglich wird solche Musik auch mal wieder hip. So lange bleibt Patto ein Kult-Objekt des progressiven Jazz-Hardrock der Siebziger...

Stray

s/t


(Transatlantic, 1970)

Und eine weitere Band, die zu Beginn der Siebziger „harten“ Rock zu spielen begann. Stray existierten schon seit '66. Die vier Musiker hatten sich schon mit ca 14 Jahren in der Schule zusammengetan, hatten sich in vier Jahren einen guten Ruf als Live-Band erspielt – unter anderem auch, weil sie auf der Bühne mit Pyrotechnik und Lichtinstallationen arbeiteten – zu einer Zeit, als es eigentlich üblich war, einfach auf die Bühne zu kommen und loszulegen. Zunächst spielten sie – wie die meisten Bands dieser Art, psychedelischen Bluesrock, Acidrock – eben das, was zu ihrer Zeit hip war. Mit dem Plattenvertrag beim (Folk)Label Transatlantic kam auch die angesagte neue Härte in ihren Sound. Obwohl sie in den folgenden Jahren noch etliche weitere Alben veröffentlichten und sich im britischen Club Circuit einen hervorragenden Ruf erspielten und obwohl sie mit den Groundhogs auf Welt-Tournee gingen, blieb Stray ihr bestes Album,ein Debüt, das sie nie mehr übertreffen sollten – und die Band blieb relativ obskur. Man muss bedenken, dass sie zur Zeit der Aufnahmen noch unter 20 Jahren alt waren – für dieses Alter sind die Song äußerst ausgefeilt und die Jugend der Musiker ist vielleicht auch der Grund für die Energie mit der hier aufgespielt wird. Es gibt etliche innovative Arrangement-Ideen, es gibt die damals üblichen Jam-Passagen, bei denen man den Jungs anmerkt, dass sie eine Menge Erfahrung haben, es gibt in vier Jahren angesammelte Songs wie den Opener „All in Your Mind“ (den übrigens später Iron Maiden coverten...) oder das ebenfalls überlange „In Reverse/ Some Say“ - die mit feinen Unisono-Passgen und galoppierenden Rhythmen vor Energie nur so sprühen. 1970 waren Stray noch eine sehr eigenständige Band, sie entwickelten den Hard Rock mit, sie waren eine Band, die klang wie sonst keine – aber letztlich versiegten die Ideen mit den kommenden Alben und sie blieben zu unauffällig um lange erfolgreich zu bleiben. Stray ist eines der wirklich gelungenen Proto-Hard Rock Alben.

Frijid Pink

s/t


(Deram, 1970)

Wie ich weiter oben mit Sir Lord Baltimore gezeigt habe, ist diese Entwicklung von psychedelischem Blues/ Rock zu Hard Rock in den USA auch zu finden. Aber die „Stars“ des Hard Rock kommen in dieser Zeit in der Regel aus dem United Kingdom. Da gibt es in den USA zwar die Stooges und die MC5, aber die sind keine kommerziell erfolgreichen Acts mit echten Hits, und auch ihre Alben werden nicht wirklich gut verkauft. Eine der erfolgreicheren Bands - was Plattenverkäufe angeht – sind Frijid Pink. Die kamen wie die MC5 aus Detroit und spielten einen simplen, harten Blusrock mit Tonnen von Fuzz und rollenden Drums und hatten mit ihrer krachenden Version von „House of the Rising Sun“ - vielleicht etwas überraschend – einen Top Ten Hit in ihrem Heimatland. Man wirft ihnen gerne vor, dass sie nicht besonders virtuos waren, aber dieser Faktor ist für mich sowieso meist unwichtig bis störend. Was zählt, ist die Idee und die Energie. Und da konnten sie mitunter sogar mit den Stooges mithalten. Zwar hatten sie keinen so irren Frontman wie die Stooges ihn mit Iggy Pop hatten, aber der brutal verzerrte Gitarrensturm der da entfesselt wird, dürfte für Garage-Rock Fans und Ty Segall/ Thee Oh Sees Anbeter seltsam vertraut klingen. Und dass im Fahrwasser des Single Hits das komplette Album Geld brachte ist herzlich berechtigt... ich wünschte so etwas könnte heute mit derartiger Musik funktionieren. Und auch die Band-Originale müssen nicht in der Garage versteckt werden. Die Gitarren auf „Tell Me Why“ klingen, als wollten sie die Amps zerreissen,und Want to be Your Lover“ und „Boozin' Blues“ sind wuchtige Blues Jams die sich Richtung Hard Rock schieben und die beweisen, dass der gute Ruf der Band als Live Band berechtigt war. Aber natürlich gilt auch hier: Es ist Musik, die heute durchaus zu Recht als altmodisch gilt.



Am Ende noch der Hinweis, dass es natürlich noch etliche weitere Alben gibt, die man hier hinzufügen könnte – die ich aber aus reiner Willkür anderswo reviewe. Harten Rock mit Blues- Progressive- Jazz- Psychedelich- etc... Einflüssen gibt es in dieser Zeit haufenweise. Ich sage nur: Black Widow, T2, Twink, May Blitz, Mott the Hoople... und da habe ich das tumbe Debüt von Uriah Heep schon ganz aussen vor gelassen....











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