Eines als Einführung: Für den Nicht-Initiierten - und dieser Blog ist auch und vor Allem an solche gerichtet - hört sich im extremen Metal vermutlich alles ziemlich gleich an - aber für einen Inuit ist Schnee ja auch nicht gleich Schnee – es scheint also Unterschiede zu geben, die man erst bei genauer Kenntnis sieht. und dieser Artikel soll nicht nur den Metal-Eskimo ansprechen. Denn wenn man sich ernsthaft mit dieser Musik befasst, und über ihre Klischee's hinwegsieht (bunte Gruselcover, Krümelmonstergesang etc.), bzw sie als Stilmittel akzeptiert, gewinnt sie an Reiz und macht großen Spaß.
Natürlich gibt es neben Slayer's Seasons in the Abyss noch etliche großartige Metal-Alben im Jahre 1990. Man muss bedenken, 1990 - das war noch vor Nirvana's Nevermind und vor dem schwarzen Album von Metallica – es war die Zeit, bevor Metal von einer breiten Masse akzeptiert wurde. Metal war tatsächlich noch „true“. Zwar waren Slayer, Metallica und Megadeth schon Bands mit ernsthaftem kommerziellem Erfolg, aber die Fortführung der Stilistik des Thrash - der Death Metal - war immer noch Underground – ein Underground, der sich allerdings schon weit entwickelt hatte und dessen main acts inzwischen bei den etablierten Labels angekommen waren (Earache und Roadrunner...), die im Laufe der kommenden Jahre mit diesen Bands zu erfolgreichen Genre-Plattenfirmen werden würden. Und diese mit dem Begriff „Death Metal“ auf einen Haufen geworfenen Bands bilden wiederum die Speerspitzen von Mikro-Genres – Technical Death Metal, schwedischer Death Metal, Doom Death etc. So sind hier unten einige wirklich visionäre Alben reviewt – etliche Death Metal Alben, die den guten Ruf der jeweiligen Band zementieren werden (Death, Entombed, Atheist) Vorläufer des Black Metal (Blasphemy) oder Viking Metal (Bathory), Thrash wie das Album von Artillery oder Forbidden, der den verdienten Erfolg von Slayer und Metallica nicht teilte weil Death Metal Acts inzwischen die Aufmerksamkeit des bisherigen Publikums auf sich lenkten, oder die Debütalben von Winter oder Psychotic Waltz, die sich stilistisch schwer einordnen lassen, die allerdings auch nicht wirklich bekannt geblieben sind, – und das beste 90er Album der alten Recken von Judas Priest, das sich vor keinem Album der ganz harten Riege verstecken muss. Kurz: Wir sind erkennbar mitten in einem der entscheidenden Jahre des (extremen) Metal, und einige der hier vorgestellten Alben mögen inzwischen unter dem immensen Haufen von Nachfolgern fast vergessen sein, aber sie haben bei genauem Hinhören die Zeit erstaunlich gut überstanden – unter anderem auch deshalb, weil sich seither im (Death und Thrash) Metal nicht wirklich viel verändert hat.
Death
Spiritual Healing
(Under
One Flag, 1990)
Die Namensgeber eines ganzen Genres – Die Band Death - war 1990 in einer Phase des Überganges. Das vorherige Album Leprosy war noch (relativ) einfach gehaltener Death Metal, auf dem folgenden Album würden sie den Schritt hin zum komplexen Technical Death Metal vollziehen. Aber nicht nur daran kann man bis heute erkennen, daß Chuck Schuldiner seinerzeit die Spitze der Entwicklungen im Death Metal inne hatte. Für Spritual Healing hatte der Egozentriker wieder einmal das Line Up verändert, - James Murphy war nun an der zweiten Gitarre, und Schuldiner ließ niemanden mehr in seine Vision von Metal hineinreden, was dazu führen würde, dass der virtuose Gitarrist Murphy bald frustriert die Band verlassen würde um zur Band Obituary zu wechseln. Letztlich war Schuldiner's Ego so groß, dass das sich immer schneller drehende Besetzungskarussell für die Musik von Death unerheblich war - die war allein Schuldiners Werk. Auf Spiritual Healing sind einige der besten (= nachvollziehbarsten) Songs der Ein-Mann Show versammelt: „Altering the Future“, „Low Life“ und der Titeltrack haben ihren Reiz genau dadurch. dass sie noch die Thrash-Riffs aus der Anfangszeit der Band haben, aber durch seltsame Tempowechsel und vertrackte Sequenzen aus alten Schemata ausbrechen. Im Vergleich zu den folgenden Alben mag Spiritual Healing schwächer sein, weil es noch relativ konventionell ist, weil insbesondere Drummer Bill Andrews den Anforderungen nicht gerecht wird, aber dieses Album ist ein wichtiger Schritt in der Entwicklung der Band und in der Entwicklung des gesamten Genres – und zugleich klingen Death schon 1990 durch Schuldiner's harschen Gesang, seine virtuoses Gitarrenspiel und die eigenartigen Songstrukturen sehr eigenständig.
Atheist
Piece of Time
(Active,
Rel.1990)
Hier ein Album, das in gewisser Weise die Musik vorwegnahm, die Death ab diesem Jahr entwickelten. Das Debüt von Atheist war sogar schon 1988 aufgenommen worden, und wurde nun - zwar mit Verspätung - veröffentlicht, sollte allerdings großen Einfluß auf die Szene haben. Piece of Time ist ein Death Metal Album mit der Ästhetik des Jazz-Rock, mit unvorhersehbaren Tempowechseln, nicht linearen Riff Progressionen und einer technischen Virtuosität, die die bis dahin im Death Metal unbekannt war. Es wurden Maßstäbe aufgestellt, denen andere, genauso abenteuerlustige Bands wie Cynic, Pestilence oder Death (die erst noch vergleichbar „progressiv“ werden sollten) erst mal gerecht werden mußten. Songs wie „Mother Man“, „Room with a View“, „On They Slay“, und „I Deny“ auf denen sich wahnsinnige Akkorde mit seltsam kargen Melodien und den gequälten Growls von Frontman Kelly Shaefer vermischen, brauchen mehrmaliges Hören um ihre Wirkung zu entfalten, aber dann zeigt sich die Klasse dieses Albums. Alben wie World Downfall oder Altars of Madness brachten im Death Metal Speed und Bösartigkeit ins Spiel, Atheist fügten ein extrem hohes musikalisches Niveau hinzu und definierten so den Technical Death Metal.
Obituary
Cause Of Death
(Roadrunner,
1990)
Ähnlich wie Death stehen Obituary synonym für amerikanischen – genauer für den Florida- Death Metal. Sie hatten mit ihrem Debüt Slowly We Rot einen Klassiker des Genres geschaffen, Cause of Death sollte keinen Deut schlechter sein. Zwar war mit Alan West ihr Gitarrist ausgestiegen, aber James Murphy von Death nahm dessen Platz gerne ein, da er neben dem egozentrischen Chuck Schuldiner bei Death keine Zukunft sah. Und er bekam hier die Gelegenheit, auf einem eigenen Album seine Ideen fließen zu lassen: Cause of Death wurde durch sein - bei Death geschultes - gewundenes Spiel einerseits und die extreme Brutalität und Schnelligkeit der Mitstreiter bei Obituary andererseits zu einer Art Hybrid aus dem Besten beider Bands. Das Spiel mit Tempowechseln, die extremen Growls von Sänger John Tardy, dessen Stimme völlig krank klang, und der damit Horden von jungen Männern zum Extrem-Growlen verführte - all das kannte man vom Debüt, aber Obituary gewannen durch diese Kombination von Elementen bei Songs wie dem Titelstück (mit einem der besten Gitarrensoli in einem DM-Song) eine neue Dimension hinzu. “Find the Arise” oder “Circle of the Tyrants” wurden zu Klassikern des Death Metal und von “Body Bag” bis “Turned Inside Out“ ist hier jeder Song ein Tribut an die letzte Wahrheit: den Tod. Womit Cause of Death ein weit „typischeres“ Death Metal Album ist, als Spiritual Healing etwa.
Nocturnus
The Key
(Earache,
1990)
Im selben Jahr, in dem Chuck Schuldiners Death sich allmählich einer komplizierteren „technischeren“ Variante des Death Metal zuwandten gab es neben Atheist noch eine Band, die diesen Schritt schon hinter sich gebracht hatte, die Death Metal, Progressiven Rock und eine gewisse Jazz-Ästhetik miteinander verband. Nocturnus aus Tampa, Fl hatten als Band in den späten 80ern begonnen, und sie hatten sofort einen recht eigenen Sound, weil sie mit Louis Panzer eine Keyboarder im Line-Up hatten - absolut unüblich bei Death Metal Bands zu Beginn der Neunziger. Dazu kamen bei ihnen Genre-untypische, okkulte Science Fiction Lyrics und unwahrscheinliche Tempowechsel innerhalb der Songs. The Key ist nicht weniger brutal und hart, als andere Veröffentlichungen dieses Genres, aber ihre Songs, die Melodieführung und der Sound der Band heben The Key sehr vom Rest der anderen Alben dieser Zeit ab. Technisch waren Nocturnus natürlich absolut auf der Höhe und in ihren Songs waren mit dämonischen Growls (von Mike Browning) und rasantem Tempo alle Trademarks des Death Metal vereint. Aber The Key ist eines der interessantesten Alben des Genres weil es sich durch seinen technoiden Klang, Keyboards und hohe Komplexität doch sehr von den „normalen“ Alben des Genres abhebt – so sehr, dass sie auch im Death Metal zu den Aussenseiter gezählt wurden. Schade, denn Songs wie „Lake of Fire“ oder das chaotische „Visions from Beyond the Grave“ haben die Zeit seit 1990 überraschend gut überstanden, erinnern manchmal an den chaotischen Black Metal von Bands wie Deathspell Omega – allerdings addiert um eine verborgene und somit überraschende Melodik.
Entombed
Left Hand Path
(Earache,
1990)
Nicht nur in Florida erreichte der Death Metal 1990 seinen ersten Gipfel. Auch der skandinavische bzw. schwedische Death Metal hatte mit Left Hand Path seinen ersten Klassiker. Im Gegensatz zu den amerikanischen Bands ist der Sound skandinavischer Bands „dreckiger“, „swingender“ und mehr am Rock'n'Roll orientiert. Bands wie Entombed vermischen Songwriting, das an Bands wie Obituary erinnert mit der punkigen Härte englischer Extrem-Metal Bands wie Napalm Death. Dazu kam bei den Skandinaviern ein für DM Bands untypischer Hang zu regelrecht melodischen Passagen – womöglich wird in Schweden ja ABBA mit der Muttermilch verabreicht.... Die Songs auf Left Hand Path waren teils schon einige Jahre alt und von ihrer Struktur recht primitiv, aber der monumentale Sound und die schiere Urgewalt mit der Songs wie „But Life Goes On“ herausgehauen wurden, machten das Album seinerzeit zu einem Ereignis in der Szene. Duale Gitarrenattacken und ein Ambientpart im Titeltrack sowie die monströsen Growls von Sänger Lars-Göran Petrov – der mit seinem kranken Organ neben sich nur noch John Tardy hatte - gaben der Musik der Schweden einen sehr eigenen Anstrich und beeinflusste eine große Anzahl anderer Bands. Schwedischer Death Metal wurde zum eigenen Markenzeichen, und Entombed wurden zum ersten Vertreter dieses Mikro-Genres.
Winter
Into Darkness
(Future
Shock, 1990)
Wenn man das einzige komplette Album der New Yorker Band Winter heute hört, dürfte es nicht mehr ganz so aussergewöhnlich klingen wie 1990. Zu dieser Zeit gab es natürlich „Doom“-Metal, es gab Bands wie Saint Vitus, es gab Celtic Frost und Bathory, die noch finsterer waren als die Klone von Black Sabbath, aber Into Darkness hat mit Black Metal und Doom nur am Rande zu tun. Das hier müsste man heute Drone/Doom Metal nennen (wenn man in einer Schublade sucht). Das Trio aus Sänger/Gitarrist John Alman, Bassist Stephen Flam und Drummer John Goncalves verlangsamten die seinerzeit üblicherweise rasanten Gitarren und Drums des Death Metal fast bis zum Stillstand, dazu „sang“ Alman einfach eine Oktav tiefer als der typische Death Metal Growler und die Band erzeugt mit ihrem monotonen, aber kraftvollen Sound eine klaustrophobische und seltsam kalte Atmosphäre, die den Bandnamen vollkommen rechtfertigt – und machten damit eine seltsam avantgardistische Version des Metal - Eine, die für mich gut nach New York passt und die sie eher ans Ende einer Reihe von NY-Noise Bands stellt – und sie auch ausserhalb der unfreiwillig komischen Grusel-Images der anderen DM Bands stellt... Die acht Minuten von „Goden“ etwa klingen wie der Marsch nach Golgatha bei Eiseskälte. Von der Zeitschrift New Yorker Village Voice wurde das Album bezeichnenderweise unter die zwanzig wichtigsten Hardcorealben der Stadt gewählt - was aus den oben genannten Gründen richtig und zugleich sehr sympathisch ist. Zwei Jahre nach seiner ersten Veröffentlichung machte das Nuclear Blast Label das Album einem „breiteren“ Publikum zugänglich. Die drei Musiker rafften sich hier und da zu Live-Shows auf, aber Into Darkness (plus vier Jahre später die EP Eternal Frost,...)blieb ihr Vermächtnis.
Megadeth
Rust In Peace
(Capitol,
1990)
Um 1990 war der Wunder-Gitarrist und cholerische Exzentriker Dave Mustain wahrscheinlich wieder einmal für kurze Zeit clean und hatte wieder ein neues Line-Up um sich versammelt um ein weiteres Album mit seiner Band Megadeth zu fabrizieren. Mit dem Gitarrenvirtuosen Und Ex-Cacaphony Member Marty Friedman, mit Bassist David Ellefson und Drummer Nick Menza hatte er einige der besten Leute ausserhalb Metallica um sich versammelt ... und die erforderliche Tagesform für den Master-Stroke. So wurde Rust in Peace zu Megadeth's bis heute bestem Album. Wie seine Intimfeinde von Metallica setzte Mustain einen Akzent auf Progressiven Thrash mit komplexen Rythmen und verspielten akustischen Parts, und konzentrierte sich auf ausgefeiltes Songwriting - mit überzeugenden Ergebnissen. Das orientalisch anmutende, epische "Hangar 18“ (über Aliens natürlich), „Holy Wars... The Punishment Due“ mit technisch extrem herausfordernden, teils akustischen Passagen, die er und Friedman anscheinend mit Links bewältigten oder das titelgebende Stück: All diese Songs wurden mit einer Finesse und Lust gespielt. Die auch derjenige erkennt, der sonst mit Metal nichts am Hut hat, und die auch dieses Album erstaunlich zeitlos klingen lassen. Hier konnte man sehen, was Mustain und Megadeth hätten sein können, wäre der Kopf der Band nicht so unberechenbar. Und interessanterweise war zum Einen das Album so gut und zum Anderen Megadeth's Stellenwert noch immer so hoch, dass das Album den verdienten kommerziellen Erfolg hatte. Ganz nebenbei: Die Coverkunst stammt - wie die von Death's Spiritual Healing - von Ed Repka. Der hat ein komplettes Genre bedient und die Vorstellung davon, wie Metal Alben aussehen für ganze Generationen von Metal-Fans geprägt.
Forbidden
Twisted Into Form
(Under
One Flag, 1990)
Nach einem guten, aber auch an manch andere Szene-Größe erinnernden Debütalbum (Forbidden Evil von 1988) kamen die San Francisco-Thrasher Forbidden mit diesem sorgfältig austarierten Werk auf eine Szene, die inzwischen stark in Bewegung war. Ihr Stil; eine clevere Mixtur aus Thrash- Dynamik und melodischem und powervollen Songs war beeindruckend eigenständig und klang wunderbar - wenn man angesichts des neuen Trends Death Metal hinhören mochte. Sie erinnerten an eine Mixtur aus Helstar und Exodus, hatten in Russ Anderson einen agilen, kraftvollen Sänger, Songs und Riffs wie geschmolzenen Metall und die beliebten wechselnden Solo-Gitarren von zwei fähigen Gitarristen. Das krachende und zugleich melodiöse “Step By Step” und der abgedrehte, komplexe Titelsong zeigen alle Stärken der Band. Dazu das muskulöse und schnelle Drumming von Paul Bostaph, der sich mit Forbidden einen Namen machte und der Songs wie dem facettenreichen “Tossed Away” viel Dynamik verpasste (und dadurch bald von etlichen namhafteren Bands umworben wurde: Zwei Jahre später holten ihn sich Slayer...) Vielleicht lag es am inzwischen deutlichern Überangebot an hervorragenden Thrash-Acts und an der Neuorientierung vieler Fans Richtung NOCH härterem Death Metal zu Beginn der 90er, vielleicht an fehlender „Härte“ im Vergleich zu anderen Aczts - Twisted Into Form wurde 1990 weniger beachtet, als die Alben der Konkurrenten, obwohl es ist definitv eines der Alben ist, an die man sich zu Recht gerne erinnern sollte – eines das neben den Klassikern von Metallica, Slayer, Anthrax und Megadeth ohne weiteres bestehen kann.
Demolition Hammer
Tortured Existence
(Century
Media, 1990)
Die New Yorker Demolition Hammer kommen mit ihrem Debüt Tortured Existence. leider ca. drei Jahre zu spät auf eine Szene, die sich langsam aufzulösen beginnt. Gestartet waren sie ab 1988 mit diversen im Underground zirkulierenden Demo's mit Thrash Metal in der Art, wie man ihn sich von Slayer gewünscht hätte: Sie setzten auf Härte und ließen dafür vordergründige Filigranität außen vor. In der Tat ist es nicht so, dass Tortured Existence primitiv eingeprügelt wurde, aber Demolition Hammer spielen einen „proletarischen“ Thrash, wie man ihn vielleicht aus den New Yorker Projects erwarten würde. Thrash mit ausgestrecktem Mittelfinger sozusagen. Der Gesang wird vom Bassisten Steve Reynolds übernommen - einem Front-Shouter, dessen Organ die notwendige Wut mit entsprechender Vehemenz transportiert - und teilweise durch sogenannten „Riot-Vocals“ ergänzt (= Choreinsatz der ganzen Band). Die Gitarristen Derek Sykes und James Reilly sind virtuos und spielen zugleich banddienlich und mit dem Band-Logo Zeichner und Tattoo-Künstler Vinny Daze hatten sie einen ganz hervorragenden Drummer der leider fünf Jahre später an einer Kugelfisch-Vergiftung sterben würde. Und die Songs sind bei aller Urgewalt auch noch abwechslungsreich, werden immer wieder durch einfallsreiche Breaks und Soli unterbrochen und bekommen durch die dazwischen gebrüllten Riot Vocals etwas anthemisches. Dazu mindestens eigenwillige Lyrics über Umweltkatastrophen, medizinische Experimente und Seuchenausbrüche – wie es sich seit Slayer eben so gehört. Beste Beispiele unter gleichen: „Gelid Remains“ und „Infectious Hospital Waste“. Seinerzeit mag auch Tortured Existence nicht den verdienten Erfolg gehabt haben – insbesondere weil Thrash im neuen Jahrzehnt regelrecht implodierte, aber über die Jahre hat die Band mit diesem und dem Nachfolge-Album zu recht einen gewissen Kult-Status erreicht – und das ist im Metal bekanntermaßen einiges wert....
Kreator
Coma of Souls
(Epic,
1990)
Von Beginn an ist die Sprache des Thrash und Death Metal eine erstaunlich internationale: Metal kommt auf der ganzen Welt vor und Unterschiede zwischen Nordamerikanern und Briten und den Bands aus Südamerika, Skandinavien, Ost- oder Westeuropa sind, was Qualität und/oder Härte angeht, nicht erkennbar. Metal – eine Musik, die eigentlich als recht konservativ gilt - ist überraschend wenig von der Herkunft ihrer Ausführenden geprägt und ihre Fans somit schon zu einer gewissen Weltoffenheit gezwungen. Da sind zum Beispiel die deutschen Thrasher Kreator - in der Heimat schnell respektiert und im Ausland auch bald anerkannt - und in den 80ies und frühen 90ies eine der konsistentesten Bands des Genres. All iher Alben von Pleasure to Kill bis Coma of Souls enthalten äußerst unterhaltsamen und eigenständigen Thrash Metal. der eindeutig Kreator war und die Band in beständiger Entwicklung zeigt. Coma of Souls war die bis dahin am besten produzierte Platte der Band - sie hatten in den Jahren eine gewisse Subtilität erlernt, bombardierten den Hörer nicht mehr nur mit purer Agressivität. Hier sind sie in Topform, sie spielen variabel, mit ihren typischen, stakkatohaften Riffs und mit dem giftigen Gesang von Mille Petrozza. Die erste Hälfte des Albums enthält Killer wie „When the Sun Burns Red“, „Coma of Souls“, „People of the Lie“ und „Terror Zone“ Drummer Ventor hatte internationales Format und Petrozza zeigte, dass er neben seinen Shouter-Fähigkeiten auch ein hervorragender Gitarrist war. Extreme Aggression aus dem Vorjahr ist das einzige Album, das Coma of Souls den Platz an der Spitze der Diskographie Kreators stretig machen kann. Auf jeden Fall waren Kreator zu Beginn der Neunziger Deutschlands beste Thrasher.
Artillery
By Inheritance
(Roadracer,
1990)
By Inheritance von der dänischen Thrash Band Artillery ist ein weiteres Thrash-Album, das aus der Masse der Veröffentlichungen des Jahres 1990 heraussticht. Dabei sind die Einflüsse der Band deutlich herauszuhören, insbesondere Iron Maiden zur Zeit von Powerslave waren mit orientalisch anmutenden Melodiebögen und den theatralischen Vocals von Flemming Ronsdorf als Vorbilder erkennbar. Die paar Hardcore- Fans der Band waren mit der Richtung, die sie hier einschlugen zunächst garnicht einverstanden und auch in der Band selber war man sich zunächst wohl nicht einig über den Kurs, aber schnell wurden einige der Songs zu kleinen Klassikern. „Khomaniac“ und „Beneath the Clay (R.I.P.)“ sowie der Titeltrack sind Thrash in Perfektion, mit halsbrecherisch komplexen und zugleich eingängigen Riffs und mit ruhigeren Passagen, die für Abwechslung sorgen ("Don't Believe"). Und auch die Produktion von Fleming Rasmussen war glasklar – etwas, das seinerzeit bei den Thrash-Bands der zweiten Reihe nicht selbstverständlich war. Kurz: By Inheritance ist ein hervorragendes Album, das etwas in Vergessenheit geriet, das aber seinen Kult-Status zu Recht verdient. Die Band löste sich danach auf, kehrte Jahre später wieder zurück, aber ein besseres Album gelang ihnen nicht mehr, und es hat seinen Platz hier redllich verdient, weil es auch qualitativ neben Alben wie Rust in Peace und Twisted Into Form passt.
Bathory
Hammerheart
(Noise,
1990)
Hammerheart ist ein Album, wie es die albernen Manowar gerne gemacht hätten - mit klischeehaften Wikinger-Texten, epischen Songstrukturen und einer Intensität, die es zum (vor)letzten wirklich großen Werk von Bathory machen sollte, und die Bandkopf Quorthon zum „Miterfinder“ eines weiteren Genres (neben dem Black Metal auf den ersten drei Alben) machten. Der Viking-Metal auf Hammerheart würde Legionen von jungen Musikern in Skandinavien beeinflussen und er findet sich zehn Jahre später bei Bands wie den großen Moonsorrow wieder. Quothorn erwies sich hier als DER Komponist im epischen Viking-Metal, mit einer Atmosphäre die den Hörer sofort an die Ruder eines Wikingeschiffes versetzte. Das Album ist hervorragend produziert und gespielt, mit sieben klassischen Songs. „Shores in Flames“ als bombastischem Opener, dem massiven Felsklotz „Baptised in Fire and Ice“ und dem Gitarrenmonster „Father and Son“- archetypischer Viking-Metal. Man rauscht auf gleichbleibend hohem Niveau über die kalte See Skandinaviens und kein Song lässt das Schiff auf Grund laufen. Quothorn mag später einige seltsame und enttäuschende Alben gemacht haben, aber nachdem er den Black Metal mit Under the Sign of the Black Mark mindestens mitdefiniert hatte, baute er sich mit diesem Album und mit dem Nachfolger Twilight of the Gods (von '91) - ein unantastbares Denkmal.
Blasphemy
Fallen Angel of Doom
(Wild
Rags Rec., 1990)
Blasphemy's Fallen Angel of Doom war wohl eine Reaktion auf die Situation, in der Death Metal Anfang der Neunziger war. Diese Musik stand für Hardcore-Fans der ersten Stunde an der Schwelle zur Weltherrschaft – und damit an der Schwelle zum Ausverkauf. Die „echten“ Fans des Genres befürchteten die „mainstreamisierung“ ihrer Musik, und so entstand in Kanada mit Blasphemy eine Band, die finsteren Primitivismus hochhielt, die technische Standards zurücksetzte und darauf setzte, noch böser, kränker und teuflischer zu klingen, als ihre Vorbilder es vor ein paar Jahren getan hatten. Dass sie damit den Black Metal vorwegnahmen, der dann auch in ein paar Jahren etabliert sein würde, dürfte ihnen nicht bewusst gewesen sein, obwohl sie nicht die ersten mit dieser Haltung waren. Da gab es noch die Brasilianer Sarcofago und natürlich die drei Alben von Bathory, aber Blasphemy sind noch näher am Black Metal von Darkthrone und Burzum, als ihre anderen Zeitgenossen – und zugleich ist ihnen die Kenntnis von Thrash und Death-Metal anzuhören. Fallen Angel of Doom ist bei einer Spielzeit von gerade mal einer halben Stunde ein Album voller evil vibes, angetrieben von ratternden Drums, finsteren Gitarrenriffs, dumpfem Bassgrollen und satanischem Gift. Der „Sänger“ kreischt nicht, wie man es dann im Black Metal kennenlerenen wird, er würgt und kotzt vielmehr seine hasserfüllten Botschaften aus – und dabei klingt die Band tatsächlich weit boshafter und konsequenter, als die Death Metal Bands der Stunde. Dass sie die Musik ihrer verhassten Konkurrenten verachteten, hielt Blasphemy klugerweise nicht davon ab, hin und wieder das Tempo herunterzufahren, um den einen oder anderen erkennbaren Riff (siehe etwa „Goddess of Perversity“) aus der Suppe auftauchen zu lassen. Aber dann rasen wieder Songs wie „Darkness Prevails“ los - dabei fließt das Album erstaunlich abwechslungsreich vorbei – für diese Musik jedenfalls. Der Kult, der um Blasphemy entstand, ist massiv, Fallen Angel of Doom ist ein ökonomisch zusammengepresstes Meisterwerk voller hasserfüllter Energie, völlig konsequent und absolut unkommerziell. Der '93er Nachfolger Gods of War konnte gar nicht so gut werden, wie dieses Album, nach einem solchen Energieschub war die Band ausgepumpt. Wie sagt man so schön in diesen Kreisen: „Raise your blood filled goat horn and drink deep“
Psychotic Waltz
A Social Grace
(Rising
Sun, 1990)
Die Art progressive Thrash, die Psychotic Waltz auf ihrem Debut A Social Grace kreierten, ist bis heute einzigartig geblieben. Fate's Warning kann man als einzige Band benennen, die ihnen zu Beginn ihrer Karriere nahekam, aber die Band um den genialen, durch seinen „high pitched“ Gesang polarisiernden Buddy Lackey spielt eine völlig eigenständige Art Hippie Metal, der geprägt ist durch komplexes, orientalisch anmutendes Songwriting, überraschende Tempowechsel, teils ziemlich thrashige Passagen die sich mit akustischen Zwischenspielen abwechseln. Die Gitarristen Brian McAlpin und Dan Rock kreierten ungeheuer komplexe Riffs, die aber zugleich überraschend catchy waren. Da ist die von Jethro Tull beeinflusste Ballade „Remember“, natürlich mit einem Querflötensolo vom Multi-Instrumentalisten Lackey, da ist das atmosphärische „Sleeping Dogs“, das auf die späteren, etwas weniger thrashigen Alben verweist, oder das auf einer monströsen Basslinie basierende „Spiral Tower“. Das Album ging 1990 trotz guter Kritiken unter wie ein Stein, aber Psychotic Waltz sollten noch drei weitere hervorragenden Alben machen und im Laufe der Zeit aufgrund ihrer Einzigartigkeit zu Recht eine immer bessere Reputation bekommen. Aber dennoch: A Social Grace ist schon ziemlich speziell...
Judas Priest
Painkiller
(Columbia,
1990)
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