Mittwoch, 16. Oktober 2019

1969 - Led Zeppelin bis John Mayall und Producer Mike Vernon – British Blues auf dem Höhepunkt – Teil 1

Es hat Mitte der 60er angefangen, als Musiker wie Alexis Korner, die Yardbirds, der große Integrator John Mayall und einige weniger namhafte Kollegen unter dem Einfluss von importierten Blues-Platten und den nach England zu Festivals geholten alten US-Blues-Meistern ihre eigene Version der alten Tante Blues zu spielen begannen. Auch die Stones, Animals, Small Faces, Manfred Mann – in Maßen sogar die Beatles – haben sich vom Blues beeinflussen lassen. Aber mit Cream und Led Zeppelin bekommt der Blues auf der Insel eine andere, neue Anmutung. Man hört bei all den aufstrebenden britischen Blues (Rock) Acts „europäische“ Einflüsse heraus – (britischen) Folk, Jazz, durch die europäische Brille gefiltert, auch Beat und Skiffle und – nicht zu vergessen - eine elektrifizierende und elektrifizierte Härte, die in den USA - wenn überhaupt - dann mit Psychedelic verbunden ist, in England aber eher auf die Virtuosität insbesondere der Gitarristen setzt. Das Ergebnis: Britischer Blues-Rock ist anders als US-Blues und US-Blues-Rock. Die britischen Musiker haben den Blues erst später, aus zweiter Hand erlebt, die Tatsache, dass in den USA Blues als „schwarze Musik“ in der „weissen“ Gesellschaft einen ganz anderen Stellenwert hat, dass schwarze und weisse Musik durch die alltägliche Diskriminierung der US-Afro-Amerikaner stärker getrennt sind, dürfte einen großen Anteil an den Unterschieden haben. Junge Weisse, die in den USA den Blues spielen, dürften von beiden Seiten schief angesehen werden – im UK sind die Ressentiments gegen den Blues geringer. Lustigerwese haben die weissen britischen Blues-Musiker in diesen Jahren teils sehr großen Erfolg in den USA – während ihre Vorbilder dort eher stiefmütterlich behandelt werden. Der Blues-Rock, den ich in diesem Artikel meine, wurde von oben genannten Stars der Szene in den letzten 2-3 Jahren etabliert. Die Ex-Yardbirds Eric Clapton, Jimmy Page, Jeff Beck tauchen allesamt weiter unten mit neuen Bands auf, ihre Kollegen (Rod Stewart, Jack Bruce etc) etablieren sich auch als Solo-Künstler. John Mayall macht ein weiteres Album mit neuen Schülern, sein Ex-Schüler Peter Green führt mit seiner Band Fleetwood Mac den Blues in unbekannte Bereiche. Heute obskurere, aber nicht weniger talentierte britische Blueser sind die Aynsley Dunbar Retaliation, Savoy Brown, Steamhammer etc... (siehe weiter unten) Allen gemeinsam ist die Konzentration auf den Gitarristen und seine Solo-Eskapaden - manchmal auch noch auf den Sänger. Für all diese Alben gilt: Sie klingen heute (nach Punk, Post-Punk, HipHop, Techno und IDM) in ihrer Liebe zur Improvisation aus der Zeit gefallen – aber sie alle sprühen vor der juvenilen Energie, die 18- 24-jährige anscheinend in Massen zur Verfügung haben. Der Brit-Blues-Boom wird noch ein paar Jahre anhalten, dann aber – wie jeder Trend – im Sande verlaufen. Ein echtes Revival gibt es nicht – aber die Klasse der Alben hier unten müsste nicht nur für sentimentale Zeitgenossen hörbar sein.


Led Zeppelin


I

(Atlantic, 1969)

Led Zeppelin


II

(Atlantic, 1969)

Bis kurz vor Veröffentlichung des Debüts hießen Led Zeppelin noch The New Yardbirds. Aber mit Robert Plant fand der Ex Yardbird Gitarrist Jimmy Page einen charismatischen und innovativen Sänger mit dem er den geliebten Blues in neue Bereiche führen konnte. Das musikalische Konzept der Band war zwar mit dem vergleichbar, das Jeff Beck auf seiner LP Truth vorgemacht hatte, aber Led Zeppelin waren in einigen Dingen anders: Zum einen verkochten sie bewusst die Gewürze Mytholgie, Mystik und ohrenbetäubende Lautstärke in ihrer Blues-Suppe. Dazu kam, dass sie auch noch in Folk und Folklore bewandert waren – und diese Bereiche der Musik liebten. Und sie waren eine dieser Bands, die ihr Hauptaugenmerk auf das Albumformat legte. Das Debüt - das sie übrigens durch Empfehlung von Dusty Springfield bei Atlantic herausbringen durften - beinhaltet schon alles, was in den folgenden Jahren den Mythos von Led Zeppelin ausmachen sollte. Man sagt nicht zu Unrecht, dass sie hier Hard Rock und Heavy Metal erfanden, indem sie den Blues auf dieses neue Level transportierten. In nur dreißig Stunden aufgenommen gab es auf Led Zep I den psychedelischen Blues von „Dazed and Confused“, puren Heavy Rock wie „Your Time Is Gonna Come“, fast Punk in „Communication Breakdown“, aber auch britischen Folk in „Black Mountain Side“. Letztlich ist dieses Debüt mit seinem ikonischen Cover-Motiv eines der komplettesten Debüts der Rock-Geschichte. Ihre zweite LP nahmen Led Zeppelin dann in den kurzen Intervallen zwischen den Konzerten ihrer immens erfolgreichen Amerika-Tour auf. Vielleicht klingen gerade deshalb Songs wie der Klassiker „Whole Lotta Love“ oder „The Lemon Song“ so unbehauen und kraftvoll: Es war schlicht keine Zeit irgendetwas wegzupolieren, und dass die vier in hunderten von Studio-Sessions geschulten Musiker perfekt zusammenspielen konnten, daß ihr Sound in all seiner Brachialität fein austariert war, konnten sie bei den allabendlichen Konzerten beweisen. Für Led Zeppelin II hatten sie nicht die Zeit, intensiv zu komponieren, also variierten sie Blues-Vorlagen und spielten sie so, wie es das Konzept vorsah: Immens laut und brutal, aber mit instrumentaler Finesse, mit Gitarrenoverdubs, Schlagzeugsoli („Moby Dick“), und vor allem mit gewaltigem Druck. Und Zeit für eine Folk-Exkursion („Thank You“) musste sein. Letztlich wurde Led Zeppelin II mehr noch als das Debüt vor allem wegen des Hits „Whole Lotta Love“ zum Blueprint für den Heavy Metal kommender Gnerationen.


Blind Faith


s/t

(RSO, 1969)

Eric Clapton hat wie Jimmy Page seine Karriere auch bei den Yardbirds begonnen, er hat mit John Mayall's Bluesbreakers 1966 den Brit-Blues-Boom mit begründet, er hat bei Cream Psychedelic-Rock daraus gemacht und wurde mit dem Spruch „Clapton is God“ auf einen Throhn gehoben, auf dem er sich eher unwohl fühlte. Nachdem Cream im Vorjahr auseinander gingen, wurde Clapton's Nachfolge-Projekt Blind Faith mit einer Neugier erwartet, die an heutige Hype's erinnert. Blind Faith waren personell mindestens so gut besetzt wie Cream: Mit Clapton's Cream-Kollegen Ginger Baker an den Drums, mit der Soul-Stimme von Traffic's Steve Winwood und mit Rick Grech von Family am Bass – man erwartete einiges. Clapton und Winwood hatten nach dem Ende ihrer jeweiligen Bands miteinander gejammt, Baker hörte davon und wollte unbedingt mittun, man lud den Bassisten Grech dazu und testete einfach mal aus, wie sich vier unterschiedliche Charaktere im Verbund vertragen würden. Die vorherigen Bands der Beteiligten waren schließlich im Blues genau so zuhause, wie im Psychedelic-Rock - und Blues war der kleinste gemeinsame Nenner. Und das Album Blind Faith spiegelt genau das wieder: Schon der Opener „Had to Cry Today“ klingt wie Cream mit Steve Winwood-Gesang, heavy Riffing, soulige Vocals, perfekte Instrumentierung und - bei über acht Minuten Länge - Zeit für ein Gitarren-Solo des vermeintlichen Gottes. „Can't Find My Way Home“ wurde tatsächlich zum Hit, ist eine Übung in Folk – und für mich der Track mit dem eigenständigsten Charakter. Winwood hat selten besser gesungen als hier. Blind Faith covern mit „Well All Right“ Buddy Holly – eine Herzens-Angelegenheit und es gibt auch den in diesen Zeiten üblichen viertelstündigen Jam „Do What You Like“. Dass die vier Beteiligten Meister ihres Faches sind, ist bekannt - war es damals auch schon - aber der Beweis wollte erbracht sein. Das Album mit dem kontroversen Cover verkaufte sich hervorragend, es ging auf US-Tour – und im selben Jahr ging die Band auseinander. Blind Faith ist KEIN typischer Brit-Blues, aber es gehört in diese Kiste, weil die Beteiligten den britischen Blues geprägt haben, wie wenige Andere.


Jack Bruce


Songs For A Tailor

(Polydor, 1969)

Mit dem dritten Ex-Cream Mitglied, dem Bassisten und Sänger Jack Bruce den Beitrag über Blues Rock weiter zu führen, ist doch logisch? Bruce's Album Songs for a Tailor ist in gewisser Weise tatsächlich so etwas wie der Prototyp eines Solo-Albums – so etwas gab es in der kurzen Historie der Rockmusik schlicht noch nicht: Bands gingen auseinander, Musiker machten woanders weiter und Schluss. Dass Cream zerbrochen waren und was die einzelnen Mitglieder der „Supergroup“ danach machten, wurde jetzt erstmals wirklich aufmerksam beobachtet. Jack Bruce war die Stimme von Cream gewesen, er hatte mit „White Room“ mindestens einen ihrer großen Hits geschrieben – und seine Beiträge waren meist schräg, komplex und von Jazz und Klassik durchzogen. Die Liebe zum Jazz spielte er auf seinem ersten Solo-Album nun lustvoll aus. Und er hatte noch etliche andere Eisen im Feuer – da gibt es den Psychedelic Folk von „He the Richmond“, das „Theme From An Imaginary Western“ war eigentlich für Cream gedacht gewesen, war von den Kollegen aber abgelehnt worden – und klingt wie ein Song für The Band. Der Produzent des Albums, Gitarrist Felix Pappalardi war Amerikaner und selber mit der Band Mountain erfolgreich. Er nahm diesen Song bald auch mit seiner Band auf und landete einen Hit. Ich liebe das schräge „Rope Ladder to the Moon“ wegen seiner Twists und Turns, wegen Jack Bruce's Bass und Stimme. Drei Minuten Dramatik. Und den Fantasy-Folk von „To Isengard“ muss man lieben, Bruce singt hoch und empfindsam – was eigentlich nicht zu seiner Stimme passt. Aber eigentlich schweife ich mit Songs for a Tailor vom Thema ab. Denn Blues-Rock ist das nicht. Der Album-Titel bezog sich auf den kurz zuvor verschiedenen Haus-Schneider von Cream. Briten sind mitunter exzentrisch - und genau das ist Songs for a Tailor.


The Jeff Beck Group


Beck-Ola

(Columbia, 1969)

Der Ex-Yardbird Jeff Beck hatte mit seinem Vorjahres-Album Truth den Heavy Blues von Led Zeppelin vorweg genommen – er hatte mit Rod Stewart eine Stimme dabei, die (zu dieser Zeit) der von Robert Plant überlegen war – und Beck war ein besserer Gitarrist als Jimmy Page (und als Eric Clapton). So hätte das zweite Album seiner Group eigentlich ein Triumph werden müssen. Aber Beck ist ein erratisches Genie, dem Erfolg anscheinend eher unangenehm ist. Für Beck-Ola holte er sich den Pianisten Nicky Hopkins an Bord, fand mit Tony Newman einen Drummer, der heftiger 'drauf haut und coverte zwei Mal Elvis. Und so wurde dieses Album ein schwer verdauliches Durcheinander. „Jailhouse Rock und „All Shook Up“ sind ein bisschen ZU hart, Der Beck/Newman-Song „Hangman's Knee“ läuft auseinander wie Brei, Nicky Hopkins bekommt eindeutig zu viel Platz, sein „Girl from Mill Valley“ ist ein Fremdkörper und Rod Stewart singt zwar voller Leidenschaft, aber er scheint oft nicht zu wissen, wo er hin gehört. Natürlich sind alle Beteiligten formidable Könner – aber auf diesem Album wird etwas deutlich, was für sehr viele Blues-Rock Alben gilt: Können allein reicht nicht, um ein lange Haltbarkeit zu bekommen. Als Ergänzung zu Truth taugt Beck-Ola, aber es ist wohl bezeichnend, dass die Band während der folgenden Tour auseinander brach. Rod Stewart machte zusammen mit dem Group-Bassisten Ron Wood Solo und mit den Faces weiter und Jeff Beck's Karriere lief ins Ungefähre zwischen seinen geliebten Auto's und diversen mittel-erfolgreichen Gitarren-Alben. Immerhin gab es 1972 mit dem Album Jeff Beck Group eine gelungeneren Nachfolger für Truth.


Rod Stewart


An Old Raincoat Won't Ever Let You Down

(Mercury, 1969)

In der Beschreibung zu Beck-Ola habe ich es erwähnt: Rod Stewart war Ende der Sechziger ein Meister-Sänger. Seine einzigartig raue Stimme, die gebündelte Kraft, der Ausdruck – er hatte Soul und er hatte eine völlig eigenständige Art, den Blues zu singen. Bei der Jeff Beck Group schien er im Lärm unterzugehen, also machte er sich aus dem Staub, folgte zum einen seinem Kumpel Ron Wood zu den Faces und erfüllte sich zugleich den Wunsch nach der parallelen Solo-Karriere. Den Solo-Vertrag hatte er schon '68 unterschrieben, nun holte er neben dem Faces Pianisten Ian McLagan mit Martin Pugh und Martin Quittenton noch zwei Mitglieder der Blues-Band Steamhammer ins Boot. Dazu Ex-Jeff Beck Drummer Mick Waller und Keith Emerson von The Nice – er hatte sich offenbar einen Namen gemacht. Und dass Stewart zu dieser Zeit Musik mit völlig eigenem Charakter – mit Stil – machte, hört man bei An Old Raincoat Won't Ever Let You Down genauso, wie bei seinen drei folgenden Solo- Alben. Es beginnt schon direkt mit der Cover-Version von „Street Fighting Man“ - allein schon der Mut, diesen damals noch neuen Song der Stones zu covern – und ihn sich so sehr zu eigen zu machen, dass man das Original tatsächlich vergaß. Und das war keine Respektlosigkeit – Stewart wäre der erste gewesen, der den Einfluss der Stones zugegeben hätte. Wunderschön ist auch seine Version von Mike D'Abo's „Handbags and Gladrags“ - die akustische Instrumentierung, die sich durch das Album zieht, holt viele Songs in ein Folk-Umfeld, das Stewart ganz hervorragend zu Gesicht stand. Aber zugleich konnte diese Band ziemlich hart lärmen – die hatten nichts mit Besinnlichkeit am Hut, das Traditional „Man Of Constant Sorrow“ ist voller Sentiment – und voller Kraft, genau wie Ewan McColl's „Dirty Old Town“. Mit Raincoat... gelang es ihm, einen eigenwilligen Stil zwischen den Stones und den Faces zu etablieren – einen Stil, den er Mitte der Siebziger zugunsten von Disco und High Society-Allüren wieder über Bord gehen ließ. Aber dieses und die drei folgenden Alben existieren ja noch. Raincoat... wurde übrigens erst im Februar '70 in England veröffentlicht. Der Rest der Welt bekam das Album schon Ende '69 mit anderem, schlichterem Cover – bewusst dem von Beggars Banquet ähnlich - mit dem Titel The Rod Stewart Album zu hören.


Steamhammer


s/t (Reflection)

(CBS, 1969)

Steamhammer


MK II

(CBS, 1969)

Warum hat sich Rod Stewart Musiker der Band Steamhammer für sein erstes Solo-Album geholt? Nun, die '67 in Worthington gegründete Band hatte in Insider-Kreisen einen hervorragenden Ruf – insbesondere die beiden Gitarristen Martin Pugh und Martin Quittenton galten als ideenreich und zugleich nicht ZU aufdringlich – was Stewart nach Jeff Beck in den Kram gepasst haben dürfte. Auch der amerikanische Blues Großmeister Freddie King hatte im Vorjahr Steamhammer als Backing Band für seine Tour in Europa auserkoren, nun hatten sie das Material, die Plattenfirma und die Zeit, ihr Debüt einzuspielen. Und in der Tat ist das Debütalbum des Quintetts + Gästen eines der gelungenen – aber auch in seiner Zeit gefangenen – British Blues Alben.... das allerdings nie den Erfolg hatte, den es verdient hätte. Das mag daran liegen, dass bei ihnen kein exaltierter Sänger im Vordergund steht, das mag daran liegen, das weder Martin Pugh noch Martin Quittenton ihre Virtuosität so zur Schau stellen, wie Beck, Clapton oder Page oder Lee. Dazu wagten sie vielleicht ein paar Experimente zuviel – sie hatten gewiss Jethro Tull gehört und ließen auf Steamhammer (in den USA und Deutschland Reflection) den Jazz-Flötisten Harold McNair prominent mitwirken. Das führt zu wunderbar psychedelischen Blues-Tracks wie dem jazzigen Psych-Blues von „Down the Highway“, dem schönen „Lost You Too“ oder dem einzigen „Hit“ der Band - „Junior's Wailing“, das bald von Status Quo gecovert wurde. Nur zwei der zehn Tracks sind Blues-Klassiker – B.B. King's „You'll Never Know“ wird gecovert, als zweites Eddie Boyd's „Twenty Four Hours“, und beide Male machen sie zwar alles richtig, aber diesen klassischen Blues-Tracks fehlt der Touch Psychedelik, der ihren eigenen Songs Charakter verleiht. Mit Kieran White hatten sie einen Sänger, an dessen gepresstes Quengeln man sich gewöhnen muss - aber wie gesagt: ein bisschen mehr Erfolg wäre ihnen zu Gönnen gewesen. Immerhin erspielten sie sich Live insbesondere in Deutschland einen hervorragenden Ruf – und hatten keine acht Monate später das nächste Album fertig. MK II betont die Jazz bzw. Jam-Band-Seite der Band noch ein bisschen mehr, Martin Quittenton hatte die Band verlassen - Martin Pugh war wohl zu dominant und der Job bei Rod Stewart lohnender. Mit Steve Joliffe war jetzt ein Flötist/Saxofonist und Cembalo-Spieler fest eingebaut. Und wieder war Pugh's Gitarrenspiel psychedelisch und gekonnt, ohne sich zu sehr aufzudrängen – bestes Beispiel dafür ist schon der Opener „Supposed to be Free“ mit seinem Improvisations-Teil, den sich Pugh gerecht mit dem Saxofon von Steve Joliff teilt. Der ist auch auf dem noch psychedelischeren „Johnny Carl Morton“ zu hören, wo sein Cembalo die Hauptrolle spielt. Man hört auf diesem Album mehr noch als auf dem Debüt, was die Stunde (nicht nur) im United Kingdom geschlagen hatte: Im UFO Club wären Steamhammer mit der 16-minütigen Jam-Session „Another Travelling Time“ sicher willkomen gewesen. Das nächste Album – Mountains aus dem kommenden Jahr– ist ihr bestes (sagt man). Aber wer Britischen Blues mag, sollte Steamhammer kennen.


Fleetwood Mac


Pious Bird of Good Omen

(Blue Horizon, Rel. 1969)

Fleetwood Mac


Then Play On

(Reprise, 1969)

Was für Musik in diesen Jahren unter dem stilistischen Regenschirm „Blues“ entstanden ist, kann man exemplarisch an beiden hier vorgestellten Fleetwood Mac-Alben festmachen. Die End-60er Inkarnation von Fleetwood Mac hat mit den Soft-Rock Giganten der Mitt-70er Nichts zu tun. Dies hier waren Peter Green's Fleetwood Mac – eine Blues-Band hinter einem erratischen Genie, wunderbaren Gitarristen, Songwriter und Sänger, für den Blues weit mehr war, als das schlichte 12-Takt-Schema... der allerdings mit dem in diesen Jahren aufkommenden Star-Rummel um Gitarren-Heroen nicht das Geringste anzufangen wusste. '69 wechselte die Band zum Major Warner Bros. - und ihr vorheriges Label Blue Horizon nutzte die Gelegenheit, eine Compilation aus Singles, B-Seiten, ein paar Album-Tracks der beiden ersten Alben und dem zu Beginn des Jahres durch die Decke gegangenen Hit „Albatros“ zusammenzustellen. Ih persönlich mag Compilations nicht so gerne – aber Pious Bird of Good Omen besteht aus Tracks, die innerhalb von gerade mal zwei Jahren entstanden sind, es zeigt die Entwicklung von Fleetwood Mac, es wird durch Peter Green's Stimme und sein delikates Gitarrenspiel zusammengehalten – und die meisten der hier versammelten Songs waren nicht auf den beiden LP's Fleetwood Mac und Mr. Wonderful (beide von '68) enthalten. Natürlich sind auch typische, an Elmore James geschulte Slide-Gitarren-Blues-Tracks von Jeremy Spencer dabei, aber Green war der Star – und seine Version des Blues-Klassikers „Need Your Love So Bad“ zeigt schon, wie er den Blues transzendierte. Das ungeheuer sanfte Instrumental „Albatros“ ist eine Charakterstudie von Green – obwohl er später sagte, ohne Danny Kirwan wäre da nie was 'draus geworden. Und „Black Magic Woman“ ist ein Song-Klassiker aus Blues und Latin - ein Beweis dafür, dass Green den Blues nur als Startpunkt ansah. So wurde das dritte reguläre Studio Album von Fleetwood Mac - Then Play On - eine Erweiterung des Genre's in alle Richtungen – Country, akustischer und elektrischer Rock, Psychedelik, Folk – Alles bekam durch Green's Suche nach einer Erweiterung des Blues eine zusätzliche Dimension. Dazu kam der junge Gitarrist Danny Kirwan, der den bei den Sessions zu Then Play On so gut wie nicht anwesenden Jeremy Spencer vollwertig ersetzte. Peter Green hatte mit seiner Band inzwischen die Live Improvisation entdeckt, hatte US-Bands wie Grateful Dead kennen gelernt, wollte die Möglichkeiten des Studios mehr nutzen und nahm nicht mehr nur Live auf, sondern baute aus etlichen Stunden Jam-Session die drei etwas weggetretenen Tracks „Underway“, „Searching for Madge“ und „Fighting for Madge“ zusammen. Aber er hatte neben seinen Fähigkeiten als Gitarrist und Sänger eben auch die Fähigkeit, Songs zu schreiben, die zwar im Blues verwurzelt waren, aber dennoch neu klangen. Sein „Rattlesnake Shake“ mag als erste Single kein Hit geworden sein, aber moderner Blues ist es auf jeden Fall. Dass die weit erfolgreichere zweite Single „Oh Well“ erst auf späteren Versionen von Then Play On beigefügt wurde, mag man beklagen – zumal dafür zwei Kirwan-Songs gestrichen wurden - es ist aber ein Klassiker des Brit-Blues Boom und wäre auf einer weiteren Singles-Compilation verschwendet. Und auch der Album-Closer „Before the Beginning“ zeigt, wie gut Green und Band waren, Und zugleich zeigt Then Play On in all seiner Zerrissenheit, was für Probleme da im Hintergrund lauerten: Bei den Aufnahmen zur dritten Single „The Green Manalishi“ fragte der von seiner LSD-Sucht und von psychischen Problemen gezeichnete Green ob er „...could stop being a guitar star and go home“. Er wollte die gesamten Band-Einnahmen weggeben und seine Gitarren verschenken - im nächsten Jahr waren Spencer und Kirwan mit dem Rest der Band allein und Green versuchte noch einmal halbherzig Fuß zu fassen. Sein '70er Solo-Album End of the Game zeigte einen Mann am Rande der geistigen Gesundheit, danach verschwand er für Jahre aus dem Musik-Business, bis er Ende der 70er wiederkehrte. Da waren Fleetwood Mac zu einer Hit-Maschine ganz anderer Art geworden...


Otis Spann


The Biggest Thing Since Colossus

(Blue Horizon, 1969)

Auf ihrer ersten US-Tour im Januar '69 waren Fleetwood Mac Opener für Jethro Tull und Joe Cocker – kein sonderlich angenehmer Slot – aber sie wussten ihre Zeit im Lande der Vorbilder zu mutzen: Sie spielten in den Chess-Studios mit Veteranen wie Willie Dixon, Big Walter Horton, J.T. Brown, Buddy Guy, David "Honeyboy" Edwards – und mit Otis Spann, DEM Post War Blues Pianisten in den USA, Begleiter von Größen wie Muddy Waters oder John Lee Hooker und Solo-Künstler von Format. Die Sessions wurden als Blues Jam in Chicago bekannt, aber Produzent Mike Vernon bemerkte eine besondere Chemie zwischen Fleetwood Mac und Spann und überredete den zuerst etwas zögerlichen Veteranen zu einem Solo-Album auf Blue Horizon mit den Jungspunden. Zu den Aufnahmen in New York holte sich Spann als Versicherung seinen Drummer und Freund S.P. Leary hinzu, so daß Mick Fleetwood's Dienste nicht gefragt waren. Aber Bassist John McVie, der gerade mal 18-jährige Danny Kirwan und natürlich Peter Green machten mit. Die Energie der weissen Kids scheint Spann – '69 immerhin knapp 40 Jahre alt – beflügelt zu haben. Und die Begeisterung der jungen Blues-Eleven ist auf ihrem letzten „reinen“ Blues-Album deutlich hörbar. Erstaunlich, wie gut der 15 Jahre jüngere McVie mit dem erfahrenen Drummer harmoniert, beeindruckend, wie der gerade der Pubertät entwachsene Danny Kirwan seine Licks und Chords einstreut – und Peter Green – da auch erst 23 Jahre alt – spielt den Blues wie ein ganz Alter. Nun ist The Biggest Thing Since Colossus nicht revolutionär – mitunter sogar puristisch bis altmodisch – aber Spann's Gesang ist voller Autorität und Kraft - und Green's, unnachahmlich sanfte Art Gitarre zu spielen macht dieses Album zu einem exzellenten Beispiel für den sog. Chicago Blues. Tracks wie Jimmy Witherspoon's Slow Blues „Ain't Nobody's Business“ bersten vor Emotion. Und der Album-Closer „Someday Baby“ wäre auch mit geschulterem Personal nicht besser gelungen. Dieses Album ist der pure Chicago Blues – von ein paar jungen Briten gemeistert.


The Aynsley Dunbar Retaliation


Doctor Dunbar's Prescription

(Blue Thumb, 1969)

In der Zeit zwischen seiner Trennung von Fleetwood Mac und seiner kompletten Abkehr vom Musik-Geschäft arbeitete Peter Green auf einem Festival unter anderem mit einem Kollegen zusammen, mit dem er '66 zusammen mit Rod Stewart als Shotgun Express eine EP gemacht hatte, der mit ihm bei John Mayall's Bluesbreakers war (das famose '67er Album A Hard Road...) - und dessen Ruf ebenso hervorragend war: Aynsley Dunbar ist „nur“ Drummer – aber er war seinerzeit wohl so etwas wie der Eric Clapton der Drums. Er hatte bei Jeff Beck mitgemacht, er stand bei der Jimi Hendrix Experience zur Wahl, Hendrix entschied sich aber für Mitch Mitchell, er spielte bald bei Zappa – der Mann war sehr gefragt - nur seine eigene Band, die Aynsley Dunbar Retaliation (= Vergeltung) blieb tragisch obskur, Dabei war auch hier der Tisch bestens gedeckt: Dunbar hatte mit John Moorshead einen hervorragenden Gitarristen an Bord (damals unerlässlich), mit Alex Dmochowski einen weiteren späteren Zappa-Musiker am Bass und mit Victor Brox einen Gitarristen, Kornettisten(!), Keyboarder und Sänger extraordinaire, der von Jimi Hendrix als sein „favourite white blues singer“ bezeichnet wurde. Doctor Dunbar's Prescription ist das zweite Album des Quartetts, das Cover ist von Hipgnosis... und damit sind alle Fakten genannt und Nichts über die Klasse der Musik gesagt. Denn Doctor Dunbar's Prescription ist tiefer, psychedelischer Blues von vier Vollblut-Musikern, die aus tiefster Seele spielen, es ist ein Album ohne Sperenzchen, ungekünstelt aus tiefster Seele geholt. Dass Victor Brox die meisten Songs geschrieben hat, dass B.B. King's „Now That I've Lost You“ kenntnisreich gecovert wird, dass die Band ihren eigenen Charakter allein schon durch Brox' emotionale Stimme, durch Kornett und Organ und durch Moorshead's cooles Gitarrenspiel hat – all das lässt mich immer wieder darüber staunen, dass ...Prescription so wenig bekannt ist. Beweise für die Klasse gibt es genug, man höre nur die Brox-Songs „Fugitive“ oder den „Tuesday's Blues“. Da ist Nichts schlechter als auf Then Play On – und Einiges besser.


Savoy Brown


Blue Matter

(Deram, 1969)

Savoy Brown


A Step Further

(Deram, 1969)

Eine weitere dieser britischen Blues-Bands, die dazumal einen gewissen Erfolg hatten, die einen Meister-Gitarristen und einen tollen Sänger in ihren Reihen hatten – und die nach dem Ende des Blues Booms (also spätestens ab 72-73) kaum noch jemanden interessierten. Bei Savoy Brown war es der Gitarrist Kim Simmonds, dessen Spiel begeisterte und vor allem der Sänger Chris Youlden, dessen soulige, immer etwas belegte Stimme für einige Zeit beeindruckten. Savoy Brown hatten einen etwas „spaßigeren“ Zugang zum Blues, auf ihrem dritten Album Blue Matter setzte neben der Gitarre und dem hervorragenden Gesang Bob Hall's Piano eine spezielle Duftmarke – ließ den Blues hier noch authentischer nach Juke Joint klingen. Da ist vor alle der selbst-vefasste „Vicksburg Blues“ - Nur mit Hall und Youlden – der nach Kneipe in Chicago klingt. Aber es gibt auch eine krachende Cover-Version von John Lee Hookers „Don't Turn Me From Your Door“, das wegen seines Rhythmus zwar als Hooker-Song erkennbar ist, das aber von Youlden und Simmonds zu einer der damals so beliebten Jam-Sessions gemacht wird. Und da ist mit Youlden's „She's Got a Ring in His Nose and a Ring on Her Hand“ einer dieser Blues-Tracks, die nur wirklich gute britische Blues-Bands konnten. Melodisch, von Beat und britischer Popmusik genauso beeinflusst, wie von alten Blues-Meistern. Die zweite Seite von Blue Matter ist dann Live aufgenommen und zeigt, mit welcher Wucht diese Band zugange sein konnte. Bläser-Unterstützung, lustvolle Soli, ein sehr cooler Sänger – Savoy Brown waren sicher nicht die Einzigen, die auf der Bühne noch mehr zu überzeugen wussten, als im Studio – was sie auf dem zweiten '69er Album A Step Further nach gleichem Rezept bewiesen: Auch hier gibt es die Studio-Seite, die mit dem Youlden-Track „Made Up My Mind“ beweist, dass der ein veritabler Rhythm 'n' Blues Songwriter war, dessen Stimme ein Erlebnis ist. Es gibt das – damals auch unvermeidliche – Gitarren-Instrumental „Waiting in the Bamboo Grove“, den Slow-Blues „Life's One Act Play“ - wieder mit tollem Gesang und mit Streichern, die seltsam ausserweltlich klingen. Damals „modern“, heute (und für mich) liebenswert oder überkandidelt – je nach Geschmack. Ich finde Chris Youlden's Gesang erträgt einiges an barockem Schmuck, glänzt da sogar besonders. Und die Single „I'm Tired“ beweist das noch einmal mehr. In den USA erreichten sie damit immerhin Platz 74 der Billboard Charts – dort waren sie enorm beliebt, in England und Europa blieben sie Underground. Die zweite LP-Seite ist - wie gesagt - wieder ein Konzert-Mitschnitt. Ein lärmender, 22-minütiger Psychedelic-Boogie'n'Blues Track, in dem Jimi Hendrix' „Purple Haze“ genauso vertreten ist, wie Chuck Berry's „Little Queenie“ und „Whole Lotta Shakin' Goin On“. Die Aufnahmequalität mag historisch sein, der Spaß bleibt aber hörbar. Aber ich will darauf hinweisen: Savoy Brown hatten '68 mit Getting to the Point und '70 mit Raw Sienna die besseren Alben. Diese beiden Alben hier sind „nur“ willkommene Ergänzungen.


Spooky Tooth


Spooky Two

(Island, 1969)

Etwas erfolgreicher als Savoy Brown oder die Aynsley Dunbar Retaliation waren Spooky Tooth. Eine Band mit zwei gleichwertigen Sängern/ Keyboardern (dem Amerikaner Gary Wright - der der Band von Island Boss Chris Blackwell angedient worden war und der Mitte der 70er mit seichtem Soft Rock reich werden würde – und dem Briten Mike Harrison) und einem weiteren Gitarren-Helden namens Luther Grosvenor. Ihr Debüt hatte noch etwas unentschieden zwischen Pop und Rock geschwankt, ihr zweites Album Spooky Two sollte die Band vermutlich neben Bands wie Led Zeppelin oder Free positionieren. Und „eigentlich“ gelingt das auch. Tracks wie „Better By You, Better Than Me“ und das 9-minütige „Evil Woman“ sind enorm heavy, Grosvenor gibt den Jimmy Page und die beiden Sänger –Wright mit hoher Stimme, Harrison mit souligem Organ – ersetzen zusammen durchaus einen Robert Plant. ...und es kommt kein „Aber“... Spooky Two ist tatsächlich enorm abwechslungsreich, durch die beiden Keyboarder bekommt die Band einen enorm druckvollen und eigenständigen Sound, die Songs auf Spooky Two sind durchweg toll, mal härter, mal soulig, mal mit einer passenden Gospel-Note (siehe „I've Got Enough Heartache“), Gitarrist Grosvenor weiss, was er tut, und er macht es nicht so aufdringlich, dass es nervt. Die Produktion vom Traffic- und Stones-Produzenten Jimmy Miller ist satt und klar, Spooky Two hätte eigentlich neben Led Zep I und II bestehen sollen. Aber vielleicht waren Spooky Tooth nicht heavy genug für die Led Zep-Fans, vielleicht nicht bluesig genug für die Fleetwood Mac Fans, jedenfalls verkaufte das Album nicht sonderlich gut. Wenn man die Vergleiche vergisst, kann man Songs wie „Waitin' for the Wind“ und „That Was Only Yesterday“ allerdings nicht schlecht finden. Letztlich hat Spooky Two das gleiche Schiksal ereilt, wie Steamhammer oder Doctor Dunbar's Presciption – auch wenn es immerhin zum Kult-Klassiker wurde und in etlichen Bestenlisten dieses Genre's gelandet ist.


John Mayall


Turning Point

(Polydor, 1969)

Zum Abschluss dieses ersten Teiles von „Blues aus dem United Kingdom 1969“ passt Turning Point vom Blues-Lehrer und selbstlosen Förderer John Mayall. Den hatte mit Mick Taylor - nach Eric Clapton und Peter Green - der nächste Gitarren-Gott verlassen um die Rolling Stones zu verstärken. Drummer Colin Allen war gleich mit verschwunden, aber Mayall hatte sowieso Anderes vor. Er wollte sich der Theorie annehmen, dass jedes Instrument seinen inhärenten Rhythmus kreieren kann – und dazu musste er auf Drums und elektrische Instrumentierung verzichten – musste so „natürlich“ wie möglich klingen. So ist Turning Point wohl eines der ersten Unplugged Live-Alben der Rock-Geschichte. Das alles wäre nur schön und gut, wenn es hier nicht so hervorragende Solisten wie Jon Mark – an der „Acoustic Fingerstyle Guitar“ und Steve Thompson – Bass, Johnny Almond - Saxes & Flutes gäbe. Dazu singt John Mayall und spielt Gitarre und Harmonika – und der ist nur das schwächste Glied in dieser Kette. Seine nasale Stimme hat nicht das Niveau von Rod Stewart oder Chris Youlden - aber ohne ihn hätte nicht nur diese Veranstaltung nie stattgefunden. An der Harmonika immerhin kann er brillieren und Jon Mark's äußerst rhythmisches Akustik-Gitarrenspiel ist ein Freude – und Johnny Almond wechselt mit seiem Saxophon zwischen wirklich „bluesigen“ Improvisationen und wildem Jazz. Dass in einer Schlagzeug-losen Band dem Bassisten eine besonders wichtige Rolle zukommt – geschenkt. Dass Blues - wie Jazz – am besten funktioniert, wenn die Improvisationen beseelt sind (und dass das heute als altmodisch gilt) sollte jedem bewusste sein, der ein Album wie Turning Point (… und all die anderen in diesem Kapitel beschriebenen...) ausprobiert. Turning Point ist - weil Live eingespielt – ein monochromes Vergnügen. Aber dieses Album hebt ab und schwebt mit seiner Leichtigkeit in der Luft. Die Beteiligten hatten hörbar Spaß, die Idee, ohne Drummer Blues und Jazz zu verquicken, war zu Zeiten von Led Zep, Blind Faith, Free oder den Stones so gewagt, dass ich allein dafür schon meine Bewunderung zollen muss. Und dass dabei Schönheiten wie „So Hard to Share“ und Mayall's Sehnsuchts-Song „California“ (...dort zog er noch in diesem Jahr hin...) entstanden sind, zeigt, dass das hier eine gute Idee war.

Mike Vernon – der Blues-Meister

Dieser Namen taucht gefühlt bei jedem zweiten wichtigen Blues-Rock Album der Sechziger und frühen Siebziger auf. Mike Vernon – geboren 1944 - war derjenige, der Bands wie John Mayall's Blues Breakers ft. Eric Clapton, Fleetwood Mac, Savoy Brown, Ten Years After und einen ganzen Haufen weniger bekannter Bands im Studio betreute und ihnen die Spontaneität gewährleistete, die man für diese Musik braucht. Er hat auch den jungen David Bowie – vor seiner Metamorphose zum Chamäleon der Rockmusik – produziert und er hat das Blue Horizon-Label gegründet, auf dem er sowohl junge Bands ihre Musik veröffentlichen ließ, die ihm vielversprechend schienen (Jellybread, Key Largo). Er war es auch, der Peter Green's Fleetwood Mac nach dessen Ausstieg bei John Mayall eine Veröffentlichungs-Plattform bot – und er produzierte etliche US-Blues-Musiker oder holte deren Alben nach England, wo sie als Anschauungs-Material für all die 16-20-jährigen Blues-Eleven herhielten, die dann zu Stars wurden. Er war ein Purist des Blues, hatte 1964 ein Fanzine zusammen mit seinem Bruder und dem Schul-Freund Neil Slaven unter dem Titel R&B Monthly veröffentlicht und sich da schon alle Quellen angeeignet, derer er habhaft weden konnte um an Blues-Musik heran zu kommen. Diese Musik war zu dieser Zeit – zumal in England – buchstäblich nicht zu finden. Höchstens das Decca-Label hatte ein paar Alben im Programm – und so ging er dort hin, diente sich als Assistent eines A&R Mannes an, kochte Kaffee, beantwortete Briefe – und wurde mit der Zeit auch als Produzent tätig. 1963 produzierte er die Yardbirds-Single „Baby What’s Wrong“ und „Honey In Your Hips.“, er nahm an den Auditions für die Spencer Davis Group teil - die von Decca abgelehnt wurden, genau wie die Graham Bond Organisation mit Jack Bruce und Ginger Baker oder die gerade gegründeten Groundhogs. Mit seinem Freund holte er den gerade in England tourenden Otis Spann ins Studio – zusammen mit Legenden wie Muddy Waters und Little Willie Smith, sowie mit dem 20-jährigen Jimmy Page und dem da noch bei den Yardbirds spielenden Teenager Eric Clapton. Clapton wechselte zu John Mayall, Vernon war von ihrer Art, den Blues zu spielen begeistert und überredete John Mayall, mit seinem Eric Clapton Line-Up DAS british Blues Album an sich aufzunehmen. Unter seiner Ägide wurde diese Form des Blues – die NICHT mit Pop und R&B vermischt war, wie bei den Rolling Stones – erstmals erfolgreich. Das Album verkaufte sich zur Überraschuing der Verantwortlichen bei Decca phänomenal und der British Blues-Boom brach los. In der Folge produzierte Vernon im Wochentakt Blues-Acts, half beim Networking, gab Bands wie Savoy Brown und Ten Years After ihren Sound und wurde zum Doyen des britischen Blues-Rock. Mit Abflauen des Booms Mitte der Siebziger wandte er sich auch Progressiven Bands wie Focus und Leichtgewichten wie Level 42. zu, produzierte mit Dr. Feelgood auch wieder bluesigere Bands – aber die große Zeit war vorbei. Für seine Verdienste um den Blues im UK kann man ihn nicht henug ehren. Einer, der das aus Leidenschaft gemacht hat.















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