Dienstag, 7. März 2017

1985 - Die UdSSR entdeckt Gorbatschow und wir entdecken die Titanic - The Jesus and Mary Chain bis Hüsker Dü

In diesem Jahr wird mit Michail Gorbatschow in der UdSSR ein Mann Generalsekretär der KpdSU, der mit seiner „Perestroika“ für eine der ganz großen politischen Umwälzung des Jahrhunderts steht – der den Zusammenbruch des kommunistischen Systems des Ostblocks einleitet. Auch Brasilien wird wieder demokratisch, in Neuseeland versenkt der französische Geheimdienst das Greenpeace-Schiff „Rainbow Warrior“, das Wrack der „Titanic“ wird am Meeresboden entdeckt, die „Achille Lauro“ wird von palästinensischen Terroristen entführt. In der afrikanischen Sahelzone führt eine schon lange anhaltende Dürre zu einer immer fataler werdenden Hungersnot – auch ein Hinweis darauf, dass sich die klimatischen Bedingungen weltweit verändern. In England wird als Spendenaktion dafür das 1. Live Aid Konzert organisiert. In Kolumbien kommen bei einem Vulkanausbruch 31.000 Menschen ums Leben. Mit dem Schauspieler Rock Hudson stirbt einer der ersten Prominenten an AIDS. Arrangeur Nelson Riddle (Frank Sinatra) stribt und am 31. Dezember 1985 kommt Rock'nRoll/ Country-Rock Pionier Rick Nelson bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Wie so oft in den 80er Jahren gibt es eine relativ geringe Anzahl von besonderen bzw. hervorragenden Veröffentlichungen und danach eine Menge Musik die zurecht in Vergessenheit gerät. Das Debüt von The Jesus and Mary Chain ist einer der absoluten Klassiker, so unterschiedliche Künstler wie Kate Bush, Tom Waits oder The Fall geben uns fantastische Musik. Heavy Metal ist auf dem Sprung zu hochinteressanten Extremen wie Thrash- und Death Metal und in der heute unter dem Begriff Alternative Rock zusammengefassten äußerst heterogenen Sparte der Musik erscheinen einige Klassiker (Siehe Hüsker Dü). Und dann sind da noch The Smiths und Prefab Sprout und The Chameleons und The Cure (zuverlässig wie immer...) und die Pogues. Aber diese schönen Alben werden in den Charts von Unsinnigem und Peinlichem verdrängt – so zum Beispiel vom Debüt der Hochleistungssängerin Whitney Houston, die eine ganze Armee von seelenlosen Gesangsmaschinen nach sich ziehen wird, oder da ist wieder einmal Phil Collins mit Banalitäten – oder man kann sich an 80er Schmock von Foreigner oder Starship (ehem. Jefferson Airplane, leider abgestürzt) delektieren, wenn man Musik nur als Geräuschkulisse für den Hintergrund braucht. Aber solche Musik findet hier nicht statt.

The Jesus And Mary Chain

Psychocandy


(Blanco Y Negro, 1985)

Wenn man über The Jesus and Mary Chain spricht, müssen die Namen Phil Spector und Brian Wilson sowie Velvet Underground und The Stooges fallen. Denn die disparaten Elemente aus der Musik solcher Bands waren die Einflüsse der beiden Reid-Brüder und des Schulfreundes Doug Hart, die den Kern der Band ausmachten. Und man muss ihre chaotischen, gerade mal 20-minütigen Konzerte erwähnen, bei denen die Band mit dem Rücken zum Publikum einen Sturm aus Feedback und Lärm losließ, der für regelrechte Riots beim Publikum sorgte. Der Trick, diesen „White Noise“ mit süßen Harmonien aus der Beach Boys-Schule zu verquicken, sollte in den kommenden Jahren Legionen von Musikern und Bands inspirieren – unter anderem den jungen Kevin Shields, der sich hier die Inspiration für seine Band My Bloody Valentine holte. Jesus and Mary Chain brachte mit diesem Album auf einen Schlag Rückkopplungen und Unkontrolliertheit zurück in die doch recht clean gewordene Rockmusik. Tatsächlich waren sie mit dieser Musik seinerzeit ein Schlag ins Gesicht des musikalischen Establishments – und mit ihrem durchaus kalkulierten Image zwischen den Velvets und den Stooges zugleich so altmodisch wie Elvis oder die Sex Pistols. Daß unter all dem Noise auch noch Pop verborgen lag, macht Psychocandy (der LP-Titel ist äußerst passend) zu dem, was es ist: Zur besten Platte dieses Jahres, und zugleich zu einer der besten und prägendsten Platten der 80er. Beste Songs unter vielen sehr guten: Die Single „Just Like Honey (süß und wild) und „Never Understand“ (Rasend und gewalttätig) und der Ramones-mit-Rückkopplung Pastiche „In a Hole“ etc etc.... Klug: Die Idee, die Songs in der Regel nicht länger als 2-3 Minuten andauern zu lassen, stylish: der gleichgültige Gesang von Jim Reid – genau wie das Outfit der Musiker ganz in Schwarz und mit hochtoupierter Frisur – das war Mitte der Achtziger der Dresscode für Rebellen. Und natürlich wusste der Radio Guru John Peel schon beim erste Hören, das da eine weitere Revolution angezettelt worden war.

Tom Waits

Rain Dogs


(Island, 1985)

Es gibt eine schöne Beschreibung für Tom Waits Musik auf Rain Dogs: „Die Dreigroschenoper gesungen von Howlin' Wolf“. Tom Waits hatte sich zwei Jahre zuvor mit Swordfishtrombones neu erfunden, das Image des Poeten, Säufers und Bohemiens gegen ein weit surrealeres Bild eingetauscht – bzw. sein altes Image zumindest mit einem Schleier der Absurdität verhängt. Und dieses Image ist bis heute sein ureigenes geblieben, von manchen höchstens schlecht kopiert, aber nie erreicht - weil Waits immer schon das Zeug dazu hatte, seine Aussenwirkung mit fantastischen Stories und dazugehörigen Songs zu unterfüttern. Auch als Folkie oder Power-Pop Musiker wäre er wohl einer der ganz großen Songwriter und Geschichtenerzähler geblieben. Rain Dogs war Fortsetzung und Zementierung des neuen künstlerischen Selbstbildnis. Der Unterschied zum vorherigen (in meinen Augen etwas besseren) Album war zum Einen der neue Gitarrist Marc Ribot, der zu der Kakophonie der Geräusche faszinierende Licks und Leads beitrug, sowie eine größere Zugänglichkeit des Materials. Da sind nun Kabaret-Songs wie „Singapore“, Voodoo-Grooves wie „Big Black Mariah“ oder ein Delta Blues wie „Gun Street Girl“. Und natürlich ist auf diesem Album das wunderbar romantische „Downtown Train“. Rain Dogs ist als mittlerer Teil einer der großen Album-Trilogien nicht der beste Teil (der kommt noch mit Bone Machine), aber es ist eine schöne Kollektion von Songs aus einer anderen Welt.

Prefab Sprout

Steve McQueen


(CBS, 1985)

Hier das Album zum Thema smart, stylisch und zeitlos: Steve McQueen ist ein Klassiker, und das, obwohl das Album viele der modischen und heute ungeliebten Trademarks der Popmusik der Achtziger hat. Da ist die Produktion von Thomas Dolby, dessen Sound war damals State of the Art - und er klingt heute im Zusammenhang mit den Songs seltsamerweise immer noch passend. Passend zu einer Musik die freilich alle Moden überstrahlt. Songwriter Paddy McAloon gilt nicht umsonst als eines der Genies seiner Zunft... und hier erreichte er seinen ersten Gipfel. Die Musik ist leicht wie Baiser und zugleich vertrackt - wie die von Steely Dan vielleicht - immer mit einer gewissen Ironie in den Texten, aber weniger weltmüde, britischer und verschrobener als die der Amerikaner, und immer mit einem herzergreifenden Sinn für Romatik. „Bonny“ - „Appetite“ - „When Love Breaks Down“ - „Goodbye Lucille #1“. Auf der ersten Seite der LP vier Songs in einer Abfolge, auf denen Andere wahrscheinlich ein komplettes Album aufbauen würden – oder eine ganze Karriere. Die zweite Hälfte des Albums ist auf den ersten Blick schwächer, aber immer noch grandios. Sie erfordert ein weiteres Nachören.... Und ein Weiteres... und ein Weiteres... so, wie das gesamte Album. Nach Steve McQueen wurde Prefab Sprout immer mehr zum Solo-Projekt des Paddy McAloon, und der wurde immer exzentrischer, aber bis heute schreibt er seine wunderbaren Songs. Sophisticated Pop, so darf man das hier nennen

Kate Bush

Hounds Of Love


(EMI, 1985)

Auch Hounds of Love ist eines jener Alben, das trotz oder sogar wegen seiner in den Achtzigern verwurzelten Klangästhetik alle Moden überdauern wird. Unterstützt von dem inzwischen von ihr gemeisterten Fairlight Synthesizer und versehen mit einer entsprechend kristallinen Produktion schuf Kate Bush (in meinen Ohren neben The Dreaming ) hier ihr bestes Album. Dem Vorgänger hatte man seine berechnete Unkommerzialität vorgeworfen, hier war das Songwriting kohärenter, das Konzept klarer erkennbar, und mit „Running Up That Hill“ mit seinen gallopierenden Percussion sowie mit der wunderbaren Verschwörungsballade „Cloudbusting“ mit gleißenden Strings waren gleich zwei der größten Hits von Bush's Karriere dabei, die dazu mit spektakulären Videos auf MTV beworben wurden. Und auf der zweiten Seite der LP hatte Bush mit der Suite „The Ninth Wave“ einen Songzyklus über Geburt und Wiedergeburt konzipiert. Eine offen femistische Thematik, die sich auf Papier wie eine esoterische Kopfgeburt anhören mag. Aber heraus kam ein in der Popmusik geerdeter Songreigen, der vor allem durch seinen melodischen Reichtum und Kate Bush's bislang beste Gesangsleistung zu beeindrucken wußte. Hounds of Love ist ein völlig individualistisches Album - eines, dem Musikerinnen wie Björk mindestend konzeptuell etliches abgeschaut haben dürften, auch wenn der Stil von Kate Bush sich als unkopierbar erweisen sollte – und es ist auch noch perfekte Popmusik. Kate Bush trieb ihren Individualismus hiernach noch weiter auf die Spitze, bis sie dann ab den 00er-Jahren nur noch Musik machen würde, wenn Mutterschaft, Lust und Laune es ihr geboten erscheinen liessen.

The Pogues

Rum, Sodomy and the Lash


(Stiff Rec., 1985)

My task was to capture them in their delapidated glory before some more professional producer fucked them up“ So sah Elvis Costello seine Rolle bei der Produktion des zweiten Albums der irischen Folk-Punks The Pogues. Und dieses gewünschte Dokumentieren der Band in all ihrer Spntaneität, ihrer Rage, ihrem Feuer und der schmutzigen Glorie gelang ihm auch: Rum, Sodomy & The Lash zeigt die Band so, wie man auf es sich auf dem Debüt gewünscht hätte. Aber es ist natürlich nicht nur ein gelungener Produzenten-Job, Rum Sodomy & the Lash zeigt auch, dass Trinker-Genie Shane MacGowan's riesige Schritte als Songwriter gemacht hatte. Hier gelang es ihm, die Wut des Punk - durchaus klischeehaft – mit der Erzählkunst des irischen Folk zu vereinen. „The Sick Bed Of Cuchulainn“ oder die Stricherserenade „The Old Main Drag“ zeigen seine Vielseitigkeit und sein Talent. Und natürlich hatten die Pogues, wie jede gute Folk Band, auch die Songs anderer Musiker drauf: Bassistin Cait O'Riordan's gespenstische Performance auf "I'm a Man You Don't Meet Every Day" ist superb (... Costello würde sie übrigens später heiraten...), und Shane MacGowan mag zwar „Dirty Old Town“ und „And the Band Played Waltzing Matilda“ nicht geschrieben haben, aber er machte sie zu Songs, die man bald einzig mit den Pogues und vor Allem mit seinen genialisch torkelnden Vocals verbinden würde.

The Fall

This Nations Saving Grace


(Beggars Banquet, 1985)

Feel the wrath of my Bombast!“ ruft Mark E. Smith auf dem Nachfolger zum großartigen Vorgängeralbum Wonderful and Frightening World of the Fall . Und so zeigt This Nation's Saving Grace The Fall tatsächlich ein weiteres mal auf der Höhe ihrer Kunst. Stücke wie „Barmy“, „What You Need“ und das kraftvolle „Gut of the Quantifier“ werden angetrieben von Brix Smith's twanging Leads, lärmen mit polternden Drums und Rückkopplungen, und dazu beschimpft Smith Alle und Jeden – das Rezept ist doch eigentlich bekannt, auch wenn es nur diese eine Band gibt, die ihre Suppe auf diese ganz spezielle Weise zusammenkocht. Und es ist die teilweise Abkehr von den bekannten Mustern und Sounds, die This Nation's Saving Grace wirklich interessant macht.: „L.A“ verweist mit seinen Sythesizer-Sounds schon auf kommende Experimete der Band im Bereich der Electronica, „I Am Damo Suzuki“ - ein Tribut an den inzwischen bei den Zeugen Jehova's und sonstwo abgetauchten Sänger von Can - klingt wie die Quintessenz der Musik von The Fall. Und die (natürlich mindestens halb-ironische) Verbeugung vor diesem Sänger macht bei Mark E. Smith sogar Sinn... The Fall klingen auf diesem Album zugleich abenteuerlich, geerdet und witzig – sie sind bei einer wohltuenden Balance angelangt und nicht zu Unrecht gilt This Nation... bis heute als Bestes der John Peel-Lieblinge unter einer wirklichen Unmenge von Alben. Die Musik nahm in ihrer Kompromisslosigkeit und Klasse gewiß einiges vorweg, was Bands wie die Pixies oder Pavement dann in den 90ern machen sollten... Aber letztlich sind sie die Unkopierbaren.

The Smiths

Meat Is Murder


(Rough Trade, 1985)

Das zweite Studioalbum der Smiths - Meat Is Murder -  mag im Rückblick als eines der schwächeren gelten, aber was heißt das bei der Band, die die Achtziger erträglich machte (und die dazu auch noch viel zu wenige Alben gemacht hat). Es ist ganz einfach das Album, auf dem sie sich ihres Stils und ihres Könnens versicherten, denn hier begannen sie den Jangle Pop des Debütalbums zu variieren. In anderen Worten: Es ist das Album am Wendepunkt, aufgenommen als man sich über die Richtung, in der es weitergehen sollte gerade klar wurde. Wie so oft bei solchen Platten sind die guten Songs wirklich sehr gelungen: „How Soon Is Now ?“ ist düsterer und zugleich tanzbarer als Alles, was sie zuvor gewagt hatten, die Band schreibt Mid- Tempo Nummern wie das melancholische „That Joke Isn't Funny Anymore“ und am besten sind sie wenn sie sich auf ihre eigentlichen Stärken besinnen: Die wunderbaren Gitarren und das Songwriting auf „The Headmaster Ritual“ and „I Want the One I Can't Have“ zeigen die Band in Hochform. „Rusholme Ruffians“ ist gar Rockabilly - von den Smiths. Dazu gibt es noch die Tatsache, dass die Produktion des Albums definitiv besser war als beim Debüt. Also kann ich sagen: Trotz einiger schwächerer Songs ist Meat is Murder ein großes Album mit der besten Popmusik, die die Achtziger im United Kingdom zu bieten hatten. Es verblasst ganz einfach nur im Licht des kolossalen Nachfolgers The Queen is Dead - so wie Rubber Soul vor Revolver verblasst.

The Cure

Head On The Door


(Fiction, 1985)

Head On The Door wird meist als das Album bezeichnet, das The Cure so vorstellt, wie wir sie bis heute kennen – es ist der abschliessende Archetyp für das Image der Band. Sie ließen den hüpfenden Post-Punk von Three Imaginary Boys genau so hinter sich wie die trübe Düsternis der „Goth-Trilogie“ und den dekadenten und eher ungeliebten Funk von The Top und etablierten nun endgültig die eine, immer erkennbare - aber zuvor immer gefilterte Facette in Robert Smith's musikalischer Persönlichkeit: Den Pop. Natürlich ist Pop bei The Cure immer abgedunkelt und experimentell – die Geschichte der Band ließe gar nichts anderes zu – aber der Fokus liegt nun auf der Suche nach dunklen Pop-Songwriter Perlen. Und fündig wurde Smith schnell mit dem Album-Opener und dissonanten Ohrwurm „In Between Days“ und – auf der zweiten, besseren LP-Seite – der klaustrophobischen Hit Single „Close to Me“. Die ist dann umrandet von vier Album-Tracks, die in der Tat so gelungen sind, dass das Album bis zum Ende unterhaltsam bleibt. „A Night Like This“ is a blast, mit lustigem Saxophon-Teil, „Screw“ und „The Baby Screams“ sind so schön bedrohlich, wie es nur The Cure können und mit dem Closer „Sinking“ versinkt das Album dann wohltuend in der Hölle. Da hat man das asiatische Plinkern des „Kyoto Song“ und die spanischen Gitarren von „The Blood“ auf der ersten Seite der LP dann regelrecht vergessen. Man könnte beklagen, dass Robert Smith - der alle Songs allein geschrieben hatte - zu viel gewollt hatte und das Album dadurch etwas zu eklektizistisch wurde, aber die Variabilität kann man auch als Qualität ansehen. Dass The Cure mit dem folgenden Album Kiss Me, Kiss Me, Kiss Me, Kiss Me eine wahre Disco-Kugel von tanzbarem „Gloom and Doom“ machten, war dann nur logisch. Robert Smith hatte sein Rezept gefunden, und Head on the Door wurde zum internationalen Erfolg. Dass sich die Gothic-Gemeinde entweder abwandte oder zumindest unbehaglich schüttelte, bleibt egal. Es ist ein gutes, sehr eigenes und wiedererkennbares Album - wenn auch nicht ihr Bestes...

Celtic Frost

To Mega Therion


(Noise, 1985)

Bathory, Venom, Mercyful Fate und Celtic Frost- das sind die vier Bands, die man als Begründer des Black Metal bezeichnet. Dabei sind mindestens drei von ihnen nicht wirklich mit den BM-Bands der Neunziger zu vergleichen – nur Bathory haben Pioniere wie Mayhem und Darkthrone auch musikalisch und soundmäßig inspiriert und sind wirklich mit ihnen vergleichbar. Mercyful Fate und Venom dürften insbesondere durch Image, Thematik und ihre jeweilige rohe Aggression ihre zu dieser Zeit noch sehr jungen Bewunderer beeindruckt und beeinflusst haben. Und was ist mit den Schweizern Celtic Frost ? Sie vereinen auf ihrer Debüt-LP To Mega Therion (nach diversen erschütternden EP's wohlgemerkt...) diverse Sparten des extremen Metal. Da ist die diabolische Aggression des Black Metal, da ist nicht zuletzt das Coverdesign von HR Giger, dessen Bild I, Satan die Band nutzen durfte – das natürlich perfekt zu Black Metal passt, aber dann klingt da auch etliches nach futuristischem Thrash, nach Death Metal und progressivem Metal oder nach Doom. Celtic Frost waren ganz einfach – zu dieser Zeit logisch – stilistisch nicht vorbelastet. Es ist falsch vom besten Album der Band zu sprechen, weil sie über 20 Jahre später mit dem Doom-Brocken Monotheist einen würdigen Konkurrenten zum Debüt schufen, aber To Mega Therion ist zweifellos das revolutionärere und ungewöhnlichere Album – eines, das sich bis heute kaum einordnen lässt. Ich kenne wenige Metal-Alben deren Atmosphäre so düster ist - vergleichbar wäre vielleicht Burzum's Hvis Lyset Tar Oss – das betrifft wirklich nur die Atmosphäre! - aber es ist weit genießbarer, die Stile werden vermischt und statt Monotonie gibt es große dynamische Schwankungen bei stringentem Sound. „Dawn of Megiddo“ weist auf den eigenartigen Doom des 2006er Albums, „The Circle of Tyrants“ ist komplexer Death-Metal, „Eternal Summer“ ist Speed und Wahnsinn und „Usurper“ und „Jewel Throne“ sind wütender Thrash- Whatever-Metal. Sänger und Gitarrist Tom G Warrior (Thomas Gabriel Fischer, wenn man mal banal klingen will...) ist der unangefochtene Bandkopf mit halb gekreischten, halb höhnisch hervogestoßenen Vocals und extrem verzerrten Gitarren. Drummer Reed St. Mark und Bassist Dominic Stein waren nur Ausführende unter seinem Befehl und ich schätze, vor Allem Warrior's dominante Persönlichkeit dürfte einen größeren Erfolg verhindert haben. Der Nachfolger Into the Pandemonium war eine logische stilistische Wandlung Richtung Gothic, das genannte 2006er Monolith ist als Konkurrent wie gesagt fast noch besser als dieses Album hier - aber To Mega Therion war eine Revolution.

Hüsker Dü

New Day Rising


(SST, 1985)



Hüsker Dü

Flip Your Wig


(SST, 1985)

Hüsker Dü waren Mitte der Achtziger beeindruckend kreativ. Im Vorjahr hatten sie mit Zen Arcade ein überbordendes Doppelalbum voller Rage, Wucht und weissem Rauschen herausgeschossen, New Day Rising kam keine sechs Monate später auf den Markt – unter anderem weil SST darauf bestand schnell neuen Stoff nach zu liefern. Der Druck mag entsprechend groß gewesen sein, und man kann sich denken, dass die Band nicht glücklich damit war, aber ihre Kreativität wurde dadurch nicht negativ beeinflusst. Gitarrist Bob Mould näherte sich für dieses Album an Grant Hart's Pop-Affinität an, Hart schrieb ein paar Tunes, die fast klassischer Rock sein könnten, wäre da nicht immer noch das rauschen und zischen der Gitarren und das mitunter aberwitzige Tempo, mit dem sie durch die Songs jagen. Trotzdem. Wenn du ein wirklich genießbares Album der Hardcore Band suchst – New Day Rising wäre erste Wahl. Das Album scheint kürzer als es ist, weil die 15 Songs ein solches Tempo vorlegen und so reduziert und zugleich abwechslungsreich sind. Damit verweist New Day Rising schon auf Mould's spätere Band Sugar – und die Musik der gesamten Alternativen Rock-Szene des kommenden Jahrzehntes. Bei „Celebrated Summer“ gehen sie mal kurz vom Gas und lassen akustische Gitarren klingeln, das Titelstück wiederholt die drei Worte „New Day Rising!“ so oft, bis man daran GLAUBT, und Mould's „I Apologize“ ist einfach bewegend. Und Grant Hart zeigt ein weiteres mal, dass er ein großer Songwriter und Storyteller ist, wenn er bei „Books About UFOs“ singt: "She tells the same old story to everyone that she knows / She's just sittin' in her room reading books about ufos..." Immer wieder finden sich Perlen: „Powerline“ hat wieder einen ruhigeren Part, es gibt kaum Ausfälle und der pure Noise von Mould's Gitarre macht selbst Banaleres beeindruckend einzigartig. Dass sie dann kaum acht Monate später ein weiteres großes Album schafften, verwundert dann schon fast nicht mehr. Flip Your Wig ist das erste Album, das sie selber produzieren durften und das letzte für SST, es ist besser ausbalanciert und dadurch vielleicht weniger elektrisierend - aber im Grunde ist es mehr vom Selben. Es ist der endgültige Beweis, dass die Bedeutung ihrer Musik immer im Songwriting und nicht nur ihre noisige Wucht lag. Hier gibt es wieder den inzwischen klar erkennbaren und sehr eigenständigen Power-Pop von Bob Mould, der nun noch mehr auf seine spätere Band Sugar verweist. Da ist wieder sein famoser Titeltrack und insbesondere der Ohrwurm „Makes No Sense At All“, einer seiner besten Songs und einer, den er auch nach dem Ende Hüsker Dü's performte, da ist – in Konkurrenz würde ich vermuten – Grant Hart's „Green Eyes“, ebenfalls ein Klassiker der Band und wenn man's genau nimmt des Power Pop insgesamt. Und da ist immer noch dieser einzigartige Sound der Band aus völlig übersteuerten Gitarren, die die Chords nur so 'raushauen, einem muskulösen Schlagzeug, den No Fun Vocals von Mould und Hart und dem wieder einmal kaum hörbaren Bass. Es gab und gibt bis heute keine Band, die klingt wie Hüsker Dü, all ihre Alben sind das Anhören wert – da sind sie mit den Smith's vergleichbar – aber die drei Alben Zen Arcade, New Day Rising und Flip Your Wig sind der real deal. Muss man kennen...










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