Sonntag, 26. November 2017

1977 – Television bis Dead Boys - Das CBGB's in seiner Blüte

New York war und ist die Welt (Sub-)Kultur Hauptstadt. Das manifestierte sich Mitte der Siebziger Jahre in einem kleinen Club mit dem Kürzel CBGB's (der volle Name lautet überigens CBGB's OMFUG - steht für Country – Bluegrass and Blues Club - Other Music For Uplifting Gourmandizers) und dieser Club wurde entgegen seinem Namen zur Keimzelle des Punk in den USA. So einfach. Das CBGB's selber existierte schon seit 1973 – aber ab ca '75 versammelten sich dort Musiker einer alternativen Szene (Siehe Review Television...), eine Szene, die mit den Hippies nichts zu tun hatte – eine Szene mit Musikern, die sich mitunter bewusst kleideten wie die Penner auf der Strasse – und deren pekuniäre Lage wohl oft auch nicht mehr hergab. Diese „Punks“ waren das, was die Hippies in den Sechzigern waren - Gegenkultur eben - und das CBGB war ihr Fillmore. Patti Smith, The Ramones und auch die anderen hier unten vertretenen Bands haben schon ein bis zwei Jahre zuvor ihre musikalischen Statements auf Singles oder mit einem Debütalbum gemacht, aber bei einigen der wichtigsten Vertreter dieser Szene sind die ersten LP's erst im Jahr '77 erschienen. Ich vermute, dass die Singles und ersten Alben der Ramones und Patti Smith's auch im von Punk erschütterten England gehört wurden – und dort auf offene Ohren trafen. Die Aufzählung der Namen dieser CBGB's Bands jedenfalls liest sich wie ein Who's Who der Geschichte der alternativen Musik – Television, The Ramones, Talking Heads, Heartbreakers und Richard Hell, aber auch Bands und Musiker wie The Plasmatics, Lou Reed, Jim Carol, Dead Boys, Sonic Youth, Mink Deville, B-52’s - sie alle kreisen um diesen Club - und die Liste der Namen derer, die sie beeinflusst haben, wäre noch länger, die Namen noch illustrer...... Im Unterschied zum Punk in England gaben diese New Yorker Bands eher ein künstlerisches und nur unterschwellig an die Gesellschaft gerichtetes Statement ab – während die britischen Bands oft weit deutlicher ihren Unwillen gegenüber den herrschenden politischen Klassen - und den musikalischen Zuständen zeigten. Punk aus den USA ist oft ganz anders als Punk aus dem United Kingdom/Europa. Aber lies weiter...

Television

Marquee Moon


(Elektra, 1977)

Als zwei gerade mal Zwanzigjährige Jugendliche die Bowery in New York heruntergehen, sehen sie wie gerade das neue Schild für den “Country Bluegrass and Blues.”- Club aufgehängt wird. Sie sprechen den Manager an und behaupten, Country sei genau die Musik, die sie spielen. Sie bekommen einen Gig.... und werden in kürzester Zeit zur Hausband des bald legendären CBGB: Des Clubs, der sich mit ihnen und der Szene, die sich um sie herum bildet, zur Brutstätte für Literatur und Kunst in der aufblühenden New Yorker Punkszene entwickelt. Televisions Debüt Marquee Moon ist in all den Jahren seitdem ein zeitloses Stück Musik geblieben, mit den beiden vorgenannten Alben der Briten Sex Pistols und The Clash ist es DAS wichtigste Stück Musik des Jahres '77. Television entwickelten ihre Songs aus einem bluesfreien aber dennoch psychedelischen Sound, interpretierten ihn für ihre Zwecke und schufen so einen eigenen musikalischer Kosmos, mit sich umschlingenden Gitarrenlinein, seltsam leidenschaftslosem Gesang und existentialistischen Lyrics. Aber dieses Album nur zu beschreiben ist wenig sinnvoll, es ist eine Hörerfahrung, die man selber machen muß, um die Rockmusik am Ende der 70er zu verstehen. Und zugleich gibt es bis heute wenige bis gar keine Bands die etwas vergleichbares dieser Art schafften. Tracks wie der Titelsong oder „See No Evil“ sind zeitloser Post Punk und psychedelischer Gitarrenrock in Einem – und somit doch eigentlich garnicht das, was wir uns unter Punk vorstellen ? Kein Wunder, war das, was in New York Punk hieß, doch weit mehr „Kunst“, als die „proletarischeren" Klänge aus Old Britan, Marquee Moon IST Punk, nur eben in der New Yorker Version - aber vor Allem: Es ist ein komplettes Album ohne eine einzige schwache Minute.




Heartbreakers

L.A.M.F.


(Track, 1977)

Die Heartbreakers könnte man musikalisch als eine Band bezeichnen, die besonders typisch für die Musik und die personellen Hintergründe im CBGB's steht. Sie haben einen Sound zwischen dreckigem Rock'n'Roll, 60ies Pop, Punk und Chaos, ihre Geschichte beginnt mit dem Aufeinandertreffen der beiden Ex-New York Dolls Johnny Thunders (g, voc) und Jerry Nolan (dr) mit Richard Hell, dem ersten Bassisten von Television. Letzterer versucht nach einiger Zeit das Zepter an sich zu reissen (zuviele Ego's in einer Band...), worauf Thunders und Nolan die Band verlassen - und den zweiten Gitarristen Walter Lure und den Bandnamen mitnehmen. Darauf gründet Hell seine neue Band The Voidoids und macht ein formidables Album (siehe unten) während die Heartbreakers dem Angebot ihres britischen Freundes und Sex Pistols Managers Malcolm McLaren zu einer Support Tour der Pistols nach England folgen. Die Tour bricht im Chaos zusammen, Thunders legt sich eine massive Heroin-Sucht zu, die Band versumpft ziemlich und hat kaum noch das Geld zur Rückkehr nach New York, aber ihr Manager verschafft ihnen ein paar (gelungene) Auftritte und damit einen Vertrag beim englischen The Who-Label Track Records - sowie die Produktion des Debütalbums L.A.M.F. (soll heissen Like a Motherfucker). Die Aufnahmen verlaufen noch ganz ok, vielleicht etwas chaotisch, aber dann zerstreiten sich Thunders und Nolan, jedes Bandmitglied mixt das Album nach eigenen Vorstellungen – und am Ende kommt ein Album mit etlichen gelungenen Songs aber mit dumpfem Sound in die Läden und wird entsprechend bedauert bis verrissen. Inzwischen gibt es optimierte Fassungen der Songs auf den Reissues – und man kann sich vorstellen, dass L.A.M.F. - in NY unter anderen Bedingungen aufgenommen – zu den ganz großen Alben seiner Art und Szene gehören könnte. Songs wie „Born to Lose“, „It's Not Enough“ oder „Let Go“ haben eine schmutzige Glorie, die selbst der schlechteste Mix nicht dämpfen kann. So aber brach die Band auseinander, Nolan kam bei der anschliessenden Tour als Miet-Bassist mit, aber die Luft war 'raus. L.A.M.F. Kann man jetzt aber wunderbar anhören. Immerhin.



Richard Hell & The Voidoids

Blank Generation


(Sire, 1977)

Dieses mag ein etwas weniger bekanntes Album des New Yorker Punk sein – aber es ist in Allem eine Art Querschnitt der Musik aus der Szene um's CBGB's. Richard Hell (eigentlich Richard Meyers aus Kentucky – der Arme) war bei Television, hat die Heartbreakers (mit)begründet, um dann wie oben beschrieben ihr Auseinanderbrechen zu bewirken, er hat aber auch den Kleidungs- und Frisurstil des Punk begründet, indem er dem da noch in NY ansässigen Malcolm McLaren Sicherheitsnadel und mit Zuckerwasser verwilderte Frisuren gezeigt hat, er ist eher Literat als Bassist (die Frisur hat er sich angeblich beim literarischen Vorbild Rimbaud abgeschaut...), er hat personality galore, und er ist als Texter und Songwriter durchaus fähig, wenn er im richtigen Moment die richtigen Leute um sich hat – wie man am ersten Album seiner neu fromierten Voidoids hören kann. Blank Generation liegt exakt zwischen Television, Talking Heads und den Heartbreakers, Gitarrist Robert Quine - den Hell im Buchladen kennengelernt hat - macht den Twin-Guitars von Television zusammen mit Ivan Julian Konkurrenz, Hell's hämische Vocals, seine Texte zwischen Wut und Obszönität tauchen die Songs wieder in die Punk Suppe, die Vorbilder Stooges und MC5 werden mit entsprechender Reduktion zitiert, aber in Songs wie „Another World“ ist auch der Kunst-Gedanke der New Yorker Szene deutlich erkennbar. Mit Marc Bell hat er den späteren Drummer (dann Marky Ramone) der Ramones dabei und mit dem zweiten Gitarristen Ivan Julian hat er einen Partner für's Songwriting, mit dem Songperlen wie „Liar's Beware“ gelingen. Bekanntester Song auf Blank Generation ist das schön oszöne „Love Comes in Spurts“ - Punk in Reinform, aber das Album schwebt irgendwie zwischen Prä- und Post Punk, sitzt zwischen den Stühlen und ist zugleich nicht ganz so ausserhalb aller Kategorien wie etwa Marquee Moon. Das mag ein Grund für den geringeren Stellenwert von Blank Generation sein – und das ist natürlich ungerecht. Hinderlich für breiteren Erfolg der Voidoids war aber sicher auch die Tatsache, dass es wegen Hell's Drogenkonsum fünf Jahre bis zum nächsten (nicht ganz so tollen) Album dauern sollte – da war Punk schon lange vorbei. Danach konzentrierte Hell sich komplett auf die Literatur.




The Ramones

Leave Home


(Sire, 1977)



The Ramones

Rocket To Russia


(Sire, 1977)



... noch mehr New York und CBGB's ... Das erste Album der Ramones (vom Vorjahr...) ist einer DER Klassiker der Rockmusik. Simpel, eingängig, rasant, Perfektion in Pop. Und sie hatten mit ihrer Musik schnell ein hungriges, junges Publikum erreicht, hatten ihren Bekanntheitsgrad über die Grenzen von New York hinaus erweitert und nahmen nun – mit deutlich höherem Budget und mit mehr künstlerischer Freiheit More of the Same auf. Tatsächlich gehörten die 14 Songs auf ihrem Zweitling Leave Home allesamt schon vor dem Debüt zu ihrem Live-Repertoire, haben die gleichen schlagwortartigen Titel, die man so liebt („Gimme Gimme Shock Treatment“), Da wird der Wunsch geäußert, zum Killer zuwerden („Glad to see you go“) da ist alles von Kriegs- und Horrorfilmen beeinflusst. Der Song „Carbona Not Glue“ wurde zunächst von der Plattenfirma gestrichen, da er deren Meinung nach „die Inhalation von Dämpfen zum Drogenkonsum verherrlicht“ - was natürlich stimmt – nur wäre „verherrlichen“ da der falsche Ausdruck. Das Cover – nun in Farbe und nicht zur Ikone geworden - die Produktion durch den „sechsten Ramone“ Ed Stasium, der sie in den folgenden Jahren begleiten soll, all das mag die naiven Wildheit des Debütalbums vermissen lassen, was eben dazu führt, dass es als weniger epochal gilt als The Ramones oder der noch im selben Jahr aufgenommene dritte Streich: DAS ist das Album, das sich Manche vielleicht als Nachfolder des Debüt's erhofft hatten. Rocket to Russia sieht auch in der Covergestaltung so aus wie die Fortsetzung von The Ramones. Und teilweise wird die Klasse des Debüt's übertroffen: Die Produktion - wieder von Ed Stasium - ist kraftvoller, Gitarrist Johnny Ramone hatte „God Save the Queen“ von den Pistols gehört - und verlangt, dass die neue LP besser klingen soll, als die der Kopisten und Konkurrenten aus Great Britain. Zumal die Ramones nun als Songschreiber auf der Höhe ihrer Kunst sind: Es beginnt mit dem absurd-fröhlich hirnlosen „Cretin Hop“, da ist der Surf Punk von „Rockaway Beach“ - natürlich angelehnt an die Musik von Bands wie den Thrashmen – die wiederum mit „Surfin' Bird“ gecovert werden. Das zweite Cover auf dem Album ist der Klassiker „Do You Wanna Dance“ - und mit der Außenseiterstory „Sheena is a Punk Rocker“ und dem selbsterklärenden „Teenage Lobotomy“ sind zwei Klasssiker der Band dabei. Und es gibt nun sogar so etwas wie „Balladen“ - wobei das Tempo des Albums nach wie vor rasant ist. Rocket to Russia ist ohne Zweifel der Höhepunkt einer Trilogie von Klassikern des Punk – und Blaupause für den Punk etlicher US Bands der folgenden Jahre (siehe Bad Religion). Diese drei LP's plus das nachfolgende Album enthalten Alles, was man über die Ramones wissen muß (Man kann antürlich auch das Live-Album dazu zählen, nur ich mag es nicht so sehr...)



Talking Heads

Talking Heads: 77


(Sire, 1977)

Auch am Debüt der Talking Heads kann man die stilistische Breite der Bands aus dem Umfeld des CBGB's erkennen. Chris Frantz (dr), Tina Weymouth (b) und David Byrne (voc, g) gründen die Band '75 während ihres Kunst-Studiums und ergänzen sie 1977 um dem Ex-Modern Lovers Gitarristen (und Architekturstudenten) Jerry Harrison. Ihre Optik bei den Auftritten ist das Gegenteil von prätentiös oder rebellisch – sie sehen so „normal“ aus, dass das eindeutig Programm ist – und ihre Musik ist so reduziert und nackt, wie man es bisher nicht kannte.. Dazu haben sie mit David Byrne einen Sänger, der so seltsam autistisch wirkt, dessen Stimme doch eigentlich Singen nicht erlauben sollte und dessen Auftreten manchmal so ausserirdisch wirkt, dass es schmerzt - und dessen Lyrics so fremd, gar beängstigend sind... dass eine solche Musik sich wohl nur im Kunst-Umfeld des CBGB's entwickeln kann. Nach der komischerweise erfolgreichen Single „Psycho Killer“ (Das Thema in den US-Charts?) und nach etlichen gelungenen Auftritten nehmen die Talking Heads ihr Debüt Talking Heads: 77 unter der Ägide des erfahrenen Soul- Produzenten Tony Bongiovi auf (...Ja - der ist mit dem überflüssigen 90er Hardrock Posterboy Jon Bon Jovi verwandt und hat dessen Karriere mit zu verschulden...), aber hier macht er alles richtig. Er lässt die Talking Heads reduziert klingen, er betont die Rhythmik, er lässt Byrne's Stimme kippen und gibt der Band die Freiheit ihre durchaus pop-tauglichen Melodien mit all den Haken und Verschiebungen zu versehen, die das Album von jedem Verdacht befreit, zu nah am Pop gebaut zu sein. Der Opener „Uh Oh, Love Comes to Town“ hat Calypso-Anklänge, wird aber im Verlauf völlig verdreht. „New Feeling“ könnte ebenso berechtigt ein Hit sein wie der Stampfer „Psycho Killer“, „Don't Worry About the Government“ hat eine wunderbar poppige Melodie - und wieder Lyrics, die jeden Gedanken an Kommerz verbieten. Talking Heads: 77 ist noch nicht von dem perkussiven Dauerfeuer durchschossen, das die Band mit Brian Eno ab dem nächsten Album entwickelt, aber es zeigt, dass hier verdammt kluge Köpfe Musik machen. Es ist ein Startpunkt, der überall hätte hinführen können – es wäre immer eine interessante Richtung gewesen.



Mink DeVille

s/t (Cabretta)


(EMI, 1977)



Die hier mit ihren Alben vorgestellten Bands aus dem CBGB's sind zweifellos Vorreiter oder Ikonen des Punk, aber in diesem Club gibt es zu dieser Zeit auch ein paar Gestalten, die wirklich schwer zu der Vorstellung passen, die wir heute von „Punk“ haben. Die Band Mink DeVille um den in NY aufgewachsenen Exzentriker Willy DeVille (eigentlich William Paul Borsey) klingt schon auf ihrem Debüt nur entfernt nach Punk, waren aber von '75 bis '77 Hausband im Club und verkehrten ganz zweifelsohne als Kollegen unter Kollegen – sie machten eben (wie alle anderen – ganz nebenbei) ihr eigenes Ding. Das bestand in diesem Falle aus einer Musik, die bestimmt wird von DeVille's dreckiger Soul-Stimme und von Songs, die sich im Umfeld von 50ies-Soul, R&B, Blues und Rock bewegen, die zwar durchaus auch reduziert sind, aber zugleich auf etwas schmierige Weise „distinguiert“ klingen. Als Produzent konnte für das nur in den USA Cabretta genannte Album (in Europa ohne Titel...) Phil Spector-Schüler und Jagger/Stones Freund Jack Nitzsche gewonnen werden, die famose Single „Spanish Stroll“ kam im United Kingdom in die Charts, die Auftritte der Band konnten an guten Abenden glorreich sein: Mit einem in Zuhälter-Klamotten gekleideten Willy DeVille, einem großartigen Frontmann der gerne eine Leopardenfell-Gitarre spielte und den harten Kerl mit weichem Kern mimte, mit Bläsern und einer tighten Band, mit Stories direkt aus einer verraucheten Bar, waren sie ein optisches und akustisches Erlebnis. Und sie hatten eben auch die entsprechenden Songs. Mick Jagger war von „Mixed Up, Shook Up“ begeistert, eine Ballade wie der Album-Closer „Party Girl“ zeigt die Band in voller Pracht... Mag sein, dass diese Musik mit der Vorstellung, die wir von Punk haben, nichts zu tun hat – aber dass das CBGB's nicht auf ungestüme Wildheit und 'rausgerotzte Songs reduziert ist, dürfte klar sein. Um Musik zu beschreiben, die da schon eher dem Klischee entspricht, muss man sich.....



Dead Boys

Young Loud And Snotty


(Sire, 1977)



... Young Loud and Snotty von den Dead Boys anhören. Die entsprechen schon eher dem Klischeebild von Punk – optisch wie musikalisch. Die Dead Boys entstehen in Cleveland aus der Asche der Prä-Punk Institution Rocket From the Tombs - deren Archiv-Alben großartig sind und deren Sänger David Thomas '77 mit Pere Ubu eine der Speerspitzen des Post-Punk gegründet hat. Cheetah Chrome, Gitarrist der Rockets, gründet mit dem Sänger Stiv Bators zunächst in Cleveland Frankenstein, die sich dann in Dead Boys umbenennen, auf Anraten von DeeDee Ramone nach New York umsiedeln und im CBGB's bald für Furore sorgen. Musikalisch wurde die Kraft der Rockets mitgenommen, deren experimentelle Noise-Elemente über Bord geworfen und noch ein zusätzlicher Schuss Garage-Rock hinzugefügt. Und die Dead Boys halfen dabei, den Look und Sound des „Punk“ zu definieren, sie waren mit ihrer unverfälschen Agressivität genauso typisch – und genauso gut – wie die Sex Pistols – hatten aber nicht deren Erfolg – so sind die USA eben... Das von den Rockets mitgebrachte „Sonic Reducer“ ist eine prächtige Punk-Hymne die nur zu unbekannt geblieben ist, Songs wie „All This and More“ und „What Love is“ sind voller Teenage Angst, Kraft und Häme, durchzogen von einer ernsthafteren Wut als die zynischen Pamphlete der Pistols. Cheetah Chrome's Gitarrensalven lassen an den Stooges-Gitarristen Ron Asheton denken und Stiv Bator's Howls klingen nach dem Irrsinn und der Verlorenheit, die Johnny Rotten nie erlebt haben dürfte. Seltsamerweise gelten die Dead Boys als eine Punk-Band der zweiten Stunde – als Nachahmer also... Das sind sie definitiv nicht, sie sind eine rohe, kraftvolle Rock'n'Roll Band, die den Punk mit geprägt hat, und Young Loud and Snotty ist genau das, was der Titel verspricht.




Und sonst so?



Wie immer – Dieser Artikel bezieht sich auf EIN Jahr - und natürlich sind die definitiven Alben aus dem Umfeld der (Punk)-Szene im CBGB über mehrere Jahre verteilt. Müsste ich also die soundsoviel besten Alben aus dieser Szene in der formativen Zeit Ende der Siebziger blablabla... dann würde ich zu den hier reviewten noch folgende empfehlen:

Patti Smith – Horses (1975)

The Dictators – Go Girl Crazy! (1975)

The Ramones – s/t (1976)

Suicide – s/t (1977)... welches ich im „Hauptartikel“ über das Jahr '77 reviewt habe... http://derkleinerockhaus.blogspot.de/2017/11/1977-sex-pistols-bis-kraftwerk.html

Blondie – Plastic Letters (1978)

Blondie – Parallel Lines (1978)

Talking Heads – More Songs About Building and Food (1978)

und die Compilation No New York (1978), welche die avantgardistische No Wave Bands Contortions, D.N.A., Teenage Jesus & the Jerks und Mars versammelt.

Und dann treiben sich in dieser Zeit auch noch Bands wie The Cramps, The Feelies, The Fleshtones, Bad Brains etc... in und um diesen Club herum - und im kommenden Jahrzehnt weitet sich der Einfluss dieser Szene über die ganze Welt aus. Also: Das hier ist nur ein Schlaglicht auf eine extrem heterogene Szene.


Das CBGB's übrigens blieb bis in die Achtziger Schmelztiegel und Kreißsaal für neue Musik – und wurde zuschlechterletzt 2006 wegen immer höherer Mietkosten in der inzwischen gentrifizierten Lower East Side geschlossen... Kapitalismus eben.




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