Die Bezeichnung Singer/Songwriter - so beliebig sie ist - steht für eine Art Musik,die eine paar entscheidende Unterschiede zum „Folk-Singer“ der 50er-60er Jahre aufweist. Dylan, Phil Ochs oder Tim Hardin etwa waren geprägt von der Folkszene in New York, diese Szene kannte ihre Vorbilder und hatte zunächst deren Songs studiert und interpretiert, ehe dann - Dylan vor Allem - damit begann, SEINE Weltsicht in eigenen Texten und mit eigenen Melodien zu vertonen und diese tradierte Art der Musik mit aktuellen Botschaften zu versehen, und sie dann auch noch instrumental und rhythmisch Richtung "Pop" zu verschieben. Die Jugend, die sich wie jede neue Generation von den Älteren emanzipieren wollte, die den Vietnam-Krieg ablehnte, die sich selber finden und verwirklichen wollte, wollte wohl auch nicht mehr nur die alten Songs und Stories aus den vorherigen Dekaden hören. So war der „klassische“ Protest-Song zwar auch '67 noch aktuell, aber Musiker, die das Lebensgefühl und die Probleme ihrer eigenen Generation mit eigenen Worten und insbesondere mit einer eigenen musikalischen Sprache behandelten, wurden immer interessanter. Dazu kam die Veränderung der Musik in anderen Bereichen (ausserhalb der Folk-Szene) durch Bands wie Byrds, Beatles, Stones und Doors, die die Klänge Richtung Beat, Pop und erweitertes Bewusstsein trieben. So kamen nun neuerdings junge Musiker alleine oder mit Band/Orchester im Hintergrund daher, um das Leben JETZT in ihren Texten behandelten... Und das war neu. Ob sie dazu, wie Dylan, ein mythisches Amerika aufleben ließen, oder ob sie wie Leonard Cohen tiefsinnige und kluge Lyrik vertonten, oder ob sie wie Tim Buckley die Stimme in den Vordergrund stellten, sie alle waren Vertreter einer neuen Art von Musik: Ich denke man kann sie als die Ersten bezeichenen, die man Singer/Songwriter nennt.
Bob Dylan
John Wesley Harding
(Columbia,
1967)
Aufgenommen nach den Basement Tapes (die Dylan sozusagen „heimlich“ eingespielt hatte und die dann erst Jahre später veröffentlicht wurden), und nach seinem die eigene Existenz erschütternden Motorradunfall - und somit sein erstes Album anderthalb Jahre nach Blonde on Blonde, kam John Wesley Harding für Dylan-Fans spät (Man bedenke: normalerweise wurden seinerzeit Alben im Halbjahresrhythmus veröffentlicht). Und es kam vor allem inhaltlich als Schock. Niemand hätte diese Kollektion biblischer Allegorien und karger Folksongs erwartet. Nur Bass und Drums begleiten Dylans Gesang zur Akustischen, die Songs waren in drei Tagen aufgenommen worden und Dylan hatte offensichtlich den Ursprung seiner Musik – und damit die Quelle der Inspiration für seine Musik wiedergefunden. Einer der Gründe vielleicht, warum John Wesley... inzwischen als eines von Dylan's großen Alben gilt – und als logische Fortentwicklung aus den Basement Tapes Aufnahmen - die aber eben zu der Zeit nicht bekannt waren. Mit dieser Sparsamkeit und vor allem mit dem eindeutigen Bezug auf das alte mythische Amerika wurde Dylan mehr mit diesem Album als mit der glorreichen Trilogie von 65/66 zur Inspiration für ganze Generationen von Musikern. Grateful Dead, Gram Parsons, die Byrds und der ganze Westcoast-Sound sind ohne dieses Album undenkbar. Dylans berühmte Version von „All Along the Watchtower“ war nur die Spitze des Eisberges. Trügerisch einfach und einfach fantastisch.
Phil Ochs
Pleasures Of The Harbour
(A&M,
1967)
Phil Ochs war zuvor musikalisch einen ähnlichen Weg gegangen wie Bob Dylan, hatte zunächst in den USA auch eine ähnliche Popularität erlangt – unter Anderem weil er wortgewaltig und zugleich witzig war, aber als er nun genug vom Protestsong hatte, war ihm nicht mehr der Erfolg beschieden, den er verdient hätte. Und das, obwohl sein musikalisches Talent ähnlich groß war wie das des Übervaters, und obwohl er mindestens genauso Konsequent war wie Dylan. Er war einer der Wenigen gewesen, die Dylan's Abkehr vom reinen Folksound sofort unterstützt hatten, und er war mit dem was er auf Pleasures of the Harbour machte genauso visionär, wortgewaltig und zynisch wie bisher. Der ausbleibende Erfolg mag damit zu erklären sein, dass dieses vierte Album nicht mehr beim Elektra Label erschien - mit denen hatte er sich zerstritten - und es mag sein, dass ihm seine Fans seine ebenso radikale Abkehr vom bisherigen Sound nicht so einfach verzeihen wollten, wie es die Dylan-Fans letztlich taten. Allerdings wählte Ochs auch einen anderen, barocken, orchestralen Sound und komplexere Lyrics und schuf damit dieses leider damals nicht erfolgreiche und dann bald vergessene düsteres Baroque-Pop Meisterwerk - das Fans seiner vorherigen, folkigen Alben wohl kaum verstanden oder gar akzeptierten. Für den Summer of Love waren die Texte zu bitter, der Sound zu süß, und die Tatsache, dass er die Songs in üppige Arrangements tauchte, nahm den Texten nichts von ihrer Düsternis. Im zentralen „Crucifixion“ beispielsweise ging es darum, dass alle Helden unausweichlich zu Märtyrern gemacht werden. Harter Stoff, den die von Peace and Love begeisterten Hippies wohl nicht hören wollten. Das Album wurde ein Flop, Ochs verfiel dem Alkohol, und der Abstieg begann. Bis 1970 kamen noch drei sehr gute ähnlich opulente Alben zustande, die aber gleichfalls erfolglos blieben und im Jahr 1976 erhängteOchs sich schließlich. Die Tatsache, dass dieses und die nachfolgenden Alben quasi nicht erhältlich sind, ist übrigens ein Skandal...
Tim Hardin
2
(Verve
Folkways, 1967)
Tim Hardin hatte mit seinem Debüt ein Jahr zuvor in Musikerkreisen aufsehen erregt. Er war schon seit Beginn der Sechziger - seitdem er aus der Army und aus Vietnam zurückgekommen war - ein wichtiger Bestandteil der Greenwich Village Folk Szene gewesen, und obwohl er eine schwere Heroinsucht aus Vietnam mitgebracht hatte, konnte er nun zumindest einen gewissen materiellen Erfolg zu genießen, da sein Song „If I Were a Carpenter“ in der Version von Bobby Darin zum Top 10 Hit geworden war. Seine durch die Tantiemen finanzierte Drogensucht allerdings machte es für die Produzenten Charles Koppelman und Don Rubin schwer mit ihm zu arbeiten. Sie mussten für die Songs zu Tim Hardin 2 Gesang und Gitarre zunächst mit ihm alleine aufnehmen, da er nicht in der Lage war, Songs mehrmals in gleichen Versionen einzuspielen. Dann erst wurden die Arrangements ergänzt. Der Blues-Einfluss - auf dem Debüt noch stark - verschwand jetzt fast völlig. Subtile String-Arrangements, Percussion und jazzige Zwischentöne setzen die Songs vor einen passenden Hintergrund. Hardins eigene Version von „If I Were A Carpenter“ ist überzeugend und dass er unter seiner Drogensucht litt, merkt man seiner Stimme nicht an. Und es ist beileibe nicht nur der Hit, der hier bemerkenswert ist, auch Songs wie „Red Balloon“, sein Kommentar zur eigenen Sucht, oder die Außenseitergeschichte „Black Sheep Boy“ und das bekannte „The Lady Came from Baltimore“ gehören zum Besten der sich gerade transformierenden Folk Szene der End- Sechziger. Hardin rutschte immer tiefer in seine Drogensucht, ehe er 1980 starb, und nur noch einmal gelang ihm mit Suite for Susan Moore and Damion (1969) ein recht gutes Album. Die Songs seiner ersten beiden Alben brachten ihm über die nächsten Jahre hinweg wegen rechtlicher Probleme kaum mehr Tantiemen ein. Sie sind heute Allgemeingut.
Tim Buckley
Goodbye And Hello
(Elektra,
1967)
Tim Buckley's zweites Album war ein Riesenschritt fort von den Folk-Rock- und Baroque Pop Konventionen seines '66er Debüts. Goodbye and Hello hat zum einen – vielleicht auch Dank seines Produzenten Jerry Yester (Gitarrist der Lovin' Spoonful) – einen Sound, der an Bands wie die Doors denken lässt: Mit Harpsichord, Harmonium, eben der damals angesagte Acid-Rock Sound. Dazu kam, dass er begann die Möglichkeiten seiner Stimme auszuloten – und die waren beträchtlich. Spätere Buckley-Alben wie Happy/Sad oder Starsailor etwa mögen künstlerisch noch interessanter sein, Goodbye and Hello ist am variantenreichsten und am leichtesten zu genießen. Bewundernswert, wenn man bedenkt, dass Buckley gerade mal 20 Jahre alt war, erstaunlich, welche Tiefe die Lyrics – teils alleine, teils mit Schulfreund Larry Beckett geschrieben – schon hatten. Bei „I Never Asked to be Your Mountain“ rechtfertigt er sich dafür, seine Frau verlassen zu haben, und sehnt sie gleichzeitig wieder herbei. Er hatte Mary Guibert 1965 - noch zu Highschool-Zeiten – geheiratet und sein Sohn Jeff war schon geboren als er sie '66 verließ. Der Song wird von rasanter Akustik-Gitarre angetrieben und Buckley verfällt in ekstatischen Scat-Gesang. Der Song war ihm so wichtig, dass er über zwanzig Vocal-Takes Live mit der Studio Band aufnahm. „Once I Was“ der Eröffnungssong der 2. LP-Seite gilt als einer seiner besten, beginnt getragen, um sich zu einem gewaltigen Höhepunkt zu steigern. Der 8-minütige Titelsong ist typische '67er Psychedelik, aber trotz seiner Gebundenheit an seine Zeit ein weiterer Showcase dafür, wieviel man mit einer solchen Stimme anfangen kann. Das Album ist wegen Buckley's Stimme und weil es noch so unentschieden zwischen Experiment und Pop changiert überaschend reizvoll und zeitlos
Leonard Cohen
Songs Of Leonard Cohen
(CBS,
1967)
Schlicht und minimalistisch wie eine in braunes Papier gebundene Balzac Buchausgabe ist Leonard Cohens' erstes Album ein solches Wunder an Auslassungen und Leerstellen, dass es bis heute nichts an Faszination verloren hat. Mit emotionsloser Stimme, fast ohne Ausdruck gesungen, katatonisches Gitarrenzupfen, hier und da ein Orchester, eine elektrische Gitarre oder eine Mandoline (Backing Band: Kaleidoscope !) als gemusterte Tapete im Hintergrund sind die Elemente die diese Musik bilden. Und genau das ist auch die Art Buch, in das solche Worte geschrieben werden müssen. Der Kandier Leonard Cohen war schon über 30 und erfolgreicher Schriftsteller, als er von John Hammond zu Columbia geholt wurde, um sein erstes Album aufzunehmen. Die Musik, die herauskam, ist eher europäisch, viele der Songs sollten sich zu Klassikern entwickeln, obwohl - oder gerade weil - sie so hermetisch klingen. Insbesondere „Suzanne“, aber auch „Sisters of Mercy“ - nach dem sich die Gothic-Band der 80er Jahre benennen sollte, oder „So Long Marianne“ wurden zu Klassikern – bzw, waren es schon, weil etwa Judy Collins ihre Klasse erkannt hatte, und sie schon zuvor aufgenommen und populär gemacht hatte. Die Songs bieten gerade wegen ihrer Kargheit eine hervorragende Leinwand für Interpretation und Kontemplation, sind wie die glatte Oberfläche eines Sees, der unergründlich tief ist. In den USA hatte das Album zunächst wenig Erfolg, in UK erreichte es die Top Ten, der Stil, den Cohen hier entwickelte, wurde mit der Zeit noch ausgefeilter, und er ist eine der wichtigsten Facetten in der Entwicklung des aufblühenden Singer/ Songwriter-Genres. Ein Klassiker, der in Sound und lyrischer Qualität unerreicht ist.
Judy Collins
Wildflowers
(Elektra,
1967)
Und wo ich gerade bei Leonard Cohen war... Judy Collins - 1967 mit ihrem sechsten Album etablierte Folk-Sängerin auf dem zukunftsweisenden Elektra-Label – ist großer Fan und Förderer des Kandiers. Und auch auf Wildflowers covert sie drei seiner Songs: „Sisters of Mercy“, „Hey, That's No Way To Say Goodbye“ und „Priests“ bekommen auf diesem von Joshua Rifkin arrangierten Album eine mitunter fast mittelalterich anmutende Backing durch Flöten, Streichern und Klavier. So werden sie in ein ungewohntes Umfeld gesetzt, dem Collins mit ihrer feenhaft klaren Stimme allerdings zusätzlich eine passende Weltabgewandheit verleiht. Eine Coverversion von Jaques Brel's „La Chanson des vieux amants“ fügt sich da nahtlos ein. Dann covert sie auch noch die junge, aufstrebende Musikerin Joni Mitchell, deren „Both Sides Now“ wegen seiner hippie-seligen Fröhlichkeit fast ein bisschen unpassend ist – was Nichts daran ändert, dass er eines der Highlights auf dem Album ist. Auch Collins' eigene Songs müssen sich nicht verstecken und das Album ist trotz seines durchgehend barocken Sounds erstaunlich anwechslungsreich. Natürlich – wie so viele Alben hier – heutzutage aus der Zeit gefallen, aber – um es enfach zu sagen – wunderschön. Mit Wildflowers wagte Collins sich noch weiter über das strenge Folk Prinzip „Gitarre + Gesang - das muss reichen“ hinaus als schon mit dem Vorgängeralbum In My Life. Sie war immer mehr Interpretin fremder Songs als Songwriterin, aber auch Wildflowers zeigt die Emanzipation der Folk-Sängerin zur stilsicheren Musikerin mit Folk-Background. Letztlich ein kluger Schritt, der ihre künstlerische Entwicklung vorantreibt.
Nico
Chelsea Girls
(Verve,
1967)
Ob da alle meiner Meinung sind, dass dieses Album ein Singer/Songwriter-Album ist ? Nico's Chelsea Girl war 1967 vermutlich das coolste, was es in der Popmusik geben konnte – wenn man es wahrnahm. Das deutsche Model Christa Päffgen war zuvor von Andy Warhol für das Debüt von Velvet Underground rekrutiert worden -zum Unwillen insbesondere Lou Reed's, der sie als Fremdkörper empfand – aber sie hatte dadurch bei einem Album mitgewirkt, dessen Wirkung weit in die Zukunft reichen sollte. Auf ihrem Solo-Debüt begleitete sie dennoch nicht nur Lou Reed, sondern John Cale spielte und produzierte auch noch und Sterling Morrison machte mit - sowie der noch junge und unbekannte Jackson Browne, von dem sie drei Stücke coverte. Die Musik hat oberflächlich wenig mit dem Noise der Velvet Underground zu tun. Durch Cale's Streicherarrangements und die durchweg akustische Instrumentierung klingt Chelsea Girl mehr nach der Incredible String Band und Baroque Pop als nach dunklem NY-Noise-Pop, aber der minimalistische Sound und Nico's eigenartige dunkle Stimme mit dem überdeutlichen deutschen Akzent verleiht der Musik eine Düsternis und Tiefe, die mit leichtem Pop wenig zu tun hat. Das achtminütige „It Was a Pleasure Then“ nimmt Drone vorweg, Dylans „I'll Keep it With Mine“ ist kaum noch wiederzuerkennen, letztlich bleiben dieses Album und seine Nachfolger singuläre Phänomene - und ob man es dann Singer/Songwriter nennt oder Avantgarde ist ja letztlich egal....
Donovan
Mellow Yellow
(Epic,
1967)
Donovan
A Gift From a Flower to a Garden
(Epic,
1967)
Donovan Leitch's fünftes Album Mellow Yellow wurde – wie der Vorgänger - wegen vertraglicher Probleme in England zunächst nicht veröffentlicht. Als es dann herauskam, wurde es zusammen mit dem Vorgänger Sunshine Superman in die Plattenläden gestellt. Gut oder vielleicht auch schlecht für die Käufer, denn beide Alben sind recht unterschiedlich. Mellow Yellow ist – mehr als der Vorgänger - ein Übergangsalbum Richtung ernsthafte, britische psychedelische Folkmusik - in Abgrenzung zu Dylan, mit dem Donovan seinerzeit gerne verglichen wurde. Es gibt Songs die an die Folk-Roots Donovans gemahnen, manche sind noch Überbleibsel aus früheren Sessions, andere bieten elektrifizierten Folk der Art, die Donovan letztlich erfolgreich machte. So ist der Titelsong zwar banal – wurde aber einer seiner größten Hits, der Album Track „House of Jansch“ dagegen, Donovans Verneigung vor dem großen und einflussreichen Folk-Gitarristen, ist einer seiner besten Songs. Led Zep Bassist John Paul Jones fungierte bei einigen Stücken als Arrangeur, Mickie Most produzierte und das Album wurde zu einem von Donovans größten kommerziellen Erfolgen. Auf Dauer sind es dann die unbekannteren und eher im Folk verwurzelten Songs, die Bestand haben: Das ruhige „Writer In The Sun“, das berückende „Sand And Foam“ sind die Highlights. Nach Mellow Yellow, und einem Trip nach Indien, nach den für immer mit dem Namen Donovan verbundenen erfolgreichen Singles in den Charts und nachdem er wegen Marijuana-Besitz kurz festgenommen worden war, nahm Donovan im selben Jahr zwei weitere Alben gleichzeitig auf, die dann in einem der ersten Box-Sets der Rockgeschichte veröffentlicht wurden. A Gift from a Flower to a Garden enthält auf dem Wear Your Love Like Heaven betitelten Teil elektrischen Folk Rock - Musik der Art, mit der er so erfolgreich war, und der zweite Teil des Albums (For Little Ones) enthält sanfte akustische Solo-Songs, ausdrücklich auf Kinder zugeschnitten, die zeigen, dass Donovan ein hervorragender Songwriter und Gitarrist war - etwas, das seiner Meinung nach im Hype um seine Hits untergegangen war. So wie er bis heute als etwas naiverer second rate Dylan gesehen wird.... Beide Alben klingen einerseits ungemein naiv in ihrer Hippie-Seligkeit, sind aber dabei erstaunlich zeitlos geblieben. Manches hier klingt wie ein 60er-Jahre Beck, die Songs auf dem akustischen Album sind zwar an Kinder gerichtet, aber von großer melodischer Eleganz. Beispiele: das klagende „Isle of Islay“ oder das bezaubernde „The Mandolin and His Secret“. Das ist zwar Eskapismus pur, aber auf schönstmögliche Art.
Scott Walker
Scott
(Philips,
1967)
Es gibt starke Kontraste in der seltsamen Karriere des Scott Walker. Als erfolgreiches Teenie-Idol mit den Walker Brothers gestartet, aber des damit verbundenen Ruhmes fast sofort überdrüssig, begann er seine Solo-Karriere im Nachhall dieses Ruhmes mit Musik, die sich durch seinen sonoren Bariton, aber auch durch opulente Arrangements inklusive Orchester und gewiefter Arrangements auf den ersten Blick nicht besonders von der Musik seiner Brothers-Jahren unterschied - die sich aber inhaltlich und in ihrer interessanteren Songauswahl schon auf diesem ersten – schlicht Scott betitelten Werk - den düsteren Seiten des Lebens zuwandte. Es ist kaum vorstellbar, dass besorgte Eltern ihren Kindern verbieten würden, seiner Version von Tim Hardin's „The Lady Came From Baltimore“ zu lauschen – oder einer Eigenkomposition wie „Montague Terrace (In Blue)“ - mag die melodisch und thematisch noch so gewagt sein.... denn Scott war ja immerhin vor einem halben Jahr noch der Sänger der Walker Brothers gewesen. Und dass Walker mit Jacques Brel ein Idol entdeckt hatte, über das er sagte: „He is the most significant singer-songwriter in the world“, dürfte auch nicht kontrovers gewesen sein – trotz Dunkelheit und sogar Unanständigkeiten in den ins englische übersetzten Texten von „Mathilde“, „My Death“ oder „Amsterdam“. Er hatte einfach immer noch das Image des Boyband-Sängers, so sehr er das verabscheute. Auf jeden Fall nutzte er dieses Image, um in den folgenden Jahren drei äußerst erfolgreiche Alben zu erschaffen, die Kunst und Kommerzialität aufs vorteilhafteste vereinen – und ein viertes zu machen, dass diese Rezeptur weiterführt in eine Richtung, die ihn dann über den Zeitraum von ein paar Jahrzehnten zur extremen Kompromisslosigkeit führen würde. Und was ist Scott nun? Ein wunderschönes Album mit stark orchestrierter und arrangierter Musik, die Chanson, Pop und Pathos auf's angenehmste verbindet, ein Singer/Songwriter Album, das später so unterschiedliche Musiker wie Marc Almond, Neil Hannon und Jarvis Cocker beeinflussen würde – und der erste Schritt Scott Walkers Richtung künstlerischer Freiheit.
Und jetzt noch drei Alben, die unbekanntere Künstler vorstellen, die aber IMO mehr Beachtung verdient hätten...
Jake Holmes
The Above Ground Sound of Jake Holmes
(Tower,
1967)
Jake Holmes hat seinen Anteil an der Unsterblichkeit allein schon aufgrund der Tatsache, dass er derjenige ist, der „Dazed and Confused“ schrieb – den Song, der dann von Led Zeppelin gecovert wurde, allerdings ohne dass die es für nötig hielten, den Autor zu erwähnen. Das Original ist eine echtes Psychedelic-Folk Kleinod, das der weit berühmteren Version der Heavy Rock Erfinder in gewisser Weise sogar überlegen ist.. Der Opener des Debüt-Albums schlägt in dieselbe Kerbe, „Genuine Imitation Life“ ist ein Song, der zuvor durch die Four Seasons berühmt geworden war und der hier die "psychedelic" Behandlung bekommt, die das Album so erstaunlich eigenständig klingen lässt. The Above Ground Sound of Jake Holmes lässt an Tim Buckley denken – Holmes ist aber bei weitem kein so virtuoser Sänger wie sein Zeitgenosse, dafür aber unterwirft sich das Songwriting nicht der Gesangstechnik. „She Belongs to Me“ und „Too long“ sind ruhige und schöne Balladen, die Stimmung des Albums ist positiver, weniger kontemplativ als die von Goodbye and Hello etwa, und es sind neben den genannten noch etliche gute Songs dabei, The Above Ground Sound... ist weit konziser und unterhaltsamer, als man es ob seiner Obskurität vermuten würde. Holmes machte noch ein paar durchaus hörenswerte Alben (das folgende A Letter to Katherine December und auch das 70er Album Jake Holmes ) und arbeitete als Co-Komponist bei Frank Sinatra's unterschätztem '70er Album Watertown, eher er dann später als Verfasser von Werbe-Jingles sehr erfolgreich wurde. Sein Songwriting gab er nie auf und 2000 veröffentlichte er ein politisches Album samt Anti-Bush Song. Seine Musik verdient die Wiederentdeckung.
Jerry Moore
Life Is a Constant Journey Home
(ESP,
1967)
Auch einer der Musiker, der leider irgendwann komplett in Vergessenheit geriet. Jerry Moore, gelernter Gitarrist, Organist und Sänger trat Mitte der Sechziger regelmäßig im Greenwich Village auf und wurde dort vom Folk Musiker Randy Burns entdeckt, der ihm einen Vertrag beim Kult-Label ESP vermittelte. Zu den Aufnahmen von Life is a Constant Journey Home wurden etliche fähige Musiker eingeladen, unter ihnen Jazz-Gitarrist Eric Gale. Das Songmaterial irgendwo zwischen Soul und Folk ist stark – der Titelsong hat wunderbaren Flow, „The Ballad of Birmingham“ prangert das Bombenattentat des Ku Klux Klan in Alabama an, bei dem vier Schulkinder umkamen. Moore gibt sehr überzeugend den politisch engagierten Folk-Sänger, der sich gegen Unrecht einsetzt, der aber auch Hoffnung vermittelt ("Winds of Change“ - der Titel mag ja peinlich besetzt sein...) und er überzeugt auch und vor Allem als Sänger mit einer Stimme irgendwo zwischen Tim Buckley und dem stilistisch verwandten Terry Callier – soulful und folky eben – mal mit erdig akustischem Sound, mal mit psychedelischen Einflüssen. Dass das Album wenig Beachtung fand, ist vor Allem der Tatsache geschuldet, dass ESP zwar ein Label ist, auf dem interessante und abenteuerliche Alben erschienen (Moore gehört zu den bei weitem „normalsten“ Musikern – im Vergleich zu Bands wie den Godz etwa oder dem Free Jazz den sie im Programm hatten...), der Vertrieb der Alben aber war schwierig und Promotion fand quasi nicht statt. Moore nahm kein weiteres Album auf, wurde Strassenprediger und verschwand dann komplett von der Bildfläche. Sein einziges Album ist inzwischen nach seiner Wiederentdeckung durch die „Free Folk Community“ der 00er Jahre wieder erhältlich
Tim Rose
s/t
(Columbia,
1967)
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